organisationssoziologie (Fach) / Perrow (Lektion)
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Störfälle, Unfälle und Katastrophen
Diese Lektion wurde von Cathrice erstellt.
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- Wozu dient Perrows Forschung? - Perrows Forschung dient als Handwerkzeug, um jede Art von organisationalen oder technischen Großversagen zu analysieren. -> z.B.: Naturkatastrophen wie Tsunamis oder Kernkraftwerkunfälle
- Welche vier analytische Ebenen bei technischen Systemen gibt es? Wozu nutzt Perrow diese Ebenen? 1. Einzelteile, wie beispielsweise ein Ventil oder ein Schalter sind die kleinsten Komponenten, die erfasst werden können.2. Funktionell zusammenhängende Einzelteile bilden auf der nächsthöheren Ebene eine Einheit, beispielsweise ein mit Dampf betriebener Stromgenerator.3. Eine funktionale Anordnung von Einheiten wiederum ergibt ein Teilsystem, beispielsweise ein Kühlsystem, zu dem Motor, Pumpen, Hörsäle und Leitungen gehören.4. Ein Kernkraftwerk hat mehrere Dutzend solcher Teilsysteme, die als Gesamtsystem die Reaktoranlage oder einen Campus der BUW bilden. ->Diese vier Unterscheidungen, analytischen Ebenen nutzt Perrow, um zu definieren was Störfälle, Komponentenumfälle und Systemumfälle sind
- Was ist ein Störfall? Störfall: ein nicht-intendiertes und unerwünschtes Ereignis bei Komponenten oder Einheiten, das die gegenwärtige oder zukünftige Leistung einer Organisation erheblich mindert und/oder größeren Schaden an Personen und/oder Sachen anrichtet-> Perrow schätzt, dass 90% aller negativen Ereignisse Störfälle sind
- Was ist ein Unfall? Unfall: ein nicht-intendiertes und unerwünschtes Ereignis bei Teilsystemen oder Gesamtsystemen, das die gegenwärtige oder zukünftige Leistung einer Organisation erheblich mindert und/oder größeren Schaden an Personen/ Sachen anrichtet.-> Perrow schätzt, dass 10% aller negativen Ereignisse Unfälle sind
- Was ist ein Komponentenunfall? - wird durch vorhersehbare/ erwartbare/ nachvollziehbare Sequenz von Störfällen hervorgerufen
- Was ist ein Systemunfall? Systemunfall (gravierendes Problem): kommt durch nicht vorhersehbare/ erwartbare/ nachvollziehbare Interaktion mehrerer Störfälle zustande.-> sind nicht rationalisierbar, Perrow schätzt, dass 10% aller Unfälle Systemunfälle sind
- Wodruch soll Irrationalität der Systemunfälle beseitigt werden? - führt zwei Variablen ein, um Organisationen und ihre technischen Systeme, die sie steuern, besser kategorisieren zu können und Antworten zu geben: Interaktion und Kopplung
- Was ist sind lineare Interaktionen? Lineare Interaktionen: treten im erwarteten und bekannten Betriebsablauf auf und sind für das Bedienpersonal gut sichtbar, auch wenn sie außerplanmäßig auftretenz.B. -> Fließbänder : lineare Abfolge von Arbeitsschritten
- Was sind Komplexe Interaktionen? Komplexe Interaktionen: treten auf, wenn Komponenten und Einheiten mehr als eine Funktion haben und wenn sie räumlich benachbart sind.- Bei Systemen mit komplexen Interaktionen ist der Grad der beruflichen Spezialisierung typischerweise höher als bei Systemen mit linearen Interaktionen; Folgen:- Beschäftigte in komplexen Systemen sind weniger gut ersetzbar.- Beschäftigte in komplexen Systemen überblicken selten das gesamte Spektrum an möglichen Interaktionen und sind weniger gut in der Lage, unerwartete Interaktionen zu erkennen und zu meistern.z.B. -> Unfall eines Tankers durch ein gekentertes Schiff; die Höhe des Fracks wurde bei normalen Wasserstand ausgelotet; Wasserstand allerdings niedriger, weswegen es zu einem Zusammenstoß kam -> Öl lief aus dem Tanker, Schiff wurde zwischen Laderaum und Pumpenraum aufgeschlitzt, die Folge: Öl in den Pumpenraum gesickert -> Öl war erst zäh, dann im warmen Pumpenraum wurde es flüssig, wodurch es in den Maschinenraum floss, wo es noch wärmer war -> Öl verflüchtigte sich und wurde zu explosivem Gas, welches sich entzündete -> Schiff ging in die Luft
