organisationssoziologie (Fach) / Organisationssoziologie (Lektion)
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Heinze
Diese Lektion wurde von LauraKraemling erstellt.
- Wieso benutzt Coleman den Begriff Korporativer Akteur? Coleman verwendet den Begriff „korporativer Akteur“ und nicht„Organisation“, um deutlich zu machen, dass es eine nach innen und außen handlungsfähige Einheit ist, die zweckgerichtet handelt.
- Coleman unterscheidet „alte“ von „neuen“ Korporationen: In „neuen Korporationen“ findet neuer Typus von sozialer Rolle Verbreitung: natürliche Personen handeln im Auftrag von juristischen Personen (= korporative Akteure) Während das Leben natürlicher Personen in den alten Korporationen vollständig aufgeht (Vollinklusion), stellt ihre Tätigkeit in den neuen nur noch einen Teilaspekt ihres ganzen Lebens dar (Teilinklusion).
- Es findet eine Übertragung von individuellen Rechten und Einflussmöglichkeiten auf korporative Akteure statt: Individuelle Rechte und Einflussmöglichkeiten werden zur Herstellung korporativer Entscheidungsfähigkeit an korporative Akteure delegiert. -AktiengesellschaIen (einfache Mehrheit) -Bundestag (einfache Mehrheit, verfassungsgebende Mehrheit) -Vereinte NaBonen (Veto im Sicherheitsrat) Zunahme von Gesetzen zum Schutz persönlicher Daten zeigt, dass korporative Akteure von Informationen über natürliche Personen in einer Weise Gebrauch gemacht haben, die deren Interessen verletzen.
- Weshalb werden natürliche Personen immer bedeutungloser? ,weil sie als Positionsinhaber strukturell ersetzbar sind.
- Neue Korporationen werden in zunehmendem Maße dazu ermächtigt, Verantwortung für natürliche Personen zu übernehmen. Beispiele? Arbeitslosenversicherung Kranken- und Pflegeversicherun Kündigungsschutz Mutterschutz, Elternzeit
- Durch die globale Verbreitung korporativer Akteure entstehen neue Risiken für natürliche Personen: Wahrscheinlichkeit für Verletzung, Krankheit oder sogar Tod steigt. Korporative Akteure erzeugen umfassendere und weitreichendere Konsequenzen als das Handeln von natürlichen Personen. KorporaBven Akteuren fehlt jene durch Sozialisation gelernte Innensteuerung und VerhaltensregulaBon von natürlichen Personen
- Wer trägt Verantwortung für das Handeln korporativer Akteure? Coleman: zur Beantwortung müssen Konflikpälle, insbesondere gerichtliche Auseinandersetzungen analysiert werden. Analyse muss berücksichtigen, dass Korporationen vor dem Gesetz als einheitliche Personen behandelt werden, de facto aber komplexe und hochdifferenzierte Strukturen sind
- Beispiel für die Verantwortungsübernahme von Korporativen Akteuren! Bsp. Automodell Pinto der Ford Motor Company: Gegenstand des Konflikts: Dämmung zwischen Insassen und Benzintank ungenügend mit der Folge von Bränden bei Auffahrunfällen Gerichtsurteil: Ford haIet als Unternehmen für Konstruktionsfehler. Begründung: Konstrukteure und Ingenieure von Ford hatten eine zusätzliche Schutzdämmung erwogen, sich aber nach einer Kosten-‐Nutzen-‐Analyse dagegen entschieden. Interpretaion: Urteil entspricht dem Common Law, demzufolge der Auftraggeber(Ford) und nicht der Beauftrage (Konstrukteure und Ingenieure) haftbar ist, wenn das Gebot umsichtigen Handelns verletzt wird.
- Korporatiove Akteure und Verantwortung: Bsp. General Electric, Westinghouse: Gegenstand des Konflikts: Absprachen über die Preise elektrischer Turbinen Gerichtsurteil: Firmen wurden für schuldig befunden, aber auch leitende Angestellte wegen krimineller Verstöße. Begründung: es ist inakzeptabel für leitende Angestellte, sich damit verteidigen zu wollen, dass Handlungen des Unternehmens ohne ihr Wissen unternommen wurden; die Manager hätten es wissen können. Aktionäre bleiben als Eigentümer straffrei; das Prinzip der begrenzten Haftungbedeutet, dass Aktionäre sowohl vor Zivilprozessen als auch vor strafrechtlichen Anklagen geschützt sind.
- Verallgemeinerungsfähige Aussagen zur Zurechnung von Verantwortung: zwei wesentliche Fragen: In welchem Maße war die natürliche Person bzw. der korporative Akteur dafür verantwortlich, die Handlung auszulösen oder auszuführen? Wusste jemand von der Entscheidung? Konnte man ein Eingreifen billigerweise erwarten?
- Was sind Gesellschaftliche Anpassungsstrategien gegen die neue Macht der Korporativen Akteuere? GegenkräIen etablieren und stärken (z.B. Gewerkschaften,Verbraucherschutzzentralen, Umweltschutzorganisationen) Schlichtungsverfahren in Organisationen einführen (z.B. Personal- und Betriebsräte, Ombudsleute Rechte auf natürliche Personen zurückverlagern (z.B. Schulgutscheine für Eltern) Korporative Akteure an natürliche Personen annähern (z.B.Verkleinerung, Dezentralisierung, überlappende Verantwortlichkeiten)
- Was sind die Merkmale legal- rationaler Organisationen? Kompetenzordnung: feste Verteilung der für die Zwecke des bürokratisch beherrschten Gebildes erforderlichen Tätigkei ten alsamtliche Pflichten Prinzip der Amtshierarchie und des Instanzenzugs Amtsführung beruht auf Schriftstücken und sie findet in einem Büro statt, das von der Privatbehausung strikt getrennt ist Amtsführung erfolgt nach allgemeinen, erlernbaren Regeln Amtstätigkeit setzt eine eingehende Fachschulung und Fachprüfungen voraus Amtstätigkeit ist Beruf Eintritt in das Amt gilt als Übernahme einer spezifischen Amtstreuepflicht gegen Gewährung einer gesicherten Existenz Der Eintritt in das Amt erfolgt unbefristet Beamter bezieht eine Geldentlohnung in Form eines festen Gehalts und Alterssicherung durch Pension Beamter erfährt eine seinem Rang entsprechende soziale Schätzung
- Abgrenzung zu traditionaler und charismatischer Herrschaft Folgebereitschaft und Legitimität Charismatische HerrschaI basiert auf außeralltäglicher Begabung, sie muss durch Bewährung laufend erneuert werden. Traditionale HerrschaI basiert auf heiliger und überlieferter Traditoon. Sie ist mit Verwaltungsstab Sultanismus und Patrimonialismus. Ständische HerrschaI ist patrimoniale HerrschaI mit Aneignung ökonomischer Chancen.
