Entscheidungstheorie (Fach) / Vorlesung X: Entscheidung bei Risiko und einem Ziel (Lektion)
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Entscheidung bei Risiko und einem Ziel
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- Entscheidung bei Risiko ET versucht, die Präferenz des Entscheiders bzgl. riskanter Alternativen abzubilden möglicher Ansatz: Erwartungswert (EW) als Entscheidungs-kriterium a = (a1, p1; …; an, pn) EW(a) = Σ pi ai a ≻b ⇔ EW(a) > EW(b) allerdings: Bernoulli hat schon im 18. Jh. gezeigt, dass Menschen systematisch vom EW abweichen Beispiel: Petersburger Spiel
- Entscheidung bei Risiko - Bewertung riskanter Alternativen bisher: a, b ∈ A (abzählbar!) Wertfunktion v mit a ≻b ⇔ v(a) > v(b) „Präferenzordnung“, transitiv, vollständig jetzt: a = (a1, p1; …;an, pn) b = (b1, p1; …;bn, pn) z.B. Münzwurf: a = (1 Mio., 0,5; -1 Mio., 0,5) „investieren" b = (0,5 Mio., 0,5; 0) „nicht investieren“
- Entscheidung bei Risiko - Petersburger Spiel Münzwurf bei Zahl: 2 €, Spiel beendet bei Kopf: erneuter Münzwurf, allerdings zu doppelten Gewinnchancen, d.h. 4 € Spiel wird so lange wiederholt, bis Zahl kommt Frage: Wie viel ist Ihnen die Teilnahme am Petersburger Spiel wert? EW (Petersburger Spiel) = Σ (1/2)i * 2i = 1/2 * 2 + 1/4 * 4 + 1/8 * 8 + ... = ∞ nur sehr selten ist jemand bereit, mehr als 20€ für die Teilnahme zu zahlen
- Entscheidung bei Risiko - Beispiel (Münzwurf) a = (0, 1) „Nichts tun“ b = (-1, 0,5; 1, 0,5) „Spielen“ es gilt: EW(a) = 0 = EW(b) Wie würden Sie sich entscheiden? Wie entscheiden sich alle Studenten? Was sollte im Entscheidungskalkül berücksichtigt werden?
- Entscheidung bei Risiko - Beispiel (Projekt) gegeben sei die Verteilungsfunktion des Kapitalwertes eines Projektes Sie haben die Alternativen - Projekt realisieren - Projekt nicht realisieren Was sollte ein rationaler Entscheider tun?
- Entscheidung bei Risiko - Intuitives Entscheidungsverhalten unser intuitives Entscheidungsverhalten stimmt nicht mit dem EW-Kalkül überein EW-Kalkül hat offensichtlich Implikationen, die von den meisten Entscheidern nicht als rational angesehen werden Folge: man benötigt alternative Entscheidungsprinzipien, z.B. - Bernoulli: Transformation der Zahlungen durch eine logarithmische Wertfunktion - Subtraktion einer Größe vom EW, die das Risiko der Lotterie widerspiegelt verbreitetes Entscheidungskalkül bei Entscheidungen unter Unsicherheit: Erwartungsnutzentheorie
- Erwartungsnutzentheorie wurde durch von Neumann und Morgenstern 1947 begründet setzt voraus, dass bestimmte Axiome vom Entscheider akzeptiert werden Nutzenfunktion u ordnet jeder Konsequenz eine reelle Zahl zu, die sowohl die Einstellung zum Wert der Konsequenz als auch das Risikoverhalten abbildet W von u, der sog. Erwartungsnutzen (EU), bildet seine Präferenz ab: EU(a) = Σ pi u(ai) a ≻b ⇔ EU(a) > EU(b) Beispiel: Sie sind mit Ihrem „Schwarm“ zum Essen in einem netten italienischen Restaurant verabredet. Sie gehen davon aus: u(italienisches Restaurant) = 0,7 Sie überlegen, in die Offensive zu gehen und Ihren „Schwarm“ stattdessen zum Abendessen in Ihre Wohnung einzuladen. Sie versprechen sich davon einen Nutzen von 0,99. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie zusagt, schätzen Sie mit 70% ein. Allerdings riskieren Sie auch, dass sie Sie für zu aufdringlich hält und Sie sie nie wiedersehen. Folglich: Eu(Offensive) = 0,7*0,99 + 0,3*0 = 0,693 Als rationaler Entscheider sollten Sie in dieser Situation geduldig sein und auf die Offensive verzichten.
