Literaturwissenschaft (Fach) / 02 L 1: Glossar zur Rhetorik (Lektion)

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L 1 - Glossar zur Einführung in die Literaturwissenschaft

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  • Allegorese Auch hermeneutische Allegorie: Ein in der Antike entwickeltes Verfahren zur Textauslegung, das darauf abzielt, einen über den Wortsinn hinausweisenden, tieferen, im Wort zeichenhaft verborgenen Sinn zu entschlüsseln.
  • brevitas Rhetorisches Stilprinzip der Kürze des Ausdrucks, neben aptum, ornatus, perspicuitas und puritas.
  • Chiasmus Rhetorische Figur der überkreuzten syntaktischen Stellung von Wörtern, Satzteilen oder Sätzen, häufig für Antithesen gebraucht. Gegenbriff dazu ist der Parallelismus. z.B. "Eng ist die Welt und das Gehirn ist weit."
  • delectare Redeziel der rationalen Argumentation im Unterschied zu delectare und movere.
  • Ellipse Rhetorische Figur der Auslassung mindestens eines (zum Verständnis nicht unbedingt nötigen, aber in vollständiger schriftsprachlicher Syntax erfolderliches) Satzglieds. z.B. "Woher so in Atem?"
  • Genera diceni Stilebenen der Rhetorik. Traditionell werden unterschieden: genus humile - niedere Stilebene (dient dem docere)genus mediocre/medium - mittlere Stilebene (dient dem delectare)genus grande/sublime - hohe/erhabene Stilebene (dient dem movere)Sie werden auch typologisch den drei Ständen Bauer/Hirte, Bürger und Adel zugeordnet oder auch den drei genera iudiciale, deliberativum und demonstrativum.
  • Hendiadyoin Rhetorische Figur der Wiedergabe eines Begriffs durch zwei gleichwertige, mit "und" verbundene Wörter. z.B. "immer und ewig", "mir leuchtet Glück und Stern" für "Glücksstern"
  • Inventio Auffinden der zum Thema passenden Gedanken, 1. Teil des Redeaufbaus vor Disposition, Elocutio, Memoria, Pronuntiatio.
  • Katachrese Tropus für die Verbindung mehrer, jedoch mindestens zweier metaphorischer Ausdrücke aus unvereinbaren Bildbereichen. z.B. "Der Zahn der Zeit, der schon so manchen Träne getrocknet hat."
  • Litotes Tropus der untertreibenden Ausdrucksweise. z.B. "nicht unbekannt" für "berühmt".
  • Memoria Kunst des Auswendiglernens einer Rede, 4. Teil des Redeaufbaus nach Inventio, Dispositio, Elocutio und vor Pronuntiatio.
  • narratio Erzählung, Darstellung des Sachverhalts. 2. Teil der dispositio, nach exordium und vor argumentatio und peroratio/narratio.
  • ornatus Rhetorisches Stilprinzip des Schmucks einer Rede, neben aptum, brevitas, puritas und perspicuitas.
  • Parallelismus (Isokolon) Rhetorische Figur der gleichen Anordnung von syntaktisch korrespondierendem Wortmaterial auf der Ebene der Satzfolge, des Satzes, des Teilsatzes oder des Satzteil. z.B. "als ich noch ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, urteilte wie ein Kind."
  • refutatio Zurückweisung der gegnerischen argumentatio, Teil des 2. Teils der dispositio.
  • Schriftsinn, mehrfacher Mittelalterliche Tradition der Exegese biblischer Schriften, die TExt nach ihrem wörtlichen Sinn (sensus litteralis), dem allegorischen Sinn (sensus allegoricus), dem moralischen Sinn (sensus tropologicus/moralis) und anagogischen Sinn (sensus anagogicus) auslegt.
  • Tautologie Rhetorische Figur der Wiedergabe eines Begriffs durch zwei oder mehr Worte gleicher Bedeutung, z.B. "ganz und gar".
  • Zeugma Rhetorische Figur der Zuordnung eines Satzgliedes zu zwei syntaktisch oder auch semantisch inkongruenten Satzteilen. z.B. "Josefine ging ins Kloster und dort zu weit."
