Jus (Fach) / I. Normen und Rechtswissenschaften (Seite 1 bis 11) (Lektion)
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Fragen aus dem Fragenkatalog der Block-LV
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- Manuel fragt sich, ob die ÖNORM A 6403 über das Runden von Zahlen eine der Normen ist, von denen er im Jus-Studium gelernt hat. Was charakterisiert „Normen“? Normen = Anordnungen, wie wir uns verhalten sollen (=Sollen)--> regeln menschliches Verhalten und sind vom Menschen gesetzt (entweder von Autorität gesetzt oder durch Gewohnheit herausgebildet)
- Verschiedene Wissenschaftszweige der Rechtswissenschaften (7) Rechtstheorie: Ziel, allgemeine Aussagen über Wesen, Struktur und Anwendung von Rechtsnormen zu machen Rechtsphilosophie: hinterfragt Zweck und Notwendigkeit des Rechts im menschlichen Zusammenleben, Verhältnis von Recht und Moral Rechtssoziologie: Erforschung der sozialen Rahmenbedingungen eines Rechtssystems und der Wirkungsweise von Rechtsnormen Rechtsgeschichte: untersucht die historische Entwicklung von Rechtsgebieten und zeigt, welche historischen Fakten zum heute geltenden Recht Recht geführt haben Rechtsvergleichung: untersucht und vergleicht Regelungen in verschiedenen Rechtsordnungen Rechtspolitik: Vorschläge zur Verbesserung des Rechts (meist in Verbindung mit anderen Disziplinen Rechtsdogmatik: Inhalt des geltenden positiven Rechts systematisch zu erfassen und darzustellen durch Auslegung bzw. Interpretation von Rechtsnormen (nicht Normsetzung!)
- Anna meint, das Sein und Sollen doch einerlei sei. Tatsachen könnten schließlich sehr wohl „Recht“ schaffen. Nehmen Sie zu dieser Aussage Stellung. Sein (Tatsache) und Sollen (Norm) decken sich im Idealfall, es gibt aber viele Fälle in denen das nicht zutrifft. Beim Sollen handelt es sich um Normen = Anordnungen, wie wir uns verhalten sollen. Tatsachen wiederum beschreiben das Sein = die Realität, was tatsächlich passiert. Bsp.: wenn an einer bestimmten Stelle im Straßenverkehr die Leute vermehrt mit 70 kmh anstatt mit den normierten 50 kmh fahren, dann weicht das Sein (Leute fahren 70kmh) von der Norm/dem Sollen ab (man soll 50 kmh fahren). --> In diesem Fall ist die Norm zwar nicht effektiv, aber das bedeutet nicht, dass deshalb die Tatsache diese Norm „abändert“ ergo neues „Recht schafft“.
- Der Rechtsanwalt Ted erzählt, dass eine Frau in Frankreich bestraft wurde, weil sie gegen ein Gesetz verstoßen hat, welches das Tragen eines traditionellen Ganzkörperschleiers verbietet, der in einigen islamischen Kulturen gebotenen ist. Welche „Normensysteme“ kennen Sie? Welche Gemeinsamkeiten haben diese und was unterscheidet sie? Es gibt folgende Normensysteme: Norm der Sitte: Regelungen, die in einer bestimmten soz. Gruppe oder Gemeinschaft entstanden sind(Sanktion bei Missachtung: Tadel, Missachtung) Norm der Moral: Handeln wird nach ethischen Gesichtspunkten beurteilt(Sanktion bei Missachtung: Vorwurf des unmoralischen Handelns, Missachtung) Norm der Religion: Regeln, die menschl. Handeln aufgrund von religiösen Ideologien regeln(Sanktion bei Missachtung: Ausschluss aus Religionsgemeinschaft, jenseitige Folgen) Normen des Rechts: Gegenstand rechtswissenschaftlicher Betrachtung, von staatlicher Autorität gesetzt (=erlassen) und durch staatliche Zwangsgewalt durchgesetzt (Sanktion bei Missachtung: angedrohte und durchsetzbare Sanktionen, Rechtsfolgen (Geld- und Freiheitsstrafe)) Viele Bereiche des Lebens sind in verschiedenen Normensystemen normiert (zB. Du darfst nicht töten!). Manchmal kann aber auch ein Normenkonflikt auftreten, wie es in dem Fall des Rechtsanwalts vorkommt. Bei einem Normenkonflikt wird dasselbe Handeln durch verschiedene Normensysteme unterschiedlich geregelt – in diesem Fall: Norm der Religion und Norm des Rechts unterschiedlich.
