Biologiedidaktik (Fach) / Geschichte des Biologieunterrichts (Lektion)
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Diese Lektion wurde von Topolina erstellt.
- Ursprung des Begriffs Biologie Der Begriff „Biologie“ bildete sich im 18. Jahrhundert. Allerdings bezeichnete der Name noch keine selbständige Disziplin, sondern zoologische und botanische Fachrichtungen entwickelten sich weiterhin getrennt. → es gab bis ins 19. Jahrhundert auch kein Schulfach Biologie, sondern: „Realienkunde“, „Naturkunde“
- Ursprüngliche Vermittlung biologischer Inhalte In Klosterschulen wurde naturwissenschaftliche Inhalte zunächst wörtlich aus antiken Werken (z.B. von Aristoteles oder Plinius) weiter vermittelt. Dann setzte sich zunehmend die Einsicht durch, dass antikes Wissen auch überprüft werden muss: → Albertus Magnus: „Es ist nicht Sache der Naturwissenschaften, das, was erzählt wird, einfach zu übernehmen, sondern man muss in den natürlichen Dingen nach Ursachen forschen.“ → Comenius: durch genaues Beobachten soll man Zusammenhänge erkennen; Aufnahme von Realien in den Schulunterricht
- Übersicht über geschichtliche Einflüsse auf den Biologieunterricht wörtliche Übermittlung aus antiken Werken Nützlichkeitsgedanke systematisch-morphologische Betrachtungsweise sinnig-gemüthafte Betrachtungsweise ökologische Betrachtungsweise funktionell-morphologische Betrachtungsweise Reformpädagogik und Arbeitsschulbewegung Nationalsozialismus und Nachkriegszeit Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten
- Nützlichkeitsgedanke → Ende 18. Jh: Einführung von naturwissenschaftlichem Unterricht in der Gothaischen Schulordnung: „Naturgeschichte-Unterricht“ → vorrangiges Ziel war die Vermittlung von nützlichem Wissen → die Vermittlung erfolgt rein lehrerzentriert durch entsprechende Lesetexte („Lesebuchunterricht“) Der Nützlichkeitsgedanke blieb lange bestehen → vor allem in Zeiten wirtschaftlicher Not (z.B. 1. und 2. WK und danach) stehen „gemeinnützige Kenntnisse“ im Mittelpunkt des Biologieunterrichts → man findet ihn auch heute noch: Schulgartenunterricht, z.B. Einteilung von Tieren in Schädlinge und Nützlinge, Einteilung von Pflanzen in Giftpflanzen und Heilpflanzen
- Systematisch-morphologische Betrachtungsweise Den Ausgangspunkt für diese Betrachtungsweise bildet Linné: Veröffentlichung der „Systema naturae“: Lebewesen wurden nach Art, Gattung, Familie etc. klassifiziert alle Lebewesen erhielten eine wissenschaftlichen Doppelnamen (binäre Nomenklatur). August Lüben: „Leitfaden zu einem methodischen Unterricht in der Naturgeschichte“ → Lebewesen ohne Problemstellung beschrieben → langweilig Eine solche beschreibend-aufzählende Vorgehensweise findet man noch für längere Zeit im Unterricht.
- Sinnig-gemüthafte Betrachtungsweise Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die teilweise sehr unwissenschaftliche und sogar falsche Naturauffassung von Dichtern und Schriftstellern auch in der Schule von Bedeutung. Ziel war wahrscheinlich, Interesse für die Natur zu wecken, indem man die Gefühle anspricht und sich von der Nüchternheit der systematisch-morphologischen Betrachtungsweise zu entfernen. → erzählende Lesestücke treten in den Vordergrund Formen der Vermenschlichung und Verniedlichung kann man noch bis in die 50er Jahre hinein finden z.B. bildliche Darstellung von Wiesenblumen als elfenhafte Wesen, Titel wie „Die Wohnungssuche der Waldtiere“, „Ameisen – eine unermüdliche Waldpolizei“...