- Axiomatische Grundlagen der Erwartungsnutzentheorie 3 Axiome bilden die zentralen Bausteine der EU-Theorie: vollständige Ordnung Stetigkeit Unabhängigkeit
- Axiomatische Grundlagen der Erwartungsnutzentheorie (Vollständige Ordnung) für jedes Paar von Lotterien a, b ∈ A gilt: a ≻b oder a ≺b oder a ~ b (Vollständigkeit) außerdem gilt für alle Lotterien a, b, c ∈ A: a ≻b und b≻c folgt a ≻c (Transitivität)
- Axiomatische Grundlagen der Erwartungsnutzentheorie (Stetigkeit) sind Lotterien a, b, c mit a ≻ b ≻c gegeben, dann gibt es eine Wahrscheinlichkeit p, bei der gilt: b ~ p*a + (1-p)*c besagt, dass für jede Lotterie b, die zwischen a und c liegt, immer eine Kombination von a und c gefunden werden kann, die genauso gut wie b ist wird zur mathematischen Ableitung der EU-Theorie benötigt ist inhaltlich aber ziemlich unproblematisch
- Axiomatische Grundlagen der Erwartungsnutzentheorie (Unabhängigkeit) gilt für zwei Lotterien a ≻b, so muss auch für alle Lotterien c und alle Wahrscheinlichkeiten p gelten: p*a + (1-p)*c ≻ p*b + (1-p)*c analog auch für ≺ und ~ besagt, dass sich eine Präferenz zwischen 2 Lotterien a und b nicht ändern darf, wenn a und b mit derselben (und daher für die Entscheidung irrelevanten) Lotterie c verknüpft werden stellt eine sehr strenge Anforderung dar, die intuitiv häufig verletzt wird Aus dem Unabhängigkeitsaxiom folgt, dass eine Lotterie oder eine Konsequenz durch eine andere Lotterie substituiert werden kann, wenn der Entscheider zwischen den Lotterien bzw. zwischen der Lotterie und der Konsequenz indifferent ist Außerdem wird das Rationalitätspostulat der Invarianz der Darstellung für das Unabhängigkeitsaxiom genutzt. Hieraus folgt, dass ein Entscheider indifferent ist zwischen einer 2-stufigen Lotterie und einer 1-stufigen Lotterie mit den gleichen Ergebnissen wie die 2-stufige Lotterie, deren Wahrscheinlichkeiten durch Multiplikation der entsprechenden Wahrscheinlichkeiten der 2-stufigen Lotterie gewonnen wurden Unabhängigkeitsaxiom stellt eine sehr strenge Anforderung dar: ist eine Präferenz für 2 riskante Alternativen a, b gegeben, impliziert dies eine Präferenz für alle Mischungen mit beliebigen anderen Alternativen c wird daher intuitiv häufig verletzt dies ist insbesondere in der deskriptiven ET relevant in der präskriptiven ET hat sich das Unabhängigkeitsaxiom aber durchgesetzt wenn das Unabhängigkeitsaxiom nicht erfüllt wird, können alternative Theorien herangezogen werden
- Axiomatische Grundlagen der Erwartungsnutzentheorie - Beweisskizze (Herstein und Milnor, 1953) (von Klausur ausgeschlossen) Aus den 3 Axiomen folgt: es existiert eine „Nutzenfunktion“ u, so dass für alle Lotterien a, b gilt: a ≻b ⇔ Eu(a) > Eu(b) sei a = (a1, p1; …;an, pn) mit Xmin≤ ai ≤ Xmax Stetigkeitsaxiom: für jedes ai existiert ein qi mit ai ~ (Xmax, qi; Xmin, 1-qi), da (Xmin, 1) ≾ (ai,1) ≾ (Xmax, 1) Hinweis: qi = qi(ai) Unabhängigkeitsaxiom: a ~ (Xmax, Σpi qi; Xmin, Σ pi (1-qi)) = (Xmax, Σ pi qi; Xmin, 1-Σ pi qi)) somit kann jedem a eine Zahl Σ pi qi Definiere u(x) = q(x), dann ist Eu(a) = Σ pi qi!!!
- Axiomatische Grundlagen der Erwartungsnutzentheorie - Veranschaulichung im Drei-Ergebnis-Diagramm sei xh ≻ xm ≻ xn (Konsequenzen) a = (xn, pn; xm, 1 - pn - ph; xh, ph) Eu(a) = pn· u(xn) + (1 - pn - ph) ·u(xm) + ph · u(xh) dann gilt: ph = pn * [(u(xm)-u(xn)) / (u(xh) - u(xm))] + [(EU(a) - u(xm)) / (u(xh) - u(xm))] ph = pn * α + β Ordinate: ph; Abzisse: pn fallende Linie Dreieck unter Linie = Indifferenzlinien sind „affin“ und „parallel“ Problem: Menschen entscheiden nicht immer „affin“ und „parallel“
- Axiomatische Grundlagen der Erwartungsnutzentheorie - Beispiel (Allais-Paradoxon) Aus unseren Axiomen folgt, dass Präferenz zwischen a und b identisch mit der Präferenz zwischen a‘ und b‘ sein sollte. Dies gilt bei realen Entscheidungen aber nicht immer!