  • Allegorie Rhetorische Figur, bei der ein abstrakter Begriff aufgrund einer konventionalisierten Zuordnung durch ein Konkretum substituiert, in sprachliche oder visuelle Bildzeichen oder Bildfolgen verschlüsselt wird. Z.B. Justitia als Frauengestalt mit Waage, Augenbinde und Schwert.
  • Chiffre Tropus, bei dem ein Ausdruck und ein konterdeterminierender Kontext autorspezifisch so miteinander verbunden sind, dass ohne Hintergrundinformationen zwischen dem uneigentlichen Ausdruck und einem eigentlich gemeinten Bereich allein in einem Einzeltext keine hinreichend klaren Äquivalenzbeziehungen hergestellt werden können. Gelegentlich auch als absolute Metapher bezeichnet. Z.B. "Diese Musik, ein Sternträger schwieliger Schwärze, wird uns noch lange verfolgen."
  • Dispositio Kunst der wirksamen Anordnung des Stoffes einer Rede, 2. teil des Redeaufbaus nach Inventio, vor Elocutio, Memoria und Pronuntiatio.
  • Elocutio Kunst der Einkleidung des Redestoffes in rhetorische Figuren und Tropen, 3. Teil des Redeaufbaus nach Inventio, Dispositio und vor Memoria und Pronuntiatio.
  • Hyperbel Tropus der extremen und offensichtlich unglaubwürdigen Übertreibung, z.B. "Ein Schneidergeselle, so dünn, dass die Sterne hindurchschimmern konnten".
  • Inversion Rhetorische Figur der abweichenden Wortstellung, z.B. "Sah ein Knab' ein Röslein stehn...".
  • Klimax Rhetorische Figur der Anrodnung einer mindestens dreiteiligen Wort- oder Satzreihe nach stufenweiser Steigerung des Aussageinhalts oder der Aussagekraft. z.B. "wie habe ich ihn nicht gebeten, gefleht, beschworen". Die gegenläufige Figur nennt man Anti-Klimax.
  • Metapher Tropus der Ersetzung eines Ausdrucks durch einen aus einem anderen Vorstellungsbereich, der dennoch semantische Ähnlichkeiten aufweist, im Unterschied zur Metonymie, deren Ersetzung in einer realen Beziehung steht, und der Synekdoché, deren Ersetzung innerhalb desselben Bildfeldes bleibt. In der rhetorischen Tradition auch als verkürzter Vergleich bezeichnet. z.B. "Luftschiff" für die von Zeppelin konstruierten Flugobjekte. Man unterscheidet verblasste Metaphern, die als Tropus konventionalisiert sind ("faule Ausrede") und kühne Metaphern ("schwarze Milch in der Frühe").
  • Oxymoron Rhetorische Figur der Verbindung zweier sich logisch ausschließender Begriffe z.B. "traurigfroh" oder als contradicito in adjecto "jauchzender Schmerz".
  • Parataxe Rhetorische Figur der syntaktischen Beiordnung von Satzgliedern im Unterschied zur Hypotaxe.
  • Rhetorische Figuren Bezeichnung für sprachliche Schemata oder Stilfiguren, die durch syntaktische Besonderheiten zur Veranschaulichung und Verdeutlichung einer Aussage dienen. Im Unterschied zu den Tropen wird das Bildfeld nicht gewechselt.
  • Symbol Real vorhandenes Sinnbild für einen gemeinten Bereich, das in einem naturhaften oder kulturell vermittelten Verweisungsverhältnis zum Gemeinten steht. Im Unterschied zur Allegorie und zum Emblem, die nach festen Regeln konstruiert und einsinnig aufgelöst werden können, ist das Symbol polyvalent und kann individuell gesetzt werden. Es ist eine moderne Form der "uneigentlichen" Rede. z.B. "Es war die Nachtigall und nicht die Lerche", statt "Es ist noch (Liebes-)Nacht, nicht schon (trennender) Morgen".
  • Topik In der Rhetorik Bezeichnung für ein Arsenal von Topoi im Sinne von konventionellen Gemeinplätzen für einzelne Redegattungen und Redesituationen, besonders beliebt im Barock.
