BGB AT (Fach) / Geschäftsfähigkeit (§§ 104-113 BGB) (Lektion)
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Grundlagen, Geschäftsunfähigkeit, Beschränkte Geschäftsfähigkeit
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- Was bedeutet Geschäftsfähigkeit? Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, durch eigene Handlungen wirksam Rechtsgeschäftevorzunehmen und damit Rechte und Pflichten zu begründen, zu ändern,zu übertragen oder aufzuheben. Der Geschäftsfähige kann durch die Abgabe vonWillenserklärungen seine Rechtsverhältnisse eigenverantwortlich gestalten. DieVorschriften über die Geschäftsfähigkeit sind auf natürliche Personen beschränkt.Personenvereinigungen und juristische Personen handeln durch ihre Organe, letztlichstets durch natürliche Personen, die geschäftsfähig sein müssen. Unterfälle derGeschäftsfähigkeit sind die Ehefähigkeit (§ 1303 BGB) und die Testierfähigkeit(§ 2229 I BGB), die den Zeitpunkt der Mündigkeit für die erwähnten Rechtsgeschäftebei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen vorverlegen.
- Wer ist geschäftsfähig? Gibt es verschiedene Stufen der Geschäftsfähigkeit? Die Teilnahme am Rechtsverkehr und die eigenverantwortliche Gestaltung vonRechtsverhältnissen durch eigene Willenserklärungen setzen die Fähigkeit zu vernünftigerWillensbildung voraus. Die Geschäftsfähigkeit hängt daher – im Gegensatzzur Rechtsfähigkeit, die jedem Menschen zuerkannt wird – von persönlichenVoraussetzungen ab, wobei das Gesetz überwiegend typisiert. Es wird unterschiedenzwischen Geschäftsunfähigkeit, § 104 BGB: bei unter Siebenjährigen nach Nr. 1 undaufgrund von Geisteskrankheit gem. Nr. 2, beschränkter Geschäftsfähigkeit bei Minderjährigen (§§ 2, 106–113 BGB) und voller Geschäftsfähigkeit, im Hinblick auf die Privatautonomie der gesetzlicheRegelfall (nicht normiert).
- An welcher Stelle bei der Prüfung eines Anspruchs kann die Geschäftsfähigkeit von Bedeutung sein? Bei der fehlenden Geschäftsfähigkeit handelt es sich um eine rechtshindernde Einwendung.Daher wird die Geschäftsfähigkeit üblicherweise im Prüfungspunkt „Anspruchentstanden“ bedeutsam (s. Prüfungsübersicht S. 316), z. B. wenn die Einigungeines Minderjährigen mit einem anderen vorliegt und es darum geht, ob einwirksamer Vertrag besteht. Eine Rolle kann die Geschäftsfähigkeit aber auch beimPrüfungspunkt „Anspruch erloschen“ spielen, wenn es bspw. um die Wirksamkeitder Anfechtungserklärung eines beschränkt Geschäftsfähigen geht (s. S. 317).
- Welche Unterschiede bestehen zwischen der Abgabe einer Willenserklärung durch einen Geschäftsunfähigen und durch einen beschränkt Geschäftsfähigen? Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nach § 105 I BGB per se nichtig.Ein beschränkt Geschäftsfähiger dagegen kann wirksam Willenserklärungen abgeben.Das gilt nicht nur dann, wenn er die Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreterhat (vgl. § 107 BGB) oder das Rechtsgeschäft für ihn lediglich rechtlich vorteilhaftist. Auch wenn die erforderliche Einwilligung fehlt, berührt das – wie sich aus§§ 108, 111 BGB ergibt – nicht die Wirksamkeit der Willenserklärung. (Schwebend)unwirksam (d. h. von der Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter abhängig)ist vielmehr allein das Rechtsgeschäft (regelmäßig der Vertrag). Deshalbist die beschränkte Geschäftsfähigkeit im Klausuraufbau bei der Wirksamkeit desRechtsgeschäfts (und nicht schon beim Zustandekommen) anzusprechen. (Hinweis:In Falllösungen wird § 107 BGB verbreitet bereits im Zusammenhang mit der Willenserklärungdes beschränkt Geschäftsfähigen geprüft. Auch dieser Aufbau, dersich auf den Wortlaut des § 107 BGB stützen kann, ist vertretbar.) Beim Zugang vonWillenserklärungen gem. § 131 BGB wird in ähnlicher Weise zwischen Geschäftsunfähigenund beschränkt Geschäftsfähigen differenziert; vgl. Frage 209.
- Wie kann ein Geschäftsunfähiger am Rechtsverkehr teilnehmen? Durch seinen gesetzlichen Vertreter. Dies sind bei Minderjährigen gem. § 1629 I1 iVm. § 1626 I BGB regelmäßig die Eltern, bei volljährigen Geschäftsunfähigengem. § 1902 BGB ist es der Betreuer, sofern er nach § 1896 BGB bestellt wurde.Der gesetzliche Vertreter hat – außer bei höchstpersönlichen Geschäften (vgl. Frage531) – die Möglichkeit, selbst mit Wirkung für und gegen den Geschäftsunfähigenzu handeln. Dies gilt übrigens auch für beschränkt Geschäftsfähige (s. bei Frage103). Dabei muss der gesetzliche Vertreter im Namen des Kindes handeln. Geradebei Geschäften der Eltern wird eine unmittelbare Berechtigung des Kindes häufignicht erforderlich sein, da die Eltern das Kind über die Unterhaltsgewährung an denrechtsgeschäftlich erworbenen Gegenständen teilhaben lassen. Daneben kommt einVertrag zugunsten des Kindes (§ 328 BGB) oder ein Vertrag mit Schutzwirkung fürdas Kind (z. B. bei Arztverträgen) in Betracht.
- Ist der gesetzliche Vertreter gänzlich frei beim Abschluss von Rechtsgeschäften in Vertretung des (beschränkt) Geschäftsunfähigen? Für bestimmte für den Vertretenen besonders gefährliche Geschäfte bedarf der gesetzlicheVertreter der Genehmigung des Familiengerichts, z. B. für Grundstücksgeschäfteund die Kreditaufnahme, § 1643 I bzw. § 1908i I 1 iVm. §§ 1821 Nr. 1,5, 1822 Nr. 8 BGB. Auch Gesellschaftsverträge, die zum Betrieb eines Erwerbsgeschäftseingegangen werden (Beispiel: Beteiligung an GbR und OHG, nicht dagegenErwerb von GmbH-Anteilen; str. für Beteiligung an KG als Kommanditist) sindnach § 1822 Nr. 3 BGB genehmigungsbedürftig, also die Begründung der Gesellschaft,der Beitritt und fundamentale Änderungen des Gesellschaftsvertrages, nichtdagegen nur unwesentliche Änderungen, die auch konkludent durch entsprechendePraxis erfolgen könnten (Verkehrsschutz).Wenn die Eltern oder der Betreuer in einen Interessenkonflikt geraten, könnensie den Geschäftsunfähigen gem. § 1629 II 1 bzw. § 1908i I 1 iVm. § 1795 BGBschon nicht wirksam vertreten. Nach § 1795 II iVm. § 181 BGB ist insbesondereein Insichgeschäft, bei dem der Vertreter auf beiden Seiten des Rechtsgeschäftstätig wird, nämlich für sich selbst und auf Seiten des Vertretenen, grundsätzlichunzulässig (vgl. hierzu und zur ungeschriebenen Ausnahme bei lediglich rechtlichvorteilhaften Geschäften in Anlehnung an § 107 BGB Frage 622). In solchen Fällenist gem. § 1909 BGB ein Ergänzungspfleger einzuschalten. Im Übrigen ist der gesetzlicheVertreter nur im Innenverhältnis verpflichtet, auf das Wohl des Vertretenenzu achten, §§ 1627, 1901 BGB, wobei die Eltern bei dessen Auslegung freier sindund der Staat nur auf die Einhaltung von Mindeststandards achten kann, währendder Betreuer z. B. auch den Wünschen des Betreuten zu entsprechen hat, § 1901 IIIBGB. Dieser Unterschied spiegelt sich auch bei der Haftung gem. § 1908i I 1 iVm.§ 1833 bzw. § 1664 BGB wider, wonach die Eltern nur für die Sorgfalt in eigenenAngelegenheiten (vgl. § 277 BGB) einzustehen haben.
- Was bewirkt die Regelung des § 1629a BGB? § 1629a BGB – nach einem Urteil des BVerfG von 1986 zum Persönlichkeitsrechtdes Minderjährigen eingeführt – ändert nichts an der Wirksamkeit der Stellvertretungdurch die Eltern des Minderjährigen. Allein die Haftung für Verbindlichkeiten,die die Eltern für den Minderjährigen begründet haben und die nicht zu einemselbstständigen Erwerbsgeschäft gehören (§ 112 BGB) oder der Befriedigung persönlicherBedürfnisse dienen, ist entsprechend der Erbenhaftung auf das bei Eintrittder Volljährigkeit vorhandene Vermögen beschränkt.