- Abgrenzung zu traditionaler und charismatischer Herrschaft Irrationalität von Charisma und Tradition Charismatische HerrschaI: keine Alltagsform der HerrschaI, lehnt die Bindung an diskursive und analysierbare Regeln ab, spezifisch wirtschaftsfremd, immer von Verfall bedroht Traditionale HerrschaI: fachgeschultes Personal fehlt, Willkür ist weitverbreitet,materielle Gerechtigkeit besitzt gegenüber formaler Gerechtigkeit eine Vorrangstellung
- Politische Parteien als Ausdruck rationaler Herrschaft Neben der staatlichen Verwaltung sind politische Parteien zentrale Organisation der politischen Willensbildung und Interessenartikulation im modernen rationalen Staat. Sie sind freiwillig geschaffene und auf freie, stets erneute Werbung ausgehende Organisationen. Sie sind nicht bloßes Mittel zur Artikulation bereits vorhandener Interessen, sondern die im Wahlprogramm verfassten Interessen werden erst durch die Partei als Organisation erst hervorgebracht. Sie führen zu einer Homogenisierung verschiedener Einstellungen und Motive sowie zur Abgrenzung gegenüber anderen Parteien. Als Organisationen führen sie zu einer Rationalisierung der Politik
- Politische Parteien als Ausdruck rationaler Herrschaft: Differenzierungen Differenzierung zweier Parteitypen: Amtspatronage-‐Parteien Weltanschauungs-‐Parteien Differenzierung zweier Demokratietypen: Führerdemokratien mit Parteimaschine Führerlose Demokratien der Berufspolitiker und Parteibeamten Differenzierung zweier Politikertypen: Politiker, der für die Politik lebt: ist entweder vermögend oder hat auskömmliche Einkünfte, muss abkömmlich sein Politiker, der von der Politik lebt: Berufspolitiker oder Parteibeamter
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- Methodische Überlegungen zu Coleman und Weber Coleman und Weber entwickeln ihre Argumentation mithilfe rechtshistorischer und rechtssoziologischer Daten und Methoden Coleman: u.a. Analyse von Gerichtsverfahren Quantitative Dimension: Verhältnis natürliche Personen und korporative Akteure Qualitative Dimension: Zuschreibung von Verantwortung Weber: u.a. Interpretation einschlägiger Rechtstexte Quantitative Dimension: nicht vorhanden Qualitative Dimension: Bildung von Idealtypen
- Industrieunternehmen in den USA Entstehung: Eisenbahn als Vorreiter, 1840-1890 Technische Innovationen: einheitliche Konstruktionsmethoden und Schienenmaße, verbesserter Tunnel- und Brückenbau. Wirtschaftliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Wasserwegen: geringere Bau- und Betriebskosten, höhere Geschwindigkeiten und wetterunabhängige Verlässlichkeit bei der Beförderung von Personen,Rohstoffen und verarbeiteten Waren. Organisationale Neuerungen: neue statistische Kalkulationsmethoden für Kosten und Gewinne, neue Evaluations- und Prüfroutinen zur Sicherstellung eines planmäßigen Betriebsablaufs, neue Finanzierungsformen, Hierarchien vis-a-vis Managerberuf zur effektiven Koordination von Gütern und Personen. Ausbau des Schienennetzes und ihre Bewirtschaftung erfordert ein historisch bislang unbekanntes Ausmaß an wirtschaftlicher Kooperation zwischen den Eisenbahnunternehmen. Erste Stufe der Kooperaton: Verbindung bisher getrennter Schienennetze, Verwendung standardisierter Technologien,einheitliche Betriebsabläufe und Bilanzierungsgrundsätze. Kooperation findet im Kontext der Professionalisierung des Managerberufs statt: regelmäßige Tagungen, Gründung von Verbänden, Herausgabe eigener Zeitschriften. Zweite Stufe der Kooperation: Einrichtung von Kartellen, deren gesetzliche Verankerung jedoch scheitert:Interstate Commerce Commission(1887), Sherman Act(1890), Supreme Court erklärt Trans-Missouri Freight Rate Association für rechtswidrig (1897 Nach dem Scheitern der Kartelle finden als Reaktion auf den unerbittlichen Wettbewerb zahlreiche Fusionen statt und riesige Eisenbahnunternehmen entstehen: zwei Drittel des Schienennetzes werden 1893 von den 33 größten Unternehmen kontrolliert, 1906 üben nur noch die 7 größten Unternehmen diese Kontrolle aus. Fusionen werden von Investmentbankern finanziert, die auf diese Weise Mitsprache in den Vorständen der Unternehmen erhalten.
- Die Eisenbahn in den USA: Flächendeckende Verbreitung, 1870-1920 Eisenbahnunternehmen als Vorbild: neue soziale Rolle des Managers setzt sich flächendeckend durch; Konzentra6onsprozesse finden mit Hilfe von Investmentbankern und anderer Financiers statt Verbreitung in den Infrastrukturbereichen: Dampfschifffahrt,Straßenbahnen, Post, Telekommunikation, Kraftwerke ebnen den Weg für Massenproduktion und –vertrieb, aber... Massenproduktion und –vertrieb werden erst möglich durch„wissenschaftliches Management“ (F. Taylor, 1895) und die dadurchbewirkte Entwicklung effektiver Formate zur Koordination und Kontrolle von Artefakten und Personen Tiefgreifender Rationalisierungsprozess lässt sich auch bei den Konzentrationsprozessen identifizieren: Organisaionsbildung, horizontale Kooperation, vertikale Integration. Rechtlich geprägte Organisationsformate (Kartell, Trust, Holding) entwickeln sich in Reaktion auf die bundesstaatliche Gesetzgebung und gerade auch in Reaktion auf Urteile des Supreme Court. Rationalisierungsprozess wird durch das vertikal integrierte Großunternehmen abgeschlossen: es absorbiert alle Marktfunktionen; allerdings sind die verschiedenen Organisationsformate nicht maßgeblich, sondern vielmehr die ökonomischen Triebkräfte.