- Worin liegt der Hauptunterschied von komplexe Interaktionen zu linearen Interaktionen? Komplexe Interaktionen sind nicht vorhersehbar; man kann nicht genau vorhersagen, wo genau das Schiff explodieren wird, man kann nicht alle Eventualitäten berechnen: Rationalitätsdefizit
- Was ist eine lose Kopplung? Lose gekoppelte Systeme? Lose Kopplung: es gibt Puffer (wie bei March) und Elastizität zwischen Komponenten und Einheiten; Änderungen bei einer Komponente oder bei einer Einheit wirken sich nicht direkt auf anderen Komponenten und Einheiten ausLose gekoppelte Systeme: können in Bereitschaft gehalten werden, Aufschübe sind möglich. Beispiel: Wenn einmal eine Vorlesung ausfällt, hat dies keine Auswirkung auf die Vorlesungen der Sicherheitstechniker (oder auch auf die gesamte Vorlesung bezogen)
- Was ist eine enge Kopplung? Eng gekoppelte Systeme? Enge Kopplung: es gibt keine Puffer und keine Elastizität zwischen den Komponenten und Einheiten; sämtliche Vorgänge des Produktionsprozesses sind fest miteinander verknüpft; -> Änderungen an einer Stelle wirken sich unmittelbar auf die Vorgänge an anderer Stelle aus.Eng gekoppelte Systeme: sind von festgelegten Prozessabläufen gekennzeichnet. Sie können nicht in Bereitschaft stehen und warten, bis sie abgerufen werden.
- Interaktion und Kopplung? Interaktion: Komplexität der Interaktion zwischen Komponenten, Einheiten und Teilsystemen; Ausprägung: linear oder komplexKopplung: Kopplung zwischen Komponenten, Einheiten und Teilsystemen; Ausprägung: lose oder eng ---> s. auch „Puffer“ von March: es gibt technische Systeme, die Elastizität besitzen, zwischen den Komponenten, Einheiten und Teilsystemen und manche nicht
- Welcher Interaktion/Kopplung folgt eine Universität? Beispiel Universität:- lose Kopplung: es gibt Puffer (z.B. in Form von: „Puffersitzung“), Ersetzbarkeit des Profs (durch z.B. studentische Mitarbeiter)- komplexe Interaktion: Prof als Einheit mit mehreren Funktionen (lehren, forschen, administrative Funktionen) Und: Störfälle können abgefangen werden, Mitarbeiter können eingreifen: z.B. HS wechseln, wenn zu viele Dozenten an VL teilnehmen möchten
- Darstellung; enge/lose Kopplung, lineare/komplexe Interaktion. (Abb. nötig für Karteikarte) 1. Quadrant: hierarchische Organisationsstruktur am besten geeignet 4. Quadrant funktioniert bei einer dezentralen OrganisationsstrukturBeispiel: Militäroperationen; die vor Ort sind sollen entscheiden 3. Quadrant: lose Kopp. und lineare Inter. erfordern zentralisierte Organisationsstruktur; empirisch überwiegen Organisationen mit zentralisierter, hierarchischer Struktur2. Quadrant: enge Kopp. und komplexe Inter. Erfordern dezenztrale/eine zentralisierte Organisationsstruktur; häufig hierarchisch strukturiert, neigen überzählig häufig zu SystemunfällenBeispiel: Atomkraftwerk/ Pharmaindustrie: kommt es zu einem ernsten Problem, dauert es zu lange, bis es der Geschäftsführung mitgeteilt wird; Ausgewählte Personen vor Ort müssen auch in der Lage sein, direkt entscheiden zu dürfen
- Umgang mit Hochrisikosystemen Inhärentes Risiko für Systemunfälle: qualitative Schätzung auf einer Skala: von 1 bis 10 (hoch),Beispiel: Dämme (1), Kernkraftwerke (8) Tatsächliches Risiko für Systemunfälle: qualitative Schätzung auf Basis einschlägiger Erfahrungen auf einer Skala :1 (niedrig) bis 10 (hoch)Beispiel: Dämme (1), Kernkraftwerke (9) Tatsächliches Risiko für Komponentenunfälle: qualitative Schätzung auf Basis einschlägiger Erfahrungen auf einer Skala (1-10)Beispiel: Dämme (4), Kernkraftwerke (7) Netto-Katastrophenpotenzial: ergibt sich aus der Addition des tatsächlichen Risikos für System- und Komponentenunfälle; gibt das Ausmaß einer organisational verursachten Katastrophe anBeispiel: Dämme (5), Kernkraftwerke (16) Substitutionskosten: qualitative Schätzung auf einer Skala von 1 (niedrig) bis 10 (hoch)Beispiel: Dämme (6), Kernkraftwerke (2)