- Kann ein Elternteil allein die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft des Minderjährigen erteilen? Grundsätzlich sind beide Eltern nach §§ 1626 I, 1629 I 2 BGB gemeinschaftlichfür das Kind vertretungsbefugt, außer ein Elternteil übt die elterliche Sorge alleinaus oder ihm wurde in einer wichtigen Angelegenheit, über die sich die Eltern nicht einigen konnten, die Entscheidung vom Familiengericht übertragen, §§ 1628, 1629I 3 BGB, oder bei Gefahr in Verzug, § 1629 I 4 BGB, z. B. bei Krankheit oderauf Reisen. Für Alltagsgeschäfte werden sich die Eltern häufig (konkludent aufgrundder Aufgabenteilung bei der Personensorge) gegenseitig bevollmächtigenoder ermächtigen (Rechtsnatur str.: Vollmacht oder wie bei der handelsrechtlichenGesamtvertretung Ermächtigung zur Alleinvertretung, § 125 II 2 HGB analog).Die Vertretungsmacht des ermächtigten Gesamtvertreters erstarkt damit zur Alleinvertretungsmacht,ohne dass er im Namen des anderen Gesamtvertreters handelnmuss (vgl. Beispiel Frage 626). Unter Umständen kommt auch eine Zurechnungentsprechend der Anscheins- oder Duldungsvollmacht in Betracht (s. Frage 601 ff.),was aufgrund des Minderjährigenschutzes aber restriktiv zu handhaben ist. Ggf.darf sich der Vertragspartner (z. B. der Kinderarzt) auch auf eine Ermächtigungdes einen durch den anderen Elternteil verlassen. Bei wesentlichen oder finanziellumfangreicheren Geschäften wie einem Fitnessstudiovertrag ist dies aber nicht anzunehmen,so dass der Vertrag gem. § 177 I BGB schwebend unwirksam ist und derunbeteiligte Elternteil ihn genehmigen kann. Eine dem Kind gegenüber abzugebendeWillenserklärung entgegennehmen kann dagegen jeder Elternteil allein, § 1629I 2 Hs. 2 BGB.
- Kann die Willenserklärung einer geschäftsunfähigen Person durch deren gesetzlichen Vertreter genehmigt werden? Nach § 105 I BGB ist die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen nichtig, ungeachtetdessen, ob sie im konkreten Fall vernünftig oder gar lediglich rechtlichvorteilhaft ist, da der Geschäftsunfähige komplett vor den Folgen seines Handelnsgeschützt werden soll. Sie stellt ein rechtliches nullum dar, ist also nicht existentund kann daher nicht genehmigt werden. Allerdings kann die „Genehmigung“ desBetreuers unter Umständen als Bestätigung iSd. § 141 I BGB anzusehen sein, wennder Betreuer im Zeitpunkt der Genehmigung davon ausging, dass das Geschäft unwirksamwar. Dies gilt dann als Neuvornahme (s. Fragen 476 f.).
- Kann sich der Geschäftspartner eines Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen darauf berufen, dass er sich bei Vornahme des Rechtsgeschäfts in gutem Glauben bezüglich der Geschäftsfähigkeit oder – bei Minderjährigen – einer Einwilligung des gesetzlichen Vertreters befand? Kann der Vertragspartner unter Umständen Schadensersatz verlangen, z. B. aus c.i.c. oder Delikt? Nein, denn eine den §§ 932, 892 BGB vergleichbare Vorschrift existiert nicht. Hierhat der Gesetzgeber den Schutz der Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigenüber den des Rechtsverkehrs gestellt. Auch § 366 HGB greift nicht ein. Eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (c.i.c.) gem. §§ 280I, 311 II, 241 II BGB setzt nach h. M. Geschäftsfähigkeit bzw. bei beschränkt Geschäftsfähigen die Eingehung des geschäftlichen Kontakts mit Einwilligung seinesgesetzlichen Vertreters voraus. Dies wird aus dem Rechtsgedanken der §§ 104 ff.BGB hergeleitet, wonach jede vertragliche Bindung ausgeschlossen sein soll. MitBejahung quasi-vertraglicher Ansprüche würde dieser Schutzzweck ausgehöhlt.Dies gilt selbst dann, wenn etwa der Minderjährige arglistig über sein Lebensaltertäuscht. In Betracht zu ziehen ist in solchen Fällen nur noch eine deliktische Haftung(z. B. wegen Betrugs nach § 823 II BGB iVm. § 263 StGB), bei der es grundsätzlichauf Alter und Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen (§ 828 BGB) oder aufdie Strafmündigkeit nach § 823 II BGB iVm. §§ 263, 19 StGB ankommt. Regelmäßigmöchte der Minderjährige jedoch durch die falsche Altersangabe nur denVertrag zustande bringen und er bedenkt nicht die wirtschaftlichen Folgen, wenndie Eltern die Genehmigung verweigern, weshalb eine Haftung namentlich wegendes Vorsatzerfordernisses in § 263 StGB auch hier fraglich wäre.
- Wann liegt eine Durchbrechung des Schutzes von Geschäftsunfähigen und Minderjährigen zugunsten des Verkehrsschutzes vor? Der Geschäftsunfähigen- und Minderjährigenschutz ist auf Fälle begrenzt, in denender Geschäftsunfähige oder Minderjährige durch sein eigenes Verhalten einenrechtlichen Verlust erleiden würde. Mangels (unbeschränkter) Geschäftsfähigkeitkönnen sie daher grundsätzlich keinen zurechenbaren Rechtsschein setzen.Anders ist es bei Rechtsscheintatbeständen, die der Minderjährige nicht selbstzurechenbar veranlasst haben muss. Auf persönliche Eigenschaften in der Persondes Betroffenen wie fehlende Geschäftsfähigkeit kommt es dann nicht an. In diesemFall wirkt der Rechtsschein auch zulasten des Minderjährigen. Insoweit wirdder Geschäftsunfähigen- und Minderjährigenschutz durchbrochen. Dies gilt nach§ 892 BGB z. B. für unrichtige oder fehlende Grundbucheintragungen zulasten desnicht eingetragenen Minderjährigen, der dann zugunsten des gutgläubigen Erwerberssein Recht verliert.Nach überwiegender Ansicht geht der Verkehrsschutz auch bei der Übertragungdes Eigentums an beweglichen Sachen gem. §§ 929, 932 I BGB vor, wenn der Minderjährigeals beschränkt Geschäftsfähiger willentlich den Besitz auf einen anderenübertragen hat und dieser die Sache an einen gutgläubigen Dritten weiterveräußert.Die Frage des Abhandenkommens iSd. § 935 I BGB hängt von der Fähigkeit zurnatürlichen Willensbildung, nicht aber von der Geschäftsfähigkeit ab.
- G verstirbt im Jahre 2012, nachdem er in einem Testament von 2008 seinen Sohn V, in einem jüngeren Testament von 2011 aber seinen 8-jährigen Enkel E als Alleinerben eingesetzt hat. Das Testament, in dem E als Alleinerbe eingetragen ist (und das nach § 2258 BGB das frühere aufhebt, soweit es ihm widerspricht), wird erst 2014, also zwei Jahre nach dem Tod des G gefunden. Zwischenzeitlich hat V unter Vorlage des Erbscheins Nachlassgegenstände an D veräußert. Hat D daran Eigentum erlangt? Ursprünglich war G Eigentümer der Gegenstände. Sein Eigentum ist durch Universalsukzessionauf den E übergegangen (§ 1922 BGB). D könnte durch die Übereignungdes V Eigentum erlangt haben. Ein Eigentumserwerb nach § 929 S. 1 BGBscheitert an der fehlenden Berechtigung des V zur Veräußerung des Eigentums desE. Auch ein gutgläubiger Erwerb gem. § 932 I 1 BGB scheitert grundsätzlich amAbhandenkommen des Nachlassgegenstands, § 935 I 1, 857 BGB. V ist aber imErbschein als Erbe bezeichnet. Damit gilt der Inhalt des Erbscheins zugunsten desErwerbers als richtig, sofern dieser keine Kenntnis von der Unrichtigkeit oder einerRückforderung durch das Nachlassgericht hat. Sein öffentlicher Glaube ermöglichtdem D einen gutgläubigen Erwerb nach §§ 2366, 929 S. 1 BGB und durchbrichtden Minderjährigenschutz.
- In welchen Fällen liegt eine Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB vor? Welcher Gedanke steht dahinter? Erforderlich ist eine dauerhafte krankhafte Störung der Geistestätigkeit gleich welchenUrsprungs, die die freie Willensbildung ausschließt. Sie ist zu bejahen, wennder Betroffene aufgrund einer geistigen Anomalie nicht in der Lage ist, seinen Willenfrei und unbeeinflusst von der Störung auf Grund einer sachlichen Prüfung derin Betracht kommenden Gesichtspunkte und einer Abwägung des Für und Wider,d. h. aufgrund von vernünftigen Erwägungen zu bilden, z. B. weil die Willensbildungdurch unkontrollierte Triebe und Vorstellungen ähnlich einer mechanischenVerknüpfung von Ursache und Wirkung ausgelöst wird oder den Einflüssen Dritterunterliegt. Dasselbe gilt für die Unfähigkeit, nach einer zutreffend gewonnenenEinsicht zu handeln (vgl. die Unterscheidung zwischen Einsichtsfähigkeit und Steuerungsfähigkeitbei der Testierunfähigkeit nach § 2229 IV BGB). Die Dauerhaftigkeitdient der Abgrenzung von § 105 II Fall 2 BGB als vorübergehender Störung,z. B. bei Trunkenheit ab einem Blutalkoholgehalt von ca. 3 Promille.
- Kann die Geschäftsunfähigkeit auf bestimmte Bereiche beschränkt sein? In Fällen des § 104 Nr. 2 BGB kann die Geschäftsunfähigkeit im Interesse derVerhältnismäßigkeit auf einen Teilbereich von Geschäften beschränkt sein, z. B.auf die Prozessführungsbefugnis beim sog. Querulantenwahn (partielle Geschäftsfähigkeit).Notwendig ist auch hier der Ausschluss der freien Willensbestimmung,d. h. der Betroffene darf in dem betroffenen Lebensbereich nicht mehr in der Lagesein, seine Entscheidung von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Willenserklärungeneiner hiervon betroffenen Person in anderen Lebensbereichen sindaber voll wirksam. Eine generelle Verneinung der Geschäftsfähigkeit wäre dannunverhältnismäßig.
