Humanethologie (Fach) / Skript (Lektion)
In dieser Lektion befinden sich 76 Karteikarten
Wissenschaft über stammesgeschichtliches Verhalten des Menschen
Diese Lektion wurde von Friedi erstellt.
- Was ist Humanethologie? – Ethos = „Verhalten der Tiere“ (seit dem 20 Jhd.) – Ethologie = „Stammesgeschichtliches Verhalten“ – Human = „den Menschen betreffend“ – Untersuchung der Verhaltenssteuerung durch individuell oder phylogenetisch Erworbenes
- Humanethologische Methode a) Tier-Mensch-Vergleich b) Kulturen-Vergleich c) Untersuchung der Ontogenese d) Untersuchung sensorisch-deprivierter Menschen (Reizentzug) e) Interviews, Experimente, Physiologie.
- Tier-Mensch-Vergleich 1. Homologievergleich (Abstammungsähnlichkeiten) Lachen und Lächeln bei Affen (Primaten) und Menschen 2. Analogievergleich (Funktionsähnlichkeiten) Demutsgeste bei Wölfen, Enten, Hunden (Kopfknapp über dem Boden –von unten anschauen)
- Falsche Denkansätze über angeborene Verhaltensweisen/-Vorgaben 1. Es gibt immer ein „entweder oder“ zwischen angeboren und erlernt.2. Angeborenes ist nur bei „niedrigem“ Verhalten beteiligt.3. Angeborenes Verhalten ist nicht beeinflussbar.
- Beziehung von Entscheidungsfreiheit und Angeborenem 1. Die These „Biologisch bedingt bedeutet nicht entscheidungsfrei“ ist falsch.2. Freiheitsbeschränkung geschieht sowohl durch Angeborenes als auch durch individuellErlerntes.
- Strategien zum Erkennen phylogenetisch entwickelten Verhaltens 1. Vorhandensein in verwandten Arten.2. Vorkommen innerhalb der Art verbreitet.3. Frühes Auftreten in der Ontogenese, kulturunabhängige Reifung.
- Anpassungen im Lauf der Evolution – Gute und erfolgreiche Interaktion mit der Umwelt wird in den Genen weitergegeben. – Das Verhalten ist der Vorläufer, dann zieht das körperliche nach.Beispiel Primaten: Mutationen in der Folge des Lebens in Baumkronen 1. Greifextremitäten → abspreizbare Daumen → daraus entwickelte sich Werkzeugkultur.2. Präzise Tiefenwahrnehmung war notwendig → Nach vorne gerichtete Augen.3. Säuglingspflege: Wenige Junge → das Junge wird mit sehr engem Körperkontakt herumgetragen → Bedürfnis nah Körperkontakt
- Führen sehr Muße-intensives Leben. Kontakt zur Zivilisation hatte verheerende Auswirkungen → Alkohol, Krankheiten. Buschleute; Stämme in der Kalahari
- Familienverbände, Jäger, Feste, Tanz. Yanomami GrenzgebietVenezuela-Brasilien
- Enger Körperkontakt mit den Kindern, leben in Großfamilien. Eipo Papuas im BerglandWest-Neuguineas
- Leben in Dörfern als Rinderzüchter und Pflanzer. Himba Stamm in Namibia
- „Haben Zeit und Muße“, leben in Hütten in Dorfverbänden. Topriander Koralleninseln imSüdpazifik
- Evolutionsbiologische Perspektiven 1. Universale Perspektive (Universalienforschung): Bestimmte Eigenschaften haben alleMenschen auf der ganzen Welt (z.B. Eifersucht).• Manche sagen dies gäbe es nicht! (Humanethologie glaubt dies schon.)2. Kulturrelationismus: Unterschiede von Kultur zu Kultur (Sapir-Whorf Hypothese).• Welt ist nur durch bestimmte Kanäle anschaubar, die mir die Kultur öffnet.• Jede Kultur empfindet anders.3. Historische Perspektive: Erklärung von Gegenwart und Zukunft als Resultat der Adaptionan vergangene Umweltbedingungen.• Die Evolutionsbiologen versuchen die Gegenwart mit der Vergangenheit zu erklären.
- Höherentwicklung 1. Ablehnung von Soziologen. 2. Alle heute lebenden Organismen sind gleich weit von der Urzelle entfernt.3. Man kann nicht sagen, dass sich der Affe besser angepasst hat als die Möwe → jeder ist anseine Umwelt bestmöglich angepasst.4. Primitive Organismen haben sich mehr in Fortpflanzung entwickelt, höhere Organismen mehrauf das soziale Leben spezialisiert.5. Höhere Organismen brauchen länger bis zum Ende ihrer Entwicklung.6. Höhere Organismen brauchen auch mehr Vorentwicklung!7. Wahrnehmung/Prognosefähigkeit nimmt im Laufe der Evolution zu.
