Entscheidungstheorie (Fach) / Vorlesung XI: Entscheidung bei Risiko und einem Ziel (Lektion)
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Entscheidung bei Risiko und einem Ziel
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- Grundbegriffe der Nutzentheorie - Sicherheitsäquivalent (SÄ) SÄ stellt die sichere Konsequenz dar, bei der der Entscheider indifferent zwischen Lotterie a und SÄ(a) ist, d.h. u(SÄ(a)) = Eu(a) aus dem Vollständigkeitsaxiom folgt, dass der Entscheider zu jeder Lotterie ein SÄ angeben kann Voraussetzung: stetige Konsequenzenmenge SÄ jeder Lotterie lässt sich aus u(x) ableiten: SÄ(a) = u-1(Eu(a))
- Grundbegriffe der Nutzentheorie - Risikoeinstellung beschreibt auf allgemeiner Ebene das Entscheidungsverhalten bei Risiko von Entscheidern SÄ wird dem EW der Lotterie gegenübergestellt, um die sog. Risikoprämie (RP) zu berechnen RP(a) = EW(a) - SÄ(a) Bsp.: Entscheider gibt zur Lotterie (100€, 0,5; 0€, 0,5) ein SÄ von 40€ an RP = (100€ * 0,5 + 0€ * 0,5) - 40€ = 10€ für risikoscheue Entscheider stellt RP denjenigen Betrag dar, auf den er ausgehend vom EW zu verzichten bereit ist, um das SÄ mit Sicherheit zu erhalten für monoton steigende u(x) gilt: RP > 0 risikoscheu RP < 0 risikofreudig RP = 0 risikoneutral für monoton fallende u(x) gilt: RP > 0 risikofreudig RP < 0 risikoscheu RP = 0 risikoneutral lässt sich auch anhand der Krümmung von u(x) bestimmen: konkav risikoscheu konvex risikofreudig linear risikoneutral kann für identische Entscheidungsprobleme von Entscheider zu Entscheider unterschiedlich sein auch derselbe Entscheider kann je nach Entscheidungssituation eine unterschiedliche Risikoeinstellung haben Bsp.: derselbe Entscheider - hat zahlreiche Versicherungen (risikoscheu) - spielt Lotto (risikofreudig) Risikoeinstellung muss daher für jede Entscheidungssituation und für jeden Entscheider neu bestimmt werden
- Grundbegriffe der Nutzentheorie - Risikoeinstellungsmaß von Arrow und Pratt exaktes Maß zur Quantifizierung der Risikoeinstellung absolutes Arrow-Prattsches Risikoeinstellungsmaß: r(x) = - u´´(x) / u´(x) absolutes Risikoeinstellungsmaß, weil es nicht zu den Konsequenzen der Lotterie in Relation gesetzt wird relatives Arrow-Prattsches Risikoeinstellungsmaß: r*(x) = r(x) * x = [- u´´(x) / u´(x)] * x wird auch proportionale Risikoeinstellung genannt für monoton steigende u(x) gilt: r(x) > 0 risikoscheu r(x) < 0 risikofreudig r(x) = 0 risikoneutral für monoton fallende u(x) gilt: r(x) > 0 risikofreudig r(x) < 0 risikoscheu r(x) = 0 risikoneutral r(x) und r*(x) werden in der Finanzierungstheorie oft gebraucht, um das Risikoverhalten von Anlegern zu charakterisieren man geht davon aus, dass der Grenznutzen des Geldes positiv ist, der Grenznutzen mit steigenden Geldbeträge abnimmt, i.d.R. fallende absolute Risikoaversion vorliegt, i.d.R. konstante relative Risikoaversion vorliegt außerdem gilt der folgende Zusammenhang: RP ≈ 0,5 * Var(Lotterie) * r(SÄ), d.h. je größer die Varianz, desto größer die Risikoprämie
- Grundbegriffe der Nutzentheorie - Risikoeinstellungsmaß von Arrow und Pratt (Beispiel) Bsp. zu absoluter Risikoaversion Entscheider gibt zur Lotterie a = (100, 0,5; 0€, 0,5) ein SÄ von 40€ an dann soll er für Lotterie b = (1.100€, 0,5; 1.000€, 0,5) sein SÄ angeben bei SÄ(b) = 1.040€ konstante absolute Risikoaversion bei SÄ(b) < 1.040€ steigende absolute Risikoaversion bei SÄ(b) > 1.040€ fallende absolute Risikoaversion Bsp. zu relativer Risikoaversion Anleger kann Vermögen in eine sichere und eine riskante Anlage investieren bei konstanter relativer Risikoaversion: Aufteilung unabhängig von der Höhe des investierten Vermögens bei fallender relativer Risikoaversion: Anleger investiert bei steigendem Vermögen mehr in riskante Anlage bei steigender relativer Risikoaversion: Anleger investiert bei steigendem Vermögen weniger in riskante Anlage