- Gibt es auch eine relative Geschäftsunfähigkeit für besonders schwierige Geschäfte? Dies wird teilweise angenommen, wenn der Handelnde nach seinem individuellenGeisteszustand für subjektiv einfache Rechtsgeschäfte die nötige Einsichts- undSteuerungsfähigkeit besitzt, für subjektiv schwierige jedoch nicht. Abgrenzungsschwierigkeitenseien wie beim Vorliegen eines lichten Augenblicks (s. Frage 89)in Kauf zu nehmen. Dagegen spricht jedoch das Bedürfnis nach Rechtssicherheit,da sonst bei jedem Rechtsgeschäft zu ermitteln wäre, ob es noch vom Umfang derGeschäftsfähigkeit gedeckt ist. Nach § 104 Nr. 2 BGB kommt es in erster Linie aufdie freie Willensbestimmung und nicht auf intellektuelle Fähigkeiten an. Für dieFrage, wie eine einsichts- und steuerungsfähige Person das konkrete Rechtsgeschäftabgeschlossen hätte, besteht kein Maßstab. Zudem könnte sich dann jeder daraufberufen, seine Verstandeskräfte hätten für genau dieses Geschäft nicht ausgereicht.Nach überwiegender Ansicht erfolgt die Abgrenzung daher nur sektoral wie bei derpartiellen Geschäftsfähigkeit.
- Der 85jährige S leidet unter fortschreitender Senilität. Zwar kann er seinen Alltag gerade noch allein bewältigen, jedoch ist sein geistiges Leistungsvermögen sehr gering. Die Angestellte A seiner Hausbank B kann ihn in einem Beratungsgespräch dazu bewegen, sein bislang auf einem Tagesgeldkonto angelegtes Vermögen iHv. 50.000 € in Aktien- und Immobilienfonds zu investieren, wofür Abschlusskosten und Depotgebühren anfallen. Die Tochter T des S, die das Geld für die Pflege des S gerne flüssig haben möchte, möchte wissen, ob S sich daran festhalten lassen muss. Die von S abgegebenen Willenserklärungen sind nach § 105 I BGB unwirksam,wenn S bei ihrer Abgabe gem. § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war. Nach demSachverhalt liegt eine Störung der Geistestätigkeit, die vernünftige Erwägungen fürdie Entscheidungsfindung und damit eine freie Willensbildung ausschließt, nochnicht vor. Eine relative Geschäftsunfähigkeit ist abzulehnen. Dass ein konkretesRechtsgeschäft – hier: die Fondsanteilskäufe – für S zu schwierig sein mag, beeinflusstdaher die Wirksamkeit seiner Willenserklärung nicht. Wenn man S vorder hierdurch für ihn entstehenden Überforderungssituation schützen wollte, wäredies nur durch die Bestellung eines Betreuers gem. §§ 1896 ff. BGB für bestimmteRechtsgeschäfte möglich. Die Geschäftsfähigkeit des S ist daher zu bejahen; seineWillenserklärungen sind somit wirksam. Für den Fall, dass A die schwächere Situationdes S ausgenutzt hätte, um ungewöhnlich risikoreiche oder gebührenträchtigeAnlagegeschäfte abzuschließen, kämen Schadensersatzansprüche wegen Beratungsfehlernund ggf. auch eine Nichtigkeit der Verträge wegen Sittenwidrigkeitnach § 138 II BGB in Betracht (zu letzterem Thema s. Fragen 396 f.).
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- Kann die Willenserklärung eines Geisteskranken ausnahmsweise voll wirksam sein? Ja, wenn dieser sich während der Abgabe der Willenserklärung gerade in einem sogenannten „lichten Moment“ (lucidum intervallum) befindet. Hierunter wird einezeitliche Unterbrechung der geistigen Störung verstanden, während der das UrteilsundMotivationsvermögen normal ist. Dies wird aus dem Wortlaut des § 104 Nr. 2BGB hergeleitet, der von „wer sich in einem…Zustand…befindet“ spricht. Für dasVorliegen eines solchen lichten Augenblicks ist allerdings nach der allgemeinenBeweislastregel derjenige beweispflichtig, der sich darauf beruft.
- Kann der Geisteskranke nicht einmal ein Brötchen wirksam erwerben? Gilt dasselbe für einen Minderjährigen, z. B. einen fünfjährigen Jungen, der von seinen Eltern Geld für den Kauf von Bonbons erhält? Doch. Für volljährige Geschäftsunfähige besteht nach dem (im Juli 2002 eingeführten)§ 105a BGB die Möglichkeit, Geschäfte des täglichen Lebens wie den Erwerb von Zahnpasta und gewöhnlicher Nahrungsmittel, die mit geringwertigen Mittelnbewirkt werden können, wirksam abzuschließen. Nein, diese Möglichkeit steht nur volljährigen Geschäftsunfähigen offen. Auf Kinderist § 105a BGB nicht anwendbar. Der Junge selbst kann daher keinen wirksamenVertrag für sich abschließen. Allerdings wird das Kind als Bote der Willenserklärungseiner Eltern angesehen, wofür es nicht geschäftsfähig sein muss. DieseKonstruktion wird auch dann angenommen, wenn das Kind sich frei aussuchenkann, was es mit dem Geld kaufen möchte.
- Führt § 105a BGB zu einer Teilgeschäftsfähigkeit? Nein. § 105a S. 1 BGB ändert nichts an der Nichtigkeit der Willenserklärung desGeschäftsunfähigen. Er modifiziert lediglich die Rechtsfolge und bestimmt, dassder geschlossene (nichtige) Vertrag mit Wirkung ex nunc als wirksam fingiert wird,wenn sowohl Leistung als auch Gegenleistung erbracht sind. § 105a S. 2 BGB wiederumbestimmt den Ausschluss dieser Fiktion in Fällen, in denen eine erheblicheGefahr für die Person oder das Vermögen des Geschäftsunfähigen entsteht. Daswäre z. B. der Fall, wenn Alkohol an den Geschäftsunfähigen verkauft würde. Dogmatischwird die Regelung aufgrund vieler verbleibender Unklarheiten als misslungenangesehen.
- Der aus der Psychiatrie entwichene geisteskranke G lässt sich von Taxifahrer T zum Flughafen fahren. Auf dem Weg dorthin legt er ein völlig normales Verhalten an den Tag. T bemerkt deshalb nichts von G’s Geisteskrankheit. Am Flughafen angekommen, kann G nicht bezahlen. Es stellt sich heraus, dass G aufgrund seiner Geisteskrankheit unter Betreuung des B steht. Allerdings lehnt B es ab, die Taxirechnung zu bezahlen. Hat T einen Zahlungsanspruch? Als Grundlage eines Zahlungsanspruchs des T gegen G kommt der zwischen beidengeschlossene Beförderungsvertrag in Betracht. Allerdings war G zum Zeitpunktdes Vertragsschlusses gem. § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig, so dass seine Willenserklärungnach § 105 I BGB nichtig war. Hier könnte allerdings die Regelungdes § 105a BGB eingreifen. Dann müsste die Taxifahrt ein Geschäft des täglichenLebens sein und dieses müsste mit geringwertigen Mitteln bewirkt werden können.Bei kürzeren Fahrten innerhalb einer Ortschaft wäre beides wohl noch zu bejahen.Das Geschäft des täglichen Lebens gilt aber erst dann als wirksam, wenndie beiderseitigen Leistungen bewirkt sind. G hat noch nicht gezahlt, so dass dieAnwendung des § 105a BGB scheitert. Auch dass T die Geschäftsunfähigkeit desG nicht erkennen konnte, ist hier unerheblich: Das BGB schützt nicht den guten Glauben an die Geschäftsfähigkeit des Vertragspartners, sondern es gewährt demSchutz des Geschäftsunfähigen bzw. beschränkt Geschäftsfähigen Vorrang vor demdes Rechtsverkehrs.Denkbar wäre ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. §§ 812I 1 Fall 1, 818 II BGB. G hat die Beförderungsleistung ohne Rechtsgrund erlangt.Er müsste für diese Dienstleistung, die nicht herausgegeben werden kann, Wertersatznach § 818 II BGB leisten. Jedoch hat er keine anderweitigen Aufwendungenerspart, und G ist gem. § 818 III BGB nicht mehr bereichert. Auch die Saldotheorieist zulasten Geschäftsunfähiger wegen des weitreichenden Schutzgedankensder §§ 104 ff. BGB nicht anwendbar. Für die verschärfte Bereicherungshaftunggem. §§ 818 IV, 819 I BGB kommt es auf die Kenntnis des Vertreters (also hier desBetreuers nach § 1902 BGB) von den die Haftung begründenden Umständen anund nicht auf diejenige des Geschäftsunfähigen. B hatte hier aber keine Kenntnis. Tkann somit keine Bezahlung verlangen.
- Worin liegt der Unterschied zwischen § 104 Nr. 2 und § 105 II BGB? Während § 104 Nr. 2 BGB eine dauerhafte Störung der Geistestätigkeit verlangt,betrifft § 105 II BGB nur eine die freie Willensbestimmung ausschließende vorübergehendeStörung der Geistestätigkeit oder Bewusstlosigkeit. Entsprechend istder Betroffene auch nicht generell geschäftsunfähig, sondern nur die in diesem Zustandabgegebene konkrete Willenserklärung ist nichtig.
- Wie ist der Begriff der Bewusstlosigkeit in § 105 II BGB zu verstehen? Nicht iSv. Ohnmacht, wie dies der Alltagssprachgebrauch nahe legt (in diesemZustand ist die Abgabe von wirksamen Willenserklärungen schon mangels Handlungswillensnicht möglich, vgl. Frage 170). Gemeint ist ein die freie Willensbildungausschließender Zustand wie z. B. Volltrunkenheit, Hypnose, Fieberdeliriumoder Drogenrausch.