- Ökologische Betrachtungsweise Die Anfänge der ökologischen Betrachtungsweise gehen auf Friedrich Junge zurück, wurden jedoch erst später in der Praxis wirksam: Junge wollte weg vom rein beschreibenden Verfahren und führte die Auseinandersetzung mit Lebensgemeinschaften ein. → Beziehungen (z.B. der Zusammenhang von Bau und Lebensweise der Organismen) wurden bedeutsam → wegweisendes Werk: „Der Dorfteich als Lebensgemeinschaft“ Außerdem forderte Junge die Aufstellung von insgesamt „8 Gesetzen des organischen Lebens“ (z.B. Gesetz der Arbeitsteilung, Gesetz der Sparsamkeit...) → Gesetze sind zwar nicht wissenschaftlich fundiert, aber die Auseinandersetzung mit Lebensgesetzlichkeiten nimmt seitdem einen größeren Platz im Biologieunterricht ein
- Funktionell-morphologische Betrachtungsweise 1896, Otto Schmeil: ist gegen alleiniges Beschreiben und Klassifizieren, lehnt aber auch die Lebensgemeinschaften als Leitprinzip ab. Bei seiner funktionell-morphologischen Betrachtungsweise sollen Bau und Lebensweise der Organismen und die Funktion von Organen in ursächliche Zusammenhänge gebracht werden. Wichtig ist ihm auch die originale Begegnung der Schüler mit den Naturobjekten und Eigentätigkeit der Schüler.
- Biologieunterricht zur Zeit der Reformpädagogik Die Reformpädagogik wehrt sich gegen überkommene Unterrichtsmethoden und setzt sich für eine Erziehung „vom Kinde her“ ein. Scherzer fordert in diesem Zusammenhang: gefühlsmäßiges Erfassen der Natur Unterricht muss weg vom Buch, hinaus in die lebendige Natur Ähnliche Forderungen gibt es auch in der Arbeitsschulbewegung nach Kerschensteiner: Arbeit am Naturobjekt soll im Vordergrund stehen Naturbeobachtungen, Experimente, Herbarien, Pflege von Pflanzen und Tieren... besondere Bedeutung: manuelle Arbeit in Schulgärten
- Biologie zur Zeit des Nationalsozialismus Biologie wird „Lebenskunde“ genannt. Wichtige Themen waren Genetik, Rassenkunde und Rassenhygiene. → familienfördernde Maßnahmen einerseits und „Ausmerzen kranken und minderwertigen Erbguts“ andererseits Auch Grundlagen von Haus-, Land- und Forstwirtschaft gehören zur biologischen Ausbildung. → Biologie hatte also einen hohen Stellenwert, was sich auch stundenmäßig ausdrückte Darwins Erkenntnisse wurden im Sinne eines Sozialdarwinismus missbraucht, die Menschen sollten glauben, dass der Einzelne wenig bedeutet, sondern dass allein das Fortbestehen der Gemeinschaft wesentlich sei.
- Biologieunterricht in der Zeit nach 1945 Neubesinnung, indem man an Bewährtes vor dem 2. Weltkrieg anknüpfte. Im Mittelpunkt pädagogisch-didaktischer Überlegungen steht nun die Theorie der Bildungsinhalte. → berühmte Namen der Epoche: Litt, Weniger, Klafki → im Biologieunterricht wurde an traditionellem Lehrgut festgehalten → GS: naturkundliche Themen werden in Heimatkunde behandelt → HS: Naturkunde → monografische Darstellungen von Tieren und Pflanzen werden nach Lebensräumen gegliedert → GY: Unterricht orientiert sich stärker an der Systematik von Pflanzen und Tieren
- Biologieunterricht in den 50er Jahren Seit den 50er Jahren wächst das Wissen in Biologie rasant, was die Stoffauswahl immer schwieriger macht. Vieles, was wichtig erschien konnte nicht mehr angesprochen werden. → Wagenschein: „Prinzip des Exemplarischen“ → Klafki: den Schülern sollen elementare Einsichten in allgemeine Gesetzmäßigkeiten vermittelt werden, damit sie sich so die Umwelt erschließen
- Biologieunterricht in den 60er und 70er Jahren 60er und 70er Jahre: Reformansätze im gesamten Bildungsbereich → Berufung des Deutschen Bildungsrats → Curriculumreform: Suche nach Begründungen für Auswahl und Struktur von Lernbereichen und Lernzielen → spezielle Forderung für den Biologieunterricht: der Biologieunterricht soll die Schüler dazu befähigen, jetzt und später im privaten und öffentlichen Bereich begründet und sinnvoll entscheiden zu können → Schlagworte für die Lehrstoffauswahl waren Fachgemäßheit (→ also Wissenschaftlichkeit) und Gegenwartsnähe (→ also Gesellschaftsbezug) → allgemeinbiologische Themen treten in den Vordergrund, „gesellschaftsrelevante Themen“ werden stärker berücksichtigt (z.B. Umweltschutz, Ernährungs- und Bevölkerungsprobleme, Sexualerziehung...) → GS: Heimatkunde wird