Klinische Psychologie Abschlussprüfung (Fach) / 15) Schlafstörungen (Lektion)
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Beschreibung, Modelle, Therapie
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- Dyssomnien I. PRIMÄRE SCHLAFSTÖRUNGEN: 1) Dyssomnien = primäre Ein- und Durchschlafstörungen oder eine ausgeprägte Müdigkeit, die durch Veränderungen in Dauer, Qualität und zeitlicher Abfolge des Schlafs charakterisiert sind. a) Primäre Insomnie: Klagen über Ein- bzw. Durchschlafschwierigkeiten oder über nicht erholsamen Schlaf mit einer Dauer von mindestens 1 Monat. Mögliche Folgen: Verschlechterung von Stimmung und Motivation, Herabsetzung v. Aufmerksamkeit, Antrieb und Konzentration, Zunahme v. Müdigkeit und Unbehagen. Gefahr des Missbrauchs bzw. einer Abhängigkeit durch unangemessenem Gebrauch von Medikamenten. DSM IV Kriterien: A : Die im Vordergrund stehenden Beschwerden beziehen sich auf in Ein- und Durchschlafschwierigkeiten oder auf nicht erholsamemSchlaf seit mindestens einem Monat.B: Die Schlafstörung (oder die damit verbundene Tagesmüdigkeit) verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.C: Das Störungsbild tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer Narkolepsie, einer atmungsgebundenen Schlafstörung, einer Schlafstörung mit Störung des zirkadianen Rhythmus oder einer Parasomnie auf.D: Das Störungsbild tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer anderen psychischen Störung auf (z. B. Major Depression, generalisierteAngststörung, Delir).E: Das Störungsbild geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz (z. B. Drogen, Medikamente) oder eines medizinischenKrankheitsfaktors zurück. Besondere Alters- und Geschlechtsmerkmale: Beschwerden über Insomnie häufiger mit zunehmendem Alter und bei Frauen. Verlauf: Unterschiedlich. Typisch: Anfangsphase mit fortschreitender Verschlechterung über Wochen bis Monate, gefolgt von chron. Phase anhaltender Schlafschwierigkeiten. 2) Primäre Hypersomnie Die vorherrschende Beschwerde ist übermäßige Schläfrigkeit seit mindestens einem Monat (oder weniger, wenn rezidivierend), die sich entweder durch verlängerte Schlafepisoden oder fast täglich auftretendeSchlafepisoden am Tage äußert Kriterium A: übermäßige Schläfrigkeit seit mindestens 1 Monat; Folge: verlängerte Schlafepisoden oder fast tägliche Episoden von nicht erholsamen Tagesschlaf (> 1 Stunde) Kriterium B: Beeinträchtigung (siehe oben!) Kriterien C-E: Ausschlusskriterien ð Dauer der Hauptschlafepisode: 8 – 12 Stunden ð Selten: Schlafattacken in Situationen mit geringer Aktivität z.B. beim Lesen, Fernsehen etc. Zusatzcodierungen: Aufwachschwierigkeiten mit Schlaftrunkenheit am Morgen trotz guter Schlafeffizienz. Häufig automatisierte Handlungsabläufe ohne nachfolgendes Erinnern. Verlauf: Beginn üblicherweise zw. dem 15. und 30. Lebensjahr mit allmählicher Progredienz über Wochen bis Monate. Bei Nichtbehandlung weiterer Verlauf meist chronisch und stabil. 3) Narkolepsie Kriterium A: wiederholte, unwiderstehbare, erholsame Schlafattacken (Dauer: 10 – 60 Minuten; 2 bis 6x täglich) für mindestens 3 Monate Kriterium B1: Kataplexie (= Muskelschwäche) in Form von z.B. hängenden Augenlidern oder nachgebenden Knien; Dauer: einige Sekunden bis max. 30 Minuten; danach vollständige Rückkehr der Muskelkraft; emotionale Auslöser: z.B. Wut, Überraschung, Lachen ð stellt sich meist erst Jahre nach Beginn der Tagesschläfrigkeit ein · Kriterium B2: REM-Schlafelemente ð Lähmung der Muskulatur: beim Einschlafen oder Aufwachen; Personen sind wach, aber unfähig sich zu bewegen oder zu sprechen; 30-50% der Narkolepsie-Patienten sind davon betroffen ð Traumähnliche