- Student S feiert seinen 25. Geburtstag mit Freunden im Club des C. Nach neun starken Cocktails lässt er sich von einigen Gästen überreden, eine Lokalrunde auszugeben. Als C die Rechnung präsentiert, kann S diese nicht begleichen, da er nicht genügend Geld dabei hat und zahlt daher zunächst nur die neun Cocktails. C verlangt zwei Tage später von dem inzwischen ausgenüchterten S die Bezahlung des noch ausstehenden Betrages von 336 € für die ausgegebene Runde. S erwidert, er könne sich an nichts erinnern, da er schon völlig betrunken gewesen sei. In der Tat hatte er eine Blutalkoholkonzentration von 2,5 Promille. Muss er trotzdem zahlen? Ein Anspruch des C setzt einen wirksamen Kaufvertrag über die Getränke voraus.S hat eine Lokalrunde bestellt, was als Angebot zu werten ist, das C durch Auslieferungder Getränke angenommen hat. Die Willenserklärung des S könnte abergem. § 105 II BGB nichtig sein. Eine Bewusstlosigkeit iSd. § 105 II BGB kann beiextremer Alkoholisierung vorliegen; regelmäßig geht man von einer solchen abererst ab einem Blutalkoholwert von 3 Promille aus (vergleichbar der Schuldunfähigkeitaufgrund Volltrunkenheit im Strafrecht).Allerdings kommt eine vorübergehende Störung der Geistestätigkeit infolge derTrunkenheit in Betracht. Diese liegt dann vor, wenn die freie Willensbestimmungausgeschlossen ist. Für das tatsächliche Vorliegen einer so hochgradigen Trunkenheitträgt der Vorbringende, also S, die Beweislast. Gelingt ihm der Nachweis nicht,muss von einer Wirksamkeit des Vertrages ausgegangen werden und S muss bezahlen.Bei Nachweis ist der Kaufvertrag unwirksam und auch aus §§ 812 I 1 Fall1, 818 II BGB kann wegen § 818 III BGB keine Zahlung verlangt werden (sog.Luxusaufwendungen).
- Welchen Zweck verfolgen die §§ 106 ff. BGB? Sie sollen dem Minderjährigen ermöglichen, sich im Schutz dieser gesetzlichenRegelungen an die Wirkungsweise und Mechanismen des Rechtsverkehrs zu gewöhnen.
- Kann ein beschränkt geschäftsfähiger Minderjähriger ein wirksames Rechtsgeschäft abschließen? Ja, in folgenden Fällen: wenn das Geschäft lediglich rechtlich vorteilhaft ist (§ 107 BGB); wenn die Willenserklärung in einen Bereich fällt, für den dem Minderjährigeneine Generalermächtigung gem. §§ 112, 113 BGB erteilt wurde; wenn der gesetzliche Vertreter konkludent durch Überlassung von „Taschengeld“in ein bestimmtes Rechtsgeschäft oder in Rechtsgeschäfteeiner bestimmten Art einwilligt (§ 110 BGB); wenn der gesetzliche Vertreter in die Vornahme des Rechtsgeschäfts durchden Minderjährigen einwilligt (§ 107 BGB); wenn ein schwebend unwirksames Rechtsgeschäft des Minderjährigenvom gesetzlichen Vertreter genehmigt wird (§ 108 BGB). Allein kann der Minderjährige also nur bei lediglich rechtlich vorteilhaften Geschäftenhandeln, im Übrigen bedarf er der Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters,also regelmäßig der Eltern, sei es im Voraus mit einer generellen oder speziellenEinwilligung, sei es im Nachhinein durch die Genehmigung des Geschäfts. Daneben kann freilich auch der gesetzliche Vertreter für den Minderjährigen Willenserklärungenabgeben.
- Wann ist ein Geschäft für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft? Lediglich rechtlich vorteilhaft sind solche Geschäfte, die die Rechtsstellung desMinderjährigen ausschließlich verbessern. Maßgeblich sind die unmittelbarenrechtlichen Wirkungen des Rechtsgeschäfts. Dabei sind Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäftstreng zu trennen und einzeln zu beurteilen. Belastend ist einRechtsgeschäft dann, wenn es eine Pflicht für den Minderjährigen begründet oderzu einem Verlust vertraglicher oder dinglicher Rechte führt. Zu berücksichtigensind nicht nur die Haupt-, sondern auch die Nebenpflichten. Rechtlich vorteilhaftsind insbesondere der dingliche Erwerb von Rechten wie der Eigentums- und Forderungserwerb(zu Grundstücken s. sogleich) sowie als Verpflichtungsgeschäft dieSchenkung an den Minderjährigen (im Gegensatz zur Übertragung von Rechten desMinderjährigen an einen anderen und zu solchen Schenkungen, bei der der Minderjährigedurch die Hauptleistung, vertragliche Auflagen oder Rückgabepflichtenverpflichtet wird). Ebenfalls vorteilhaft ist die Annahme eines Schuldversprechensnach § 780 BGB sowie eines Schuldanerkenntnisses gem. § 781 BGB.
- Kann ein Minderjähriger ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters einen wirksamen gegenseitig verpflichtenden Vertrag schließen? Wie ist es bei einseitig den anderen Teil verpflichtenden Verträgen? Kann der Minderjährige wirksam ein Buch entleihen? Gilt das auch, wenn es sich bei dem Geschäft, um ein „Schnäppchen“ handelt? Da gegenseitig verpflichtende Verträge immer auch eine rechtlich nachteilige Gegenleistungspflichtbegründen, sind sie ohne Einwilligung schwebend unwirksam.Auch einseitig den anderen Teil verpflichtende Verträge beinhalten meist nachteiligeNebenpflichten, wie Herausgabe- oder Obhutspflichten. So ist z. B. auch dieLeihe rechtlich nachteilhaft, da der Entleiher auch Pflichten hat: Er muss die Sachenach § 601 BGB erhalten und sie nach § 604 BGB wieder zurückgeben (str., da derMinderjährige auch bei Nichtigkeit des Leihvertrags zur Herausgabe und sogar zumNutzungsersatz nach §§ 812 I 1 Fall 1, 818 I BGB verpflichtet ist und damit nichtbesser als nach §§ 604, 601 BGB steht). Ja. Für die Vorteilhaftigkeit des § 107 BGB kommt es allein darauf an, ob der Minderjährigerechtlich verpflichtet wird, nicht auf einen etwaigen Ausgleich durchGegenleistungen und auch nicht auf wirtschaftliche Vorteile.
- Wird der Erwerb des Eigentums an einem Grundstück dadurch rechtlich nachteilig, dass der Minderjährige öffentliche (z. B. Grundsteuer) Lasten zu tragen hat? Dies ist streitig. Während eine Ansicht darauf abstellt, ob nach Art und Umfangder mit dem Rechtsgeschäft verbundenen Nachteile eine Kontrolle durch den gesetzlichenVertreter geboten ist, verneint die h. M. dies, und zwar mit folgenderArgumentation: Da die Nachteile sachbezogen sind und jeden Eigentümer treffen,werden sie nicht unmittelbar durch das Rechtsgeschäft hervorgerufen. Sie entstehennur mittelbar kraft öffentlichen Rechts. Zudem lassen sie sich regelmäßig aus denErträgen des Grundstücks finanzieren. Solche mittelbaren Nachteile sind demnachnicht zu berücksichtigen. Das Rechtsgeschäft bleibt also lediglich rechtlich vorteilhaft.Beim Erwerb einer Eigentumswohnung wird hingegen teils deshalb, weil denMinderjährige kraft seiner Eigentümerstellung Zahlungspflichten gegenüber derGemeinschaft treffen (z. B. anteilige Tragung der Verwalterkosten), eine Anwendungvon § 107 BGB verneint.
- G, der am 9.6.2007 um 23.00 geboren ist, bekommt von seinem Großvater am Morgen des 9.6.2014 einen 20 €-Schein als Geburtstagsgeschenk überreicht. Ist der Vertrag wirksam und G Eigentümer des Geldscheines geworden, wenn seine Eltern nicht wissen, dass er den Schein erhalten hat? Anschlussfrage: Kann G die 20 € ohne Zustimmung seiner Eltern ausgeben? Die Schenkung des Geldscheins wie der Eigentumserwerb daran könnten als fürden minderjährigen G lediglich rechtlich vorteilhaft wirksam sein. Mit Beginn des9.6.2014 hat G sein siebentes Lebensjahr vollendet (auch wenn er erst um 23.00Uhr geboren wurde, zählt beim Alter der Beginn des Geburtstags, § 187 II 2 BGB)und ist damit beschränkt geschäftsfähig. § 107 BGB ist mithin anwendbar. Schuldrechtlichhandelt es sich um eine (Hand-) Schenkung nach § 516 I BGB. Diesebegründet für den Beschenkten keine Pflichten, sondern lediglich ein Recht zumBehalten und ist daher für ihn lediglich rechtlich vorteilhaft (das gilt sowohl fürdie hier erfolgte Handschenkung als auch für die sog. Versprechensschenkung nach§ 518 BGB, bei der ausschließlich Pflichten des Schenkers begründet werden). FürSchenkungen unter Auflagen nach § 525 BGB würde dies allerdings nicht gelten,da der Minderjährige durch sie unter Umständen in eine Position einträte, die ihnrechtlich verpflichten würde (zur Schenkung eines belasteten Grundstücks vgl. Frage623 f.). Der Erwerb des Eigentums am Geldschein nach § 929 S. 1 BGB istals Rechtserwerb für G rechtlich lediglich vorteilhaft. Im Beispielsfall sind damitsowohl der schuldrechtliche Vertrag als auch das Verfügungsgeschäft nach § 107BGB wirksam. In Betracht kommt, dass hier der sog. Taschengeldparagraph (§ 110 BGB) eingreift.Danach muss das Geld aber zumindest mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreterszur freien Verfügung gegeben werden (zu § 110 BGB s. sogleich). Die Verpflichtungs-und Verfügungsgeschäfte, die G mit dem Geld abschließt, sind daher unwirksam,mit Ausnahme solcher Verfügungsgeschäfte, die für ihn ausschließlichrechtlich vorteilhaft sind, z. B. durch die er Eigentum erwirbt.
