Internationale Politik und Internationales Recht (Fach) / Völkerrecht I (Lektion)
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vA §1-5
Diese Lektion wurde von lauraerichsen erstellt.
- Was ist ein persistent objector? = Ein Staat, der eine im Entstehen begriffene Gewohnheitsnorm nicht gegen sich gelten lassen will und seine Ablehnung deutlich macht. Als persistent objector ist er von der neu entstandenen Gewohnheitsregel ausgenommen - umstritten: Art / Häufigkeit Protest
- Vor welche Schwierigkeiten stellt die Entstehung neuen Gewohnheitsrechts? = zunächst in Widerspruch zum bisherigen Völkerrecht - Frage nach benötigter Dauer/ Häufigkeit der Anwendungsfälle (je deutlicher und verbreiteter die Rechtsüberzeugung geäußert wird, desto weniger Praxis notwendig) - Frage nach instant custom = sofortiges Gewohnheitsrecht?
- In welchem Verhältnis stehen Völkergewohnheitsrecht und vertragliches Völkerrecht zueinander? - Völkergewohnheitsrecht = Regelungen mit umfassender und repräsentativer Beteiligung und eine nahezu einheitliche Staatenpraxis -> aus Vertragsrecht kann Gewohnheitsrecht wachsen = keine Hierarchie, Vertrag kann Gewohnheitsrecht ersetzen, Gewohnheitsrecht kann vertragliche Regelungen ablösen (derogierendes Gewohnheitsrecht) - Vorrang zwingendes Völkerrecht (ius cogens) -> kein Verstoß durch Vertrag möglich, kein Entstehen Gewohnheitsrecht, das nicht seinerseits Rang von zwingendem neuen Recht hat Allgemein: speziell > allgemein; spätere > frühere
- Wie kann es im Völkerrecht zur Rechtsbindung von Staaten ohne oder sogar ihren Willen kommen? - durch Unklarheit genaue Inhalte / Rechtswirkungen zwingenden Völkerrechts - durch Übergang vertraglicher Norm in Gewohnheitsrecht - durch Abstellen auf Praxis/ Rechtsüberzeugung lediglich überwiegende Zahl der Staaten - durch offene Fragen rund um den persistent objector - durch Verrechnungen des subjektiven und objektiven Elements - bei Entstehung neuer Staaten, die in das zum Zeitpunkt der Entstehung existierende Völkergewohnheitsrecht eintreten - ius cogens superveniens: eine in der Zwischenzeit entstandene Norm des zwingenden Völkerrechts lässt älteren, gegen neue Regel verstoßenen Vertrag untergehen
- Was sind die "allgemeinen Rechtsgrundsätze" im Sinne von Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut im weiteren Sinne: (verkörpern grundlegende Vorstellungen von Recht/ Gerechtigkeit) - Grundbedingungen jeder Rechtsordnung: zB pacta sunt servanda (Verträge sind einzuhalten); ohne Verbindlichkeit keine Rechtsordnung - Grundsätze aus der spezifischen Natur des Völkerrechts: zB souveräne Gleichheit, Interventionsverbot; Grundsätze der IB, gewohnheitsrechtliche Geltung - Grundsätze der Rechtslogik: zB speziellere Rechtsordnung > allgemeinere, neuere > ältere, höherrangig > niederrangig; formale Grundsätze im engeren Sinne: - übereinstimmende Regeln staatlicher Rechtsordnungen: Funktion = Lücken schließen = Transpositionsakt vom nationalen Recht auf Ebene des Völkerrechts; Voraussetzung: von Kulturvölkern anerkannt/ sinnvolle Übertragung auf internationale Ebene möglich -> kann Gewohnheitsrecht werden
- Wer ist mit den "Kulturvölkern" in Art. 38 Abs. 1 lit c IGH-Statut gemeint? - überwiegende Auffassung: alle Mitgliedstaaten UN - für erforderlichen Rechtsvergleich genügt repräsentative Rechtsordnungen aus den großen Rechtskreisen / Rechtsfamilien der Welt zu berücksichtigen (angloamerikanisch, kontinentaleuropäisch, südamerikanisch, ostasiatisch, afrikanisch, islamisch-arabisch) - organisatorisch durch Zusammensetzung des IGH erreicht: nach Art. 9 Angehörige alle Rechtskreise
- Unter welchen Voraussetzungen kommt es im Völkerrecht zu einer Rechtsbindung durch einseitige Erklärungen? - Zuständigkeit des versprechenden Staatsorgans (wer verspricht?) - hinreichende inhaltliche Bestimmtheit (was wird versprochen?) - Ernsthaftigkeit und Rechtsbindungswille (wird etwas versprochen?) -> Rechtsbindungswille danach zu bestimmen wie fragliche Aussage unter den konkreten Umständen von objektivem Beobachter verstanden werden konnte = objektivierter Empfängerhorizont (egal ob mündlich oder schriftlich)
- Was ist unter selbstständigen einseitigen Akten zu verstehen? = Völkerrechtssubjekte können durch einseitige Erklärungen gegenüber anderem Völkerrechtssubjekt / int. Gemeinschaft Verpflichtungen übernehmen, wie sie typischerweise durch Vertrag begründet werden Formen: - einseitige rechtsgeschäftliche Handlungen - Protest gegen fremdes Verhalten - Anerkennung ohne rechtsgeschäftliche Bedeutung Unterschied zum Vertrag: - wird nicht mit Blick auf Gegenerklärung abgegeben Arten: - Anerkennung fremder Rechtsansprüche - Verzicht auf eigene Rechtsansprüche - Versprechen künftigen Verhaltens -> Verbindlichkeit durch allg Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben
- Worin liegt das Problem von Analogien im Völkerrecht? - Staaten nur insoweit verpflichtet, wie sie sich selbst verpflichtet haben = Begründung des Vorliegens einer Regelungslücke schwierig (Lotus-Regel) - Planwidrigkeit einer Lücke schwer begründbar, da keine einheitliche gemeinsame Wertebasis (erst in Ansätzen durch MR, Gewaltverbot) - durch Wandel des Westfälischen Systems kommen auch im VR Analogieschlüsse verstärkt in Betracht
- Was sind Pflichten erga omnes und welche Rechtsfolgen hat ein Verstoß gegen eine solche Pflicht? = Normen, deren Einhaltung allen Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft gegenüber geschuldet ist -> alle ius cogens Normen - Reaktionsmöglichkeiten: Klage, gewaltfreie Gegenmaßnahme, gewaltsame Intervention
- Was besagt das Konzept einer Schutzverantwortung (responsibility to protect) [ICISS 2001, Schlussdokument UN-Weltgipfel ] = Souveränität als Verantwortung = Staaten erlangen mit Souveränität die Verantwortung, ihre Bevölkerung vor schweren Menschenrechtsverletzungen zu schützen. Ist ein Staat nicht willens oder in der Lage, soll eine Auffangverantwortung der internationalen Gemeinschaft (keine Rechtspflicht) greifen (#Intervention) -> Phasen der Konfliktbearbeitung: responsibility to prevent/ react/ rebuild -> vorrangig: Verantwortung Staat; 2. Stufe: Angebot int. Hilfe; ultima ratio: Intervention -> mehrdimensionales Souveränitätsverständnis: - staatliche Souveränität vom Völkerrecht verliehen = treuhänderische Konzeption Souveränität / Ausbalancierung MR und Souveränität in globalisierter Welt kann nicht zu Abschottung führen Voraussetzungen, dass fall-back responsibility (subsidiär) der int. Gemeinschaft greift: - just cause (Verhütung schwerster, massenhafter Menschenrechtsverletzungen) - right intention (Hauptzweck = Beendigung) - last resort (wenn nichtmilitärische Lösung untauglich = gewaltsam) - proportional means (Mittel = verhältnismäßig) - reasonable prospects (Intervention muss Situation voraussichtlich verbessern) - right authority (Legitimation idR durch UN-Sicherheitsrat)
- Auf welche Weise haben Menschenrechte das "westfälische" Zwischenstaatenrecht verändert? => anthropozentische Wende im Völkerrecht - Allgemeine Erklärung der Menschenrechte = 3. Säule des Völkerrechts (1. souveräne Gleichheit, 2. Gewaltverbot) - Öffnung des staatlichen Souveränitätspanzers: Staaten räumen anderen Vertragspartnern das Recht ein, auch bei inneren Vorgängen mitzureden (Bericht MR-Rat; Individualbeschwerde EMRK) - Menschenrechte # innere Angelegenheit, Einmischung möglich - Durchsetzung MR gestärkt (Organe, Gerichte, UN-SR) - Teil des internationalen ordre public, sind traités-lois (normbildend) -> #Vorbehalte/Kündigigung -> bei Staatennachfolge: Übergang MR-Abkommen (bzw. sind Gewohnheitsrecht) - in allen Teilbereichen VR vorhanden (Völkerstrafrecht, ENtwicklungsvölkerrecht, int. Wirtschaftsrecht), Geltung im bewaffneten Konflikt (+hum. VR)
- Ist die Vorzugsstellung der ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat mit dem Grundsatz der Gleichheit der Staaten vereinbar? - Rechtsgleichheit = Gleichheit der Staaten ist rechtliche Normen, kein tatsächlicher Befund - Gleichberechtigung + Gleichverpflichtung ungeachtet faktischer Situation - rechtliche Ungleichheit kann auf konsensualer Basis begründet werden -> Vorrechte einzelner Staaten in IOs/ Bevorzugung Entwicklungsländer in Verträgen - aus dem Prinzip der Rechtsgleichheit folgt Grundsatz der Staatenimmunität
- Wann greift die Ausnahme privatwirtschaftlicher Akte fremder Staaten von der Immunitätsregel? Privatwirtschaftliche Akte fremder Staaten (acte iure gestionis): - unterliegen ausländischer Gerichtsbarkeit = somit sind private Geschäftspartner fremder Staaten angesichts weitgehender wirtschaftlicher Aktivitäten von Staaten nicht rechtsschutzlos - vor Hintergrund sozialistischer Staatswirtschaften entstanden - heutige Relevanz: staatliche Aktivitäten am internationalen Kapitalmarkt - maßgeblich: Charakter fraglicher Maßnahmen - Faustformel: handelt Staat wie ein Staat oder "wie ein Privater"? - Abgrenzungsfrage bei: Restrukturierung von Staatsschulden in Krisenzeiten (Staatsanleihen als solche = privatwirtschaftlich) BGH: auf Rechtsnatur Umstrukturierungsakt abstellen - Vollstreckungsverfahren: selbst bei acta iure gestionis darf Zwangsvollstreckung nicht gegen Vermögen des Staates erfolgen, das hoheitlichen Zwecken dient (Art. 19 UN-Konvention als Ausdruck VGR) - US-Recht: Ausnahmen von Staatenimmunität bei Klagen wegen Verletzung von Leib und Leben durch Terrorakte, die durch fremde Staaten unterstützt wurden (§1605 Foreign Sovereign Immunities Act: gestattet Erkenntnis, teils auch Vollstreckungsverfahren)