Halluzinationen: akustisch oder kinetisch (z.B. Fliegen); 20-40% der Patienten betroffen Lähmung und Hallunzinationen können für Sekunden oder Minuten gleich auftreten mit einem spontanen Ende Verlauf: meist klinische Auffälligkeiten in der Adoleszenz; zeitlich stabiler Verlauf der übermäßigen Schläfrigkeit; Auftreten der Kataplexie erst nach Monaten oder Jahren 4) Schlafapnoe oder atumungsgebundene Schlafstörung Hauptmerkmal: Schlafunterbrechung durch Atemstörung/Abnormität des Atmens ð Folge: Hypersomnie (am häufigsten!) oder Insomnie (seltener!) Symptome: lautes Schnarchen, Atemschwierigkeiten, häufiges Aufwachen, verlangsamter Herzschlag, dumpfe Kopfschmerzen ð Patienten sind meist übergewichtig ð Schlaf ist nicht erholsam! 5) Zirkadiane Schlafstörungen Vormals: Störung des Schlaf-Wach-Rhytmus. Mangel an Synchronizität zwischen individuellen Schlaf-Wach-Rhythmus und erwünschten Schlaf-Wach-Rhythmus der Umgebung für mindestens 1 Monat Folge: Schlaflosigkeit während der Hauptschlafperiode und Hypersomnie während der Wachperiode; dadurch Erschöpfung und eingeschränkte Leistungsfähigkeit Subtypen: Typus mit verzögerter Schlafphase: Durchgängiges Muster von verspätetem Schlafbeginn und späten Aufwachzeiten. Jet-Lag-Typus: Schläfrigkeit und Wachheit, v. a. nach wiederholten Reisen durch mehr als eine Zeitzone. Schichtarbeitstypus: Insomnie während der Hauptschlafperiode oder übermäßige Schläfrigkeit während der Hauptwachepisode bei nächtlicher oder häufig wechselnder Schichtarbeit. Unspezifischer Typus: Vorliegen eines anderen Musters einer zirkadianen Störung. Mit dem Alter findet eine Zunahmen des vorverlagerten Schlafphasen-Musters.
- Hauptgruppen der Schlafstörungen in DSM IV 1. Primäre Schlafstörungen: Dissomnien (Insomnie, Hypersomnie, Narkolepsie, Atmungsbedingte Schlafstörungen, Zirkadiane Schlafstörungen, NNB), Parasomnien (Schlafstörungen mit Alpträumen, Pavor nocturnus, Schlafstörung mit Schlafwandeln, NNB) 2. Schlafstörungen in Zusammenhang mit einer Anderen psychischen Störung (Insomnie in Zus. mit..., Parasomnie in Zus. mit...) 3. Schlafstörungen aufgrund eines medizinischen Krankheitsfaktors 4. Substanzinduzierte Schlafstörungen (Alkohol, Kokain, Hypnotika)
- Parasomnien Definition: abnormes Verhalten oder physiologische Ereignisse im Zusammenhang mit Schlaf 1) Schlafstörungen mit Alpträumen · Kriterium A: wiederholtes Auftreten furchterregender Träume (meist körperliche Gewalt, Wiedererleben eines Traumas); manchmal mehrere Alpträume pro Nacht – oft mit dem gleichen Thema · Kriterium B: rasche Orientiertheit und Wachheit nach dem Aufwachen und Gefühl von Angst · Kriterium C: soziale und berufliche Beeinträchtigung (z.B. schlechte Konzentrationsfähigkeit, erhöhte Reizbarkeit etc.) · Kriterium D: Ausschlusskriterium ð Prävalenz: 10-50% der Kinder zwischen 3 und 5 Jahren 2) Pavor Nocturnus · Kriterium A: wiederholtes, plötzliches Hochschrecken aus dem Schlaf begleitet von einem panischen Schrei · Kriterium B: starke Angst, vegetatives Arousal (z.B. Schwitzen, schnelles Atmen) · Kriterium C: Person ist schwer zu wecken und zu beruhigen · Kriterium D: Amnesie am nächsten Morgen · Kriterium E: Beeinträchtigung · Kriterium F: Ausschlusskriterium ð pro Nacht meist nur eine Episode – manchmal mehrere nächtliche Episoden ð Episoden meist im Abstand von Tagen und Wochen ð v.a. Kinder betroffen: Prävalenz 1-6%; bei Erwachsenen < 1% ð Beginn der Störung zwischen 4. und 12. Lebensjahr; spontane Remission in der Adoleszenz 3) Schlafstörung mit Schlafwandeln · Kriterium A: wiederholte Episoden motorischen Verhaltens im Schlaf; Beginn im Tiefschlaf (1.Drittel der Nacht) · Kriterium B: verminderte