Klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie (Fach) / Vorlesungs-Prüfung 2014/15 (Lektion)
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Bachelor Psychologie, Kristina Henning-Fast, Uni Wien Stoff: Klinische Psychologie und Psychotherapie von Wittchen und Hoyer (2011)
Diese Lektion wurde von Quinn erstellt.
- Klinische Psychologie beschäftigt sich mit psychischen Störungen und den psychischen Aspekten somatischer Störungen und Krankheiten in der Forschung, der Diagnostik und Therapie
- Psychotherapie bewusster und geplanter interaktionaler Prozess zur Beeinflussung von Verhaltenstörungen und Leidenszuständen, die in einem Konsensus für behandlungsbedürftig gehalten werden
- psychische Störung klinisch bedeutsames Verhaltens- oder psychisches Syndrom oder Muster, das mit momentanem Leiden, einer Beeinträchtigung oder mit einem stark erhöhten Risiko einhergeht zu sterben oder Schmerz, Beeinträchtigung oder einen tiefgreifenden Verlust an Freiheit zu erleiden
- multiaxiale Klassifikationssysteme - multimodaler und multimethodaler Ansatz - deskriptiv - Charakterisierung der Symptome der Störung auf mehreren Ebenen (körperlich, kognitiv, affektiv, verhaltensbezogen, sozial) - körperlicher Gesamtzustand - psychologische, verhaltensbezogene und sozale Merkmale der Person sowie Entwicklungsstand - Kritik: Vernachlässigung funktionaler Aspekte sowie unvollständige Zeitdynamik
- Zielsetzungen der Klinischen Psychologie Beschreibung des interessierenden Verhaltens: objektiv, reliabel und das gesamte Verhalten umfassend Erklärung: regelhafte Muster und Prozesse und die mit ihnen verknüpften Faktoren (sowie Faktorenkombinationen und - interaktionen) Vorhersage: verstehen wie Verhaltensereignisse zusammenhängen und wie sie mit Prädiktoren verknüpft sind Beeinflussung und Kontrolle: Interventionen, die Verhalten kontrollieren bzw. verändern Reduktion von Leiden, Behinderung und Verbesserung der Lebensqualität: ermöglichen einer selbstständigen kognitiven, affektiven, körperlichen und sozialen Weiterentwicklung
- Modellperspektiven in der Klinischen Psychologie - (neuro-)biologische Perspektive - psychodynamische Perspektive - kognitiv-behaviorale Perspektive - integrative Perspektive
- (Neuro-)biologische Perspektive - Ursachen psychischer Störungen liegen in der Funktionsweise der Gene, der Beschaffenheit des Stoffwechsels des Gehirns, des Nerven- und endokrinen Systems - Störungen werden durch strukturelle und biochemische Prozesse erklärt - methodische Aspekte: Experiment, objektive psychophysiologische, neurochemische und labortechnische Marker
- psychodynamische Perspektive - Ursachen des Verhaltens und psychischer Störungen liegen in intrapsychischen, zumeist unbewussten, Konflikten, Impulsen und Prozessen (Instinkte, biologische Triebe, Gedanken, Emotionen), die häufig auf frühkindliche Konflikte rückführbar sind - methodische Zugänge: Gespräch, indirekte subjektive Maße (Träume, Widerstände)
- kognitiv-behaviorale Perspektive - psychische Störungen sind auf der Grundlage von Vulnerabilitäten und Stress entstehende fehlangeppasste erlernte Verhaltens- und Einstellungsmuster, einschließlich kognitiver Prozesse (Aufmerksamkeit, Erinnern, Denkmuster, Attributionsmuster, Problemlösen) - Verhaltenstherapie und kognitive Therapie - Methoden: Experiment, kontrollierte Studiendesigns, direkte objektive (labortechnische) und indirekte Maße
- integrative Perspektive - psychische Störungen sind Ergebnis von komplexen Vulnerabilitäts-Stress-Interaktionen, bei denen gleichermaßen biologische, kognitive-affektie, soziale und umweltbezogene sowie Verhaltenaspekte in ihrer entwicklungs- und zeitbezogenen Dynamik in Wechselwirkung stehen - hat in der aktuellen Forschung die größte Bedeutung
- klassifikatorische Diagnostik Zuweisung von Diagnosen zum Symptomkomplex der Person (Psychopathologie: Lehre von psychischen Störungsphänomenen)
- funktionale Diagnostik Bedingungsanalyse (z.B. Mikroplanung der Indikation und Therapie)
