Erziehungswissenschaften (Fach) / 9-S_u_U (Lektion)

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  • § 5 Pädagogische Freiheit und Verantwortung: ... (3) Schulleiterinnen und Schulleiter dürfen in die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Lehrerinnen und Lehrer nur im Rahmen ihrer Befugnisse (§§ 20 ff.) im Einzelfall eingreifen.“
  • Das „Autonomie-Paritäts-Muster“ APM als berufsstrukturelles Merkmal (Lortie 1972) • Ergebnis der beruflichen Sozialisation in den ersten Berufsjahren • Übernahme des APM als Erwerb eines Gruppenmerkmals, das die Zugehörigkeit zur Profession widerspiegelt APM als berufliche Bewältigungsstrategie (Altrichter & Eder 2004) • Entsteht aus den individuellen beruflichen Erfahrungen • Ist bei Lehrkräften stärker ausgeprägt, die ihre berufliche Situation als schwierig erleben bzw. „weniger gute Voraussetzungen zur Bewältigung dieser Schwierigkeiten mitbringen“ (ebd., 203) APM als Ergebnis der vorberuflichen Sozialisation (Eder, Dämon & Hörl 2011) • schulische Sozialisation: Beobachtung und Interpretation der Lehrertätigkeit in der eigenen Schulzeit • familiäre Sozialisation: bei 30 % der Lehramtsstudierenden ist min. ein Elternteil Lehrer/in • Übertragen werden hier immer nur Ausschnitte der Lehrertätigkeit, beispielsweise Kooperation im Kollegium ist nicht beobachtbar
  • Empirische Befunde zum APM 499 Lehrkräften an berufsbildenden Schulen in Österreich (Altrichter/Eder 2004) Cluster 1: Teamorientierung • Verzicht auf Autonomie in der Klasse • meinen, dass nicht alle Lehrer/innen gleich behandelt werden müssen • streben Kooperation mit Kolleg/innen an Cluster 2: berufliche Einzelkämpfer/innen • Verteidigen ihre Autonomie, lehnen Kooperation ab • Bevorzugen differenzierte Behandlung von Lehrer/innen entsprechend ihrer persönlicher Kompetenzen und Leistungen Cluster 3: Autonomie-Paritäts-Muster (APM) • Verteidigen ihre Autonomie, • meinen, alle Lehrkräfte sollten gleich behandelt werden • Immerhin 35 % der Befragten
  • Empirische Befunde zum APM, Ergebnisse der Studie in Bezug zur Schulentwicklung (SE) (Altrichter & Eder 2004) Lehrkräfte • ... aus dem Team-Cluster weichen am weitesten von der traditionellen Zielstruktur ab und zeigen die höchste Veränderungsbereitschaft • ... aus dem Team-Cluster beteiligen sich besonders aktiv an der SE • ... aus dem APM-Cluster sind gegenüber SE deutlich negativer eingestellt als die des Einzelkämpfertums und insbesondere der des Team-Clusters • ... aus dem APM-Cluster beteiligen sich seltener aktiv an der SE • ... die sich in ihrem Beruf als erfolgreich einschätzen und mit ihrer Arbeit zufrieden sind, sind weniger im APM-Cluster vertreten Ich kann u. u. Meine schulische Belastung teilen
  • SE (Schulentwicklung) - und UE (Unterrichtsentwicklung) werden erschwert durch die spezifische Organisation der Lehrerarbeit. • im Arbeitsalltag wenig Kontakt zu anderen Lehrkräften • Abgeschiedenheit der Lehrerarbeit im Klassenzimmer („self contained classroom“) • Schulen als lose gekoppelte Systeme – Mangel an Rechenschaft und Evaluation (Weick 1982) • pädagogische Autonomie: Die Lehrkraft kann Innovation umsetzen oder nicht - und muss sich in der Regel nicht vor anderen rechtfertigen • „Steuerungsillusion“
  • Unterrichtsentwicklung wird erschwert durch individuelle Unterrichtsskripte und Überzeugungen. • Skripte (scripts) und Überzeugungen (beliefs) sind stabil und • entsprechen zusammen der kulturellen Tradition des Unterrichtshandelns einer Schule (Seidel & Prenzel 2006) • Veränderung von ‚beliefs‘ ist nur langfristig in kooperativer und forschungsorientierter Auseinandersetzung mit der eigenen Praxis möglich (Richardson & Placier 2002) • Kooperation als Weg der Professionalisierung? Skripte und Überzeugungen notwendig um in der Schule handeln zu können