- Grundbegriffe der Nutzentheorie - Risikoeinstellung einiger wichtiger Nutzenfunktionen exponentielle Nutzenfunktion u(x) = α + βe-cx mit c > 0 und β< 0 konstante absolute und steigende relative Risikoaversion quadratische Nutzenfunktion u(x) = α+ βx -γx2 mit β, γ> 0, x ≤ β/2γ steigende absolute und steigende relative Risikoaversion ungeeignet zur Abbildung menschlichen Verhaltens logarithmische Nutzenfunktion u(x) = α+ βlog(x) mit β> 0 abnehmende absolute und konstante relative Risikoaversion
- Bestimmung der Nutzenfunktion - Basis-Referenz-Lotterie Nutzenfunktion wird durch Beurteilung einfacher, riskanter Alternativen ermittelt Grundlage der meisten Verfahren ist die Basis-Referenz-Lotterie (BRL) und deren SÄ* es gilt: EU(BRL) = p * u(x+) + (1-p) * u(x-) = u(SÄ*) da u(x+) = 1 und u(x-) = 0 kann man dies vereinfachen zu: EU(BRL) = p = u(SÄ*) Methoden zur Ermittlung von u(x) unterscheiden sich dadurch, ob gefragt wird nach p, x+ bzw. x- SÄ* Über EU(BRL) = p = u(SÄ*) erhält man Stützpunkte von u(x)
- Bestimmung der Nutzenfunktion - Basis-Referenz-Lotterie (Mittelwert-Kettungs-Methode) Erinnert stark an die Halbierungsmethode (Wertfunktionen) Vorgehensweise: Entscheider wird nach SÄ(x-, 0,5; x+, 0,5) gefragt angegebener Wert entspricht x0,5 mit u(x0,5) = 0,5 dann wird nach SÄ(x-, 0,5; x0,5, 0,5) und SÄ(x0,5, 0,5; x+, 0,5) gefragt Antworten entsprechen x0,25 und x0,75 mit u(x0,25) = 0,25 und u(x0,75) = 0,75 Konsistenzprüfung, z.B. ist SÄ(x0,25, 0,5; x0,75, 0,5) = x0,5? Skizze
- Bestimmung der Nutzenfunktion - Basis-Referenz-Lotterie (Fraktilmethode) Konsequenzen der BRL bleiben konstant, Wahrscheinlichkeiten werden geändert i.d.R. wird nach SÄ * für p = 0,8, 0,6, 0,4 und 0,2 gefragt Antwort für p = 0,8 entspricht x0,8 mit u(x0,8) = 0,8 analog für p = 0,6, 0,4 und 0,2 Konsistenzprüfung: Kombination mit Mittelwert-Kettungs-Methode, z.B. ist SÄ(x0,4, 0,5; x0,8, 0,5) = x0,6? Skizze
- Bestimmung der Nutzenfunktion - Basis-Referenz-Lotterie (Methoden) 3 Methoden: Mittelwert-Kettungs-Methode Fraktilmethode Methode variabler Wahrscheinlichkeit
- Bestimmung der Nutzenfunktion - Basis-Referenz-Lotterie (Methode variabler Wahrscheinlichkeiten) Methode variabler Wahrscheinlichkeiten Konsequenzen der BRL und SÄ werden vorgegeben • ntscheider muss p so festlegen, dass gilt: BRL ~ SÄ daraus folgt: p = u(SÄ) als SÄ werden möglichst äquidistante Werte zwischen x+ und x- gewählt d.h. Stützstellen xi, i = 1, …, n; xi = ((x+-x-) / (n+1)) * i + x- = x- + i * ((x+-x-) / (n+1)) Konsistenzprüfung Skizze
- Bestimmung der Nutzenfunktion - Basis-Referenz-Lotterie (Stärken und Nachteile der Methoden) Mittelwert-Kettungs-Methode + benutzt nur 50-50-Lotterien, die für Entscheider sehr eingängig sind + beliebiger Grad an Präzision durch weitere Halbierungen + einfache Möglichkeit der Konsistenzprüfung - systematische Verzerrungen, da fehlerhafte Antworten fortgeführt werden Fraktilmethode + Konsequenzen der Lotterie bleiben während der Befragung konstant + keine systematische Verzerrungen, da fehlerhafte Antworten nicht fortgeführt werden - benutzt nur nicht 50-50Lotterien, so dass relativ hohe Anforderungen an die Informationsverarbeitungskapazitätdes Entscheiders gestellt werden Methode variabler Wahrscheinlichkeiten + gut anwendbar, wenn die Konsequenzen auf nicht-kontinuierlichenSkalen definiert sind + keine systematische Verzerrungen, da fehlerhafte Antworten nicht fortgeführt werden - benutzt nur nicht 50-50-Lotterien, so dass relativ hohe Anforderungen an die Informationsverarbeitungskapazitätdes Entscheiders gestellt werden