- Prozessdiagnostik Verlaufs- und Erfolgsmessung sowie Steuerung und Adaption von Interventionen und Veränderungen
- Strukturdiagnostik Zuweisung zu dispositionellen Typen (z.B. Persönlichkeit)
- Klassifikation Einteilung oder Einordnung von Phänomenen, die durch bestimmte gemeinsame Merkmale charakterisiert sind,in ein nach Klassen gegliedertes System --> Taxonomie und diagnostische Identifikation/Prozess
- Taxonomie systematische Ordnung nach festen Regeln
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- Klassen Gruppen mit gemeinsamen Merkmalen
- Nomenklatur spezifische Begriffsbeschreibung um Klassen und Elemente eines Systems zu identifizieren
- diagnostische Identifikation/Prozess beschreibt die Zuordnung bzw. den Prozess der Zuordnung bestimmter Merkmale oder Individuen zu diagnotischen Klassen bzw. Kategorien eines bestehenden Klassifikationssystems
- Nosologie (Krankheitslehre) eindeutige und logische Unter-, Neben- und Überordnung beschriebener Krankheiten nach einheitlichen Gesichtspunkten - Einheitlichkeit der Symptome und Syndrome - Ätiologie: wissenschaftliche Erklärung der Entstehung einer Krankheit - Pathogenese: Gesetzmäßigkeiten des weiteren Verlaufs einer Krankheit (Dauer, Komplikationen, Folgen und Konsequenzen, Prodrome) - Differentialdiagnose: Abgrenzung eines Krankheitsbildes von einem anderen aufgrund der Symptome, Syndrome, ätiologischen und pathogenetischen Besonderheiten
- Aufgaben der klassifikatorischen Diagnostik Beschreibung, Klassifikation, Diagnose, Differenzialdiagnostik, Erklärung, Indikation, Prognose, Begründung und Rechtfertigung, institutionelle Zuweisung, Evaluation, Qualitätskontrolle und -sicherung, Dokumentation, grobe Interventionszuweisung
- Symptome Zeichen einer Störung (objektiv beobachtbar oder subjektiv erlebbar)
- Syndrome überzufällig häufige oder typische Muster von Symptomen
- Diagnosen eigentliche Krankheitsbezeichnung: setzen sich aus Symptomen und Syndromen sowie unterschiedlich komplexen Zusatzkriterien (Zeitdauer, Verlaufskriterien, Schweregradkriterien und ätiologische Merkmale) zusammen
- DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) - für alle Gesundheitsberufe anwendbar - für alle Schulen verbindlich - eindeutige Nomenklatur - Reliabilität (Beurteilerkonsistenz) als Voraussetzung für verbesserte Forschung und klinische Validität - explizite deskriptive Kriterien - Mehrebenenansatz auf der Symptomebene und Ablehnung von Terminologien mit Interpretationsspielraum - Neutralität in Hinblick auf ätiologische Theorien - Standardisierung (algorithmische Operationalisierung) diagnostischer Entscheidungen - Verbesserung der Kommunikation zwischen Forschung und Praxis - multiaxiale Struktur - ausführlicher, homogener, konsistenter, expliziter und für alle Gesundheitsberufe anwendbar und deshalb für Psychologen leichter zu benutzen
- ICD (International Classification of Diseases) - Kritik: gläserner Patient und gläserner Arzt durch datentechnische maschinelle Auswertungsverfahren, Gliederung nach statistischen Erfordernissen statt medizinischen oder praktischen Gesichtspunkten, kein ärztlicher Sprachgebrauch, ... - F00-F99: Psychische und Verhaltensstörungem
- Hauptkategorien ICD-10 - organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen - psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrobe Substanzen - Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen - affektive Störungen - neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen - Verhaltenauffälligkeiten mit körperlichen Störungen - Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen - Intelligenzminderung - Entwicklungsstörungen - Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
