Allgemeine Psychologie (Fach) / F1-Wahrnehmung (Lektion)

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Fragen zu der Vorlesung F1-Wahrnehmung

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  • Was versteht man unter der zeitlichen Codierung (v. Tonhöhe) und nenne Argumente für diese: Zeitliche Codierung (Rutherford, 1886) – Idee: Die Information über Tonfrequenzen wird in zeitlichen Entladungsmustern der Nervenfasern codiert. (Aktionspotentiale) Argumente für die Zeitcodierung: • Problem: Die Frequenz kann nicht direkt in der Feuerfrequenz eines Neurons codiert sein, da diese auf maximal 800-1000 Hz begrenzt ist (Refraktärzeit) • Lösungsvorschlag: „Salvenprinzip“ (volley principle, Wever, 1949) – Eine Gruppe von Neuronen kann die Frequenz codieren, wenn jedes Neuron nur in jeder n- ten Phase feuert
  • Beschreibe die Evidenz von den Untersuchungen zu Orts- bzw. zeitlicher Codierung (v. Tonhöhen): • Phasenkopplung: Viele Fasern feuern mit Zeitabständen, die hauptsächlich ganzzahlige Vielfache der Periode T des Reizes sind. • Die Phasenkopplung wird aber nur bis ca. 5.000 Hz beobachtet Psychophysische Evidenz 1. Die Unterschiedsschwelle für Frequenzen steigt oberhalb von 5.000 Hz sprunghaft an. 2. Vpn fällt es leicht, zu einem Ton einen anderen Ton eine Oktave höher herzustellen (doppelte Frequenz), aber nur bis ca 2.500 Hz 3. Tonsequenzen oberhalb von 5.000 Hz rufen keine Melodieempfindung hervor, alle Musik-instrumente liegen unterhalb von 5.000 Hz. • Fazit: Diese Phänomene sprechen dafür, dass neben der Ortscodierung auch eine Frequenzcodierung über Phasenkopplung vom Gehör als Information genutzt wird. • Ergo: Mehrere Codierprinzipien werden genutzt (analog: Farbwahrnehmung)
  • Hinweisreize Interaurale Zeitdifferenz: • Liegt die Schallquelle nicht exakt vor oder hinter dem Hörer, erreichen die Schallsignale beide Ohren zu unterschiedlichen Zeiten (maximal 0,64 ms). • Diese Richtungsinformation ist allerdings nicht eindeutig. Für alle Schallereignisse auf der Oberfläche des sog. “Konfusionskegels” resultiert die gleiche Zeitdifferenz. • Durch Kopfbewegungen kann die Eindeutigkeit jedoch wieder hergestellt werden. • Die Zeitdifferenzen sind minimal, aber das auditive System kann Differenzen von 10μs diskriminieren • Das entspricht einem Winkel von 1° → man kennt es von Stereokopfhörern
  • Interaurale Pegeldifferenz: • Kommen akustische Reize von der Seite, wirft der Kopf einen „Klangschatten“, der zu geringeren Schallintensitäten im reizabgewandten Ohr führt • Dieser Klangschatten ist für hochfrequente Töne deutlich ausgeprägter als für niedrigfrequente Töne