- Bestimmung der Nutzenfunktion - Basis-Referenz-Lotterie (anhand der Risikoeinstellung) Prinzip: Einschränkung der möglichen Nutzenfunktionen durch Berücksichtigung der Risikoeinstellung Beispiel: konkav, monoton, u(x*) bekannt „konstante absolute Risikoaversion“ u(x) = α + β·e-c·x, r(x) = c > 0, β < 0. bekannt: (10€, 0,5; 0€, 0,5) ~ 3,8€ Rechnung: Hinweis: u(0€) = 0 und u (10€) = 1 c ≈ 0,1; α = 1,58; β= -1,58 EU(a) = 0,5 [α+ βe-c*10] + 0,5 [α+ βe-c*0] = α+ βe-c*3,8 <=> 0,5 * e-c*10–e-c*3,8+ 0,5 = 0 u(x) = (1-e-c*(x-xmin/xmax-xmin) ) / (1-e-c) Es gilt: u(xmax) = 1, u(xmin) = 0 Aussage: Aus (xmin, p; xmax, 1-p) ~ 0,5 * (xmin + xmax) folgt c = 2 * ln(1/p - 1)
- Berechnung der optimalen Alternative wenn u(x) bestimmt worden ist, - lassen sich Alternativen auf dieser Grundlage ordnen - lässt sich die optimale Alternative ermitteln Berechnung der optimalen Alternative hängt von der gewählten Darstellungsform ab 1.einstufig 2.mehrstufig bei einstufigen Entscheidungen und endlicher Anzahl von Konsequenzen gilt: EU(a) = Σpi * u(ai) - Entscheidungsmatrix bei mehrstufigen Entscheidungen wird häufig die Darstellung in einem Entscheidungsbaum gewählt
- Berechnung der optimalen Alternative (optimale Strategie) Achtung: wegen linearer Nutzenfunktion kann auf Basis des Erwartungswertes entschieden werden! der Erwartungswert dieser Strategie beträgt 180.000€ (0,400) abzgl. des Preises für den Test bis zu einem Preis für den Test in Höhe von 79.800€ führe seismischen Test durch - wenn Testergebnis günstig, sollte Bohrung stattfinden - wenn Testergebnis ungünstig, sollte auf Bohrung verzichtet werden - dann Alternative „kein Test/Landverkauf“ 100.200€ (0,286) profitabler wichtig: Roll-back-Verfahren - ermittelt nur optimale Strategie - erlaubt keine Aussagen über die Rangfolge der anderen Strategien - Axiome sind unabdingbar!
- Berechnung der optimalen Alternative (unendliche Konsequenzenmenge bzw. stetige Verteilungen) (von Klausur ausgeschlossen) häufig hat man es mit unendlicher Konsequenzenmengebzw. mit stetigen Verteilungen zu tun Bsp.: Kapitalmarkttheorie setzt normalverteilte und damit stetige Rendite einer Aktie voraus bei stetiger Verteilung gilt: EU(a) = ∫ u(x) * P' (x) *dx P´(x) = Dichtefunktion der Verteilung der Konsequenzen der Alternative a Berechnung von Eu(a) ist insb. bei stückweiser linearer und bei exponentieller Nutzenfunktion relativ einfach Spezialfall: Konsequenzen normalverteilt, exponentielle Nutzenfunktion Eu(a) = u(EW(a) -½ · c · Var(a))
- Berechnung der optimalen Alternative (Erwartungswert-Varianz-Regel) Eu(a) = u(EW(a) - 1/2·c·Var(a)) μ= EW(a) σ= Var(a) Beispiel: Auswahl eines Investitionsportfolios
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- Nutzentheorie und Risiko Zusammenhang zwischen Wert-und Nutzenfunktion Risiko-und Wertvorstellungen sind im Nutzenkalkül untrennbar miteinander verwoben Folge: „risikoscheu“ bedeutet nicht notwendigerweise, dass der Entscheider das „Risiko scheut“ Grund für konkaven Verlauf von u(x) kann sein - konkaver Verlauf der Wertfunktion, d.h. abnehmender Grenzwert von steigenden sicheren Werten - „echte“ scheu vor Risikosituationen, d.h. intrinsische Risikoscheu Wertfunktion in Grafik über Nutzenfunktion = intrinsisch risikofreudig Wertfunktion in Grafik unter Nutzenfunktion = intrinsisch risikoscheu