Ansprechbarkeit, ausdrucksloses Starren, fast keine Reaktion auf Weckversuche anderer · Kriterium C: Amnesie für Schlafwandelepisoden am nächsten Morgen/nach Aufwecken · Kriterium D: nach der Episode kurze Phase der Verwirrung – danach vollständige Wachheit · Kriterium E: Leid und Beeinträchtigung · Kriterium F: Ausschluss, wenn Krankheit auf Substanz oder medizinische Krankheit zurückgeht ð unterschiedliche Schlafwandel-Episoden: bei leichteren Episoden nur Aufsetzen im Bett und Rumschauen; häufiger: Verlassen des Betts, Zimmers oder sogar des Hauses ð Dauer der Episoden: mehrere Minuten bis max. 30 Minuten ð Verhaltensweisen meist routinemäßig und wenig komplex; nur in snahmefällen komplex z.B. Maschinen bedienen ð Manche Schlafwandler sprechen, aber undeutliche Artikulation und kein Dialog! ð Prävalenz: 1 – 5% bei Kindern; 1 – 7% bei Erwachsenen
- Ätiologie von Schlafstörungen Biologische Erklärung - Entwicklungsbedingte Veränderungen im Schlaf-Wach-Rhythmus mit Anpassungsproblemen als Ursache für Schlafstörungen (z.B. Verminderung der Schlaftiefe im höheren Alter; Abnahme der Schlafdauer in der frühen Kindheit) - Vegetative Labilität Ein Schlafdefizit wird beim Gesunden durch erhöhte Tagesschläfrigkeit und erhöhten Tiefschlafdruck in derNacht kompensiert. Beim Insomniker scheint dieserSchlafhomöostat erst nach völliger Schlafdeprivation adäquat zu reagieren Psychodynamische Erklärung Unverarbeitete psychische Konflikte als Ursache für Schlafstörung ð Beeinträchtigung des Schlafs z.B. durch Sühnethematik des Über-Ichs „ich darf mich nicht erholen“. Kognitive Erklärung Störende Gedankenabläufe, zwanghaftes Grübeln wirken schlafhindernd. ð problemverstärkend: gedankliche Fixierung auf ausbleibenden Schlaf Klassische Konditionierung: Das Zu-Bett-Gehen resp. das Bett als solches wird in der Folge zum konditionierten Stimulus, der dann den Arousalanstieg und die Einschlafschwierigkeiten auslöst, hier i. S. einer kondi-tionierten Reaktion. Verhaltensorientierte Erklärung Prinzip des operanten Lernens: Bett verliert schlaffördernde Funktion durch schlafinkompatible, aktivierende Gewohnheiten (z.B. Fernsehen, Essen im Bett) Das ätiologische Modell von Spielman: Prädisponierende Faktoren: Tenden zu einem erhöhten biologischen, kognitiven und emotionalem Arousal (Überaktivierung des Nervensystems) Auslösende Faktoren: belastende Ereignisse (bei hoher Disposition auch triviale Ereignisse, wie das Aufstehen zu einer ungewohnten Zeit, schlafen im fremden Bett etc.) Aufrechterhaltende Faktoren: je länger eine Insomnie besteht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit weitere auslösende Faktoren zu bilden (z.b. durch das Hyperarousal das Fokussieren auf den Einschlafprozess), je stärker die Chronifizierung, desto mehr aufrechterhaltende Faktoren kommen hinzu. Die Entstehung der Schlafstörungen wird aktuell mit einem multifunktionalen Modell erklärt: Prädisposition zu einem erhöhten psychophysiologischen Arousal unabhängig von auslösenden Ereignissen → Schlafdeprivation → Konditionierung → selektive Aufmerksamkeit → schlafbehindernde Kognitionen / Verhaltensweisen, die diesen Mechanismus verstärken
- Differenzialdiagnosen bei Schlafstörungen Differenzialdiagnose wird mittels Exploration sowie DIPS (Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen) sowie Polysomnographe (PSG) gewährleistet. Primäre Insomnie vs. GAS, Dysthyme Störung, MD Primäre Hypersomnie vs. Narkolepsie, Atmungsbezogene Schlafstörung, MD Bei der Episode einer Major Depression (MDD) schließlich können Schlafstörungen sehr wohl Teil der Episode darstellen, jedoch sind Schlafstörungen in der Regel auf die depressive Episode beschränkt.Bei der primären Insomnie, die zusätzlich zu einer Depression bestehen kann, ist die Störung des Schlafs nicht in gleichem Maße eng an die Episoden gekoppelt, hat meist einen Beginn, der weit vor der depressiven Episode liegt und dauert auch darüber hinaus an. Die Polysomnographie (PSG) geht in der heute verwendeten Form auf Rechtschaffen u. Kales (1968) zurück. Sie postulierten damals eine Einteilung des Schlafes in verschiedene Stadien