- Können Fälle schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen eine Ausnahme der Staatenimmunität darstellen? - Diskutiert - Argumente: zentrale Bedeutung MR im heutigen VR; Idee völkerrechtliches ius cogens; Analogie zur Durchbrechung strafrechtliche Immunität Staatsorgan - Fälle: Areopag, Ferrini -> Urteil: - Ausnahme von Staatenimmunität für deliktisches Verhalten eines fremden Staates im Forumstaat (tort exception) erstreckt sich jedenfalls nicht auf das Verhalten der Streitkräfte; - Anerkennung Urteile/ Verfahrenseinleitung = Verstoß gegen Immunität - Durchbrechung Staatenimmunität bei schweren Menschenrechtsverletzungen oder schweren Verstößen gegen VR gewohnheitsrechtlich nicht etabliert = Unterscheidung zwischen verfahrensrechtlicher Regelung (Immunität) und materiell-rechtlicher Frage eines Verstoßes gegen ius cogens grds.: Grundsatz des intertemporalen Rechts (bei Annahme Verfahren ist seinerzeit geltendes VR für rechtliche Beurteilung heranzuziehen
- Wie weit reicht die Immunität von Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern vor ausländischen oder internationalen Gerichten? Wo liegen ihre Grenzen? funktionale Immunität: abgeleitet aus Staatenimmunität = genießen alle Staatsorgane für hoheitliche (amtliche) Handlungen -> Handeln wird Staat zugerechnet, gilt nicht als privates Verhalten AmtsträgerIn persönliche Immunität: besondere Privilegierung, indem auch private Handlungen den Immunitätsschutz genießen - gilt für Organe, die den diplomatischen Verkehr tragen: Staatsoberhäupter (einschließl. engste Familie, amtl. Gefolge), Diplomaten, Mitglieder der Regierung als Träger ad-hoc Diplomatie -> internationaler (Rechts-)Verkehr käme zum Erliegen, wenn gerichtliche Verfolgung im Ausland möglich - Immunität = Verfahrenshindernis, Staat kann auf Immunität verzichten - endet mit Ausscheiden aus Amt (nachträglich gerichtliche Verfolgung möglich) Ausnahmen - während Amtszeit: Verfolgung (wg schwerster Menschenrechtsverletzungen/ anderer völkerrechtlicher Verbrechen) nur durch internationale Gerichte (Yerodia-Fall) - nach Ende der Amtszeit: auch durch Gerichte anderer Staaten (Pinochet-Fall, Habré-Fall) -> nicht unbestritten (immunitätsfreundlich/ -feindlich) - EGMR: gewohnheitsrechtliche Immunität amtierender Staatsorgane vor Gerichten eines anderen Staaten ist auch in zivilgerichtlichen Verfahren zu beachten
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- Grenzen Sie die territoriale Souveränität von der Gebietshoheit ab territoriale Souveränität: verleiht dem Staat die alleinige Verfügungsbefugnis über sein Staatsgebiet = Verfügungsrechte über das Territorium Gebietshoheit: ausschließliches Recht zur Vornahme von Hoheitsakten auf dem eigenen Staatsgebiet (Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit) = ausschließliche Rechte auf dem Territorium -> steht auch failed states zu (berfriedende Wirkung durch Konservierung Staatlichkeit) - # gewohnheitsrechtlich etabliert: Auffassung, dass Aufrechterhaltung nur Selbstbestimmungsrecht des Volkes diene, weswegen alle Maßnahmen ausländischer Mächte, die nicht gegen Selbstbestimmungsrecht verstoßen, rechtmäßig seien
- In welchem Rahmen gestattet das Völkerrecht Rechtsakte mit Auslandsbezug? Prinzipiell: Erlass von Hoheitsakten mit Wirkung gegenüber Ausland unzulässig, mittelbare Auswirkungen nicht ausgeschlossen, Grenze: Interventionsverbot -> Recht Hoheitsakte anderer Staaten nicht anzuerkennen/ auf eigenem Hoheitsgebiet durchzusetzen Ausnahmen: - Rechtshilfeabkommen: Gegenseitigkeit Vollstreckung ausländicher Gerichtsurteile, Auslieferungsabkommen möglich - Überprüfung ausländischer Rechtsakte am eigenen ordre public (Überprüfung Anerkennungsfähigkeit nach nat. Recht) # Verstoß gegen Grundsatz Staatenimmunität (nur Anerkennungsüberprüfung) - US-Recht: Act of State Doktrin (untersagt jede Überprüfung ausländischer Hoheitsakte (innerstaatliches Recht # Völkerrecht) -> Deutschland: 2 Formen Auslandsbezug staatlicher Gesetze: 1. sachlicher Geltungsbereich = Inhalt eines Gesetzes darf sich (im vr Rahmen) auf Auslandssachverhalte erstrecken; Gesetz darf im Tatbestand an Ereignisse/ Umstände im Ausland anknüpfen (Sozialleistungsansprüche im Ausland/ Asylrecht schon vor Kontakt mit Staatsgebiet - Art. 16a Abs. 1 GG) 2. räumlicher Geltungsbereich = erstreckt sich auf eigenes Hoheitsgebiet, gilt nicht im Ausland (Problematisch: Auslandseinsatz Bundeswehr: Stationierungsabkommen helfen, demnach öffnet sich Empfangsstaat dem Recht des Entsendestaats) (Asylrecht darf erst auf deutschem Hoheitsgebiet gewährt werden) -> international: - jurisdiction to prescribe: Erlassen von Gesetzen erlaubt - jurisdiction to enforce: Gesetze nicht außerhalb Hoheitsgebiet vollziehen -> Völkerrechtlich anerkannte Anknüpfungspunkte: - Territorialitätsprinzip (Grundsatz Gebietshoheit = Geltung staatliches Recht für Ausländer) - Wirkungsprinzip (Auswirkungen auf eigenem Territorium) - Personalitätsprinzip (Aus Personalhoheit = gestattet Erlass v. Regelungen in Bezug auf eigne Staatsangehörige im Ausland - Wahlrecht, Steuerrecht) - Schutzprinzip (gestattet Erlass v. Gesetzen zum Schutz wichtiger staatlicher Interessen) - Weltrechtsprinzip (universelle Verfolgung völkerrechtlicher Verbrechen) = Völkerrecht ist übergeordnetes Kollisions-/ Koordinationsrecht (konkretisiert werden einzelne Regeln im nat. Recht) -> bei Jurisdiktionskonflikten: Third Restatement of the Law des American Law Instite: link of activity to territory of regulating state; connections (nationality, residence, economic activity) between regulating state and person principally responsible for activity to be regulated; character of activity to be regulated; existence of justified expectations; importance; consistency; extent to which another state might be interested in regulating; likelihood of conflict
- Wo in der UN-Charta findet das Interventionsverbot seine Rechtsgrundlage? Art. 2 Nr. 7: ausdrückliches Interventionsverbot, adressiert an Organe der UN sich nicht in Angelegenheiten der UN-Mitglieder einzumischen Art. 2 Nr. 1: aus Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten folgt implizit zwischenstaatliches Interventionsverbot = UNCh bietet doppeltes Verbot der Einmischung in innere/ äußere Angelegenheiten von Staaten unberührt bleiben SR angeordnete Zwangsmaßnahmen -> UN-Mitglieder haben durch Beitritt Zwangsgewalt SR anerkannt
- Was ist der Inhalt des völkerrechtlichen Interventionsverbots? = untersagt Einmischung in die inneren / äußeren Angelegenheiten durch Androhung oder Anwendung von Zwang = Tatbestand doppelt bedingt: - Einmischung in Angelegenheiten eines anderen Staates - Anwendung / Androhung von Zwang
- Welche Auswirkungen hat die Expansion des Völkerrechts (Vervölkerrechtlichung) auf das Interventionsverbot? Expansion: Zunahme Anzahl int. Verträge/ gewohnheitsrechtliche Regeln, der ein Staat sich unterwirft = Öffnung Rechtsordnung für Einflüsse des Völkerrechts = Bereich der unabhängigen Innen/ Außenpolitik reduziert Folgen: - durch völkerrechtliche Verpflichtung können andere Staaten / IOs die Einhaltung der Pflicht einfordern/ ggf. auf friedlichem Wege erzwingen, ohne Interventionsverbot zu verletzen - durch Anerkennung der Menschenrechte auf völkerrechtlicher Ebene veringert sich Bereich, den Staaten vor auswärtiger Kritik/ Reaktion abschirmen können
- Inwieweit setzt ein Verstoß gegen das Interventionsverbot Zwang voraus? Hintergrund: seit Etablierung Gewaltverbot (1945) findet Interventionsverbot eigenständige Bedeutung nur bei Einmischungen unterhalb der Gewaltschwelle #verboten: politische Stellungnahmen zu den Verhältnissen in anderen Staaten Zwangselement (Anhaltspunkt aus Art. 32 Charta wirt. Rechte&Pflichten der Staaten- Resolution GV): = Staat darf keine wirt./pol./sonstige Zwangsmaßnahmen gegen Staat vornehmen/ Anwendung begünstigen, um von ihm Unterordnung bei Ausübung seiner souveränen Rechte zu erlangen - UN-GV Erklärung 1981: Erklärung über Unzulässigkeit Intervention und Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten (hat aber einen umstritten weit gefassten Begriff der domaine réservé) - mehrere Fallgruppen, in denen Verstoß angenommen wurde -> Zwang = normativer Begriff, nicht unbedingt im engeren Sinne (alltagssprachlich) -> bei Fehlen unmittelbarer Zwangswirkung teilweise: Verbot der Nichteinmischung zutreffender