- Zeiträume der Menschheitsentwicklung – 20 Mill. Jahren – Menschenaffen– 10 Mill. Jahren – Orang Utans– 5 Mill. Jahren – Trennung Menschen Menschenaffen– Seit 500 000 Jahren Nachweis des Homo Sapiens– 400 000 Jahre, 16000 Generationen, steinzeitliche Jäger und Sammler– Vor 10 000 Jahren, 400 Generationen, Beginn Ackerbau und Viehzucht– Vor 500 Jahren, 20 Generationen, Entdeckung Amerikas durch Kolumbus – Vor 200 Jahren, 8 Generationen, Beginn des industriellen Zeitalters
- Spezies entwickeln sich und leben in artenspezifischen Nischen – Ökologische Nischen: Der Lebensraum.– Kognitive Nischen: Fähigkeiten (z.B. ultraschallhören der Fledermäuse, UV sehen beiInsekten).
-
- Mesokosmos des Menschen – In der Humanethologie bezeichnet in erster Linie die kognitive Nische des Menschen.– Ausschnitt der Welt, der mit evolutiv entstandenen Wahrnehmungs- und Erfahrungsstrukturenbewältigt wird (Orientierung in Raum und Zeit).– Wahrnehmbare Welt des Menschen ist von geringer Komplexität. – Vieles liegt außerhalb unserer sinnlichen Wahrnehmung– Im Bereich komplizierter (komplexer) Systeme tritt die Unzulänglichkeit der menschlichenFähigkeit – Überschreitung der Grenzen des Mesokosmos ist dem Menschen durch die Technik und durchdie Sprache möglich, allerdings fehlt auch hier oft das Verständnis für die Folgen.
- Stammesgeschichtliches Vorwissen – Hat besonders die phylogenetischen Selektionsdrucke als Ursache.– Anpassung an die kognitiven Nischen (Mesokosmos).– Aufnahme möglichst vieler relevanter Information und Weglassen von unwichtigem inkürzester Zeit, um Handlungsentscheidungen treffen zu können.
- Beispiele für angeborenes Vorwissen – Das Wissen um Bedeutungen: Größer werdende Schatten auf einer Projektionsleinwand,werden von Säuglingen, ohne Vorkenntnis, als Bedrohung empfunden und mit einerAbwehrhaltung beantwortet.– Ausführung von Bewegungsweisen: Ausdruck von Zorn und Freude sind beim Menschenund Affen gleich.– Lernvorgaben: Zucker und Fett sind selten → Essen.– Spezielle Appetenzhandlungen1
- Signale (Schlüsselreize) – Signale sind Strukturen oder Verhaltensweisen, die Aufmerksamkeit lenken.– In der Phylogenese2 (oder durch die Kultur) so verändert, dass sie möglichst auffällig sind.– Es gibt stammesgeschichtlich entwickelte Signale und kulturell entwickelte Signale.– Verhaltensweisen verschiedenen Ursprungs aber gleicher Funktion können einander ersetzen.– Auch Sprachliches und Nichtsprachliches sind austauschbar.
- Untersuchung des Kindchenschemas 1. Analyse des sozialen Signals2. Reagieren auf Attrappe: „niedliche“ Tiere, übernormale Attrappen.3. Tier-Mensch-Vergleich: Fellfarbe bei den Affe (Kindchenschema der Affen → Fell).4. Kulturen-Vergleich: Kleinkind ist überall Mittelpunkt sozialer Interaktion.5. Das soziale Signal und die kulturelle Evolution:6. Individuelle Variation des Reagierens: Alter, Geschlecht, Individualität, Befindlichkeit.7. Einsatz des Signals in sozialen Interaktionen: Kontext von Befriedung, Staatsbesuche mitKindern, Produktwerbung mit „niedlichem“ Kind.
- 1. Analyse des sozialen Signals a) Auslösende Reize des Senders: Merkmale am Kopf und Körper, Verhalten, (großesKöpfchen, Wangen).b) Wirkung auf Empfänger: Auslösung von Betreuungshandlungen, Aggressions-Hemmung.c) Selektionsdruck/Funktion: Kind frei beweglich in der Gruppe.
- 5. Das soziale Signal und die kulturelle Evolution: a) Signalveränderung: Puppenindustrie, Teddybär, Mickymaus (Mickymaus und Teddybärsahen früher mehr wie ein „Tier“ aus).b) Selektionsdruck: Publikumsgeschmack, Verkaufserfolg.
- Abschied 1. Ankündigung der kommenden Trennung.– Körperlich: Abstand zueinander wird vergrößert, körperliche Zuwendung verringert.– Verbal: Die kommende Trennung wird mit Begründung verbalisiert.– Nicht: "ich gehe jetzt", sondern: "Ich muss jetzt gehen, es ist schon spät".– Begründungszwang schon bei kleinen Kindern2. Bestätigung der Bindung zur Überbrückung der Trennung.– Körperlich: Man kommt sich sehr nahe, Berührungen (große emotionale Nähe).– Verbal: Gute Wünsche (als Geschenke). Aussicht auf ein nächstes – wenn auch noch sovages – Treffen: "wir sehen uns bald", "wir telephonieren miteinander".3. Wirkliches Auseinandergehen
- Signale der Rangordnung – Gefühle wenn man groß ist / sich groß macht, oder der andere klein ist / sich klein macht:– Freudig, kraftvoll, mutig, aggressiv, sich zeigen wollen, dominant sein wollen,beschützen wollen.– Man klein ist / sich klein macht oder der andere groß ist / sich groß macht:– ängstlich, mutlos, traurig, kraftlos, bedroht, submissiv sein wollen, Macht anerkennend,Schutz suchend, ehrfürchtig.