- Kann die Leistung, die einem Minderjährigen geschuldet wird, mit befreiender Wirkung an ihn erbracht werden, etwa wenn der mit Einwilligung der Eltern abgeschlossene Kaufvertrag über ein Fahrrad für M ohne deren Kenntnis durch Übereignung an M erfüllt werden soll oder wenn sein Fahrrad verkauft wurde und er das Geld in Empfang nimmt? Würde dies auch im Fall der Schenkung des Großvaters an seinen Enkel (Frage 108) gelten? Ob die Erfüllung gem. § 362 I BGB gegenüber einem beschränkt Geschäftsfähigenohne Einwilligung der Eltern möglich ist, ist problematisch. Einerseits ist der Eigentumserwerblediglich rechtlich vorteilhaft und daher wirksam, der Verlust desAnspruchs stellt jedoch einen rechtlichen Nachteil dar. Insoweit werden verschiedeneLösungsansätze vertreten.Teilweise wird für die Erfüllung ein Vertrag (Zweckvereinbarung zwischenGläubiger und Schuldner) als notwendig angesehen („Theorie der Erfüllungsvereinbarung“bzw. „Vertragstheorie“), den der Minderjährige aufgrund des nachteilhaftenErlöschens der Forderung ohne Einwilligung der Eltern gem. § 107 BGBnicht wirksam schließen kann.Nach überwiegender Ansicht ist diese Vertragskonstruktion jedoch gekünsteltund ein besonderer Erfüllungsvertrag nicht notwendig (Lehre von der realen Leistungserbringung).Es ist aber streitig, ob und wie zwischen Eigentumserwerb undErfüllungswirkung getrennt werden muss. Teils wird vertreten, dass die Annahmeder Leistung im Ganzen dem Minderjährigen lediglich einen rechtlichen Vorteilbringe (oder zumindest rechtlich neutral sei), da in seinem Vermögen der (in derRegel höher zu bewertende) Leistungsgegenstand an die Stelle der Forderung trete.Daher erfolgten sowohl der Eigentumserwerb als auch die Erfüllung. Der Minderjährigesei dadurch ausreichend geschützt, dass er über den empfangenen Gegenstandnur mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters verfügen kann.Dagegen spricht jedoch, dass weder der Schutz des Minderjährigen noch dasAbstraktionsprinzip in ausreichendem Maße berücksichtigt werden. Selbst wennman keinen „Erfüllungsvertrag“ fordert und §§ 107, 131 II 2 BGB analog anwendet,muss maßgeblich sein, dass der Minderjährige durch die Erfüllung seinen Anspruchverliert. Es besteht die Gefahr, dass der Minderjährige den empfangenenGegenstand ohne Überlegung verbraucht, aufgrund unsachgemäßer Verwendungzerstört oder auch nur vorhandene Mängel nicht erkennt und deshalb seine Rechtenicht geltend macht. Vor solch unvernünftigen Handlungen sollen aber beschränktGeschäftsfähige gerade durch die Zustimmungsbedürftigkeit geschützt werden.Deshalb wird zwischen Erfüllung und Eigentumserwerb getrennt: Der Eigentumserwerbist – selbstständig betrachtet – lediglich rechtlich vorteilhaft und wirksam;dem Minderjährigen fehlt aber die Zuständigkeit für die Annahme der Leistung(obwohl er Gläubiger ist); die „Empfangszuständigkeit“ kommt allein dem gesetzlichenVertreter zu. Demnach ist bei fehlender Einwilligung der Eltern die Erfüllungswirkungabzulehnen.Der Geschäftspartner, der trotz fehlender Einwilligung an den Minderjährigenselbst leistet, hat gegen diesen einen bereicherungsrechtlichen Anspruch aus § 812 I1 Fall 1 BGB (condictio indebiti). Hat der Minderjährige z. B. das empfangene Geldausgegeben, kann er entreichert sein, § 818 III BGB (sog. Luxusaufwendungen). Bei einer Handschenkung gem. § 516 BGB entsteht kein Anspruch auf Übereignungder geschenkten Sache (dies würde die notarielle Beurkundung des Schenkungsversprechensverlangen; § 518 I 1 BGB), der Handschenkungsvertrag gibt nurein Recht zum Behalten, stellt die causa für die Übereignung dar. Daher besteht hierkein Anspruch auf Übereignung der Sache, der durch die Übereignung, d. h. Erfüllunguntergegangen sein könnte. Wurde die versprochene Leistung jedoch bewirkt,ist damit der Formmangel geheilt (§ 518 II BGB).
- Was versteht man unter einem für den Minderjährigen neutralen Geschäft? Ist dieses wirksam? Ein rechtlich neutrales Geschäft ist ein Rechtsgeschäft, das dem Minderjährigenweder rechtlichen Vorteil noch Nachteil bringt. Der Sinn und Zweck des § 107 BGBbesteht im Schutz des Minderjährigen vor nachteiligen rechtlichen Folgen einesRechtsgeschäfts. Dieser Schutz, der zulasten der Sicherheit und Leichtigkeit desRechtsverkehrs geht, ist aber auch bei neutralen Geschäften entbehrlich. Deshalb istnach überwiegender Ansicht das Rechtsgeschäft wirksam (teleologische Reduktionvon § 107 BGB). Ein Beispiel hierfür ist die Stellvertretung durch einen beschränktGeschäftsfähigen, die nach § 165 BGB ausdrücklich zulässig ist, da die Folgen ausdem Geschäft den Vertretenen und nicht den Vertreter treffen und der beschränktGeschäftsfähige nach § 179 III 2 BGB selbst dann nicht haftet, wenn er als Vertreterohne Vertretungsmacht gehandelt hat, es sei denn, er wurde mit Zustimmung seinesgesetzlichen Vertreters tätig. Ein weiteres klassisches Beispiel ist die Übereignungfremder Sachen durch den Minderjährigen, etwa im Rahmen des gutgläubigen Erwerbsgem. §§ 932 ff. BGB.
- Der Minderjährige M leiht sich von seinem 18-jährigen Freund F dessen MP3- Player. D, ein anderer Freund des M, sieht das Gerät bei M und bietet ihm einen angemessenen Kaufpreis. M stimmt zu und übergibt dem D den MP3-Player. Kann F das Gerät von D herausverlangen? In Betracht kommt ein Anspruch aus § 985 BGB. Dazu muss F noch Eigentümerdes MP3-Players sein. Durch den Leihvertrag hat F sich nur verpflichtet, dem Mzeitweise den Besitz zu überlassen; das Eigentum hat er nicht verloren. Ein solcherVerlust könnte aber durch die Übereignung von M an D gem. §§ 929 S. 1, 932 I 1BGB eingetreten sein.Dazu muss zunächst eine wirksame Einigung vorliegen. Zwar haben M und Dsich über den Eigentumsübergang geeinigt, jedoch ist diese Einigung auf Grund der beschränkten Geschäftsfähigkeit des M gem. § 108 I BGB mangels Einwilligungder Eltern möglicherweise schwebend unwirksam. Fraglich ist, ob es einer Zustimmungbedarf. Dies ist nicht der Fall, wenn ein für M lediglich rechtlich vorteilhaftesGeschäft iSd. § 107 BGB vorliegt. Zwar birgt die Übereignung fremder Sachen fürM keinen unmittelbaren Vorteil (das Erlangen des Kaufpreises ist nur eine mittelbarewirtschaftliche Folge der Übereignung). M hat mangels Eigentum an dem Gerätaber auch keinen Rechtsverlust erlitten. Evtl. Ersatzansprüche des Verleihers gegenden Minderjährigen werden zum einen durch den Minderjährigenschutz im DeliktsundBereicherungsrecht (§§ 828 f., 818 III, 819 BGB) abgefedert und folgen zumanderen nicht aus dem konkreten Rechtsgeschäft, sind also keine unmittelbaren,sondern nur mittelbare rechtliche Nachteile. Die Übereignung fremder Sachen istfolglich weder rechtlich vorteilhaft noch nachteilig. Für rechtlich neutrale Geschäfteverlangt der Normzweck des Minderjährigenschutzes aber keine Einwilligungdes gesetzlichen Vertreters. Die Einigung ist danach gem. § 107 BGB wirksam.M hat D den MP3-Player auch übergeben. Da M nicht Eigentümer war, müssenfür eine wirksame Übereignung die Voraussetzungen des § 932 I 1 BGB erfüllt,muss D also gutgläubig gewesen sein. D war nicht bekannt, dass das Gerät nichtdem M gehörte. Es deutet auch nichts darauf hin, dass seine Unkenntnis auf groberFahrlässigkeit beruhte. Gegen den guten Glauben spricht aber, dass der gutgläubigeErwerber durch § 932 BGB nur so gestellt werden soll, wie er stünde, wenn seineVorstellung der Wirklichkeit entspräche. In diesem Fall, wenn also M tatsächlichEigentümer gewesen wäre, wäre die Einigung nach § 108 I BGB schwebend unwirksam.Der Erwerber ist nach einer Meinung daher nicht schutzwürdig und sollkein Eigentum erwerben. Die h. M. lehnt diese Ansicht mit der Begründung ab,§ 107 BGB solle dem Minderjährigenschutz dienen, nicht Dritte vor dem Verlustihres Eigentums bewahren. Danach ist D Eigentümer geworden; F kann nicht Herausgabenach § 985 BGB verlangen.