- Beschreibe die einzelnen Fallgruppen, in denen ein Verstoß gegen das Interventionsverbot angenommen wird 1. Destabilisierung im Inneren: aktive Politik des Regimewechsels, Destabilisierungsbetreiben, Anschläge/ Sabotageakte (nur die unter Gewaltschwelle), Unterstützung von Aufständischen (Finanzierung, Ausbildung, Versorgung), Unterstützung oppositioneller Bewegungen (nur wenn Tätigkeit Bewegung/ Art d. Unterstützung nach innerstaatlichem Recht verboten), Parteinahme im inneren Konflikt (zB. Anerkennung Opposition ohne effektive Gewalt, vorzeitige Anerkennung Staat in Sezession) gegnerische Propaganda (umstritten) 2. Verletzung der Gebietshoheit: Akte angemaßter Hoheitsgewalt, Ausübung realer Zwangsgewalt (Entführungen, List?), Anschläge/ Sabotageakte gegen Dritte (Einrichtungen ausländischer Staaten/ sonstiger VR-Subjekte/ Private - Greenpeace Schiff "Rainbow Warrior" von Frankreich in Neuseeland versenkt) 3. Militärischer und physischer Zwang: Verstoß gg Gewaltverbot/ Gewaltandrohungsverbot = schwerste Form v. Zwang, physischer Zwang (wenn unter Gewaltbegriff abgelehnt/ diskutiert: Massenvertreibungen über Grenze in Nachbarstaat, Abschneiden Wasserzufuhr) -> Verstoß gegen Gewaltverbot immer auch Verstoß gegen Interventionsverbot, umgekehrt nicht unbedingt 4. Ökonomischer Zwang: Wirtschaftsblockaden/ Embargos = unzulässiger wirtschaftlicher Zwang; Voraussetzung: Willen zur Beeinflussung der politischen Willensbildung/ Entscheidungsfreiheit nicht: - wenn als Gegenmaßnahme angeführt = Verstoß gg wirtschaftliche Verträge als Antwort auf völkerrechtlichen Verstoß - Bsp. Russland: Verstoß gg erga omnes Norm - Annexionsverbot, Antwort: Wirtschaftsembargo EU - Unterbrechung Wirtschaftsbeziehungen, Einstellung Entwicklungshilfe, rein marktorientierte Maßnahme
- Verstößt ökonomischer Druck gegen Interventionsverbot? bei Wirtschaftsblockaden/ Embargos, da Willen zur Beeinflussung der Willensbildung erkennbar # Unterbrechung Wirtschaftsbeziehungen/ Einstellung Entwicklungshilfe -> Zwang + Beeinflussung politische Willensbildung
- Was sind die Elemente des völkerrechtlichen Delikts? 1. Deliktsfähigkeit: völkerrechtlich deliktsfähig nur VR-Subjekte - aktiv: Rechtsbrecher, setzt Handlungsfähigkeit voraus - passiv: des in seinen Rechten Verletzten, hier genügt Rechtsfähigkeit -> grds. Staaten/ IOs, Individuen mittlerweile auch aktiv/passiv deliktsfähig (Terrorismus / im Rahmen der Menschenrechte) 2. Zurechenbarer Normverstoß: Verstoß gg völkerrechtliche Norm (Rechtsbrecher sind Pflichten ggüber Verletztem auferlegt - Zurechenbares Verhalten: Staat/ IOs für Verhalten Organe, nicht für Handeln Privatpersonen (Vorkehrungen sind zu treffen) - Normverstoß: verletzte Norm ergibt sich aus Rechtsquellen; auch: Beteiligung, Nötigung, Anleitung; diskutiert: Gefährdungshaftung (rechtmäßiges aber gefährliches Verhalten - Atomenergie 3. (Kein) Ausschluss der Rechtswidrigkeit: besonders = Gegenmaßnahme; Einwilligung der Verletzten, Selbstverteidigung, Notstand; es gilt: verschuldensunabhängige Erfolgshaftung, Schaden keine notwendige Voraussetzung, kausaler Zusammenhang essentiell 4. Rechtsfolge: Wiedergutmachung - Deliktssubjekt schuldet Wiederherstellung voriges Zustands, ggf. Schadensersatz, immaterieller Schaden: Genugtuung
- Sind Bundesstaaten völkerrechtlich für das Verhalten ihrer Gliedstaaten verantwortlich? Ja. Völkerrecht betrachtet Staat als Einheit = Gesamtstaat hat völkerrechtlich auch für das Handeln seiner Gliedstaaten einzustehen und zwar bei allen Formen staatlicher Tätigkeit (Legislative, Exekutive, Judikative) [Art. 4 Abs. 1 ASR]
- Unter welchen Bedingungen sind Staaten für den Einsatz privater Militär- und Sicherheitsunternehmen völkerrechtlich verantwortlich? [Art. 5 ASR] gewohnheitsrechtlich etabliert: - Zurechnung erfasst auch Verhalten von Personen, die zwar keinen förmlichen Status eines Staatsorgans innehaben, aber kraft staatlicher Ermächtigung hoheitliche Aufgaben erfüllen (De-facto Organe) - Zweideutigkeit: empowered by the law of that state to exercise elements of the governmental authority (Recht oder Gesetz?) - Montreux Dokument 2008: gesetzliche Ermächtigung als Basis der Zurechnung = Möglichkeit des contracting-out -> Ansatz wirkt nicht überzeugend: Staaten können sich durch Wahl einer bestimmten Rechtsform der Verantwortlichkeit entledigen (Ermächtigung per Vertrag # Zurechnungsmöglichkeit)
- Wer ist für das völkerrechtswidrige Verhalten eines Staatsorgans verantwortlich, das ein Staat einem anderen oder einer Internationalen Organisation zur Verfügung stellt? Zurechnung [Art. 6 ASR] - nicht gewohnheitsrechtlich fundiert - in wessen Namen wird das entliehene Organ tätig - ist das entliehene Organ in Befehlsstruktur des Eintleiherstaats eingegliedert? -> wenn Organ im Namen des entleihenden Staates tätig + an dessen Weisungen gebunden = Verhalten dem anfordernden Staat zurechenbar -> multinationale Einsätze: - theoretisch: Verantwortlichkeit bei IO, truppenstellendem Staat, lead nation, gescheinschaftlich - praktisch: i.d.R. beansprucht Heimatstaat mind. exklusive disziplinarische/ strafjustizielle Gewalt über Staatsorgane = organisatorisch in Heimatstaat eingegliedert + "letztes Wort" - maßgeblich: [Art. 7 ARIO]: effective control over that conduct (faktische Situation) - möglich/ diskutiert: geteilte Verantwortlichkeit/ Mitverantwortlichkeiten (IO insoweit mitverantwortlich, wenn Anordnung/ Autorisierung völkerrechtswidriges Verhalten)/ mehrfache Zurechnung (bei nicht genutzter Vetoposition IO & MS gemeinsam verantwortlich)