- Hauptkategorien der DSM-IV - Delir, Demenz, amnestische und andere Störungen - Störungen im Zusammenhang mit psychotroben Substanzen - Schizophrenie und andere psychotische Störungen - affektive Störungen - Angststörungen; somatoforme Störungen; dissoziative Störungen; Anpassungsstörungen - Essstörungen; Schlafstörungen; sexuelle und Geschlechtsidentitätsstörungen - Persönlichkeitsstörungen; vorgeäuschte Störungen; Störungen der Impulskontrolle, nicht andernorts klassifiziert - gesonderte Konventionen - Störungen, die gewöhnlich zuerst im Kleinkindalter, in der Kindheit oder der Adoleszenz diagnostiziert werden - psychische Störungen aufgrund eines medizinischen Krankheitsfalles - andere klinisch relevante Probleme
- Achsen der DSM Achse I: Klinische Syndrome Achse II: Persönlichkeitsstörungen, spezifische Entwicklungsstörungen Achse III: Körperliche Störngen und Zustände Achse IV: Schwere der psychosozialen Belastungsfaktoren Achse V: Höchstes Niveau der sozialen Anpassung im letzten Jahr
- Hauptpunkte der systematischen Beschreibung - Hauptmerkmale - Nebenmerkmale - Alter bei Beginn - Verlauf - Behinderungen - prädisponierende Faktoren - Prävalenz - Geschlechtsverteilung - familiäre Häufung - Differenzialdiagnose
- Achse II - Persönlichkeitsstörungen und geistige Behinderung paranoide, schizoide, schizotypische, antisoziale, Borderline-, histrionische, narzisstische, vermeidend-selbstunsichere, dependente, zwanghafte, nicht näher bezeichnete Persönlichkeitsstörung und geistige Behinderung
- Achse II - Persönlichkeitsstörungen und geistige Behinderung paranoide, schizoide, schizotypische, antisoziale, Borderline-, histrionische, narzisstische, vermeidend-selbstunsichere, dependente, zwanghafte, nicht näher bezeichnete Persönlichkeitsstörung und geistige Behinderung
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- Achse III - medizinische Krankheitsfaktoren infektiöse und parasitäre Erkrankungen Neoplasmen endokrine, alimentäre, metabolische Erkrankungen und Immmunstörungen Erkrankungen des Nervensystems und der Sinnesorgane Erkrankungen des Kreislaufsystems urogenitale Erkrankungen Erkrankungen des Verdauungssystems Atemwegserkrankungen Komplikationen in der Schwangerschaft, bei der Geburt oder im Wochenbett Erkrankungen der Haut und des Subkutangewebes Erkrankungen des Bewegungsapparats und Bindegewebes angeborene Störungen bestimmte Zustände, di in der perinatalen Phase ihren Ursprung haben Symptome, Zeichen und unklar definierte Zustände Verletzungen und Vergiftungen
- Achse IV - psychosoziale und umweltbedingte Probleme Probleme in der Hauptbezugsgruppe Probleme im sozialen Umfeld Ausbildungsprobleme berufliche Probleme Wohnungsprobleme wirtschaftliche Probleme Probleme beim Zugang zu Einrichtungen der Krankenversorgung Probleme beim Umgang mit dem Rechtssystem bzw Deliquenz andere psychosoziale oder umgebungsbedingte Probleme
- Achse V - Globale Erfassung des Funktionsniveaus (GAF) integrierte Gesamtbeurteilung des allgemeinen Funktionsniveaus anhand einer in 10 Funktionsniveaustufen unterteilten Skala zwischen 0 und 100 bezogen auf den aktuellen Zeitraum
- Komorbidität Mehrfachkodierung von Diagnosen bei einer Person Charakteristikum psychischer Störungen mit wichtigen Implikationen für die Aufklärung von Ätiologie und Pathogenese sowie Therapieplanung
- zentrale Aufgaben der Epidemiologie 1) Häufigkeit psychischer Störungen 2) bessere Definitionen 3) Evaluation des Versorgungssystems und Abschätzung des Versorgungsbedarfs 4) Ätiologie und Spontanverlauf 5) Prävention, Therapie, Gesundheitsförderung und Rehabilitation
- deskriptive Epidemiologie räumliche und zeitliche Verteilung von Erkrankungen oder anderen gesundheitsrelevanten Variablen in einer genau definierten Population sowie den Determinanten ihres Auftretens im Zusammenhang mit demographischen, genetischen, Verhaltens- und Umweltfaktoren administrative Epidemiologie: einrichtungsbezogene Daten werden über vorhandene Routinestatistiken der Einrichtungen oder stärker systematisierte Register erhoben Kohortenstudien: ereignisbezogene Populationen bzw. repräsentative Zufallsstichproben werden untersucht