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- Ist eine Mahnung oder eine Fristsetzung nach § 281 BGB durch den Minderjährigen ohne elterliche Einwilligung wirksam? Bei Mahnung und Fristsetzung handelt es sich um geschäftsähnliche Handlungen.Für sie gelten die §§ 104 ff. BGB freilich entsprechend. Durch die Mahnung kommtder Schuldner in Verzug. Es werden somit die Voraussetzungen für eine weitereWahrnehmung von Rechtspositionen des Minderjährigen geschaffen. Die Mahnungist daher lediglich rechtlich vorteilhaft, so dass der Minderjährige nach überwiegenderAnsicht seinen Schuldner mahnen kann. Eine Fristsetzung nach §§ 281 I 1,326 I BGB lässt den Erfüllungsanspruch aus dem Vertrag nicht erlöschen, sondernerweitert wie die Mahnung die Handlungsmöglichkeiten des Gläubigers auf Rücktrittsrechtund Schadensersatzanspruch. Auch sie kann der Minderjährige folglichohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vornehmen. Anders verhält es sichmit der Geltendmachung des Schadensersatzverlangens oder dem Rücktritt selbst,da hierdurch gem. § 281 IV BGB der Erfüllungsanspruch untergeht.
- Können Minderjährige für bestimmte Arten von Geschäften Teilgeschäftsfähigkeit erlangen? Ja. Partielle Geschäftsfähigkeit oder Teilgeschäftsfähigkeit liegt vor, wenn der Minderjährigevon seinem gesetzlichen Vertreter zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäftsgem. § 112 BGB (nur möglich mit Genehmigung des Familiengerichts)oder zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses gem. § 113 BGB ermächtigtwird. Es handelt sich um gesetzlich normierte Fälle des sog. beschränkten Generalkonsenses.Der Minderjährige kann dann alle mit diesem Teilbereich zusammenhängendenRechtsgeschäfte ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters vornehmen,d. h. er ist in diesem Sektor unbeschränkt geschäftsfähig.
- Die 16-jährige A nimmt mit Billigung ihrer Eltern eine Stelle als Verkäuferin bei dem Supermarkt S an. A lässt sich von den Kolleginnen dazu animieren, der Gewerkschaft beizutreten, findet nun aber die Mitgliedsbeiträge zu hoch. Ist der Beitritt wirksam? Was wäre, wenn die A eine Ausbildung als Arzthelferin bei Mediziner M annehmen würde? Der Gewerkschaftsbeitritt verpflichtet A zur Zahlung der Beiträge und ist daher fürsie nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Daher brauchte A die Einwilligung ihrerEltern. Diese ist nicht ausdrücklich erklärt worden, sie liegt aber möglicherweise inder Zustimmung zur Aufnahme ihres Arbeitsverhältnisses bei S (§ 113 I 1 BGB).Damit erlangte A für Geschäfte, die die Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnissesder gestatteten Art oder die Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnisergebenden Verpflichtungen betreffen, unbeschränkte Geschäftsfähigkeit. Zudiesen Rechtsgeschäften gehören auch diejenigen, die dem minderjährigen Arbeitnehmerdie Möglichkeit geben, auf den Inhalt seines Arbeitsverhältnisses einzuwirken.Dies ist für den Beitritt zu einer Gewerkschaft anzunehmen, weil hier derInhalt des Arbeitsvertrages mit dem gewerkschaftlich organisierten Mitglied weitgehenddurch den Tarifvertrag bestimmt wird und der Beitretende hierdurch einenAnspruch auf tarifliche Leistungen erlangt. Deshalb war der Beitritt der A nach§ 113 BGB wirksam. Freilich ist A in der Lage auszutreten. Als actus contrarius, derwiederum die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Verpflichtungen betreffenwürden, wäre auch der Austritt von der Zustimmung umfasst und ohne Einwilligungder Eltern wirksam. Es ist streitig, ob § 113 BGB auch auf Ausbildungsverhältnisse Anwendung findet.Die wohl h. M. lehnt dies ab, weil bei diesen nicht die Arbeit, sondern der Ausbildungszweckim Vordergrund stehe.
- Der 16-jährige K arbeitet nach seinem Hauptschulabschluss als Bedienung in einem Restaurant. Die Eltern des K möchten gerne Kontrolle über dessen Finanzen haben und fordern von seinem Chef C, dass dieser ihnen den Arbeitslohn ihres Sohnes auf ihr Konto überweist. K ist dagegen. Wem muss C den Lohn überweisen? K ist nach § 611 I BGB Gläubiger der Lohnforderung. Fraglich ist allerdings, ober auch Empfangszuständigkeit (vgl. Frage 110) für den geschuldeten Lohn besitzt.Eine Empfangszuständigkeit besteht dann, wenn der Minderjährige für den fraglichenBereich unbeschränkt geschäftsfähig ist (§ 113 BGB). In diesem Fall bestündefür den konkreten Bereich auch keine gesetzliche Vertretungsmacht der Elternmehr, so dass diese nicht die Überweisung an sich verlangen könnten. Die Entgegennahmedes Arbeitslohns ist eines der typischen Geschäfte, die der Eingehungoder Aufhebung des Arbeitsverhältnisses oder der Erfüllung von Pflichten aus demArbeitsverhältnis dienen. Auf das erlangte Arbeitsentgelt selbst hingegen beziehtsich die Teilgeschäftsfähigkeit nicht. Diesbezüglich muss der Minderjährige weiterhinvor unvernünftigen Rechtsgeschäften geschützt werden. Die Verwaltungs- undVerfügungsbefugnis hierfür steht vielmehr gem. §§ 1626, 1793 BGB dem gesetzlichenVertreter zu. Indem die Eltern die Zahlung auf ihr Konto verlangen, verhindernsie schon die Entgegennahme des Arbeitslohns, obwohl dies dem K durch dieEinwilligung in den Arbeitsvertrag nach § 113 I BGB grundsätzlich gestattet unddie Eltern damit ausgeschlossen wären. Jedoch kann die Ermächtigung iSv. § 113I BGB gem. § 113 II BGB eingeschränkt oder zurückgenommen werden. Mit demVerlangen, dass der Arbeitslohn des K auf ihr Konto überwiesen werden möge,nehmen die Eltern eine solche Einschränkung vor. Daher muss C den Lohn des Kauf das Konto der Eltern überweisen.
- Was versteht man unter einem beschränkten Generalkonsens? Das ist eine generelle Zustimmung der gesetzlichen Vertreter zu Geschäften, die miteinem bestimmten klar umrissenen Vorhaben verbunden sind, wie z. B. Ausbildung,Studium oder Reise. Ein beschränkter Generalkonsens ist mit dem Schutzzweckder §§ 107 ff. BGB vereinbar und im Gegensatz zu einem sog. unbeschränktenGeneralkonsens (vorherige Erklärung in alle Geschäfte des Minderjährigen – gleichwelcher Art – einzuwilligen) zulässig.
- Wie ist § 110 BGB systematisch einordnen und wo ist er zu prüfen? § 110 BGB ist nach überwiegender Ansicht ein gesetzlich normierter Fall des sog.beschränkten Generalkonsenses, d. h. eine generelle Einwilligung in eine Reihezunächst nicht näher individualisierter, aber hinreichend bestimmter oder bestimmbarer Geschäfte, damit ein Spezialfall der Einwilligung nach § 107 BGB und deswegenvor diesem zu prüfen. Bedeutsam ist der Unterschied zwischen beiden Regelungenvor allem in Fällen, in denen der Minderjährige die Leistung nicht vollständigbewirken kann. Liegt hier eine Einwilligung nach § 107 BGB vor, so kann derMinderjährige einen wirksamen Vertrag schließen und Schulden eingehen. Im Falldes § 110 BGB ist der Vertrag unwirksam, wenn die vertragsgemäße Leistung nichtvollständig bewirkt worden ist. Daher ist aus Gründen des Minderjährigenschutzesim Zweifel eine Einwilligung nach § 110 BGB anzunehmen.Die Einwilligung iSd. § 110 BGB erfolgt durch Überlassung von Mitteln undumfasst – nach Bewirkung der Leistung – sowohl das Verfügungsgeschäft über dieMittel als auch das Verpflichtungsgeschäft. Im Gegensatz zu §§ 112, 113 BGB erweiterter nach h. M. allerdings nicht die Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen.Nach der Gegenansicht handelt es sich lediglich um die Einwilligung in das Verfügungsgeschäftüber die Mittel, das Verpflichtungsgeschäft wird – wie der Wortlaut„ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag“ zeige – nichtvon der Einwilligung erfasst, sondern erst nach Bewirken der Leistung als wirksamfingiert („gilt als von Anfang wirksam“).
- § 110 BGB verlangt, dass die Leistung vom Minderjährigen „bewirkt“ wurde. Was bedeutet das? Der Vertrag wird erst dann wirksam, wenn der Minderjährige seine Verpflichtungaus dem Geschäft vollständig iSv. § 362 BGB erfüllt hat. Der zuvor schwebend unwirksameVertrag wird dann aber ex tunc, also von Anfang an wirksam. Bis dahinist die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters widerruflich, § 183 BGB. DieseRegelung folgt aus dem Gedanken, dass die Ermächtigung iSd. § 110 BGB nurGeschäfte mit den tatsächlich zur Verfügung stehenden Mitteln umfasst. Der Minderjährigesoll sich nicht bzw. allenfalls mit einer Einwilligung nach § 107 BGBverschulden können.
