Erziehungswissenschaften (Fach) / 2-S_u_U (Lektion)

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Lernförderung Piaget

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  • Definition der Entwicklung umfasst alle nachhaltigen Veränderungen im Verhalten, Erleben und Bewusstsein des Menschen über den Lebenslauf einschließlich biologischer Grundlagen. findet in verschiedenen psychischen und körperlichen Domänen und in deren Verknüpfungen statt. Wichtige Bereiche: kognitive, moralische, motivationale, emotionale oder soziale Entwicklung Es gibt unterschiedliche Konzeptionen von Entwicklung, denen unterschiedliche Menschenbilder und Annahmen i.S. von Entwicklungstheorien zugrunde liegen:
  • 3 Perspektiven auf Entwicklung Entwicklung als Ergebnis von Erziehung  -  monokausale Sicht: Lernen als Grundlage von Entwicklung (z.B. Behavioristen), Entwicklung als kumulativer Lernvorgang, vererbte Differenzen in den Lernfähigkeiten Entwicklung als Bedingung der Erziehung  -  Kognitive Entwicklung als vorwiegend innengeleitete Veränderung individueller Erkenntnismöglichkeiten; Lernen, Gedächtnis, Denken, bewirken Entwicklung nicht, sondern umgekehrt vom erreichten Entwicklungsstand ab (z.B. Piaget) Entwicklung als Ziel der Erziehung  -  Erziehung als (indirekte) Förderung der kognitiven Entwicklung, damit möglichst viele Individuen das höchste Stadium geistiger Operationen erreichen (z.B. Kohlberg zu Moralentwicklung und - förderung)
  • Jean Piaget (1896-1980) • Schweizer Naturwissenschaftler, Philosoph, Psychologe, Pionier der „kognitiven Wende“ • Entwicklungspsychologe: „Entwicklung als Konstruktion“ • Überwindung des behavioristischen Lernverständnisses (Reiz- Reaktion-Lernen); Entwicklung als Ergebnis des vielschichten Wechselspiels zwischen Kind, Umwelt und jeweiliger Situation („Interaktionistischer Ansatz“) • Nicht experimentelle Forschung der Behavioristen, sondern Beobachtung natürlicher Verhaltensabläufe (vor allem bei seinen eigenen Kindern) • Auf seinen Beobachtungen baute Piaget sein Modell der vier Entwicklungsstufen auf
  • Merkmale der Piagetschen Theorie der kognitiven Entwicklung: • naturalistisch-deskriptiv (in der Natur des Menschen liegende Veränderungen werden beschrieben) • universell (gilt in Prinzip für alle Menschen) • generell (gilt für alle kognitiven Phänomene und Funktionen) • strukturell (Veränderung grundlegender Orientierungs-, Erkenntnis- und Handlungskompetenzen) • sequentiell (notendige Aufeinanderfolge intellektuell zunehmend anspruchsvoller werdender Entwicklungsstadien des Denkens)
  • Phasen/Stadien/Stufen der kognitiven Entwicklung nach Piaget 1. Sensomotorische Phase (0-2) [Zusammenhang zwischen sensorischen und motorischen Aspekten] 2. Präoperationale Phase (2-7) [Repräsentation von Objekten durch Symbole, insb. durch Sprache] 3. Konkrete Operationen (7-12) [logisches, rationales Denken] 4. Formale Operationen (12-15) [abstraktes, hypothetisches Denken]
  • 4 Faktoren beeinflussen die kognitive Entwicklung: • Reifung • Aktive Erfahrung • Soziale Interaktion • Streben nach Gleichgewicht (Äquilibrium) zwischen Assimilation und Akkommodation (Dabei nutzt ein Individuum seine Schemata oder erweitert diese.)