- Die Eisenbahn in den USA: Schlussfolgerungen zur Entstehung Triebkräfte sind die durch die bürokratische Koordination realisierbaren massiven Produktivitäts- und Gewinnsteigerungen. Transaktionskosten können erst mit einer Hierarchie bezahlterManager internalisiert werden. Moderne Industrieunternehmen entstehen in expandierenden Sektoren mit neuen Technologien: hier ist die bürokratische Koordination der von Märkten überlegen. Wenn sie einmal etabliert wurde, verselbständigt sich Managerherrschaft zu einer dauerhaften Quelle von Macht und Wachstum. Auswahl und Aufstieg von Managern hängen von technischen Fähigkeiten, beruflicher Erfahrung und Leistungen ab. Professionalisierung der Managerherrschaft geht einher mit der Trennung von Eigentum und Kontrolle Manager geben langfristiger Stabilität und Unternehmenswachstum den Vorzug gegenüber kurzfristiger Profitmaximierung. Große Unternehmen absorbieren die Koordinationsfunktion von Märkten und prägen zunehmend die Sozialstruktur der Wirtschaft.
- Industrieunternehmen im internationalen Vergleich Sektorale Betrachtung 1920-‐1970 Große Unternehmen entstehen vor allem in: Nahrungsmittel, Chemie, Ölverarbeitung, Metallherstellung und -verarbeitung, Maschinenbau,Transport; weniger häufig dagegen in: Tabak, Holz, Möbel, Papier,Druck, Gummi, Leder, Instrumente. Die Verbreitung großer Unternehmen ist sektoral geprägt; das sektorale Gefüge bleibt im Zeitraum 1920-1970 stabil; bis auf wenige Ausnahmen ist die Entstehung und Verbreitung großer Unternehmen aus globaler Perspektive ein relativ einheitliches sektorales Phänomen.
- Industrieunternehmen im internationalen Vergleich: Strukturelle Betrachtung: Unternehmer investieren in drei Bereichen, um die aus den neuen Technologien resultierenden Skalen- und Verbundvorteile (economies of scale and scope) zu realisieren: unternehmenseigene Produktionsanlagen (manufacturing) unternehmenseigene Einkaufs- und Vertriebskanäle (marketing) Rekrutierung geeigneter Manager (management) Dreifache Investion (M-M-M) in organisationale Kapazitäten wird laufend erneuert und damit langfristig erhalten; dies schützt vor neuen und unvorhersehbaren Entwicklungen: marktintern: technischer Wandel, neue Wettbewerber marktextern: Rezessionen, Finanzkrisen, Kriege
- Unterschiede zwischen USA, GB und DE, 1880-1970 Brittsche Unternehmen... ..sind kleiner und werden häufiger von den Eigentümern geführt als in den USA. ..wachsen langsamer als amerikanische Unternehmen. ...werden häufig von ausländischen Unternehmen verdrängt. ...etablieren sich stärker in Konsumgüterindustrie als in der Industrieproduk6on. Chandlers Erklärung für den „personal capitalism“ in Großbritannien: Geringeres Bevölkerungswachstum bedeutet kleinere Märkte und dies wiederum eine geringere optimale Betriebsgröße der Unternehmen. Früher Wandel von einer Agrargesellschaft in eine industrielle und Handel treibende Gesellschaft reduziert Anreize, in neue Technologien zu investieren. Etablierung kommerzieller Vertriebswege vor der Entwicklung von Eisenbahn,Dampfschiff und Telegraph behindert deren zügige Ausbreitung. In Sektoren der 1. industriellen Revolution (z.B. Textil, Bergbau) sind Skaleneffekte kaum realisierbar. Investitionen in Bildungseinrichtungen, insbesondere Universitäten, erfolgen später und weniger dynamisch als in den USA.
- Unterschiede zwischen USA, GB und DE, 1880-1970 Deutsche Unternehmen... ...haben trotz Familienbesitzhäufiger als in GB professionelles Management. ..wachsen ähnlich schnell wie amerikanische Unternehmen. ...sind in der Industrieproduktion aktiver als in der Konsumgüterindustrie. gewinnen nach dem 1. Weltkrieg zügig Marktanteile zurück. Chandlers Erklärung für den „cooperative capitalism“ in Deutschland: Wettbewerb wird stärker kontrolliert als in den USA; Kartelle sind vor Gericht einklagbar: 4 (1875), 106 (1890), 385 (1905). M-M-M-Investitionen erfolgen unter Mithilfe der Großbanken vor allem in der Industrieproduktion: Chemie, Metall, Maschinenbau, hier sind deutsche Unternehmen Pioniere in Europa. Investitionen in Bildungseinrichtungen erfolgen früher als in den USA; enge Kooperationen mit der Industrie (Technische Hochschulen, Handelshochschulen).