- Die 16-jährige M möchte sich ein Piercing machen lassen. Die Eltern willigen unter der Bedingung ein, dass sie in ein seriöses Studio geht, und geben ihr 50 €. Als die Studioinhaberin S die Piercings durchgeführt hat, bemerkt M, dass sie den Geldschein verloren hat. Kann S die Zahlung der 50 € verlangen? Wie ist die Rechtslage, wenn der Minderjährige im Falle des § 110 BGB seine Leistung mit Hilfe seines monatlichen Taschengeldes ratenweise bewirkt? In Betracht kommt ein Anspruch der S aus dem (gemischten Dienst- und Kauf-)Vertrag mit M. Dieser ist aufgrund der Zahlungspflicht der M nicht lediglich rechtlichvorteilhaft und bedarf daher für seine Wirksamkeit der Einwilligung der Eltern.In Betracht kommt hier eine Einwilligung nach § 107 BGB, aber auch eine solchenach § 110 BGB. Im Fall des § 107 BGB wäre M verpflichtet, unabhängig davon,ob die vorgesehenen Mittel tatsächlich zur Erfüllung des Vertrags verwendet werden,während bei § 110 BGB eine Verschuldung des Minderjährigen ausgeschlossenist. Welche Art von Einwilligung vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Eine Einwilligung iSv. § 107 BGB ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Zweckdes Geschäfts auf jeden Fall erfüllt werden soll, während ansonsten im Zweifel zugunstendes Minderjährigenschutzes § 110 BGB anzuwenden ist. Die Eltern habennur in die Verfügung über die 50 € (zum Zwecke des der Erfüllung des „Piercing-Vertrags“) eingewilligt, nicht in den Abschluss eines solchen Vertrags unabhängigdavon, ob M die 50 € noch zur Verfügung stehen. Daher ist von einer EinwilligungiSd. § 110 BGB auszugehen. Da M ihre Verpflichtung nicht erfüllt hat, ist der Vertragunwirksam und S hat keinen vertraglichen Erfüllungsanspruch. Sie hat jedocheinen Anspruch aus §§ 812 I 1 Fall 1, 818 II BGB auf Wertersatz für die von ihrerbrachte, nicht herausgabefähige Leistung. Der Vertrag ist schwebend unwirksam, solange nicht die letzte Rate gezahlt ist undder Minderjährige so seine Leistung vollständig bewirkt hat. Eine Ausnahme gilt fürGeschäfte, bei denen Leistung und Gegenleistung teilbar sind, wie z. B. Mietverträge.Hier haben Teilzahlungen die teilweise Wirksamkeit des Vertrages zur Folge.
- Kann der Minderjährige mit seinem Taschengeld ganz nach Belieben verfahren? Die Eltern verfolgen bisweilen mit der Mittelüberlassung einen bestimmten Zweck,der dann die Grenze bildet, z. B. den Kauf eines Buches. Aber auch wenn demMinderjährigen die Mittel zur freien Verfügung überlassen werden, ist nicht jedeunvernünftige Verwendung erlaubt. Die konkludente Einwilligung der Eltern istaus dem Empfängerhorizont des Minderjährigen unter Berücksichtigung der ihmbekannten Erziehungsmethoden und persönlichen Wertvorstellungen auszulegen.So wird etwa der Erwerb von Zigaretten meist nicht vom Einverständnis der Elterngedeckt sein.
- Der 14-jährige M bekommt von seiner Großmutter G einen 100 €-Schein zum Geburtstag. Die Eltern bemerken dies nicht. Da sie keine laute Musik mögen und ihm die gewünschten extra starken Boxen für seine Stereo-Anlage nicht geschenkt haben, kauft er sie sich von den 100 €. Ist der Kaufvertrag wirksam? Der Kaufvertrag ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, so dass er, um wirksam zusein, der Zustimmung der Eltern als gesetzliche Vertreter bedurfte. Hier könnte dersog. Taschengeldparagraph § 110 BGB eingreifen. M hat den Kaufpreis voll bezahltund die Leistung damit bewirkt. Das „Taschengeld“ kann nach § 110 BGB auch vonDritten zur Verfügung gestellt werden, allerdings nur mit Zustimmung des gesetzlichenVertreters. Dies ist hier nicht erfolgt, so dass der Kaufvertrag unwirksam ist.
- Steht einem Minderjährigen auch das mit Taschengeld erworbene Surrogat (z. B. ein Lottogewinn) zu freier Verfügung? Dies hängt von der Auslegung im Einzelfall ab. Im Allgemeinen ist davon auszugehen,dass auch das zweite Geschäft von der Einwilligung umfasst ist, wenn es auchgleich als erstes mit dem Taschengeld hätte vorgenommen werden können, also dasSurrogat von ähnlichem objektivem Wert ist. Gewinnt dagegen der Minderjährigeim Lotto eine Summe, die den zur Verfügung gestellten Betrag um ein Vielfachesübersteigt, so kann nicht von einer Einwilligung der Eltern iSv. § 110 BGB ausgegangenwerden.
- Der siebenjährige K kauft von seinem Taschengeld ein Manga-Heft bei V. Dieses tauscht er nach der Lektüre mit seinem Freund F gegen einen Asterix-Band. Die Eltern beider Kinder wissen von nichts. Sind die Verträge wirksam, und wem gehört das Manga-Comic? Gibt es weitere Fälle eines beschränkten Generalkonsenses? K hat das Manga-Heft mit seinem Taschengeld, also aus Mitteln iSv. § 110 BGBbezahlt. Der Kaufvertrag mit V ist daher wirksam. Problematischer ist die Wirksamkeitdes Tauschvertrags. Mit dem Comic des V hat K ein Surrogat für sein Taschengelderlangt. Bei Verfügungen über das Surrogat bedarf es der Auslegung, ob derMinderjährige hierüber verfügungsberechtigt ist. Da hier der Wert des Surrogatsmit dem der überlassenen Mittel identisch ist und K das Asterix-Comic auch schonvom Taschengeld hätte kaufen können, ist die Verfügung über das Manga-Heft alsvon der Einwilligung mit umfasst anzusehen. Damit sind sowohl der Tauschvertragals auch die Übereignung an F wirksam. Das Manga-Comic gehört also nunmehrdem F.Anders ist die Lage, wenn der 16-jährige M sein fast neues Mountainbike gegenein gebrauchtes Mofa eintauscht. Hier mögen die beiden Gegenstände zwar gleichwertigsein. Die Eltern haben aber gerade bei einem gefährlicheren Mofa ein Interesse,dass ein derartiges Geschäft nicht ohne ihre Einwilligung zustande kommt.Das ist bei Auslegung ihres vorangegangenen Verhaltens (Einwilligung in die Anschaffungeines Mountainbikes) zu berücksichtigen. Allerdings ist hier wiederumfraglich, ob damit noch der Minderjährige vor seiner Unerfahrenheit in finanziellenund rechtlichen Angelegenheiten oder nicht vielmehr die Erziehungsgewalt der Elterngeschützt werden soll, deren Schutz aber nicht Zweck der §§ 107 ff. BGB ist. Ja. Über die Teilgeschäftsfähigkeit nach §§ 112, 113 BGB und den gesetzlichen Falldes beschränkten Generalkonsenses des § 110 BGB hinaus ist auch eine generelleZustimmung der gesetzlichen Vertreter zu Geschäften, die mit einem bestimmtenklar umrissenen Vorhaben verbunden sind, wie z. B. Ausbildung, Studium oder eineReise, zulässig. Dies ist im Gegensatz zu einem unbeschränkten Generalkonsens(vorherige Erklärung, in alle Geschäfte des Minderjährigen, gleich welcher Art, einzuwilligen)mit dem Schutzzweck der §§ 107 ff. BGB vereinbar, wenn der Bereichbestimmbar ist und im Zweifel restriktiv ausgelegt wird.