zu Heimat- und Sachunterricht → in Volks- und Hauptschule wurde Naturkunde durch Biologie ersetzt → im GY wurden nun auch Inhalte vermittelt, die vorher erst in der Hochschule Thema waren Der Lehrplan sollte durch ein Curriculum ersetzt werden. Dazu gab es zwei unterschiedliche Konzepte: geschlossene Curricula: detaillierte Planungsunterlagen zur Organisation von Lernprozessen („vorgefertigter Unterricht“) → konnten sich nicht durchsetzen, da der Planungsaufwand enorm war und eine flexible Unterrichtsplanung unmöglich gemacht wurde offene Curricula: sind nach dem curricularen Regelkreis aufgebaut (siehe Bild unten), die Lehrer haben aber deutlich mehr methodischen Spielraum → Beispiel: Curriculare Lehrpläne in Bayern Der Begriff Lernziel gewann zunehmend an Bedeutung. Lernziele sind schon deswegen von Bedeutung, weil jeder Unterricht zielorientiert sein muss. Außerdem: Entwicklung des Spiralprinzips nach Bruner (siehe eigene Karte)
- Spiralprinzip nach Bruner --> Entwicklung in den 60er und 70er Jahren Die Wissensvermittlung richtet sich an der sprachlichen und kognitiven Entwicklung der Schüler aus → Die gleiche Thematik wird von Jahrgangsstufe zu Jahrgangsstufe fortschreitend auf immer höherem Komplexitätsniveau mehrmals aufgegriffen → es kommen immer konkretere Details dazu → das Abstraktionsniveau wird immer höher, → Ein systematischer Aufbau auf früheren Kenntnissen soll zu einem kontinuierlichen Lernprozess führen
- Biologieunterricht in den 80er und 90er Jahren Ende der 70er Jahre veränderte sich die Haltung gegenüber Schule und Erziehung. → Aspekt der Persönlichkeitsbildung tritt in den Vordergrund → stärkere Betonung der affektiven Seite von Unterrichtsgegenständen → Aufgabe des Biologieunterrichts ist „Natur erleben“ → es soll ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Orientierung am Schüler und Orientierung am Fach vorliegen In der Folge wurden die Lehrpläne knapper und den Lehrern wurden mehr Freiräume zugestanden. Inhaltliche Veränderungen im Biologieunterricht: → man versucht reformerische Ansätze mit traditionellen Themenkatalogen zu verbinden (z.B. allgemeinbiologische Aspekte werden mit Arten- und Formenkenntnissen verknüpft) → ökologische Themen spielen eine große Rolle → ethische Aspekte rücken in den Vordergrund (Umweltfragen, Biotechnologie) In den 90er Jahren spielen fächerübergreifende und fächerverbindende Bildungsaufgaben eine große Rolle. → Verknüpfungsmöglichkeiten zu anderen Fächern werden nun durch Querverweise im Lehrplan angegeben Problem: der Kooperationsaufwand der Lehrer einer Schule ist zu groß! → deswegen: naturwissenschaftliche Fächer werden an manchen Schulen zu einem Fächerverbund zusammengefasst, z.B. „PCB“ in der HS, „Natur und Technik“ im GY
- Aktuelle Tendenzen im BU Momentan wird daran gearbeitet, die Qualität des gesamten Schulsystems zu verbessern. Dazu werden verschiedene, zum Teil bundesweite, Maßnahmen ergriffen: SINUS (Programm der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung): Plädoyer für eine Strukturierung nach Verstehens- und Erschließungsfeldern und fächerübergreifendes Arbeiten SINUS-Transfer (Nachfolgeprogramm von Sinus): die Ergebnisse von SINUS sollen flächendeckend in Sek I genutzt werden und auf die GS übertragen werden Entwicklung von schulartspezifischen Bildungsstandards → es wird festgelegt, welche Kompetenzen die Schüler bis zu einer bestimmten Jahrgangsstufe erworben haben sollen neu entwickelte Lehrpläne unterliegen einer breiten Evaluation; Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung spielt eine Rolle Neuere Studien beweisen bereits erste Erfolge dieser Maßnahmen.
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- Übersicht über die geschichtliche Entwicklung Ursprung des Begriffes und "ursprünglicher" Biologieunterricht Nützlichkeitsgedanke systematisch-morphologische Betrachtungsweise sinnig-gemüthafte Betrachtungsweise ökologische Betrachtungsweise funktionell-morphologische Betrachtungsweise Reformpädagogik und Arbeitsschulbewegung 2. WK BU nach dem 2. WK 50er Jahre: Prinzip des Exemplarischen 60er und 70er Jahre: Bildungsreform, Spiralprinzip 80er und 90er Jahre: Persönlichkeitsbildung , Fächerverbindung aktuelle Tendenzen