Jura (Fach) / Öffentliches Recht (Lektion)

Vorderseite Versammlungsfreiheit
Rückseite

Wortlaut von Art. 8 GG:

1.Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.2.Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

1. Persönlicher Schutzbereich

Auf das Grundrecht zur Versammlungsfreiheit können sich den Gesetzeswortlaut nach nur Deutsche berufen. Für Ausländer bleibt die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG um sich versammeln zu können.

2. Sachlicher Schutzbereich

Nicht geschützt werden bloße Ansammlungen, so wie etwa Schaulustige bei einem Unfall. Zudem ist zwischen Versammlungsteilnehmer und bloßem Zuschauer zu unterscheiden, wie er etwa im Kino oder bei einem Basketballspiel anzutreffen ist. Geschützt vom Recht auf Versammlungsfreiheit ist neben der Teilnahme an der Veranstaltung selbst auch deren Organisation, Planung, die An- und Abreise zum Veranstaltungsort. Auch die negative Versammlungsfreiheit besteht, also das Recht, nicht an einer Versammlung teilzunehmen.

a) Definition „Versammlung“

Unter einer Versammlung sind mehrere Personen zu verstehen, die sich zur gemeinsamen Zweckverfolgung zusammengefunden haben.

Was jedoch die Mindestpersonenzahl sowie die gemeinsame Zweckverfolgung angeht, herrscht Uneinigkeit bei der Argumentation. So schwankt die geforderte Anzahl an Personen zur Bejahung einer Versammlung etwa zwischen zwei und sieben. Einigkeit besteht allein darin, dass eine Ein-Mann-Demonstration nicht von Art. 8 GG erfasst wird.

b) Eingriff in den Schutzbereich

Ein Eingriff liegt immer dann vor, wenn regelnde Maßnahmen gegeben sind. Dies kann eine Anmeldepflicht ebenso sein wie eine Auflösung oder bestimmte Überwachungsmaßnahmen.

Beispielsfall - Versammlungsfreiheit

Das Verwaltungsgericht Braunschweig hatte über die Rechtfertigung einer zeitlichen und räumlichen Begrenzung einer NPD-Kundgebung zu entscheiden.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein NPD-Vertreter hat per Fax eine 3-stündige Kundgebung auf dem Wolfenbütteler Stadtmarkt angemeldet. Das Thema der Kundgebung lautete „Wir wollen nicht Zahlmeister Europas sein – Raus aus dem Euro“. Von Seiten der Stadt erging daraufhin ein Bescheid mit der Untersagung der Kundgebung, da Auseinandersetzungen mit Gegnern der Partei befürchtet wurden. Zudem wollte die Stadt vermeiden, dass Wähler/-innen beeinflusst werden, die den Stadtmarkt an diesem Tag passieren wollen um das Briefwahlbüro zu erreichen, das sich im Rathaus befindet.

Die NPD berief sich daraufhin in einem Eilantrag bei dem Verwaltungsgericht Braunschweig auf das Recht zur Versammlungsfreiheit. Das Gericht kam zu dem Beschluss, dass es der Partei gestattet ist, die Versammlung für eine Dauer von einer Stunde abzuhalten. Örtlich sei die Kundgebung jedoch auf die Süd-Ost-Seite des Stadtmarkts zu beschränken. Das Recht auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG sei hoch zu werten und könne hier nicht gänzlich versagt werden. Die öffentliche Sicherheit sei im konkreten Fall nicht mit der notwendigen hohen Wahrscheinlichkeit gefährdet gewesen, die keine andere Alternative als die komplette Untersagung der Veranstaltung gestatten würde.

Auch der NPD stehe das Recht auf Versammlungsfreiheit zu, so wie jeder anderen politischen Partei auch. Die Stadt Wolfenbüttel konnte keine hinreichenden Angaben machen, auf die konkrete Befürchtungen und Schwierigkeiten gestützt wären. Allein eine Erforderlichkeit der Beschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit wurde durch das Gericht bestätigt, so dass potentielle Briefwähler durch die Kundgebung nicht bei der Ausübung ihres Wahlrechts gestört werden.

[VerwG Braunschweig, 04.01.2013, 5 B 10/13]

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