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- Welche drei Handlungsoptionen im Umgang mit Hochrisikosystemen gibt es? Tolerieren und verbessern: organisierte Systeme mit geringem Katastrophenpotential (0-6 von 20), die nur unter extremem Kostenaufwand (6-10 von 10) substituierbar wären, z.B. Staudämme, chemische Anlagen, Luftfahrt sowie Bergbau -> sollen verbessert werden, damit sie langfristig mehr Sicherheit bieten Einschränken: organisierte Systeme mit mittelhohem Katastrophenpotenzial (6-11 von 20), deren Substitution jedoch mit relativ hohen Kosten verbunden ist (4-6 von 10), z.B. Schifffahrt und Biotechnologie-> Begrenzung durch z.B. internationale Gesetzgebungen-> Schifffahrt ist heutzutage weit aus ungefährlicher als früher, Schiffe können per GPS geortet werden und besser überwacht werden Abschaffen: organisierte technische Systeme, deren Katastrophenpotenzial hoch (11-20 von 20) und deren Substitutionskosten relativ gering sind (0-4 von 10), z.B. Atomwaffen, Kernkraftwerke, Raumfahrt
- Folgestudien: Wann ist das Ausmaß von Unfällen besonders hoch? Wie kann man vermeiden, dass Unfälle besonders große Zerstörungen anrichten? Antwort: über je mehr Ressourcen (materielle oder ökonomische) eine Organisation verfügt, umso höher ist das Ausmaß der Zerstörung im Falle eines Systemunfalls.
- Welche drei miteinander verknüpfte Konzentrationsprozesse gibt es? Es gibt drei miteinander verknüpfte Konzentrationsprozesse, die das Ausmaß von Systemunfällen erhöhen:- Energie (insb. Bevorratung von Stoffen, explosiven Chemikalien),- Bevölkerung (insb. urbane Ballungsgebiete, Konzentrationen in Städten),- ökonomische und politische Macht
- Beispiel: das amerikanische Stromsystem. Stromnetz zunehmend instabil, Ursache? Seit den 1990er Jahren: Stromnetz wird zunehmend instabil, lokale Instabilitäten weiten sich zu flächendeckenden Systemunfällen (Stromausfällen) aus: es findet eine Verschiebung in den 2 Quadranten Ursache 1: Stromnachfrage wächst, während Netzinfrastruktur nicht im selben Maße ausgebaut wird.Ursache 2: Liberalisierung des Strommarktes: vormalige Monopole werden für Anbieter- und Preiswettbewerb geöffnet. -> Liberalisierung: bestimmte Bereiche der Wirtschaft werden für den Anbieter- und Preiswettbewerb geöffnet-> es kommen also mehr Anbieter auf dem Markt, aber nicht mehr Stromleitungen
- 1. Folge: Übernahmewelle Entstehung großer Stromanbieter mit erheblicher Marktmacht und Einfluss über große Teile des Stromnetzwerks. (manche gehen Pleite und werden von anderen gekauft -> Konzentration von politischer Macht)
- 2. Folge: Händler-Unternehmen Kapitalisierung regionaler Preisunterschiede, Störfälle infolge der Langstreckenübertragung großer Energiemengen. -> Händlerunternehmen = an manchen Stellen ist der Strom billiger als woanders, wovon aber alle profitieren möchten; Händler kaufen den billigen Strom ein, transportieren ihn über das Netz zu den teureren Gebieten; somit entstehen „Stromanbieter“, die nur selber einkaufen und weiterverkaufen) -> durch das Verschieben wird das Stromsystem instabil
- 3. Folge: Illegale Übernutzung des Stromnetzes Störfälle infolge von Leerverkäufen und bewusst herbeigeführter Angebotsknappheit.-> Strom wird aufgekauft, um Knappheit zu erzeugen und den Strompreis in die Höhe zu treiben; anschließend wird erst bei einem hohen Preis der Strom weiterverkauft; war lange Zeit legal
- Schlussfolgerung und Empfehlung zur Stromproblematik? Verkleinerung der Marktmacht von Organisationen und Stärkung dezentraler technischer und organisationaler Netzwerke-> man muss diese großen Anbieter verkleinern bzw. zerschlagen, damit die entstandenen Probleme eingedämmt werden können; Einführung zu flexiblen Strukturen statt Großunternehmen