Markt & Staat (Fach) / Lektion 3 (Grundzüge der Sozialen Marktwirtschaft) (Lektion)
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- Historischer Hintergrund und Entwicklung - Ausdruck "Soziale Marktwirtschaft" von Alfred Müller-Armack (1946) - Leitbild des in der BRD eingeführten Wirtschaftssystems - Ludwig Erhard gilt als "Vater der sozialen Marktwirtschaft", Wohlstand für Alle - Bundeswirtschaftsminister der BRD (1946-1963) - geistige Wurzeln der sozialen Marktwirtschaft: - Freiburger Schule (Eucken, Böhm, usw.) - Freiburger Kreis (Eucken, Dietze, usw.) - Arbeitsgemeinschaft von Beckerath - beschäftigten sich alle mit der Frage eines wirtschaftlichen Neuanfangs - Grundsatzentscheidung: 20.06.1948 Freigabe des Preissystems und Währungsreform - Gründung BRD und Verkündigung Grundgesetz 23. Mai 1949 (beinhaltet nichts explizites zur Wirtschaftsordnung)
- Wiederaufbau und Wirtschaftswunder (50er und 60er Jahre) - nach Einführung der Marktwirtschaft folgte die Liberalisierung im Außenhandel -> Zoll- und Handelsabkommen, Europäische Gemeinschaft für Kohle, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft - dadurch Wirtschaftswachstum, Exportüberschüsse, zurückhaltende Lohnpolitik, hohe Investitionsquoten, Unterbewertung der D-Mark -> Vollbeschäftigung bei hohem Wachstum und stabiler Währung - Wohlstand für Alle und staatliche Zurückhaltung mit Ausgaben - Einführung der dynamischen umlagefinanzierten Rente (1957) - bleibt die Lohnentwicklung hinter der Produktivitätsentwicklung zurück wird man wettbewerbsfähiger
- Globalsteuerung und Wohlfahrtsstaat (70er und 80er Jahre) - 1967 erste unbedeutende Rezession durch inflationäre Überhitzung - Übergang zur keynesianischen Globalsteuerung (antizyklische Nachfragepolitik) -> Neuinterpretation der sozialen Marktwirtschaft -> Staat hat für gesamtwirtschaftliche Stabilität zu sorgen (durch diskretionäre Eingriffe in den Marktprozess) -> Erwartungen waren Vollbeschäftigung, Preisstabilität und Wachstumsraten - großzügiger Ausbau eines Wohlfahrtsstaates durch hohe Erwartungen -> zunehmende Regulierungen und Ausgaben - Erwartungen wurden nicht erfüllt, Wachstumsziele verfehlt -> finanzielle Schwierigkeiten für öffentliche Haushalte und soziale Sicherungssysteme - Lambsdorff-Papier: Forderung Rückkehr zum marktwirtschaftlichen Kurs - 80er Jahre: Verringerung der Haushaltdefizite, Kürzungen sozialer Leistungen - staatliche Aufgabe: Angebotspolitik und Deregulierung der Marktkräfte -> Strukturpolitik
- Wiedervereinigung und Aufbau Ost - 01.07.1990 Vertrag über Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion - Einführung D-Mark, Einbezug DDR Haushalt, Übertragung sozialer Sicherungssysteme, Schaffung Treuhandanstalt zur Privatisierung der volkseigenen Betriebe - gemeinsame Wirtschaftsordnung -> soziale Marktwirtschaft - Belastung der öffentlichen Haushalte durch hohe Transferzahlungen, vor allem Übertragung der sozialen Sicherungssysteme (Renten)
- Erweiterung und Vertiefung der EU - Vollendung des europäischen Binnenmarktes ->Deregulierungen in den Mitgliedsstaaten (4 Freiheiten) - Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (Euro-Zone) -> Übergabe nationaler geld- und währungspolitischer Kompetenzen an die EZB - Lissabon Vertrag -> Ziel der sozialen Marktwirtschaft in der Zone mit Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt, höherer Einfluss der EU auf die Sozialpolitik
- Strukturreformen des Sozialstaates und Umweltpolitik - anhaltende Wirtschaftsschwäche und demographischer Wandel - Modernisierung des Arbeitsmarktes und Reaktion auf demographische Herausforderungen (Harz 4 Gesetze, Deregulierung des Arbeitsmarktes, Stärkung Eigenverantwortung bei der Alterssicherung, Riester-Rente) - umweltpolitische Regulierung -> staatliche Eingriffe in Energiesektor, Energiewende nach Fukushima
- Internationale Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise - Erschütterung des Vertrauens in Märkte und Marktmechanismus durch Finanzmarktkrise 2007 und Staatsschuldenkrise 2010 - Trend zu staatlichen Interventionen (Rettungsschirm), Ruf nach dem Staat - Aufgaben des Haftungsprinzips und Monetisierung der Staatsschulden durch die EZB (Ankauf von Staatsanleihen) -> Aushebelung des EU Vertrags und der konstitutiven Prinzipien der Marktwirtschaft - Infragestellung der konstitutiven Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft
- Das Leitbild - soziale Marktwirtschaft kein geschlossenes Konzept eines Wirtschaftssystems, sondern ordnungspolitisches und ethisches Leitbild, zwei zentrale Elemente: - Koordination durch Märkte und sozialer Ausgleich im System - Gewichtung der beiden Punkte variiert, jedoch Einigkeit in folgenden Punkten: - Bekenntnis zur Marktwirtschaft - Leistungswettbewerb als Grundlage allgemeinen Wohlstands - Sicherung des freien Wettbewerbs als grundlegende Aufgabe - Privateigentum an Produktionsmitteln - Primat der stabilen Währung - Bekenntnis zur Lösung der sozialen Frage - Beschränkung des Staates auf das Notwendige (Subsidiaritätsprinzip) - Divergenzen bezüglich des sozialen Ausgleichs und makroökonomischer Stabilisierungsaufgabe - keynesianische Globalsteuerung umstritten, da der Versuch die MW zu steuern, der Funktionsweise der MW als spontane Ordnung widerspricht
- Wie sozial ist die Marktwirtschaft? - viele unterschiedliche Auslegungen von "sozial" - Hayek: "Wieselwort", da wie ein Wiesel das Ei, die MW ihres Inhaltes entleere - Erhard: Attribut "sozial" geeignet, um die politische Akzeptanz zu fördern - dynamischer Wettbewerb und die freiheitliche Koordination durch den Markt bietet die beste Grundlage für "Wohlstand für alle" - Müller-Armack befürwortet eine stärkere Intervention des Staates - sozialpolitische Eingriffe haben sich an den Prinzipien von Eigenverantwortung und Verantwortung für andere zu orientieren - Aufgabe des Staates: Sicherung des sozialen Friedens, ohne Koordination durch den Markt nachhaltig zu gefährden - umfassende, bevormundende Daseinsvorsorge, bei der alle Risiken kollektiviert werden, wird abgelehnt - erforderlicher sozialer Ausgleich soll im System, d.h. durch funktionierende MW geschehen - freiwillige Lösungen werden bevorzugt (Förderung der privaten Vermögensbildung)
- Das konkrete Wirtschaftssystem - keine explizite Bezugnahme auf soziale MW im Grundgesetz - verfassungsrechtliche Ordnung muss daher aus einzelnen Normen abgeleitet werden - Grundgesetz trifft keine ausdrückliche Entscheidung für ein bestimmtes Wirtschaftssystem, Staatsvertrag zur Währungsunion erwähnt eine Konkretisierung zugunsten der sozialen MW - jedoch besagte das Bundesverfassungsgericht, dass das Grundgesetz keine ausdrückliche Entscheidung für ein Wirtschaftssystem trifft und auch andere Ordnungen möglich sind, aber ZVW und schrankenlose MW werden als unzulässige Extreme ausgeschlossen - Vorteile: Nutzung des markwirtschaftlichen Potenzials, Soziale Sicherheit, wirtschaftliche Entwicklung, Wohlstandszunahme - Nachteile: Zunehmende Bedeutung des Staates, Reformstau, subjektive Einschätzung d. Bürger
- charakteristische Elemente der Privatrechtsordnung (als Voraussetzung für MW) - allgemeine Handelnsfreiheit (Art 2 GG) - positive und negative Koalitionsfreiheit (Art 9 GG) - Pressefreiheit (Art 5 GG) - Freizügigkeit (Art 11 GG) - Freiheit der Berufswahl (Art 12 GG) - Privateigentum (Art 14 GG)
- Grundlegende Rahmenbedingungen für Sozialordnung und Leistungsstaat - Würde des Menschen (Art 1 GG) - Gleichheit vor dem Gesetz, Diskriminierungsverbot (Art 3 GG) - Besonderer Schutz von Ehe und Familie (Art 6 GG) - Vereinigungsfreiheit (Art 9 GG) - Sozialbindung des Eigentums (Art 14 und 15 GG) - Sozialstaatsgebot (Art 20 und 28 GG) - Verbot unnötiger, unzweckmäßiger und übermäßiger Staatseingriffe (Art 20 GG)
- Weite Auslegung des Ordnungsrahmens in der Praxis - Politik hat Gestaltungsspielraum zur Ausweitung staatlicher und sozialer Leistungen genutzt - sehr weite Auslegung des Gestaltungsspielraums für staatliches Handeln -> Abstieg Staatsausgaben in den 70er Jahren - seither Staatsquote bei ca. 50% des BIP, davon 2/3 für soziale Sicherungssysteme - intergenerativer Verteilungskonflikt durch demographischen Wandel -> Ausgabendynamik
- Merkmale des Deutschen Sozialmodells - umfassend definierte öffentliche Daseinsvorsorge kennzeichnend - Sozialpartnerschaft hat die Wettbewerbsfähigkeit und gute Betriebsklima gefördert,Korporatismus des "Rheinischen Kapitalismus" jedoch oft Tendenz, Einigungen zu Lasten Dritter (z.B. Steuerzahler oder nachfolgende Generation) - staatliche Daseinsvorsorge bezieht viele Teile der Infrastruktur mit ein (Energie, Wasser, Verkehr, Bildung, Gesundheit) - wichtige Rolle freigemeinnütziger und privatgewerblicher Träger (Arbeiterwohlfahrt)