- Ist ein Staat auch dann für das Handeln seiner Staatsorgane verantwortlich, wenn diese sich nicht an seine Weisungen halten? -> Handeln ultra vires [Art. 7 ASR] = gewohnheitsrechtlich anerkannt = Staat ist das Verhalten seiner Organe auch zuzurechnen, wenn diese die Grenzen der ihnen eingeräumten Befugnisse überschreiten Voraussetzungen: - Organ im Zusammenhang mit der ihm zugewiesenen Aufgabe tätig - / Anschein erweckt so tätig zu sein -> Erkennbarkeitsgedanke (nach außen sind Kompetenzgrenzen nicht regelmäßig erkennbar) -> Ermöglichungsgedanke (Ermöglichung zum hoheitlichen Handeln durch Ermächtigung) -> Missbrauchsgedanke (ansonsten Verantwortlichkeitsentledigung einfach) Fall: Claire = Franzose in Mexiko von mex. Soldaten erschossen (vr Verantwortlichkeit Mexiko √): Im VR Staaten grds. auch für kompetenzwidriges Verhalten Organe/ Agenten zuständig, wenn Anschein Staatlichkeit zunutze gemacht/ staatl. Macht/ Mittel zur Ausführung der Tat verwandt
- Was besagt der Grundsatz der due diligence im Sinne der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit? = angemessene Sorgfalt - regelmäßig nicht zurechenbar: Handeln von Privatpersonen = Staat keine Verantwortung zurechenbar wenn Private von seinem Hoheitsgebiet aus Rechte anderer Staaten verletzen - Sorgfaltspflicht: angemessene Sorgfalt bei Verhütung solcher Umstände (abhängig von Einzelfall) -> Staat muss Schutzpflicht nachkommen - ansonsten Vorwurf originär staatliches Unterlassen - traditionell: an eigenes Staatsgebiet gebunden - moderne: zunehmend als extraterritoriale Pflichten diskutiert = Verbindung Verletzung internationaler Rechtsgüter (Menschenrechte, Umwelt) durch private Akteure
- Unter welchen Voraussetzungen ist ein Staat für das Verhalten von Privatpersonen völkerrechtlich verantwortlich? [Art. 4-11 ASR] bei Tätigkeiten im Namen des Staates: Organverhalten/Ausübung hoheitlicher Befugnisse durch Nichtorgane im Einzelfall/Verhalten entliehener Organe/nachträgliche Anerkennung o. Annahme als eigenes Verhalten = Verantwortlichkeit auch bei Kompetenzüberschreitung/ Handeln ultra vires bei faktischem Zurechnungszusammenhang: staatl. geleitetes o. kontrollierte Handeln/ (notwendige) faktische Ausübung hoheitlicher Befugnisse bei Fehlen o. Ausfall staatlicher Stellen/Verhalten von Aufständischen, sofern diese später Regierung übernehmen = mangels rechtlicher Handlungskompetenz kein Handeln ultra vires möglich bei rein privatem Handeln: nicht zurechenbar; Staat für Unterlassen seiner Organe zuständig, soweit der die Erfordernisse der due diligence bei der Verhütung von Überfällen/ Übergriffen Privater nicht beachtet = mangels rechtlicher Handlungskompetenz kein Handeln ultra vires möglich
- In welchen Fällen ist die Rechtswidrigkeit eines Verstoßes gegen eine Völkerrechtsnorm ausgeschlossen? [Art. 20-27] - Einwilligung: grds.: volenti non fit iniuria Einwilligenden geschieht kein Unrecht, Grenze: ius cogens) - Selbstverteidigung: gemäß Art. 51 UNCh zur Abwehr bewaffneter Angriffe - Gegenmaßnahme - Höhere Gewalt: wenn Beachtung VR tatsächlich unmöglich - Notlage: mögliche, aber unzumutbare Handlungsalternativen für Staatsorgan - Notstand: Dilemma des Staates - ultima ratio: sich seinen Rechtspflichten entziehen
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- Was ist eine Gegenmaßnahme und unter welchen Voraussetzungen ist sie zulässig? = ein an sich völkerrechtswidriger gewaltfreier (!) Akt, der ausnahmsweise gestattet ist, wenn er von dem "Opfer" eines vorangegangenen, noch andauernden völkerrechtlichen Delikts begangen wird, um dieses Delikt abzustellen => Selbsthilfe des Geschädigten gegen Völkerrechtsbrüche unter best. Voraussetzungen: - völkerrechtliches Delikt liegt vor - Adressat = Urheber, Autor = Verletzter (1. Delikt) -> bei erga omnes Verstoß: jeder Staat - Ziel: Rückkehr zur Rechtstreue - vorherige Ankündigung - #Repressalienverbot (Gegenmaßnahme darf nicht verboten sein): ius cogens, grundlegende MR, Rechtsgebiet als self-contained Regime lässt nur spez. Sanktionsformen zu (Diplomatenrecht, Humanitäres Völkerrecht) - nicht außer Verhältnis: Übermaßverbot, Gegenmaßnahme als angemessene Reaktion