  • Definition: Schema • Grundbaustein des menschlichen Wissens • Verhaltensschemata (z.B. Laufen, Hinsetzen, Hinlegen) • Kognitive Schemata (z.B. Ball, Auto, Straßenverkehr) • Verhaltensschemata und kognitive Schemata sind wiederum miteinander vernetzt
  • Definition: Kognitive Adaption (oder Anpassung) • grundlegende Tendenz, sich irgendwie in seine Umwelt einzupassen • kognitive Entwicklung durch ständiges Wechselspiels von Assimilation und Akkommodation • Die Assimilation bewahrt und erweitert das Bestehende und verbindet so die Gegenwart mit der Vergangenheit, und die Akkommodation entsteht aus Problemen, die die Umwelt stellt, also aus Informationen, die nicht zu dem passen, was man weiß und denkt." Zimbardo & Gerrig (1999, 463)
  • Definition: Assimilation • das Kind passt das, was es aus der Umwelt aufnimmt, in seine eigene Organisation ein: „Ein Hase, der einen Kohlkopf frisst, wird nicht zum Kohlkopf; vielmehr wird der Kohlkopf zu einem Hasen – das ist Assimilation“ • Nach Piaget bedeutet Assimilation die Einordnung von Umwelterfahrungen in ein schon vorhandenes Schema. Die Information, die das Individuum aufnimmt, wird so verändert, dass sie sich in das vorhandene Schema einfügen lässt. • Das bereits vorhandene Wissen wird genutzt, um eine ähnlich erscheinende Situation einzuordnen. Die Wahrnehmung wird falls nötig so umgedeutet, dass die vorhandenen, kognitiven Strukturen (Schemata) ausreichen, um die Situation bewältigen zu können.
  • Definition: Akkomodation • das Kind passt seine mentalen Repräsentationen an die Anforderungen der Wirklichkeit an: „Der Hase kann den Kohlkopf nur fressen, wenn er sich durch Akkomodation zugleich an den Kohlkopf anpasst – er muss den Mund öffnen, kauen, schlucken, Verdauungssäfte produzieren usw.“ • bedeutet die Erweiterung bzw. Anpassung eines Schemas (also der kognitiven Strukturen) an eine wahrgenommene Situation, die mit den vorhandenen Schemata nicht bewältigt werden kann. • Bei der Akkommodation werden die Schemata selbst verändert, um mit der Information angemessen umzugehen.
  • Definition: Kognitive Organisation • Tendenz des Kindes, Zusammenhänge und Beziehungen herzustellen • Die Welt wird als Folge verbundener Einzelbilder wahrgenommen • Kind bildet aus Erfahrungen bedeutungsvolle Einheiten, die es mit zunehmender Entwicklung immer kohärenter und strukturierter zu einem Weltbild organisiert
  • Definition: Kognitive Äquilibration (= Gleichgewichtszustand mit der Umwelt ) • intuitiv anschauliches Denken (etwa 4-7 Jahre), wahrnehmungsbezogen, noch nicht in der Lage, logisch zu abstrahieren • Konzentration auf nur ein Merkmal (Höhe oder Weite des Gefäßes): • „In der Vase ist mehr Flüssigkeit…“
  • didaktische Anstöße durch Piagets Arbeiten • Piaget liefert eine Entwicklungstheorie, keine Didaktik! • ein Kind begreift einen Gegenstand, indem es darauf einwirkt – körperlich und/oder geistig • Menschen konstruieren Wissen somit aktiv, sie selegieren und interpretieren aktiv die Informationen aus ihrer Umwelt • Denken, Fühlen, Handeln eines Menschen entwickeln sich in dialektischer Verschränkung • Konsequenz für das Lernen von Fähigkeiten (z.B. Sport, Sprachen, demokratisches Handeln): Vom Handeln zum Können zum Wissen • Didaktische Herausforderung: diese drei Modi der Repräsentation gezielt miteinander verknüpfen, d.h. zwischen dem handelnden Umgang mit der Sache, den geistigen Vorstellungen zu dieser Sache und ihrer Analyse mit Hilfe von Kategorien und Regeln wechseln und diesen Ebenenwechsel bewusst üben