- Der 14-jährige M fährt mit seiner Schulklasse auf Klassenfahrt nach Italien. Dort bieten Händler am Strand Markenrucksäcke für 50 € an. Da M von seinen Eltern finanziell recht kurz gehalten wird und nicht genügend Geld dabei hat, aber wie seine Mitschüler unbedingt auch einen dieser Rucksäcke haben will, borgt er sich vom Klassenlehrer K 50 €. Als M den Rucksack zu Hause seinen Eltern zeigt und diese das taiwanesische Imitat, welches einen objektiven Wert von 10 € hat, begutachten, verweigern sie die Rückzahlung der 50 € an K. Zu Recht? K kann von M gem. § 488 I 2 BGB die Rückzahlung der 50 € verlangen, wenn einwirksamer Darlehensvertrag zwischen K und M zustande gekommen ist. K und Mhaben sich über ein Darlehen geeinigt. Ein solches ist, auch wenn es zinslos seinsoll, aufgrund der Rückzahlungspflicht für M nicht lediglich rechtlich vorteilhaft.Er hätte daher für eine wirksame Willenserklärung der Einwilligung seines gesetzlichenVertreters bedurft. Mangels Kenntnis der Eltern liegt eine Einwilligung indas konkrete Rechtsgeschäft nicht vor. Allerdings könnten die Eltern dem M fürdie Dauer der Klassenfahrt einen beschränkten Generalkonsens erteilt haben. DieEinwilligung der Eltern in die Teilnahme an der Klassenfahrt bedeutet im Zweifeldas Einverständnis mit allen Rechtsgeschäften, die in diesem Zusammenhang erforderlichsind. Unter gewissen Umständen ist auch eine Kreditaufnahme als hiervongedeckt anzusehen, wenn dem Minderjährigen bspw. das mitgebrachte Geldgestohlen wird oder sein vorhandener Rucksack zerreißt und das eigene Geld füreine Ersatzbeschaffung nicht ausreicht. Im Ausgangsfall stand jedoch die Kreditaufnahmedes M mit der (nach Vorstellung der Eltern) ordnungsgemäßen Durchführungder Reise in keinem Zusammenhang, so dass sie auch nicht vom beschränktenGeneralkonsens gedeckt ist. Daher war der Darlehensvertrag zwischen K und Mzunächst schwebend und dann mit der Verweigerung der Genehmigung endgültigunwirksam. Aus einem Darlehensvertrag gem. § 488 I 2 BGB besteht daher keinRückzahlungsanspruch.Da K wegen des unwirksamen Darlehensvertrages ohne rechtlichen Grund anM geleistet hat, ist dieser jedoch nach § 812 I 1 Fall 1 BGB zur Rückzahlung verpflichtet.Weil M das Geld nicht mehr hat, muss er an K gem. § 818 II BGB Wertersatzleisten. Nach § 818 III BGB entfällt die Haftung freilich, soweit M nichtmehr bereichert ist. Der Rucksack hat nur einen objektiven Wert von 10 €; darüberhinaus ist M nicht mehr bereichert. M müsste demnach 10 € an K bezahlen. DerGedanke des Minderjährigenschutzes erfordert aber, dass der Minderjährige denBereicherungsanspruch auch durch die Herausgabe des beim Entreicherungsvorgang,d. h. dem Rucksackkauf, Erlangten abwenden kann. Die Eltern des M dürfendie Zahlung daher zwar verweigern; allerdings muss M gem. § 812 I 1 Fall 1, 818II BGB den Rucksack an K herausgeben.
- Was versteht man unter Einwilligung und Genehmigung? Einwilligung ist die vorherige (§ 183 BGB), Genehmigung die nachträgliche (§ 184BGB) Zustimmung eines Dritten zu einem von einem oder mehreren anderen vorgenommenenRechtsgeschäft (§ 182 I BGB). Es handelt sich um eine einseitigeempfangsbedürftige Willenserklärung, die vom zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäftunabhängig ist. Auf sie sind die allgemeinen Regeln über Rechtsgeschäfteanwendbar.
- Wie wirken Einwilligung und Genehmigung? Ist eine Einwilligung erteilt, so ist das Rechtsgeschäft von vornherein wirksam(§ 107 BGB). Fehlt eine Einwilligung, ist das Rechtsgeschäft bis zur Erteilung derGenehmigung schwebend unwirksam (§ 108 I BGB). Wird letztere erteilt, gilt dasRechtsgeschäft als von Anfang an (ex tunc) wirksam (§ 184 I BGB), wenn nichtsanderes vereinbart ist und soweit die Rückwirkung keine anderen sachlichen Grenzenhat. So tritt z. B. Verzug nur ex nunc ein und auch die Verjährungsfristen laufenerst ab der Genehmigung. Auch im Rahmen von Annahmefristen iSv. § 148 BGB(Fragen 499 ff.) wirkt eine nach Fristablauf erfolgte Genehmigung einer fristgemäßenAnnahme nicht zurück; die Annahme ist verspätet und stellt einen neuenAntrag dar, da der Antragende mit der Frist Rechtssicherheit haben wollte und derAnnehmende andernfalls selbst die Frist verlängern könnte. Außerdem bleibenZwischenverfügungen des Genehmigenden und Zwangsvollstreckungsmaßnahmengegen ihn gem. § 184 II BGB wirksam.
- Können Einwilligung und Genehmigung auch konkludent erklärt werden? Ist dafür auch ein dahingehendes Erklärungsbewusstsein erforderlich? Die Zustimmung bedarf gem. § 182 II BGB grundsätzlich keiner besonderen Form,auch wenn das Rechtsgeschäft selbst formbedürftig ist (vgl. Fragen 338, 568 f.),und kann daher ebenso wie jedes andere formfreie Rechtsgeschäft auch durchschlüssiges Verhalten erklärt werden. So kann eine Einwilligung z. B. angenommenwerden, wenn die Eltern dem Minderjährigen den für das beabsichtigte Rechtsgeschäfterforderlichen Geldbetrag zur Verfügung stellen (vgl. § 110 Fall 1), und eineGenehmigung, wenn der vom Vertragspartner geforderte Geldbetrag überwiesenwird. Dabei muss der Genehmigende grundsätzlich zum Ausdruck bringen, dass erdie schwebende Unwirksamkeit des Geschäftes kennt oder zumindest mit ihr rechnetund das Geschäft gleichwohl gelten lassen will. Dies ist streitig. Eine Ansicht fordert v. a. bei der Genehmigung einen der äußerenErklärung entsprechenden Genehmigungswillen und auch die Rspr. formuliert häufig,eine Genehmigung (insbesondere auch bei vollmachtlosem Handeln, vgl. Frage632) setze voraus, dass der Genehmigungsberechtigte von der Genehmigungsbedürftigkeit des Rechtsgeschäfts aufgrund fehlender Zustimmung wusste oder mitihr rechnete. Die h. M. wendet auch für die Zustimmung die allgemeinen Regelnvom sog. potentiellen Erklärungsbewusstsein an. Hiernach kommt es nur darauf an,ob sich der Erklärende den äußeren Tatbestand zurechnen lassen muss, weil für ihnbei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu erkennen und verhindernwar, dass sein Verhalten als Zustimmung aufgefasst wird, und ob der Geschäftspartnerdas Verhalten auch als Zustimmung auffassen durfte (vgl. Frage 172).Darüber hinaus wird teils analog zur Rechtsscheinshaftung im Rahmen desStellvertretungsrechts eine Einwilligung aus Rechtsscheinsgründen angenommen(§§ 170 ff. BGB, Anscheins- und Duldungsvollmacht, vgl. Fragen 593 ff.). Hierfürbesteht aber – lässt man ein potentielles Erklärungsbewusstsein bei der Einwilligunggenügen – regelmäßig kein Bedürfnis mehr (Gegenansicht vertretbar).
- Wenn die Eltern mit ihrem vierzehnjährigen computerbegeisterten Sohn S in den Zeitungsladen von V gehen, bekommt S regelmäßig die neueste monatlich erscheinende Zeitschrift „PC-Welt“, die er auch gelegentlich alleine kaufen darf. Als S häufiger auftaucht und von seinem Taschengeld sämtliche bei V erhältliche Computerzeitschriften kauft, hält V dies von der Einwilligung der Eltern gedeckt. Tatsächlich sind die Eltern nur damit einverstanden, dass S sich die „PCWelt“ kauft. Weitere Ausgaben für sein Hobby gestatten sie ihm nicht S und M sind minderjährig und brauchten für den Abschluss des für sie nicht lediglichrechtlich vorteilhaften Kaufvertrages die Zustimmung ihrer Eltern (§§ 107, 108I BGB). Eine tatsächliche Einwilligung liegt nicht vor, auch nicht nach § 110 BGB,da die Eltern den Kauf solcher Hosen und weiterer Computerzeitschriften komplettausgeschlossen haben. Im Beispiel 1 musste V jedoch aufgrund des bisherigen Verhaltensder Eltern, die vor seinen Augen dem S den Erwerb der Zeitschriften erlaubtund ihn später auch alleine gehen lassen haben, davon ausgehen, dass S auch sonstsolche Zeitschriften kaufen durfte. Die Eltern mussten auch erkennen, dass ihr Verhaltenso aufzufassen ist, wenn sie dem V die gegenüber S erteilte Beschränkungauf eine Zeitschrift trotz des erkennbaren „Suchtpotentials“ ihres Sohns nicht mitteilen.Nach dem objektiven Empfängerhorizont ist damit eine konkludente Einwilligunganzunehmen. Eines Rückgriffs auf Rechtsscheinsgesichtspunkte bedarfes nicht.
- Die Eltern der sechzehnjährigen M wollen gegen den Jugendwahn nach Markenhosen bei ihren Kindern vorgehen und verbieten ihnen den Kauf solcher Hosen. M kauft sie sich trotzdem bei dem ihr bekannten Jeanshändler J und stottert den Kaufpreis mit ihrem Taschengeld ab. Die Eltern heißen dies nicht gut, unternehmen aber aus Nachlässigkeit nichts, bis M nicht mehr zahlen kann und J sich wegen der Zahlung der letzten unbezahlten Hose an die Eltern richtet. Sind die Verträge von M und S wirksam? Hier sind die Eltern zwar insoweit nicht schutzwürdig, als sie die wiederholten Einkäufeder M kannten. Allerdings sind sie nie mit J in Kontakt getreten, so dass eineEinwilligung nicht aus seinem Empfängerhorizont bewertet werden kann, sondernnur aus dem der M, für die das Verbot eindeutig war. J konnte nicht aufgrund einesVerhaltens der Eltern davon ausgehen, dass ihnen das Verhalten der M bekanntwar. Bloßes Schweigen genügt für die Annahme einer Einwilligung grundsätzlichnicht (vgl. Fragen 156 f.). Man kann allenfalls daran denken, in Analogie zu denGrundsätzen über die Duldungsvollmacht eine Einwilligung kraft Rechtscheins zuprüfen. Die dafür erforderliche Duldung der Eltern liegt zwar vor. Es fehlt aber wiedermangels irgendeines Kontakts mit J an Anknüpfungspunkten für einen Rechtsschein.Eine konkludente Genehmigung kann aufgrund der ausdrücklichen Ablehnungebenfalls nicht angenommen werden. Der Vertrag der M ist daher schwebendunwirksam.
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