Literaturwissenschaft (Fach) / L1: Glossar zur Edition (Lektion)

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L1 - Glossar zur Einführung in die Literaturwissenschaft

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  • Apparat Editionswissenschaftlicher Begriff, der das Variantenverzeichnis in einer wissenschaftlichen Textausgabe bezeichnet, das abweichende überlieferte Versionen des edierten Textes sowie sämtliche Editoreingriffe dokumentiert. Es werden alle Bestandteile einer wissenschaftlichen Ausgabe außer dem Textteil umfasst, d.h. das Variantenverzeichnis, Informationen des Herausgebers über die Anlage der Ausgabe, über verwendete Abkürzungen und Siglen, Beschreibung der ausgewerteten Überlieferungsträger sowie Angaben und Materialien zur Entstehungs-, Überlieferungs- und Wirkungsgeschichte des edierten Werks, Register und Konkordanzen sowie möglicherweise den edierten Text sprachlich und inhaltlich erläuternde Kommentare des Herausgebers. Im engeren Sinn bezeichnet der Apparat entweder einen Einzelstellenapparat, der listenartig alle Varianten verzeichnet oder einen integralen apparat, der demgegenüber varianten und invarianten Text gemeinsam darstellt und dhaer auch ein genetischer, die Entstehung des Textes dokumentierender Apparat ist. Der lemmatisierte (auch positive) Apparat ist ein mit Stichwörtern aus dem Haupttext (Lemmata) versehener Einzelstellenapparat. Ein nichtlemmatisierter (auch negativer) Apparat dagegen beschränkt sich auf die Verzeichnung der vom edierten Text abweichenden Stellen.
  • Editio princeps Erstausgabe des ersten selbstständigen Drucks eines Textes.
  • Fassung Editionswissenschaftliche Bezeichnung für die voneinander abweichenden (vollendeten oder nicht vollendeten) Ausführungen eines Werkes.
  • Kollation Vergleich aller Textzeugen
  • Lachmann, Karl (1793 - 1851)Begründer der modernen Textkritik und -edition. Er orientiert sich für sein Verfahren an der Klassischen Philologie: Friedrich Beißner (Stuttgarter Hölderlin-Ausgabe), Hans Zeller (C.F. Meyer-Ausgabe) u.a. haben dagegen Apparate für neuphilologische Editionen entwickelt, die vor allem die Entstehungsvarianten berücksichtigen (genetischer Apparat). Die moderne Critique génétique versucht noch stärker den Text als Prozess zu verstehen, nicht als ein einmal gesichertes Ergebnis. Sie ist bemüht, eine Geschichte der Schreibweisen und eine Ästhetik literarischer Produktion zu erarbeiten.
  • Primäre Dunkelheit Textstellen, die von Autoren bewusst verschlüsselt wurden oder im Gegensatz zur sekundären Dunkelheit bereits für zeitgenössische Leser erläuterungsbedürftig waren.
  • Raubdruck Nicht vom Autor autorisierte Drucklegung, bzw. eine illegale Form des Nachdrucks; seit der Durchsetzung des Urheberrechts, die im 18. Jahrhundert beginnt und erst 1901 kodifiziert wird.
  • Sekundäre Dunkelheit Textstelle, die erst im Laufe der Zeit erläuterungsbedürftig geworden ist, im Gegensatz zur primären Dunkelheit.
  • Textkritik Editionswissenschaftliche Bezeichnung für alle Vorgänge, die für die Erarbeitung einer (Historisch-)kritischen Ausgabe notwendig sind.
  • Varianten Textänderungen. Unterscheidung von Entstehungsvarianten (Veränderungen des Textes durch den Autor) und Überlieferungsvarianten (absichtliche oder zufällige Veränderungen des Textes durch fremde Hand).
  • Wortindex Bezeichnung für ein Stellenverzeichnis von Worten, die in einer Textausgabe wiederholt vorkommen.