- Die Polizeibeamtin Eva hat einen schlechten Tag und straft den jungen Alexander, weil er einer alten Dame in der U-Bahn seinen Sitzplatz nicht angeboten hat, obwohl die Wiener Linien in den Durchsagen dazu aufgefordert haben. Begeht er damit einen Rechtsverstoß? Nein, Alexander begeht damit keinen Rechtsverstoß und die Polizeibeamtin hat ihn unrechtmäßig bestraft, denn die Norm, einer älteren Person seinen Sitzplatz in der U-Bahn anzubieten, ist weder von einer staatlichen Autorität erlassen noch kann sie mit staatlichen Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden. Es handelt sich in diesem Fall also nicht um eine Norm des Rechts, sondern eine Norm der Sitte. Die Folgen bei Missachtung einer Norm der Sitte sind der Tadel oder die Missachtung der sozialen Gruppierung oder Gemeinschaft.
- Da man traditionell von „positiven“ Vorschriften spricht, behauptet Claudia, dass Verbote „negative“ Vorschriften sind. Stimmt diese Schlussfolgerung? Nein, in Wahrheit leitet sich der Terminus des „positiven“ Rechts aus dem Lateinischen ab – es kommt von dem Verb „ponere“ und bedeutet daher „vom Menschen gesetztes Recht“.
- Eva behauptet, dass es sich bei den meisten Nichtraucherschutzbestimmungen um keine geltenden Normen handeln könne, weil sich ohnehin niemand daran halte. Beurteilen Sie Evas Aussage aus rechtswissenschaftlicher Sicht. Eva verwechselt hier die Geltung eines Rechts mit der Effektivität. Eine Norm des Rechts, wie beispielsweise die Nichtraucherbestimmungen, gilt sobald sie kundgemacht und damit Teil der Rechtsordnung ist. Sobald sie gilt findet diese Norm/das Gesetz auf Sachverhalte Anwendung, dh. die Verletzung der Norm kann durch Rechtsfolgen oder staatliche Sanktionen bestraft werden. Ob sich die Menschen nun tatsächlich daran halten ist eine Frage der Effektivität der Norm. Die Effektivität beschreibt nämlich, ob die Norm tatsächlich befolgt wird. --> Die Nichtraucherbestimmungen sind nach Evas Ansicht also nicht effektiv, da sich „niemand daran hält“. Sie gelten aber trotzdem, da sie Teil der Rechtsordnung sind und die mit staatlichen Zwangsmaßnahmen durchsetzbar sind.
- Wie werden Konflikte zwischen Rechtsnormen vermieden? Rechtsnormenkonflikte werden auf verschiedene Weise versucht zu verhindern: im Staat werden die Zuständigkeiten so aufgeteilt, dass dieselbe Angelegenheit nicht von unterschiedlichen Normsetzern geregelt wird Es gilt die Lex-specialis-Regel: Die speziellere Regel geht der allgemeineren vor. Es gilt die Lex-posterior-Regel: Die aktueller Regel geht der älteren vor.