- Methodische Überlegungen zu Chandler (1977, 1990) Untersuchung konkreter Unternehmensgeschichten Einzelfälle oder Gruppen: Narrative plus Analyse Stichprobe: die größten 200 Unternehmen; hierfür quantitative Kennzahlen Vergleich verschiedener Länder: USA, GB, DE USA zuerst, weil dort Großunternehmen historisch erstmalig auftreten Auswahl weiterer Industrienationen: BIP-Wachstum, Bevölkerungswachstum Eingrenzung auf die für die Argumentation maßgeblichen Wirtschaftssektoren Verhältnis von Theorie und Empirie Ausgangslage: fehlende wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Theorie der Entstehung und Verbreitung großer Unternehmen im 19. und 20. Jhd.; fehlendes Interesse der Geschichtswissenschaft an großen, Jahrhunderte überspannenden historischen Phänomenen und Fokus auf Einzelfall (Unternehmer, Firma) Anlehnung an neuere institutionelle Ökonomie (Transaktionskosten), ansonsten aber historisch fundierter funktionalistischer Erklärungsansatz (Skalen –und Verbundvorteile, Effizienz bürokratischer Koordination)
- Luhmann Grundbegriffe: Systembegriff Unterscheidung System/Umwelt;Organisation ist kein Ganzes, das aus Teilen besteht und mit bestimmten Mitteln versucht, einen definierten Zweck zu erreichen, sondern ein System, das seinen Bestand in einer veränderlichen Umwelt invariant hält. Handlungssysteme sind ein Zusammenhang mehrerer Handlungen,die durch ihren gemeinten Sinn aufeinander verweisen. Systembild sondern auf der Ebene von Verhaltenserwartungen. Konkrete Handlungen können mehreren Systemen zugleich zugerechnet werden; Handlungssysteme sind Ereigniskomplexe, die durch stabile Erwartungen Sinn und Begrenzung erhalten. Konkrete Personen gehören nicht zu einem Handlungssystem; Systeme verknüpfen nicht Personen mit anderen Personen; Systeme schließen keineswegs alle Handlungen der beteiligten Personen ein, sondern nur diejenigen Handlungen, die ihrem gemeinten Sinn nach aufeinander verweisen. Konkrete Personen sind Umwelt für Handlungssysteme. Personen sind Aktionssysteme eigener Art, die durch einzelne Handlungen in verschiedene Sozialsysteme hineingeflochten sind, als System jedoch außerhalb des Sozialsystems stehen.
- Luhmann Grundbegriffe: Formale Erwartungen Erwartung sind formalisiert, wenn sie in einem sozialen System durch die Mitgliedschaftsregel gedeckt ist, wenn erkennbar Konsens darüber besteht, dass die Nichtanerkennung oder Nichterfüllung dieser Erwartung mit der Fortsetzung der Mitgliedschaft unvereinbar ist. Bei formalen Erwartungen geht es nicht um einfache Erwartungen konkreter Personen, sondern um besonders herausgehobene Erwartungen. Die Mitglieder einer Organisation können diesen herausgehobenen Erwartungen die Anerkennung nicht verweigern,ohne ihre Mitgliedschaft zu riskieren.
- Luhmann - Grundbegriffe: Mitgliedsrolle Besonderheiten der Mitgliedsrolle: andere Rollen können nur in Kombination mit der Mitgliedsrolle übernommen werden; Eintritt oder Austritt in die Organisation setzt eine Entscheidung voraus: entweder werde ich Mitglied oder ich werde es nicht; entweder ich verlasse die Organisation oder ich bleibe. Die Eintrittsentscheidung führt zu einer homogenen Mitgliedschaftsmotivation; die Organisation kann von ihren Mitgliedern mit Folgebereitschaften rechnen, ohne diese fallweise motivieren zu müssen. Die Festigkeit der homogenen Mitgliedschaftsmotivation beruht nicht auf der inneren Anerkennung oder äußeren Sanktionen, sondern einfach auf der Möglichkeit, bei Nichterfüllung der formalen Erwartungen, einzelne Mitglieder jederzeit auswechseln zu können.
- Luhmann:Funktionen der Formalisierung Generalisierung von Verhaltenserwartungen Die erste wichtige Funktion der Formalisierung liegt darin, das Verhalten der Mitglieder gegen einzelne Abweichungen und Enttäuschungen, gegen Zusammenhangslosigkeit und Widersprüche sowie gegen Dissens abzusichern. Zeitliche Generalisierung: Erwartungen erhalten den Charakter einer Norm. Wenn eine Erwartung die Qualität einer Norm aufweist, kann man an ihr festhalten, auch wenn sie im Einzelfall enttäuscht wird. Sachliche Generalisierung: die normativ gestützte Erwartung wird sachlich in Typen zusammenhängender Verhaltensweisen, also in Rollen stabilisiert. Soziale Generalisierung: das Ausmaß an Konsens, der über bestimmte Rollen erreicht werden kann, ist Ausdruck der Institutionalisierung normativ verankerter Verhaltenserwartungen.
- Luhmann:Funktionen der Formalisierung Komplexitätssteigerung durch Komplexitätsreduktion Eine weitere Funktion der Formalisierung liegt darin, Komplexität durch formale Strukturen zu reduzieren, um Spielraum und Bewegungsfreiheit für die Bewältigung neuer, komplexer Anforderungen zu gewinnen.
- Luhmann: Funktionen der Formalisierung: Systemdifferenzierung Intern differenzierte Systeme können mehr Komplexität abbilden und sind daher umweltangepasster als nicht differenzierte Systeme. Intern differenzierte Strukturen entlasten die Organisation davon, ihr Handeln laufend auf Widerspruchsfreiheit hin zu überprüfen
- Luhmann: Funktionen der Formalisierung: Motivation der Organisationsmitglieder Formalisierung trennt die Motivation der Mitglieder vom Organisationszweck. Der Zweck einer Organisation ist Luhmann zufolge nicht die zentrale Quelle der Arbeitsmotivation der Mitglieder. Mitglieder akzeptieren die mit der Mitgliedschaft verbundenen formalen Erwartungen, weil ihnen ein festes Gehalt bezahlt wird; die Organisation stattet ihre Mitglieder mit allgemeiner Zahlungsfähigkeit aus. Im Gegenzug statten die Mitglieder die Organisation mit allgemeiner Handlungsfähigkeit aus. Mit der Mitgliedschaft ist ein bestimmtes Grundkapital an Motivation garantiert; das heißt, die Vorgesetzte wird davon entlastet, bei jeder Entscheidung zu bedenken, ob sie ihren Mitarbeitern gefallen oder ob sie die Zusammenarbeit gefährden. Trennung von Teilnahmemotivation und Leistungsmotivation; die Teilnahmemotivation wird durch eine gewisse Indifferenz bei der täglichen Arbeitseinstellung erkauft; das Problem der Leistungsmotivation ist eine Folge von Formalisierung, die sich selbst nicht formalisieren lässt.