  • Anakoluth Rhetorische Figur der grammatisch nicht folgerichtigen Satzfortführung. z.B. "Es geschieht oft, dass, je freundlicher man ist, nur Undank einem wird zuteil."
  • Anapher Rhetorische Figur der Übereinstimmung eines oder mehrerer Wörter an den Anfängen mindestens zweier Teilsätze, Sätze oder Absätze, z.B. "Wer nie sein Brot mit Tränen aß, / Wer nie die kummervollen Nächte / Auf seinem Bette weinen saß..."
  • Antithese Rhetorische Figur der Gegenüberstellung gegensätzlicher Begriffe und Gedanken in einem Satz oder einer Satzfolge ohne logischen Widerspruch, z.B. "Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein."
  • Antonomasie Tropus1. der Umschreibung eines Eigennamens durch besondere, meist stereotyp zugeordnete Kennzeichen, z.B. "der Dichterfürst" für Goethe, "der Korse" für Napoleon."2. der Ersetzung einer Gattungsbezeichnung durch typisierenden Eigennamen, z.B. "Judas" für Verräter.
  • Aposiopese Rhetorische Figur des bewussten Abbrechens der Rede vor der entscheidenden Aussage, die der Hörer oder Leser aber ergänzen kann, z.B. "Was! Ich? Ich hätt' ihn...? Unter meinen Hunden...?"
  • Apostrophe Rhetorische Figur der Hinwendung des Rhetors zum Publikum oder zu anderen, meist abwesenden (auch toten) Personen, z.B. "Oh, ihr Musen!"
  • aptum Rhetorisches Stilprinzip der Angemessenheit einer Rede für die Situation, neben brevitas, ornatus, perspicuitas und puritas.
  • argumentatio Begründung, 3. Teil der dispositio, nach exordium, narratio und vor der peroratio/conclusio.
  • Asyndeton Rhetorische Figur der Reihung gleichgeordneter Wörter, Satzteile oder Sätze ohne verbindende Konjunktion. z.B. "Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang."
  • docere Redeziel der rationalen Argumentation im Unterschied zu delectare und movere.
  • Emblem Bezeichnung für eine in der Frühen Neuzeit beliebte, aus Bild und Text zusammengesetzte Kunstform, bestehend aus einem meist allegorischen Bild (pictura), einer Überschrift (inscriptio) und einer meist epigrammatischen Unterschrift (subscriptio).
  • Emphase 1. Tropus der Ersetzung eines Begriffs oder Gedankeninhalts durch ein Wort, das diesen Begriff oder Gedankeninhalt unausdrücklich auch enthält. z.B. "Er ist ein Mensch" anstelle von "Er hat sich geirrt".2. Allgemeine Bezeichnung für nachdrückliche Rede.
  • Epipher Rhetorische Figur der Übereinstimmung eines oder mehrerer Wörter an den Schlüssen mindestens zweier Teilsätze, Sätze oder Absätze, im Gegensatz zur Anapher, z.B. "Auch Penthesilea lebt doppelt, begreift sich doppelt."
  • Exempel 1. Beispielerzählung zur Veranschaulichung einer aufgestellten Behauptung in einer Rede 2. Beispielerzählung in Rückgriff auf mythische oder historische Figuren im Mittelalter und Früher Neuzeit.
  • exordium Einleitung, 1. Teil der dispositio, gefolgt von narratio, argumentatio und peroratio/conclusio.
  • genus iudiciale/deliberativum/demonstrativum (epideiktikon) Rhetorische Begriffe für die drei Redesituationen der Gerichtsrede, der Staatsrede und der Prunkrede.
  • Hypotaxe Rhetorische Figur der syntaktischen Unterordnung von Satzgliedern im Unterschied zur Parataxe.
  • Metonymie Tropus der Ersetzung eines Ausdrucks durch einen anderen, der in einem realen geistigen oder sachlichen Zusammenhang zu ihm steht, z.B. "ein Glas trinken".
  • movere Redeziel der heftigen Gemütsbewegung im Unterschied zu docere und delectare.