- self-contained regime = "in sich geschlossenes Rechtsregime" -> Kritik: begünstigt Fragmentierung des Völkerrechts, indem sich "Sondervölkerrecht" von allg. Regeln abkoppelt = systemgefährdene Figur
- lex specialis = spezielles Gesetz, das allgemeinen Gesetzen vorgeht Bsp. spezielle Sanktionsformen im Diplomatenrecht
- Was ist der Unterschied zwischen Retorsion und Repressalie? Retorsion: unfreundlicher, aber völkerrechtskonformer Akt als Reaktion auf einen Völkerrechtsbruch/ unfreundlichen Akt -> ohne besondere Voraussetzungen jederzeit möglich -> Bsp. Ausladung Staatsgast, Einbestellung BotschafterIn, Abbruch diplomatische Beziehungen Repressalie: Gegenmaßnahme, an sich rechtswidrige, ausnahmsweise gerechtfertigte Maßnahme
- Wo liegt die Besonderheit bei Sanktionen im Rahmen Internationaler Organisationen? - Sanktion richtet sich gegen Mitglied, das seine Verpflichtungen aus dem Gründungsvertrag nicht erfüllt hat - Rechtsgrundlage: Vertrag (außer: allg. Repressalienverbot) - Sanktionen gegen Außenstehende: Gegenmaßnahme/ UN-Ermächtigung
- Unter welchen Voraussetzungen und wem gegenüber kann ein Staat sich auf den Notstand als Rechtfertigungsgrund berufen? Voraussetzungen: - unmittelbare schwere Gefahr für wesentliches staatliches Interesse - Völkerrechtsverstoß ist einzige Möglichkeit zum Interessenschutz - Verstoß stellt keine ernsthafte Beeinträchtigung wesentlicher Interessen anderer Staaten/ der internationalen Gemeinschaft dar - Berufung auf Notstand darf nicht ausgeschlossen sein (-> Notstandsrecht gestattet keine gewaltsamen Maßnahmen) - #Provokation des Notstands um Rechtfertigungsgrund zu erlangen Gegenüber: Staaten # Privaten
- Welche Formen der Wiedergutmachung von Rechtsbrüchen kennt das Völkerrecht? -> Staatenpraxis hinsichtlich einheitlicher Ausgestaltung uneinheitlich -> 3 Grundformen anerkannt: (Chorzow-Urteil StIGH) - Restitution: Verpflichtung des Schädigers den Zustand wiederherzustellen, der ohne Schädigungshandlung bestehen würde -> wenn möglich, auszuschließen wenn unverhältnismäßige Belastung des Schädigers zur Folge - Schadensersatz: [Art. 36 ASR] Entschädigung für erlittene Schäden in Geld; meist Pauschalentschädigung (lump sum agreement) mit der alle Reparationsforderungen beglichen sind - Genugtuung: symbolischer Akt, v.a. wenn kein wirtschaftlich messbarer Schaden; auch begleitend neben anderen Formen (zielt auf gekränkte Staatsehre ab) - [Art. 37 Abs. 2 ASR]: Geständnis der Verletzung; Ausdruck des Bedauerns; förmliche Entschuldigung -> darf keine Erniedrigung des sich entschuldigenden Staats darstellen/ außer Verhältnis sein
- venire contra factum proprium Zuwiderhandlung gegen eigenes Tun = sich mit eigenem früheren Handeln in Widerspruch setzen; dadurch Verstoß gegen Treu und Glauben -> unzulässig
- Welche Möglichkeiten zur Beschlussfassung gibt es in Internationalen Organisationen? Erklären Sie die Unterschiede und nennen Sie je ein Beispiel Einstimmigkeit: Die gab es früher im Völkerbund Mehrstimmigkeit: typische Form der Beschlussfassung in IOs Meist gilt der Grundsatz der Gleichheit der Staaten bei Abstimmung (one state, one vote) Dieser führt aber zu Verzerrungen, weil die Staaten hinsichtlich Bevölkerungszahl/ militärischer u. wirtschaftlicher Stärke unterschiedlich sind Führt in Organen von IOs zu Vorrechten bei Willensbildung (zB Vetorecht ständige Mitglieder SR) Stimmwägung: Die Stimmen der Staaten haben unterschiedliches Gewicht. Beim IWF / Weltbank richtet sich Stimmgewicht nach Beteiligung am Grundkapital Konsens: Duldung des Ergebnisses von allen ohne Abstimmung
- Uti possidetis Prinzip vollständig: uti possidetis, ita possideatis – „wie ihr besitzt, so sollt ihr besitzen“ - ist eine Ausformung des völkergewohnheitsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes Ursprünglich: Parteien einer kriegerischen Auseinandersetzung behalten das Territorium und andere Besitzungen, die sie während des Krieges gewonnen und zum Zeitpunkt des Friedensschlusses in Besitz hatten = zielt auf tatsächlichen Gebietsbesitz ab = das ursprüngliche, an den tatsächlichen Verhältnissen orientierte Prinzip heute: geht über den Grundsatz stabiler politischer Grenzen nicht hinaus - Anwendung erfuhr und erfährt sie insbesondere im Rahmen der Unabhängigkeit der kolonialen Besitzungen sowie bei Dismembration, Sezession bzw. dem Zerfall von Staaten - In jüngerer Zeit wurde beim Zerfall Jugoslawiens und der Sowjetunion darauf zurückgegriffen.