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- Luhmann - Sekundäre Funktionen der Formalisierung Grenzstellen Spezialisierte Rollen oder Organisationseinheiten, die für den Verkehr mit einem bestimmten Umweltsektor zuständig sind. Handeln stellvertretend für das Gesamtsystem und interpretieren die Umwelt für das System: „Sie müssen Umweltinformationen sichten und sieben und sie in eine Sprache bringen, die im System verstanden und akzeptiert wird (S. 224). Das Aktivitätsspektrum von Grenzstellen lässt sich nur begrenzt formalisieren. Elastische Entscheidungsprogrammierung: konditionale und Zweckprogrammierung Einrichtung besonderer Kontaktstellen ohne vollen Mitgliederstatus Kommunikationswegregelungen: Recht auf Beteiligung an allen Vorgängen, beidenen Umweltkontakt entsteht Hoher formaler Status: dies erleichtert systeminterne Kommunikationen und dieÜbernahme von Verantwortung
- Luhmann - Sekundäre Funktionen der Formalisierung Brauchbare Illegalität Adaptive Strategien in einer sich ändernden Umwelt und infolge inkompatibler Erwartungen durch interne Differenzierung. „...dass manche Mitglieder des Systems einen persönlichen Kredit genießen, der es schwierig macht, sich ihnen gegenüber auf Regeln zu berufen. (...) In dieser Richtung leben sich Gewohnheiten ein, die es schwierig machen, plötzlich eine Umstellung zu verlangen und Regeln durchzusetzen“ (S. 310).„Regeln sind (...) hartumkämpfte Ecksteine jeder Positionsstrategie in arbeitsteilig differenzierten formalen Organisationen. Ihr strategischer Wert liegt nicht darin, dass sie unbedingt exakt befolgt werden, sondern darin, dass sie bestimmten Personen oder Positionen die Möglichkeit zuspielen, über Befolgung und Nichtbefolgung und über die dazwischenliegenden Nuancen zu entscheiden und sich durch welche Entscheidung auch immer Vorteile zu sichern“ (S. 310) Eine formale Ordnung, die illegales und zwielichtiges Handelnbraucht, bringt mindestens zwei Nachteile mit sich: Hilfshandlungen des Schützens und Versteckens sind notwendig, die jedochnicht den normalen Betrieb stören dürfen. Personalwechsel in Ämtern sind sensible Angelegenheiten: „Man kann von den Neulingen, aber auch von zeitweiligen Vertretern, nicht erwarten, dass sie abweichende Praktiken fortsetzen“ (S. 313).
- Folgestudien zu Luhmann: Technologie- und Weiterbildungszentren als Grenzstellen von Hochschulen (Kloke/Krücken 2010) Einrichtungen der wissenschaftlichen Weiterbildung und des Technologietransfers sind schwache Formen von Grenzstellen, die als Bindeglied zwischen Universität und Privatwirtschaft fungieren. „Forschungsleitend ist die Vermutung, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Einbezug der zentralen Einheiten des Technologietransfers und der wissenschaftlichen Weiterbildung umso höher ist, je stärker die dort arbeitenden Personen selbst Berufserfahrungen außerhalb des Wissenschaftssystems sammeln konnten, um so einerseits eine besondere Sensibilität für die Funktionslogik des Wirtschaftssystems zu haben, andererseits auf bereits bestehende Kontaktnetzwerke zurückzugreifen und diese für ihre Arbeit nutzbar machen zu können“(S. 39) Empirische Basis: Befragung in 2009; 45 ausgefüllte Fragebögen (30% Rücklauf) bei Mitarbeitern in Zentren der wissenschaftlichen Weiterbildung; 90 ausgefüllte Fragebögen (57% Rücklauf) bei Mitarbeitern von Technologietransferstellen; 58 Fragebögen Universitäten, 50 Fragebögen Fachhochschulen. Empirische Befunde: Wissenschaftliche Weiterbildung: 46% der FH-Mitarbeiter, aber nur 24% der Uni- Mitarbeiter verfügen über Berufserfahrungen in der Privatwirtschaft;technologietransfer : keine Unterschiede zwischen FHs und Unis, 5 9 % verfügen über Berufserfahrungen in der Privatwirtschaft. WW: überproportional sozialwissenschaftlicher Studienhintergrund; TT:überproportional wirtschafts- und ingenieurwissenschaftlicher Studienhintergrund. Beschäftigungsverhältnis unmittelbar vor Einstellung in der WW und im TT: imWesentlichen waren die Mitarbeiterinnen im Wissenschafts bzw.Hochschulbereich beschäftigt und wechseln von dort in die WW und den TT. „Grundsätzlich gilt, dass Einrichtungen des Technologietransfers und der wissenschaftlichen Weiterbildung an deutschen Hochschulen nicht als Grenzstellen zur Wirtschaft im Sinne der ursprünglich von Luhmann eingeführten und in der Sekundärliteratur verwendeten Definition bezeichnet werden können.“ (Kloke/Krücken 2010: 49) Dennoch leisten diese Grenzstellen „durchaus die Übersetzung von externen, auf engere und direkte Wirtschaftsbeziehungen abzielenden Erwartungen in die Organisation“; sie stellen damit „einen Puffer gegenüber diesen vor allem aus der Politik und der Wirtschaft stammenden Erwartungen dar und verhindern, dass sie direkt und ungefiltert auf die Organisation einwirken“ (Kloke/Krücken 2010: 49)
