Pharmakologie 2 (Fach) / Parasympathomimetica (Lektion)

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Parasympathomimetica

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  • Allgemeines Parasympathomimetica sind Substanzen, die zu einer Stimulation cholinerger Rezeptoren führen (Muscarinrezeptor-Agonisten). Bei der Verabreichung von Parasympathomimetica stehen die muscarinartigen Wirkungen im Vordergrund (höhere Empfindlichkeit muscarinerger gegenüber nicotinerger Rezeptoren). Unterscheide in der Struktur– Cholinester ↔ Alkaloid– Polarität / Gehirngängigkeit– Spaltung durch Cholinesterase Acetylcholin nicht einsetzbar wegen schnellem enzymatischem Abbau und starker herz- und kreislaufdepressiver Wirkung. Muscarin eignet sich aufgrund seiner Toxizität nicht als Arzneimittel. Hauptanwendungsgebiete sind Darm- und Blasenatonien und die lokale Glaukombehandlung. Antidot bei Vergiftungen ist Atropin
  • Muscarin Toxische Wirkung: Starke Gefäßdilatation der Haut, Schweißausbruch, Speichelfluss, Darmspasmen, Akkomodationskrämpfe einer der Wirkstoffe des Fliegenpilzes Amanita muscaria entdeckt. Es kommt im Fliegenpilz aber nur in Spuren vor
  • Carbachol Ersatz der Acetyl- durch eine Carbamylgruppe. Wird durch Cholinesterasen wesentlich langsamer abgebaut als Acetylcholin, längere Halbwertszeit. Wirkung auf periphere muscarinerge und nicotinerge Rezeptoren. Geringe therapeutische Breite. Äußerliche Anwendung am Auge zur Glaukombehandlung. Früher auch zur Behandlung von Darm- und Blasenatonien, aber ausgeprägte Nebenwirkungen. Führt zu schnell einsetzendem Absatz von Kot und Urin (diagnostisch nutzbar). Aufgrund der hohen Wirkpotenz darf Carbachol nicht i.v. angewendet werden --> s.c. applizieren !
  • Pilocarpin Alkaloid aus den Blättern des südamerikanischen Strauches Pilocarpus jaborandi. Keine Spaltung durch Cholinesterase, daher lange Wirkungsdauer. Keinen quarternären Stickstoff, passiert die Blut-Hirn-Schranke. Kann zentralnervöse Erregungserscheinungen induzieren, bei höherer Dosis kann es zur Lähmung des Atemzentrums kommen. Starke muscarinartige Wirkung auf Herz und Kreislauf --> nicht systemisch anwenden. Äußerliche Anwendung am Auge (2%ige Lösung) zur Glaukomtherapie --> Miosis langanhaltend für 12-24 Stunden
  • Direkte Parasympathomimetica - Therapeutische Nutzung Aktivierung von Darm und Harnblase bei Darm- und Blasenatonien: Carbachol (Carbamann®) oder Bethanechol (Myocholine-Glenwood®) (nicht i.v.). Glaukombehandlung durch Kontraktion des m. sphincter pupillae und m. ciliaris  Erweiterung des Kammerwinkels, Eröffnung des Schlemm‘schen Kanals, Abfluss von Kammerwasser: Pilocarpin 2%ige Lösung lokal. Behandlung eines Bandwurmbefalls beim Hund (nicotinerge Wirkung führt zur Lähmung der Muskulatur der Würmer): Arecolin bzw. Arecolinacetarsol (handelsübliches Derivat, oral einsetzbar).  Abgesehen von Pilocarpin sind alle direkten Parasympathomimetica aufgrund ihrer ungünstigen therapeutischen Breite und vieler unerwünschter Wirkungen als obsolet zu betrachten. Indirekt wirksame Parasympathomimetica sind vorzuziehen. Carbachol, Bethanechol, Pilocarpin und Arecolin sind in keinem Anhang zur Verodnung 2377/90 (EWG) aufgeführt und daher nicht für den Einsatz bei Lebensmittel liefernden Tieren erlaubt. Derzeit gibt es in Deutschland keine Tierarzneimittel, in welchen diese Stoffe enthalten sind.
  • Glaukomtherapeutica Parasympathomimetica: Pilocarpin, Carbachol (0,5-3%ige Augentropfen) --> Miosis --> Kammerwasserabfluss nimmt zu b-Sympatholytica (b-Blocker): Timolol, Betaxolol (0,1-0,5%ige Augentropfen) --> Kammerwasserproduktion nimmt ab. a2-Agonisten: Apraclonidin, Brimonidin (0,2-0,5%ige Augentropfen) --> Kammerwasserproduktion nimmt ab Prostaglandin-F2a-Derivate: Latanoprost, Travoprost (0,005%ige Augentropfen) --> Verbesserung des uveoskleralen Abflusses --> IOP nimmt ab Carboanhydrasehemmer: Dorzolamid, Brinzolamid (1-2%ige Augentropfen), Acetazolamid (i.v.) --> IOP (intra-ocular pressure) nimmt ab
  • Indirekt wirkende Parasympathomimetica (Cholinesterase-Hemmstoffe) Hemmung der Acetylcholinesterase und unspezifischen Cholinesterase --> Erhöhung der endogenen Konzentration von Acetylcholin. Beachte: ACh nimmt zu in allen cholinergen Synapsen und der NMEP ! 1. Reversible Hemmstoffe der Cholinesterase- binden an die anionische und esteratische Bindungsstelle des Enzyms und werden sehr viel langsamer als Acetylcholin gespalten. 2. Schwer reversible Hemmstoffe der Cholinesterase- binden nur an die esteratische Bindungsstelle des Enzyms, das Enzym wir phosphoryliert und irreversibel gehemmt.