- Mögliche Nichtigkeitsgründe eines völkerrechtlichen Vertrages Formeller Willensmangel: Offenkundige Verletzung einer wesentlichen innerstaatlichen Vorschrift bei Vertragsabschluss Materielle Willensmängel: Irrtum, Betrug, Zwang gegen einen Staat/ Staatenvertreter und Bestechung Unvereinbarkeit mit ius cogens: liegt vor, wenn Vertragsinhalt gegen grundlegende Menschenrechte/ Gewaltverbot/ Verbot Völkermord/ Selbstbestimmungsrecht der Völker verstößt
- Wie kann man völkerrechtliche Verträge unterscheiden bzw. welche Arten völkerrechtlicher Verträge gibt es? -> Nach Zahl der Parteien (bilateral oder multilateral)-> Nach dem Inhalt: rechtsetzend oder rechtsgeschäftlich-> Nach der Beteiligungsmöglichkeit: - offen (alle Staaten dürfen Partei werden)- relativ geschlossene (nur bestimmte Staaten dürfen Partei werden),- geschlossene (kein Beitritt ist vorgesehen) -> Self Executing und non self executing- Non self executing Verträge sind nicht unmittelbar wirksam, sondern müssen erst in nationales Recht umgesetzt werden = Transformationsakt- Staaten sind verpflichtet, non self executing Verträge umzusetzen. - Dies ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben - auch wenn nicht umgesetzt, wirken non self executing Verträge auch unmittelbar = Einzelner/ gegnerische Partei kann sich darauf berufen
- Was sind die Strukturmerkmale der Völkerrechtsordnung? Es fehlen zentrale Organe für Rechtssetzung, Rechtssprechung und Rechtsdurchsetzung. Völkerrecht ist im Gegensatz zum innerstaatlichen Recht ein horizontales und kein vertikales Rechtssystem und ein Koordinationssystem statt ein Subordiniationssystem.
- Unterschied soft law / hard law soft law: - nicht bindende internationale Erklärungen hard law: - bindende internationale Erklärungen, Richtlinien
- Was ist ein Vorbehalt? a) Wann ist er zulässig? b) zu welchem Zeitpunkt darf ein Vorbehalt angebracht werden? c) Wie können andere Vertragsparteien auf einen Vorbehalt reagieren? d) Welche Konsequenzen hat dies? Ein Vorbehalt ist gemäß Art 2 WVK die einseitige Erkärung eines Staates, Rechtswirkungen eines Vertrages auszuschließen oder zu ändern. Vorbehalte sind zulässig, wenn sie nicht unzulässig sind gemäß Art 19 WVK. Gemäß Art 19 WVK ist ein Vorbehalt dann unzulässig, wenn - der Vertrag Vorbehalte verbietet- der Vertrag nur bestimmte Vorbehalte zulässt oder- wenn der Vorbehalt mit Ziel und Zweck des Vertrages unvereinbar ist. Die Unzulässigkeit eines Vorbehalts gemäß Art 19 WVK hat auch dei Unwirksamkeit des Vorbehalts zur Folge. Auf einen Vorbehalt kann durch: - ausdrückliche oder stillschweigende Annahme oder- unqualifizierten Einspruch oder- qualifizierten Protest reagiert werden. Bei ausdrücklicher oder stillschweigender Annahme des Vorbehalts wird die betreffende Vertragsbestimmung nicht angewendet oder abgeändert. Der Rest des Vertrages kommt zustande. Der unqualifizierte Einspruch führt dazu, dass die betreffende Vertragsbestimmung nicht angewendet oder abgeändert wird. Der Rest des Vertrages kommt zustande. Der qualfizierte Protest führt dazu, dass der gesamte Vertrag zwischen den betreffenden Staaten nicht angewendet wird.
- Muss ein Nachfolgestaat die Schulden seines Vorgängers übernehmen? - Der Übergang von Schulden bei der Staatennachfolge wird oft vertraglich geregelt. - Bei Dismembration übernehmen in der Regel die Nachfolgestaaten die Staatsschulden anteilsmäßig.- Radizierte Schulden (Schulden, die sich auf einen Gebietsteil beziehen), werden vom Staat übernommen, der die Staatshoheit über dieses Gebiet hat. - Schulden, die zur Verhinderung der Unabhängigkeit der Staaten eingegangen wurden, muss der Nachfolgestaat nicht übernehmen.
- Was bedeutet "Staatliche Souveränität" aus völkerrechtlicher Perspektive? Im Inneren verstanden als: ° Autonomie° höchste Befehlsgewalt des Staates über Person und Sachen auf seinem Territorium° das Verbot der Einmischung in innere Angelegenheiten (=Interventionsverbot) Nach außen definiert als: ° Unabhängigkeit° Gleichheit der Staaten untereinander Unabhängigkeit bedeutet, dass kein Staat der Autorität eines anderen Staates unterliegt. Gleichheit kommt im Prinzip "one state, one vote" zum Ausdruck (Beispiel: UN Generalversammlung) Absolute Souveränität bedeutet, dass ° sich Staaten freiwillig an das Völkerrecht binden ° sich jederzeit einseitig wieder davon lösen können Relative Souveränität bedeutet, dass ° Völkerrecht für Staaten verbindlich ist° alle Staaten dem Völkerrecht untergeordnet sind° Staaten gleichzeitig Erzeuger und Adressaten des Völkerrechts sind ° Staaten die Verbindlichkeit des selbstgeschaffenen Völkerrechts anerkennen
- Nennen Sie Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen dem Völkerbund und den Vereinten Nationen! Unterschiede: Völkerbund im Gegensatz zu VN: - Einstimmigkeit- Völkerbund war nicht universell (nicht fast alle Staaten waren Mitglieder wie bei den Vereinten Nationen)- Es gab im Völkerrecht kein Gewaltverbot Gemeinsamkeiten: - Beide sind bzw. waren Internationale Organisationen- Beide dienen der Friedenssicherung und Streitbeilegung- Bei beiden gibt es bzw. gab es gewählte und ständige Mitglieder.
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