  • Was sind methodische Probleme der Riechforschung? • 1. Was ist der adäquate Reiz? • diejenigen physikalisch-chemischen Eigenschaften, die zu Riechempfindungen führen, sind noch nicht identifiziert. • Einige Einzelerkenntnisse: – Von den chemischen Elementen lösen nur Fluor, Brom, Chlor und Jod (Halogene) Geruchs- empfindungen aus. – sonst fast ausschließlich organische Verbindungen (Isomere riechen oft unterschiedlich!) – in homologen Reihen (längere Ketten: Methanol, Ethanol,..) organischer Verbindungen steigt die Geruchsintensität der Stoffe meist mit dem Molekulargewicht (bis 300, dann geruchlos!) • 2. Verfahrensprobleme – mangelnde Reinheit von Riechsubstanzen (schwierig „reine“ Riechsubstanzen herzustellen) – Einfluss von Temperatur-, Druck-, Konzentrationsschwankungen – Kontrolle der Reizintensität schwierig (wie viel Duftstoff erreicht die Schleimhaut tatsächlich?) • 3. Interindividuelle und situative Variabilität – z.B. Einflüsse des Hormonspielgels (Unterschiede von Mensch zu Mensch) → Messung mit Olfaktometer möglich (allerdings aufwändig)
  • Adaptation und Deadaptation von Gerüchen: • Beide verlaufen im Vergleich zu anderen Modalitäten schnell und ausgeprägt. • Köster (1971): Adaptation auch im nicht stimulierten Nasenloch, aber Deadaptation in nicht-stimuliertem schneller • Offenbar tragen Rezeptor- und zentrale Prozesse zur Adaptation bei. → schnelle Gewöhnung an einen Geruch, allerdings entwöhnt man sich auch wieder schnell (spezifischer Geruch von Umgebungen / Räumen) → Gleichstarker beißender Geruch von Schwefelwasserstoff (faule Eier) wurde bereits nach 4 Minuten als nicht mehr so intensiv wahrgenommen Funktion der Adaptation • Durch Adaptation wird zwar die Absolutschwelle höher, die Unterschiedsschwelle im Bereich der Adaptationskonzentration jedoch kleiner! • Dies führt zu einer optimierten Sensibilität für Reizveränderungen, d.h. die Adaptation leistet eine Feinabstimmung der Unterschiedsempfindlichkeit für den jeweiligen Reizkontext.
  • Prinzip der Riechschärfemessung mit dem UPSIT: Geruchsidentifikation • Die Erkennungsschwelle für Gerüche liegt meist deutlich höher als die Wahrnehmungsschwelle • Gerüche sind „sprachfern“: Obwohl wir ca. 100.000 Gerüche unterscheiden und erinnern können, fällt die Identifikation oft schwer (analog zum Tip-of-the-tongue-Phänomen) • Die Verbindung zwischen Geruch und Bezeichnung kann jedoch trainiert werden – s. auch Experten: Köche, Someliers, Parfümeure etc. • Die korrekte Bezeichnung eines Geruchs beeinflusst die Geruchswahrnehmung dann deutlich – Beispiel: „fischig-ziegenartig-ölig“ (Cain, 1980) – Auflösung: Leder Riechschärfemessung: UPSIT → Schwierigkeit Unterschiedschwelle festzulegen, da „reine“ Geruchsstoffe schwer herzustellen sind und auch nicht klar überprüft werden kann, wieviel von der Schleimhaut aufgenommen wird • 40 Duftstoffe werden vorgelegt, die in einem Multiple-Choice-Verfahren (4 AFC) identifiziert werden sollen. • Die Durchführung ist damit wesentlich einfacher als eine aufwändige Schwellenbestimmung. • Der Test trennt gut zwischen Normalriechern, Anosmikern und Simulanten.