  • Ausgaben Man unterscheidet historisch-kritische Ausgaben, kritisch-kommentierte Ausgaben, Studienausgaben, Leseausgaben, Kritische Faksimile-Editonen uund Restausgaben. Historisch-kritische Ausgabe: Der anspruchsvollste Editionstyp. Sie bieten den kritisch gesichteten Text mit Apparat, der die Textgeschichte abzubilden versucht und dem Prinzip der Vollständigkeit und der Überprüfbarkeit verpflichtet ist. Sie machen möglichst alle Texte des Autors, alle editorisch relevanten Textträger, Varianten, erreichbaren Materialien im Entstehungskontext, Dokumente zur Entstehung und Textgeschichte, Wirkungsgeschichte zu Lebzeiten des Autors und Sacherläuterungen zugänglich. Kritisch-kommentierte Ausgabe: Sie rangieren eine Stufe unter der historisch-kritischen Ausgabe, bieten den kritisch geprüften Text einer Fassung mit Apparat, der die Text- und Wirkungsgeschichte und Sacherläuterungen zu Einzelstellen zugänglich macht.Studienausgabe: Sie bieten den kritisch geprüften Text, oft auch in modernisierter Orthographie, mit einem im Vgl. zur historisch-kritischen Ausgabe oft gekürzten Kommentarteil. Leseausgaben: Sie bieten den TExt ohne kritische Textrezension, meist in moderner Textgestalt. Kritische Faksimile-Edition: Sie stellen die Faksimiles von Handschriften einer möglichst diplomatischen Transkription gegenüber.Restausgaben: Sie bieten statt eines getreuen TExtabdrucks eine Zusammenfassung der zentralen inhaltlichen Elemente nach exakt festgelegten Regeln.
  • Ausgabe letzter Hand Editionswissenschaftlicher Begriff für die letzte von einem Autor zu Lebzeiten autorisierte Ausgabe seines Textes.
  • Erläuterungen Dem Text meist in Form eines anhangs beigegebene Kommentierung einzelner Textstellen (z.B. Erläuterungen zu Eigennamen, zum historischen Hintergrund, zur Wortgeschichte).
  • Emendation Lat. "Verbesserung", editionswissenschaftlicher Begriff für die Korrektur eindeutiger Fehler des überlieferten Textes durch den Herausgeber. Die Grenze zur Konjektur ist nicht immer scharf zu ziehen. Daher gelten strenge Regeln, um willkürliche, deutende oder interpretatorisch geleitete Korrekturen ausschließen zu können. Die Emendation ist der Recensio, dem Sammeln und der Durchsicht möglicher Textzeugen, und der Examinatio, der kritischen Prüfung der ausgewählten Textzeugen nachgeordnet.
  • Konjektur Lat. "Vermutung", editionswissenschaftlicher Begriff für den Eingriff eines Editors in den überlieferten Text zugunsten einer plausiblen Vermutung, um einen originalen Textzustand wiederherzustellen.
  • Kontamination Mischtext aus verschiedenen Textträgern, also verschiedenen Fassungen. In der Editionswissenschaft strikt verboten.
  • Kommentar Editionswissenschaftliche Bezeichnung für sprachliche und sachliche Erläuterungen eines Textes durch den Herausgeber.
  • Konkordanz Zusammenstellung aller in einem Text oder bei einem Autor vorkommenden Wörter (manchmal auch Gedanken) mit Stellenbeleg.
  • Lemma Editionswissenschaftlicher Begriff für ein Wort oder einen Textteil aus einem edierten Text, das im kritischen Apparat wiederholt wird, um eine eindeutige Zuordnung von kritischem Text und Variante zu gewährleisten. Das Lemmaszeichen ] wird als Trennung zwischen Lemma und zugeordnetem varianten Text gesetzt.
  • Lesarten Überlieferte oder durch Emendation bzw. Konjektur hergestellte Fassung einer Textstelle. Die von der Lesart des Haupttextes abweichenden Lesarten werden im Apparat als Varianten zusammengestellt. Wird auch als Bezeichnung anstelle von Überlieferungsvarianten verwendet.
  • Recensio Arbeitsschritt des Sammelns und Bewertens aller erreichbaren (unter Umständen zusätzlich aller erschließbaren) Textzeugen bzw. Textträger, die auf ihre Beziehung zueinander geprüft werden müssen.
  • Sigle Feststehende Abkürzungen für Wörter, Namen, Ausgaben usw. durch Buchstaben oder Zeichen.
  • Stemma (Stammbaum)Schematisierte Darstellung überlieferter Textzeugen und vermuteter Archetypen.
  • Textstufen Bezeichnung für die im Prozess des Schreibens beobachtbaren Korrekturen, Streichungen, Verbesserungen usw. eines Autors, die in einem genetischen Apparat dargestellt werden.