  • Hans Aebli (1923-1990) • Schweizer (Kognitions-)Psychologe, Schüler Piagets • Interesse an kognitionspsychologischer Grundlegung des Unterrichts • „moderne psychologische Didaktik“ auf Grund seiner Theorie des Denkens und Verstehens und der aus dem Handeln hervorgehenden Begriffsbildung • Gestaltung der Lernsituation und Aufbau neuer Verhaltensweise als wichtigste Aufgaben der Unterrichtsvorbereitung • Allgemeine Didaktik auf psychologischer Grundlage in zwei Bänden: • 12 Grundformen des Lehrens (1983) • Grundlagen des Lehrens (1987) als „zweiter, selbstständiger Band“ seiner Didaktik
  • 5 Grundformen des Lehrens , entsprechend 5 Medien, in denen der Schüler seine Erfahrung bildet (Aebli): M1 Erzählen und Referieren (sprachliche Kommunikation) M2 Vorzeigen und Nachmachen (Beobachtunglernen) M3 Anschauen und Beobachten (Objekt- und Bildbetrachtung, anhand eines anschaulichen/ikonischen Mediums) M4 mit Schülern lesen (Textverarbeitung) M5 Schreiben/Texte verfassen (schriftliche Kommunikation)
  • 3 Lerninhalte oder Strukturen (Aebli): S1 Handlungsschemata (Aufbau und Verinnerlichung von Handlungen) S2 Operationen (von der Handlung zur Operation als „abstrakte Handlung“) S3 Begriffsbildung
  • 4 formale Schritte eines Lernprozesses (Aebli): L1 Problemlösendes Aufbauen einer Struktur L2 Durcharbeiten derselben L3 Üben und Wiederholen zur Konsolidierung L4 Anwenden in neuer Problemsituation
  • Fazit: Aufbau im Lernen: ein Schritt über Piaget hinaus • Piaget liefert eine Entwicklungstheorie, die nicht in erster Linie mit Lernen zu tun hat (es geht um geistige Entwicklung und spontane Aktivitäten) • Aebli: von der Umwelt, insb. Familie und Schule gehen wichtige Anstöße zur Entwicklung aus • Auslösung und Lenkung von Lernprozessen geschieht in der Schule systematisch • benötigt unbedingt Konsolidierung durch Übung und Anwendung – sonst „zerfallen in der Schule erworbene Reaktionen häufig und rasch“ • Lehrkräfte sollten über Techniken verfügen, mit denen sie im Kind Lernprozesse auslösen, die sich durch spontane Aktivitäten niemals ereignen würden • Aeblis Didaktik ist aus heutiger Sicht konstruktivistisch ausgerichtet: „Der Lehrer regt Lernprozesse an, in dem er ein strukturiertes Lernangebot gestaltet, und er leitet das Kind zum Aufbau von Strukturen des Verhaltens an, und Denkens an…“ (ebd., 392)
  • Beispiel: Lernen im naturwissenschaftlichen Unterricht • „geistige Operationen“ werden von Lernenden aktiv aufgebaut • Dies erfordert nicht darbietenden Unterricht, sondern aktives, selbsttätiges Lernen in problemhaltigen Situationen • Erwerb von Wissen ist ein aktiver konstruktiver, kooperativer, situierter und selbstgesteuerter Prozess • Aufgabe der Lehrkraft ist es, für das Kind psychologische Situationen zu schaffen, in der dieses Operationen aufbauen kann • Der Lehrer muss hierbei die früheren Schemata aufgreifen und von diesen aus die neue Operation entwickeln • „Ein problemorientierter Unterricht soll die Vorstellungen der Schüler berücksichtigen und ihnen Gelegenheit zur eigenständigen Konstruktion, zur gemeinsamen Prüfung ihrer Vorstellungen in der Lerngruppe, zur Entwicklung naturwissenschaftlichen Denkens und zur Anwendung von Wissen bieten.“ (S. 131) • Dem Schüler so wenig Hilfe wie möglich und so viel Hilfe wie notwendig geben, um Über- und Unterforderung zu vermeiden • Entwicklung und Durchführung von Schülerexperimenten und praktische Lösung gestellter Probleme als Grundforderung einer aktuellen naturwissenschaftlichen Didaktik • Dabei muss die geistige Vorbereitung, Reflexion und Verarbeitung der durchgeführten Handlungen sichergestellt sein. • Lernen als aktive Wissenskonstruktion durch den Schüler steht im Vordergrund: • „Es geht nicht um ein Sammeln auswendig gelernter, nicht verstandener Erklärungen, sondern um eine Förderung eigenständigen, beweglichen und anwendungsfähigen Denkens.“ (S. 132) • -> Konstruktivistische Didaktik/Lerntheorie