- Luhmann: Folgestudie: Brauchbare Illegalität im Fall von Siemens (Klinkhammer 2013) Einige Fakten zum Korruptions-und Schmiergeldskandal bei Siemens: Ca. 1,3 Mrd. Euro wurden zwischen 2000 und 2006 für Schmiergeldzahlungenverwendet. Mehrere öffentlichkeitswirksame Gerichtsprozesse in Deutschland und den USA, auch Strafverfahren durch die Europäische Kommission. Finanzielle Konsequenzen: 450 Mio. Dollar Strafzahlung an das Department of Justice, 350 Mio. Dollar Strafzahlung an die Stock Exchange Commission, 400Mio. Euro Strafzahlung an die Europäische Kommission, 600 Mio. Euro Bußgeld in Deutschland. Personelle Konsequenzen: Rücktritt des Aufsichtsratsvorsitzenden Heinrich von Pierer und des Vorstandsvorsitzenden Klaus Kleinfeld (2007); Festnahmen und Verurteilungen mehrerer hochrangiger SiemensManager wg. Untreue zu Bewährungs- und Geldstrafen (2007-2014); Selbstmord des früheren Finnzvorstands von Siemens (2015). Im Juli 2001 erfährt der Bereichsvorstand Kommunikation (COM) von der Compliance-Abteilung, dass Ermittlungen der Schweizer Steuerbehörden im Zusammenhang von Vorwürfen der Schmiergeldzahlungen seines Bereichs in Nigeria laufen. Im gleichen Monat weiht ein leitender COM-Mitarbeiter den Bereichsvorstand in die illegalen Geschäftspraktiken ein Es gibt ein eigens für diese Praktiken entwickeltes Formular Es gilt das Vieraugenprinzip: zwei Vorgesetzte unterschreiben. Unterschrieben wird nicht das Formular direkt, sondern Klebezettel (post-it), die man wieder entfernen kann. Unterredungen finden in nicht-dienstlichen Räumen (Wirtshaus) statt und beinhalten schriftlose Entscheidungen (Augenkontakt, Schweigen) Keiner der beteiligten Manager veruntreut Gelder zur Selbstbereicherung, sondern sie setzen das Geld “im Interesse“ von Siemens ein, um auf ausländischen Märkten Aufträge zu erhalten:„We calculated that we would lose a billion Euro in revenues, when not doing business in countries where one has to pay bribes. That was every fourth Euro in revenues in thisbranch. The entire fixed-networks buiness with ist 56.000 employees was doomed to die, it would have gone down“ (Reinhard S., zitiert von Klinkhammer 2013, S. 200) Die beteiligten Manager wussten von der Illegalität ihrer Aktivitäten, aber sie wähnten sich im Glauben, dass Siemens sie schützen würde: „At that time, a circular letter from headquarters made us aware of the penalization. Weread it and filed it. We thought, in case something happened, there would be protection anyway“ (Reinhard S., zitiert von Klinkhammer 2013, S. 200).
- Formalstruktur als rationaler Mythos Formal organisierte Systeme sind nicht bloß ein effektives und funktionstüchtiges Mittel zur Bewältigung der gestiegenen und immer weiter steigenden sozialen Komplexität. In Organisationen gibt es formale Strukturen, die nicht oder nur sehr begrenzt mit ihrer Leistungsfähigkeit erklärt werden können. Organisationen repräsentieren sozial wertgeschätzte Ideen und Prinzipien: Gleichheit vor dem Gesetz, Wohlstand, Sicherheit,Frauenrechte, Minderheitenrechte, Umweltschutz. Organisationen repräsentieren diese Prinzipien in formalen Strukturen, ohne sie aber jeweils faktisch durchzusetzen. Rechte,Werte und Prinzipien bleiben daher Mythos.
- Meyer - Modernisierung und Umwelterwartungen Schritt für Schritt Erster Schritt: Rechte, Werte und Prinzipien enthalten weitverbreitete Auffassungen darüber, wie die soziale Realität beschaffen seinsoll. Sie entstehen in der Organisationsumwelt. Zweiter Schritt: im Zuge der gesellschaftlichen Modernisierung (Mechanismen: Verdichtung und Verrechtlichung sozialerBeziehungen) werden immer mehr Rechte, Werte und Prinzipien formuliert: die Anzahl der Mythen wächst beständig. Dritter Schritt: in Reaktion auf Rechte, Werte und Prinzipien entstehen formale Strukturen, entweder in Form ganz neuer Organisationen oder im Sinne der Ausdifferenzierung formaler Strukturen in vorhandenen Organisationen. Vierter Schritt: Aufbau formaler Strukturen verschafft Organisationen Legitimität in ihrer Umwelt, aber sie sind von der Umsetzung der Rechte, Werte und Prinzipien häufig entkoppelt
- Formalstruktur als rationaler Mythos Entkopplung, Fassaden, Zeremonien Rechte, Werte und Prinzipien sind häufig nicht oder nur schwer kompatibel. Beispiel Krankenhaus: betriebswirtschaftliches Gewinnprinzip versus sozialpolitisches Fürsorgeprinzip. Organisationen reagieren auf inkonsistente Umwelterwartungen mit der Entkopplung von Formal-und Handlungsstruktur: Reduzierte oder mehrdeutige Zielformulierungen Abwälzung von Konsistenzerfordernissen auf informale Rollen Verwendung von Fiktionen und Versprechen von Reformen Organisationen reagieren auf inkonsistente Umwelterwartungen mit Fassaden und Zeremonien, z.B. ritualisierte Evaluationen zur Vermeidung effektiver Kontrollen.
- Formalstruktur als rationaler Mythos Rationalität erster und zweiter Ordnung Die Rationalität von Organisationen bemisst sich in Relation zum Modernisierungsgrad ihrer Umwelt. Es besteht daher ein negativer Zusammenhang zwischen dem Modernisierungsgrad der Gesellschaft und der Möglichkeit für Organisationen, die im Zuge der Modernisierung gemachten Leistungsversprechen auch tatsächlich einzulösen. Es ist für Organisationen im Sinne der Erreichung von Legitimität und zur Akquisition von Ressourcen rational, formale Strukturen auszubilden, die keine Steigerung von Effektivität und Effizienz bringen und zudem hohe Kosten verursachen. Anlass zur Einrichtungdieser Strukturen sind Umwelterwartungen. In weniger entwickelten Gesellschaften ist es schwieriger, Organisationen zu etablieren, während es in entwickelten Gesellschaften relativ einfach ist, Organisationen zu etablieren. Wenn in weniger entwickelten Gesellschaften Organisationen entstehen, dann unter staatlichem Schutz. In entwickelten Gesellschaften findet die Entstehung neuer Organisationen dagegen schwerpunktmäßig außerhalb des Staates statt Wenn in weniger entwickelten Gesellschaften Organisationen entstehen, sind diese häufig rational. In entwickelten Gesellschaften sind Organisationen dagegen typischerweise begrenzt rational.