  • Indirekt wirkende Parasympathomimetica (Cholinesterase-Hemmstoffe) - Pharmakologische Besonderheit Hemmung der Acetylcholinesterase durch kovalente Bindung !– Acetylcholin: Acetylierung des Enzyms– Carbamate (Physostigmin): Carbamylierung des Enzyms– Organophosphate (Fluostigmin): Phosphorylierung des Enzyms Der entscheidende Unterschied liegt in der Geschwindigkeit der hydrolytischen Regenerationdes Enzyms:– Blitzschnell beim acetylierten Enzym– Mittelschnell beim carbamylierten Enzym– Extrem langsam beim phosphorylierten Enzym
  • Carbamate Carbamate / Carbaminsäure-Ester– Physostigmin (Alkaloid aus dem Samen der afrikanischen Schlingpflanze Physostigmavenenosum), bereits 1877 zur Glaukomtherapie eingesetzt.– Nur Physostigmin passiert die Blut-Hirn-Schranke.– Synthetische Derivate: Neostigmin (Konstigmin®, V.M.) und Pyridostigmin– Längere Wirkungsdauer: Demecarium und Distigmin Organophosphate / Phosphorsäure-Ester
  • Carbamate - Therapeutische Verwendung Die Wirkung macht sich aufgrund der unterschiedlichen Empfindlichkeit von m- und n-Rezeptoren zunächst an den muscarinergen Rezeptoren bemerkbar. Vegetative Ganglien sind erst bei höheren Konzentrationen betroffen. Physostigmin kann als einziger Vertreter die Blut-Hirn-Schranke penetrieren und hat damit zentralnervöse Wirkungen. Nur Physostigmin eignet sich als Antidot einer Atropinvergiftung. Neostigmin und Pyridostigmin haben im Gegensatz zu Physostigmin eine geringere Wirkung auf das Herz, aber eine stärker stimulierende Wirkung auf die Darm- und Blasenmuskulatur
  • Carbamate - Indikationen Glaukomtherapie: Neostigmin, Physostigmin (Wirkungsdauer 12 Stunden). Behandlung von Blasen- und Darmatonien: Neostigmin (Wirkungsdauer 1-2 Stunden), Pyridostigmin (Wirkungsdauer 3-4 Stunden), Distigmin (Wirkungsdauer bis 24 Stunden).– Neostigmin s.c. (Konstigmin® V.M.) ist als Peristaltikum für Wiederkäuer, Pferde, Schweine, Hunde und Katzen zugelassen --> Darmentleerung und Harnabsatz. Antidot bei Atropin-Vergiftung: Physostigmin (Anticholium® H.M.) (nicht Neostigmin!) Recurarisierung der quergestreiften Muskulatur nach operativen Eingriffen: Neostigmin (nicht Physostigmin!) + Atropin. Myasthenia gravis: Neostigmin
  • Organophosphate: Anwendungsgebiete Aufgrund der lange anhaltenden und schwer kontrollierbaren Wirkung sind diese Substanzen in der Regel nicht als Therapeutika geeignet. Organophosphate werden in der Landwirtschaft als Insektizide (z.B. Parathion, Systox) verwendet. Einsatz in der Industrie als Schmierzusatz und „Weichmacher“ von Kunststoffen (z.B. Triorthocresylphosphat, TOCP und Derivate): Verursachen eine verzögerte Neurotoxizität– „Bratkartoffellähmung“ 1940 in der BRD durch TOCP gepanschtes Speiseöl– „Ginger paralysis“ 1930 in den USA durch selbstgebrannten Alkohol mit TOCP-haltigem Ingwerzusatz Begrenzter Einsatz zur Wurm- und Ektoparasitenbehandlung beim Tier (z.B. Diazinon, Dichlorvos, Fenthion, Tetrachlorvinphos, Phoxim). Die selektive Toxizität ist durch eine geringere Entgiftungskapazität der Arthropoden im Vergleich zu den Warmblütern bedingt. Aber geringe therapeutische Breite. Einige hochtoxische und flüchtige Vertreter wurden im 2. Weltkrieg als Kampfstoffe (Nervengase) entwickelt: Tabun (1937), Sarin (1939), Soman (1944).
  • Carbamate und Organophosphate: Nebenwirkungen und Toxizität Unerwünschte muscarinartige Wirkungen: Speichelfluss, Bronchiospasmen, Diarrhoe, Bradykardie, Blutdruckabfall, vermehrte Schweißsekretion, Miosis --> Gefahr von starken Atembeschwerden und Kreislaufkollaps. Unerwünschte nicotinartige Wirkungen: Muskelzittern, Muskelschwäche, Spasmen und Lähmungen. Unerwünschte zentrale Wirkungen (abhängig von Gehirngängigkeit): zentrale Stimulation mit Ataxie, Tremor, Krämpfen (Physostigmin) bis hin zum Koma mit Atemlähmung (Organophosphate). Auslösen einer malignen Hyperthermie bei genetischer Disposition (v.a. beim Schwein). Neostigmin + Atropin wurde als Alternative zum „Halothantest“ in der Schweinezucht zur Selektion MH-unempfindlicher Tiere empfohlen. Antidot: ATROPIN (kann auch zentrale Wirkungen antagonisieren) bis zur erkennbaren Normalisierung vegetativer Funktionen (z.B. Salivation). Bei Vergiftungen mit Organophosphaten alle 10 Minuten 2-5 mg Atropinsulfat i.v.. Bei Vergiftungen mit Organophosphaten (nicht bei Vergiftungen mit reversiblen Hemmstoffen !) zusätzlich: Rasche Applikation von Oximen (Obidoxim, Toxogonin®) innerhalb von 6 Stunden nach Exposition. Die Pseudocholinesterase wird durch Obidoxim aber nicht reaktiviert