- analytische Epidemiologie versucht, bevorzugt prospektiv-longitudinal, Hinweise für kausale Faktoren zu finden bzw den Risikostatus von bestimmten Faktoren zu ermitteln und zu quantifizieren versucht Erkenntnisse über Ursachen, Risiko- und Auslösefaktoren genetischer (genetische Epidemiologie), biologischer, sozialer, psychologischer und umweltbezogener Art sowie ihrer Interaktion zu gewinnen klinisch-epidemiologische Studien: verfolgen diese Fragestellungen an klinischen Kohorten
- Diathese-Stress-Modell Wirt: Person --> Dispositionen, Physiologie, Genetik schädliches Agens: akute oder chronische soziale, psychische, physikalische Belastung oder Noxe Umwelt: aktuelle soziale und physische Umwelt
- Gültigkeitsbereich und Interpretation epidemiologischer Befunde 1. immer auf spezifische Population bezogen 2. beruht auf "Falldefinitionen", die nicht deckungsgleich mit klinischen Diagnosen sein müssen 3. genau definierte epidemiologische Maße 4. biopsychosoziale Bedingungsmodelle
- Prävalenz Häufigkeit einer Erkrankung
- Inzidenz Häufigkeit des Neuauftreten einer Erkankung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes
- Risiko Wahrscheinlichkeit, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Krankheit jemals gehabt zu haben (Lebenszeitrisiko ist höher als Lebenszeitprävalenz)
- Untersuchungsdesigns zur Bestimmung von Prävalenz und Inzidenz experimentelle Designs nichtexperimentelle Designs: Querschnitt-, Längsschnitt- und Kohortenuntersuchungen (prospektiv und retrospektiv), Fall-Kontroll-Studien hybride Designs (Kombinationsdesigns) genetische Epidemiologie
- Heuristiken zur praktischen Beurteilung von Kausalität 1. zeitliche Kontingenz 2. Plausibilität 3. Kohärenz (kein Widerspruch zu bereits vorhandenem Wissen) 4. Effektstärke (stärkere Effekte sind erfahrungsgemäß mit größerer Wahrscheinlichkeit kausal interpretierbar) 5. Dosis-Wirkungs-Beziehung (Zusammenhang wächst systematisch mit der Dosis) 6. Spezifität (Auswirkung auf die Auftretenswahrscheinlichkeit eines spezifischen Ereignisses oder Outcome und nicht auf mehrere) 7. Konsistenz und Replikation
- Phänotyp bezeichnet das innere und äußere Erscheinungsbild, d.h. sämtliche beobachtbaren Merkmale, Eigenschaften und Verhalten eines Organimus
- Genotyp bezeichnet die Gesamtheit aller in der DNA gespeicherten genetischen Informationen, somit den vollständigen Satz aller Gene eines Organismus
- Methoden zur Untersuchung genetischer Faktoren Familienstudien: Angehörige von Betroffenen mit einer speziellen psychischen Störung daraufhin untersuchen, ob sie die gleichen oder andere psychische Störungen aufweisen als die Betroffenen selbst --> Family-Study-Methode: alle erreichbaren Familienmitglieder werden direkt befragt --> Family-History-Methode: Informationen werden indirekt von den Betroffenen oder von anderen Familienmitgliedern, die an der Studie teilnehmen, erhoben High-Risk-Studien: Kinder und Elter mit einem bestimmten Störungsbild werden untersucht --> Top-Down-Studien: untersuchen, ob die Kinder von betroffenen Eltern ein erhöhtes Risiko für dieselbe oder eine andere psychische Störung zeigen --> Bottom-Up-Studien: untersuchen ob die Eltern von betroffenen Kindern ein erhöhtes Risiko für dieselbe oder eine andere psychische Störung haben Zwillingsstudien: eineiige Zwillinge werden hinsichtlich der Übereinstimmmung eines Merkmals verglichen Adoptionsstudien: vergleichen die Übereinstimmung des Phänotyps von wegadoptierten Kindern mit dem Phänotyp der genetischen Eltern und dem Phänotyp der Adoptiveltern Segregationsanalyse: der Erbgang einer bestimmten Störung innerhalb von betroffenen Familien wird untersucht Kopplungsstudien: untersuchen die gemeinsame Vererbung von genetischen Markern und der interessierenden Krankheit in Familien Assoziationsstudien: vergleichen die Häufigkeit bestimmter Allelausprägungen bei von der Störung betroffenen und nicht betroffenen Personen Tiermodelle: neurobiologische Mechanismen, die psychischen Störungen zugrunde liegen, werden untersucht
- Anlage-Umwelt-Korrelationen liegen vor, wenn wir aufgrund unserer genetischen Ausstattung unsere Umwelt selbst gestalten
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