- Isomorphie in organisationalen Feldern Organisationale Felder als Umwelt Frage: Was ist unter „Umwelt von Organisationen“ zu verstehen? Antwort: Zur Umwelt von Organisationen gehören andere Organisationen, die zusammenein organisationales Feld bilden: „By organizational field, we mean those organizations that, in the aggregate, constitute a recognized area of institutional life: key suppliers, resource and product consumers, regulatory agencies, and other organizations that produce similar services or products“ (DiMaggio/Powell 1983, S. 148).
- Isomorphie in organisationalen Feldern Zwang, normativer Druck und Imitation Frage: Welche Mechanismen sind dafür verantwortlich, dass sich bestimmte formale Strukturen innerhalb eines organisationalen Feldes ausbreiten? Antwort: Drei außerwettbewerbliche Mechanismen führen zu isomorphen Formalstrukturen in Organisationsfeldern: Zwang:staatliche Akteure entwickeln gesetzlich bewehrte Normen,die von den Untergebenen eingehalten werden müssen. Normativer Druck: Professionen entwickeln Standards, denen sich in einem Organisationsfeld befindliche Akteure nicht entziehen können. Imitation: Erfolgreiche Organisationen werden von anderen Organisationen nachgeahmt bzw. kopiert Je mehr Organisationen eines Feldes mit staatlichen Einrichtungen interagieren, umso ähnlicher sind sie. Je umfänglicher die Beteiligung von Organisationseliten in Professionen, umso ähnlicher sind die Organisationen eines Feldes. Je mehrdeutiger die Ziele von Organisationen sind, umso eher orientieren sie sich an erfolgreichen Organisationen des Feldes.
- Folgestudien Meyer: Betriebliche Beschwerdeverfahren (Edelman et al. 1999) Autoren untersuchen, inwiefern die gesetzlich verbriefte Gleichbehandlung am Arbeitsplatz (Geschlecht, Hautfarbe) ein Mythos der Arbeitswelt ist. Ausgangspunkt der Analyse: Gesetze und Verordnungen sind häufig nicht präzise genug formuliert ist, um daraus konkrete Handlungsanweisungen zur Rechtsbefolgung ableiten zu können. Edelmanet al. erweitern Meyer/Rowan(1977):Gesetze stehen nicht einfach als externe Instanz Organisationen gegenüber und regulieren deren Verhalten von außen. Endogenität des Rechts: die Auslegung von Gesetzen wird vielmehr durch das Handeln von Akteuren innerhalb eines Organisationsfeldes geprägt und erwächst mehr oder weniger direkt aus der Praxis des organisationalen Feldes. Rationalisierung der Gleichbehandlungsnorm als Formalstruktur: Die gesetzlich verbriefte Gleichbehandlung wird mithilfe einer formalen Organisationsstruktur abgebildet: dem organisationsinternen Beschwerdeverfahren. Entstehung eines rationalisierten Mythos im Organisationsfeld: innerhalb von zwei Jahrzehnten wird unter Mitwirkung von Professionellen die Vorstellung etabliert, dass organisationsinterne Beschwerdeverfahren der Intention des Gesetzes am besten entsprechen. Gerichtliche Sanktionierung des rationalisierten Mythos: Supreme Court erkennt Beschwerdeverfahren als gesetzeskonforme Lösung von innerbetrieblichen Konfliktfällen in einem Grundsatzurteil an. Homogenisierung des organisationalen Feldes: Unternehmen richten interne Beschwerdeverfahren ein, um sich vor Klagen ihrer Mitarbeiter zu schützen. Bezug zu DiMaggio/Powell (1983): Edelman et al. weisen nach, dass Organisationseliten (Professoren, Personalmanager, Juristen, Herausgeber von Zeitschriften) aktiv den Mythos konstruieren, dass Unternehmen durch die Etablierung interner Beschwerdeverfahren ihre Gesetzestreue demonstrieren können und dadurch vor externen Klagen geschützt sind (normativer Druck) Bezug zu DiMaggio/Powell (1983): nach gerichtlicher Sanktionierung durch Supreme Court kommt es zu einer großangelegten Isomorphie im organisationalen Feld (Zwang). Bezug zu Meyer/Rowan(1977): Edelman et al. zweifeln an, dass durch unternehmensinterne Beschwerdeverfahren der gesetzlich geforderte Grundsatz der Gleichbehandlung effektiv umgesetzt wird. Es kommt zu einer Entkopplung von Formal-und Aktivitätsstruktur: „To the extent that courts defer to organizations without full awareness of the subtle pressures that characterize the workplace, legal ideals may be compromised. More generally, when courts adopt forms of compliance created within organizational fields, they run the risk of institutionalizing the very forms of discrimination that laws were originally designed to alleviate“ (Edelman et al. 1999, S. 449).
- Folgestudien Meyer Wissenschaftsministerien (Jang 2000) Autor untersucht, welche Faktoren die Gründung von Wissenschaftsministerien erklären können. Design: Gründung von Wissenschaftsministerien in 149 Staaten im Zeitraum 1950-1990; Ereignisdatenanalyse. Unabhängige Variablen (Auswahl): Prokopfeinkommen;Bevölkerungsanteil, der in natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen eingeschrieben ist; Anzahl anderer Ministerien;jährliche Gründung internationaler wissenschaftsbezogener Nichtregierungsorganisationen; Anzahl von Mitgliedschaften in internationalen wissenschaftlichen Verbänden. Bezug zu Meyer/Rowan(1977): Gründung neuer Wissenschaftsministerien entkoppelt sich im Zeitraum 1950-1990 vom Prokopf-einkommen und vom Anteil natur- und ingenieurwissenschaftlicher Studierender. Bezug zu Meyer (1982): entwickelte Nationalstaaten etablieren mit größerer Geschwindigkeit Wissenschaftsministerien als weniger entwickelte Länder, insbesondere im Zeitraum 1950-1970. Bezug zu DiMaggio/Powell (1983): weniger entwickelte Länder ahmen die erfolgreichen entwickelten Nationalstaaten nach, insbesondere im Zeitraum 1971-1990 (Imitation). Bezug zu DiMaggio/Powell (1983): Isomorphie durch Imitation wird im Zeitraum 1971-1990 zunehmend von einem globalen Diskurs rationaler Wissenschaft überlagert (normativer Druck).