  • Geruchsrezeptoren (Buck und Axel, 1991): – Isolierten eine Familie von Genen, die für die Bildung olfaktorischer Rezeptoren zuständig sind – Ca. 1000 Gene bei der Maus und 350 beim Menschen identifiziert – Aktivierung eines Rezeptors löst Kaskade chemischer Reaktionen und dann ein Aktionspotential in der Riechsinneszelle aus – Jede Riechsinneszelle hat nur eine Art von Rezeptor, jeder Glomerulus erhält nur Input von einem Typ von Sinneszellen (bis zu 10.000!) → Die Codierung von Gerüchen ist offensichtlich nicht in einzelnen Sinneszellen zu finden, sondern in einem Muster von Erregungen über verschiedene Sinneszellen
  • Codierung von Geruch (Malnic et al.,1999) – Durch Kalzium-Imaging* festgestellt: unterschiedliche Moleküle aktivierten je Gruppen anderer Rezeptoren – „Erregungsprofile“ für jeden Geruchsstoff erkennbar – Chemisch ähnliche Moleküle (z.B. Oktansäure vs. Oktanol), die sehr unterschiedlich riechen, weisen auch unterschiedliche Aktivierungsprofile von Rezeptorzellen auf. – Durch einen „kombinatorischen“ Code von 350 Rezeptortypen lassen sich theoretisch astronomisch viele Gerüche unterscheiden → ca. 100.000 verschiedene Geruchsnoten → Ergo: Jeder Rezeptortyp reagiert auf viele Duftstoffe, aber auf unterschiedliche Teilmengen der wahrnehmbaren Stoffe. Das Muster über viele Sinneszellen hinweg ist für jeden Duftstoff jedoch eindeutig. • Ähnliche Aktivierungsmuster = ähnliche Geruchswahrnehmung Frage: Rufen unterschiedliche Aktivierungsmuster auch unterschiedlichen Geruchsempfindungen hervor? • Versuchsablauf: • Bulbus olfactorius untersucht mit 2-Desoxyglukose-Technik: radioaktive Substanz wird gespritzt und Radioaktivität in Hirnarealen gemessen. • Ziel: Reaktionsmuster im BO mit Wahrnehmungsfähigkeiten vergleichen • Stimuli: 3 Paare von Enantiomeren (gleiche Summenformel, untersch. Struktur) • Unterschiedliche BO-Aktivierung duch Carvon-Isomere, nicht aber durch Limonen- und Terpinen-Isomere • Vorhersage: (+)Carvon und (-) Carvon riechen unterschiedlich, die beiden Limonene- und Terpinen-Isomere nicht • Verhaltensdaten: • Logik des Habituationsparadigmas: Ratten werden an Geruch gewöhnt und explorieren ihn danach weniger. • Wenn ein neuer Geruchsstoff nicht wieder länger exploriert wird, wurde der Unterschied offenbar nicht bemerkt • Ratten zeigen keine Kreuzhabituation zwischen (-)-Carvon und (+)- Carvon, aber für die Stereoisomere der beiden anderen Stoffe (Limonen, Terpinen). • Dies entspricht genau den Mustern der BO-Aktivierung! • Fazit: Die Wahrnehmungs- und Diskriminationsfähigkeit kann aus BO-Aktivierungsmuster vorhergesagt werden
  • Geschmacksadaptation und "paradoxer Adaptationseffekt": • Adaptation und Deadaptation verlaufen noch schneller als bei der Geruchswahrnehmung. • Funktion: Optimale Empfindlichkeitseinstellung für Reizveränderungen „Paradoxer“ Adaptationseffekt • Eine Verringerung der Konzentration gegenüber der Adaptationskonzentration führt zu einer verstärkten Geschmacksempfindung! → jede Änderung = Geschmacksverstärkung
  • Neuronale Codierung von Geschmack (grob, ohne Ensemble bzw. Einzelcodierung) • Unebenheiten der Zunge werden als „Papillen“ bezeichnet: – Fadenpapillen – Pilzpapillen – Blätterpapillen – Wallpapillen • Alle außer Fadenpapillen enthalten Geschmacksknospen (insges. etwa 10.000) • Jede Knospe enthält ca. 50-100 Geschmackssinneszellen, deren Mikrovilli (fingerförmige Fortsätze) in die Geschmackspore hineinreichen • Deren chemische (oder elektrische) Reizung setzt Transduktion in Gang und löst Geschmacksempfindungen aus
  • Fazit zur neuronalen Codierung von Geschmack: • Argumente für spezifische Rezeptoren stützen nicht unbedingt das Prinzip der Einzelzellcodierung • Analog: Farbensehen – relativ spezifische Rezeptorzellen, deren relative Codierung aber erst den Farbeindruck codiert • Beide Prinzipien (Ensemble- bzw. Einzelzellencodierung) widersprechen sich also nicht, zentral könnten komplexe Geschmäcker als Muster aus „einfachen“ Geschmäckern repräsentiert sein