  • Formen der Kollegialität auf verschiedenen Intensitätsstufen (Little 1990) 1. Stufe: „Storytelling and scanning for ideas“ – Kollegen erzählen sich gegenseitig „Geschichten vom Unterricht“ (Ideenanregungen und Problemlösungen durch die Kollegen, aber auch Bestärkung ihrer eigenen Wahrnehmung) – Das professionelle (autonome) Handeln des Einzelnen wird nicht angetastet 2. Stufe: „Aid and assistance“ – Hilfe und Unterstützung durch die Kolleg/innen durch bspw. Ratschläge – Wahrung der Nichteinmischungsnorm (= Autonomie-Paritäts-Muster) 3. Stufe: „Sharing“ – Teilen/Austausch von Materialien, Methoden, Meinungen und Ideen – In Teilen wird eine Transparenz des Unterrichts angestrebt (Idealfall: gemeinsamer Pool an Materialien und Ideen für gemeinsame Unterrichtsentwicklungsprozesse) – In der Regel keine effektive Zusammenarbeit unter den Lehrkräften 4. Stufe: „Joint work“ – Gemeinsame Verantwortung des Unterrichtens bei den Lehrkräften (der Einzelne ist auf die anderen angewiesen, um erfolgreich zu arbeiten) – Förderung der Professionalität – Wesentliches Element: Vertrauen
  • Kooperationsqualität auf drei Ebenen (Gräsel et al. 2006) 1. Ebene: Austausch – gegenseitige Ratschläge bei Problemen im Schulalltag, Austausch von Lehr- /Unterrichtsmaterial, Gespräche über einzelne SuS – Autonomie wird gewahrt, keine gemeinsamen Ziele, Gegenseitigkeit des Gebens und Nehmens 2. Ebene: Arbeitsteilige Kooperation/Synchronisation – Gemeinsame Zielsetzung im Kollegium, arbeitsteilige Bearbeitung von Aufgaben – bspw. arbeitsteiliges Erstellen von Tests/Klausuren oder Unterrichtsmaterial, Abstimmung über Unterrichtsinhalte, Diskussion über Methoden – die Autonomie des Einzelnen ist zwar im Hinblick auf die Zielsetzung eingeschränkt, bleibt aber in der Durchführung uneingeschränkt 3. Ebene: Ko-Konstruktion (selten und anspruchsvoll. Entlastet die Lehrer!) – Generierung von neuem, gemeinsamem („ko-konstruiertem“) Wissen – Notdetaillierte Abstimmung der gemeinsamen Ziele & den einzelnen Arbeitsprozessen (z.B. gemeinsame Unterrichtsplanung, Hospitation) – Voraussetzung für die Veränderung von Handlungsroutinen und Erweiterung der Lehrerkompetenzen – Wesentliches Element: Vertrauen
  • Lehrerbelastungsforschung: „Dort, wo wir günstigere Beanspruchungsverhältnisse feststellten, fanden wir fast ausnahmslos auch ein gutes soziales Klima. (...) die Beziehungen im Kollegium durch Offenheit, Interesse füreinander und gegenseitige Unterstützung gekennzeichnet (...) ein hohes Maß an Gemeinsamkeiten bei der Durchsetzung schulischer Normen und Ziele (...) sozialer Unterstützung ist offensichtlich eine sehr wichtige protektive Funktion zuzuschreiben (...)“ durch Kooperation zum Schutz auch vor Burnout (Schaarschmidt 2004, 150)
  • Richtige Treiber der Schulentwicklung: Entwicklungskapazität ausbauen Kooperatives Arbeiten Didaktik Systemdenken Masterplan Zeitgemäß: System-Managment Unterstützung fokussierter Lehrer-Kooperation Entwicklung des professionelen Kapitals der Schule Falsche Treiber der Schulentwicklung Druck und Rechenschaft Evaluation des Einzellehrers Neue Technologien Fragmentierte Projekte (ohne "Masterplan")
  • Das „professionelle Kapital“ der Schule entwickeln: • Professionelles Kapital: Identifikation und Ausbreitung effektiver Unterrichtspraktiken – immer ausgerichtet an den spezifischen pädagogischen Herausforderungen der eigenen Schule • Humankapital: Qualifikation, Talent, Motivation der Lehrkräfte • Sozialkapital: Qualität und Quantität der Interaktionen und sozialen Beziehungen im Kollegium
  • „Strong Professional Community“: • Unterrichtsbezogene Kooperation • Gegenseitige Unterrichtsbesuche • Reflektierender Dialog • Begleitung neuer Lehrkräfte in der Schule • Gemeinsame Verantwortungsübernahme für die Schulentwicklung • Fokussierung auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler
  • Fazit 1: De-Privatisierung von Unterricht • Konzept der anglo-amerikanischen Schulforschung • vom isolierten Arbeiten zur Kooperation (vom “ich und mein Unterricht” hin zu “wir und unser Unterricht”) • Widerspricht offenbar der über die geistenswissenschaftliche Tradition der Schulpädagogik tradierten beruflichen Haltung vieler Lehrkräfte (“APM”) • Professionelle Lerngemeinschaften als nachweislich erfolgreicher Weg zu School Improvement und Schuleffektivität
  • Fazit 2: De-Privatisierung von Unterricht • Ziel ist die Professionalisierung von Lehrerinnen und Lehrern • Fokus vom Lehren zum Lernen (Hattie: “teachers who work together collectively to understand their impact (…on students’ learning…)” • Dabei steht die Kerntätigkeit der Lehrkräfte (Unterrichtsplanung – Durchführung – Reflexion) im Fokus • ... und das Lernen der Schülerinnen und Schüler!