- Hirschman Abwanderung und Widerspruch Ausgangssituation: "Firms and other organizations are conceived to be permanently and randomly subject todecline and decay, that is, to a general loss of rationality, efficiency, and surplus-producingenergy, no matter how well the institutional framework within which they function is designed“ (Hirschman 1970, S. 15).
- Hirschman Abwanderung und Widerspruch Exit bedeutet Abwanderung mit dem Ziel, bessere Waren, Dienst- oder Sozialleistungen von einer anderen Organisation zu beziehen. Voice ist Widerspruch, Kritik oder Protest mit der Absicht, eine Verbesserung der Qualität bei Waren, Dienst- und Sozialleistungen zu erreichen. Exit ist dichotom, unpersönlich und indirekt; Voice dagegen graduell,persönlich und direkt. Abwanderung versagt als Korrekturmechanismus im Falle von vollkommen elastischer (η=∞) oder vollkommen unelastischer (η=0) Nachfrage Abwanderung versagt als Korrekturmechanismus, wenn das Leistungsdefizit nur schwer zu erkennen ist: endlose Zirkulation von Konsumenten und Mitgliedern auf der Suche nach besseren Gütern und Dienstleistungen.
- Hirschman - Das Zusammenspiel der Mechanismen Abwanderung dominiert Widerspruch, denn dieser... ..ist mühevoll und zeitaufwendig. ..erfordert häufig koordiniertes kollektives Handeln. Beispiel: Aktienmärkte. Widerspruch ist Residualkategorie von Abwanderung bei... ...fehlender Abwanderungsmöglichkeit infolge von Angebotsmonopol (AM). ...einem Nachfragemonopol (NM) bzw. Nachfrageoligopol (NO).o Beispiele: großer Arbeitgeber in Region mit hoher Arbeitslosigkeit (AM) und Staaten auf dem globalen Rüstungsmarkt (NM, NO). Abwanderungsmöglichkeit aktiviert Widerspruch Beispiel: Schulgutscheine.
- Hirschman: Das Zusammenspiel der Mechanismen, hier: Loyalität Dr. Jürgen Stark, ehemaliger Chefvolkswirt der Eurpäischen Zentralbank,am 25.3.2012 im Handelsblatt:„Nachdem die Entscheidung für Staatsanleihekäufe im Mai 2010 gefallenwar, kam ich in enorme Loyalitätskonflikte. (...) Gleichzeitig musste ich die offizielle Linie der Institution vertreten–das halten Sie nicht lange durch. Diese anderthalb Jahre waren für mich sehr, sehr schwierig, so dass für mich klar war: Falls ein Schritt weiter in diese Richtung gegangen wird,dann kommt es für mich zum Schwur, dann muss ich sagen: Nein. Das warAnfang August 2011 der Fall.“ Rücktrittsüberlegungen von Dr. Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank, nach FAZ vom 31.8.2012:„Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat in den vergangenen Wochen mit Vertrauten mehrfach die Möglichkeit seines Rücktritts erwogen. Entsprechende Gerüchte wurden am Freitag im Umfeld der Bundesbank bestätigt. (...) Weidmann wendet sich gegen die geplanten unbegrenzten Staatsanleihekäufe der Zentralbank, die EZB-Präsident Mario Draghi bei der nächsten EZB-Ratssitzung am kommenden Donnerstag durchsetzen will und für die er im Rat augenscheinlich eine große Mehrheit hat. (...) Weidmann habe inzwischen entschieden, vorerst auszuharren, um seine Kritik an der Krisenpolitik der Europäischen Zentralbank wirksam vortragen zu können.“
- Hirschman: Das Zusammenspiel der Mechanismen, hier: Loyalität Erweitertes Loyalitätsmodell: Abwanderungsstatistik der DDR Ausgangssituation: staatstreue DDR-Bürger auf der einen Seite und fluchtbereite DDR-Bürger auf der anderen Seite. Ungarn öffnet Grenzen zu Österreich. Folge: fluchtbereite DDR-Bürger überqueren ungarische Grenze bzw. strömen in die Botschaften der Bundesrepublik in Prag, Warschau und Budapest. Reaktion DDR-Führung: „Wir weinen denjenigen, die gehen, keineTräne nach“ sowie Überführung der Botschaftsflüchtlinge über DDR-Staatsgebiet in den Westen. Folge: staatstreue DDR-Bürger werdenmobilisiert, erste Demonstrationen Reaktion DDR-Führung auf inneren Protest: hohes Polizeiaufgebot,aber keine gewaltsame Niederschlagung wie 1957. Folge:weitere Mobilisierung bislang staatstreuer DDR-Bürger. Großdemonstrationen in Leipzig, Dresden, Berlin. Folge: friedliche Revolution.
- Hirschman: Das Zusammenspiel der Mechanismen, hier: Loyalität Erweitertes Loyalitätsmodell: Modifikationzum einfachen Modell Abwanderung dominiert Widerspruch, denn dieser... o...ist mühevoll und zeitaufwendig. o...erfordert häufig koordiniertes kollektives Handeln.oBeispiel: Aktienmärkte. Widerspruch ist Residualkategorie von Abwanderung bei... o...fehlender Abwanderungsmöglichkeit infolge von Angebotsmonopol (AM).o...einem Nachfragemonopol (NM) bzw. Nachfrageoligopol (NO).oBeispiele: großer Arbeitgeber in Region mit hoher Arbeitslosigkeit (AM) und Staaten auf dem globalen Rüstungsmarkt (NM, NO). Abwanderungsmöglichkeit aktiviert Widerspruch. oBeispiel: Schulgutscheine. Abwanderung Dritter aktiviert Widerspruch bei bislang loyalen Organisationsmitgliedern oBeispiel: friedliche Revolution in der DDR 1989.
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