- Dr. Dorian stellt fest, dass § 1 „GesundheitsinformationsG“ grundsätzlich jedermann Zugang zu Gesundheitsinformationen gewährt. § 3 „PatientenschutzG“ erlaubt wiederum die Auskunft ausnahmsweise zu verweigern, wenn die Privatsphäre von Patienten berührt ist. In welchem Verhältnis stehen „GesundheitsinformationsG“ und „PatientenschutzG“ zueinander? In diesem Fall würde die Lex-specialis-Regel zur Anwendung kommen, die besagt, dass das speziellere Gesetz dem allgemeineren vorgeht. --> Also kommt grundsätzlich das GesundheitsinformationsG (das allgemeinere Gesetz) zur Anwendung. Handelt es sich aber um einen Fall, in dem „die Privatsphäre von Patienten berührt ist“, dann kommt das PatientenschutzG zur Anwendung (das speziellere Gesetz). Diese Regel dient der Vermeidung eines Rechtsnormenkonflikts zwischen den beiden Gesetzen.
- Was ist das Ziel der Rechtsdogmatik und welcher Methode bedient sie sich? Ziel der Rechtsdogmatik: Inhalt des geltenden positiven Rechts systematisch zu erfassen und darzustellen Methode: Auslegung bzw. Interpretation von Rechtsnormen (nicht Normsetzung!)
- Der Polizeibeamte Georg fragt sich, ob das Verhalten eines Unruhestifters eine „Störung der Öffentlichen Ordnung“ iSd § 81 SPG darstellt. Was macht Georg hier aus rechtswissenschaftlicher Sicht? das tatsächliche Verhalten des Unruhestifters: Sachverhalt (= das tatsächliche Geschehen) „Störung der Öffentlichen Ordnung“ iSd § 81 SPG: Tatbestand (= gesetzlich normiertes, verbotenes Handeln, auf das sich Strafbarkeit bezieht) --> Georg subsumiert (Sumbsumtion), dh. er prüft, ob der Sachverhalt die normierten Tatbestandselemente erfüllt
- Florian will ein Haus errichten und kauft zunächst einen Baugrund. Für die Errichtung eines Gebäudes benötigt er eine verwaltungsbehördliche Bewilligung. Sodann vermietet er eine Wohnung im Haus. Die Einkünfte aus Vermietung unterliegen der Einkommensbesteuerung. Um welche Rechtsgebiete handelt sich jeweils und welche „Konsequenzen“ hat die Unterscheidung? hier relevant: Unterscheidung: Öff. Recht und Privatrecht Kauf des Baugrunds --> Privatrecht Errichtung des Gebäudes – verwaltungsbehördliche Bewilligung --> Öffentliches Recht Vermietung der Wohnung --> Privatrecht Einkommensbesteuerung --> Öffentliches Recht Konsequenzen der Unterscheidung: unterschiedliche Zuständigkeiten (Gerichte bsp. sind für Regelung von Angelegenheiten des Privatrechts zuständig) Privatrecht: Zivilrechtsverfahren, öffentliches Recht: Verwaltungsverfahren bei Verursachung von Schäden --> Privatrecht: Schadenersatzregelungen, öff. Recht: Amtshaftungen
- Welche Theorien zur Unterscheidung von Öffentlichem Recht und Privatrecht gibt es? Interessenstheorie: öffentliches Recht zum Schutz öffentlicher Interessen, privates Recht zum Schutz privater Interessen --> eigentlich dient fast jede Regelung beiden, es steht nur ein Aspekt mehr im Vordergrund Subjektionstheorie: im öff. Recht juristische Herrschaftsverhältnisse (Über- u. Unterordnungen), im privaten Recht Gleichordnung--> richtig, da typischerweise im öff. Recht zweiseitige Normsetzungsbefugnisse, im privaten Recht einseitige Normsetzungsbefugnisse, aber: gibt Abweichungen (Bsp: Leistungsvereinbarungen zwischen Bund und Universitäten oder Eltern-Kind-Verhältnis) Subjektstheorie: Frage, ob ein Beteiligter des konkreten Rechtsverhältnisses mit „Hoheitsgewalt“ auftritt