- Therapie der Schlafstörungen Medikamente Hypnotika (=Schlafmittel) ð Nachteile: immer Gefahr der Überdosierung und Abhängigkeit sowie unerwünschte Nebenwirkungen (z.B. verstärkte Insomnie) ð Am besten: geringe Dosis, kurze Behandlungsdauer, in Kombination mit anderen Therapieverfahren Entspannungsverfahren Autogenes Training, Meditation, progressive Muskelentspannung, Biofeedback Progressive Muskelentspannung.(PMR). Bei dieser Entspannungsübung spannt der Patient spezifische Muskelgruppen (begonnen bei den oberen Extremitäten über die Kopf- und Rumpf muskulatur bis hin zu den Beinen) für 5–10 s an und fokussiert dabei gedanklich auf die Anspannung. Danach werden die Muskeln losgelassen und der Patient konzentriert sichwährend 30–60 s auf veränderte Empfindungen in deneben angespannten Muskelgruppen. Damit werden die einzelnen Muskelgruppen fortschreitend (progressiv) in einen entspannten Zustand versetzt (Relaxation) Stimulus- und Bettzeitkontrolle Anleitung zur Stimuluskontrolle nach Bootzin et al. (1991):1. Sich nur dann ins Bett legen, wenn man müde ist.2. Das Bett für nichts anderes als das Schlafen benutzen, d. h. nicht lesen, fernsehen, essen oder grübeln im Bett. Sexuelle Aktivitäten sind die einzige Ausnahme von dieser Regel.3. Wenn man länger als 10 min im Bett liegt und nichteinschlafen kann, sollte man aufstehen und in einen anderen Raum gehen. Erst wieder ins Bett zurückkehren, wenn man müde ist.4. Sollte man dann noch nicht einschlafen können,Regel 3 wiederholen.5. Wecker stellen und jeden Morgen zur gleichen Zeit aufstehen, unabhängig davon, wie viel man in der Nacht geschlafen hat.6. Nicht am Tage schlafen. ð Ziel: - Unterbindung schlafinkompatibler Gewohnheiten (Bett erhält schlaffördernde Funktion zurück!) - Stabilisierung des Schlaf-Wach-Rhythmus Paradoxe Intervention Selbstkontrolle: Versuch, sich selbst - im Bett liegend am Einschlafen zu hindern und so lange wie möglich wach zu bleiben, die Augen offen zu halten ð Hintergrund: Schlafstörung entsteht durch Leistungsdruck „einschlafen zu wollen“. Restriktion der Zeit im Bett Die Zeit, die man nicht schläft, sondern nur im Bett verbringt, soll verkürzt werden (d.h. nur soviel im Bett bleiben, wie man tatsächlich geschlafen hat. Dies wird aufgrund enes Schlaftagebuches zunächst festgestellt). Der Wirkmechanismus wird in einer Erhöhung des physiologischen Schlafdruckes gesehen. Kognitive Verfahren Die Insomnie entwickelt sich erst dann, wenn der Betroffene bestimmte Bewertungen der Schlaflosigkeit und derern Konsequenzen vornimmt. Zielsetzungen der kognitiven Verfahren sind: unrealistische Erwartungen bzgl. des Schlafbedürfnisses und der Funktionsfähigkeit am Tage aufzudecken, unzutreffende Vorstellungen betrefend der Ursachen der Schlafstörung aufzuzeigen, verzerrte Wahrnehmungen der Konsequenzen vonschlechtem Schlaf zurechtzurücken und falsche Vorstellungen von schlaffördernden Verhaltensweisen zu revidieren. Kognitiv-verhaltensorientierte Therapie Breitbandprogramm von Hohenberger und Schindler (1984) in 11 Sitzungen ð Kombination verschiedener Techniken (z.B. Entspannungstraining, kognitive Umstrukturierung, Ausbau von Freizeitaktivitäten etc.) ð Eine Intervention allein ist oft nicht ausreichend!