- Die Entwicklung des sozialen Schauens bei Kindern – Neugeborene wollen sofort schauen und orientieren sich nach der Stimme.– Mütter reagieren auf diesen Blick (emotional) sehr stark → Blickkontakt (Entfernung 25 cm).– Intuitives Elternverhalten diesen Blick zu suchen (René Spitz).– Kinder reagieren auch auf aufgemalte Augenpaare z.B. auf Luftballons.– Im 1. Monat lächeln die Kinder zurück und es spielt keine Rolle ob auf der Attrappe nur einAugenpaar aufgemalt ist oder ob es drei Paare sind.– Im 2. Monaten reagieren Kinder nur mehr bei einem Augenpaar auf der Attrappe.– Im 3. Monaten reagieren Kinder nicht mehr auf Attrappen.– Charakteristischer Verlauf der Intensität des Blickkontakts im 1. Lebensjahr.– Bis bis zum 3. Monat intensiver, dann nimmt er wieder ab.
- Blickvermeider – Kinder, die mit manchen Bezugspersonen (auch mit der Mutter) Blickkontakt verweigern.– Deutet auf eine Beziehungsstörung hin, die Ihre Ursache bereits in der Kindheit der Elternhaben kann → Übertragung auf nächste Generation.– Charakteristisch für unsicher gebundene Kinder → von Nachteil für die Entwicklung desKindes.– Geht auf schlechte, unsichere Wahrnehmung der Bedürfnisse des Kindes seitens der Mutterzurück.– Blickvermeider erzielen schlechteren Informationsgewinn aus der Umwelt.– Schwierig für längere Zeit ihre Aufmerksamkeit zu erhalten → weniger Lerneffekt.– Leicht zu vermeiden, wenn Interaktionsstörung früh erkannt und behandelt würde.
- Interaktionsstrategien – Verhaltensabläufe oder Handlungsschritte, durch die bestimmte Ziele in einer sozialenInteraktion erreicht werden sollen.– Oft unter Einsatz von stammesgeschichtlich entwickelten Signalen.– Keinesfalls immer bewusst gesteuert
- Beispiel „Schmollen“ für Interaktionstheorien – Kann dazu dienen Aggressionen abzublocken und freundliche Beziehungen zu erhalten.– Kann auch dazu dienen, unfreundliches Verhalten zu bestrafen, Kontakt herauszufordernund Zuwendung zu bewirken.
- Bestimmende Faktoren für Häufigkeit und Länge des Anschauens 1. Interesse (Orientierung, Exploration).2. Räumliche Nähe.3. Soziale Beziehung (Einladung zum Kontakt, Ausdruck von Vertrautheit, Ausdruck vonDominanz, Wunsch nach Kontaktvermeidung)4. Geschlecht (Frauen schauen mehr, Männer weniger)5. Psychische Befindlichkeit (Misstrauen, Angst, Spannungsreduktion, Neugier, Kontaktsuche)6. Steuerung verbaler Interaktion (mehr beim Zuhören und als Übernahmesignal des Dialogs)7. Kulturelle Regeln (Kontaktkulturen z.B. Südländer, Nicht-Kontaktkulturen z.B. Nordländer)
- Aspekte der menschlichen Geburt (W. Schiefenhövel) – Der Geburtsvorgang beim Menschen ist auf Grund der physiologischen Voraussetzungenschwieriger als bei den Vierbeinern.
- Geburt bei Tieren – Gesunde Tiere entbinden alleine (evtl. Delphine nicht).– Einfacher, kürzer.– Meistens Mehrlingsgeburten.– Plazenta wird aufgefressen.
-
- (Anatomische) Konsequenzen der Zweibeinigkeit 1. Gebogener Gebärkanal.2. Infolge der Aufrichtung auf zwei Beinen3 ist der Beckenbereich des Menschen starrer als beiVierbeinern. Der Beckenring muss die volle Last tragen und ist damit weniger dehnfähig.3. Die Wachstumskurve des kindlichen Schädels verläuft infolge der stark gestiegenenGehirnleistungen so, dass das Kind als physiologische Frühgeburt zur Welt kommen muss,da sonst das Köpfchen nicht mehr durch den Geburtskanal passen würde (Kopf gibt auchnach).4. Die Symphyse (Knorpelverbindungen der beiden Schambeine) gibt bei der Geburt nach5. Der Unterleib braucht eine große Öffnung und deren Verschluss (Damm)
- Probleme in der Schwangerschaft – Morgentliches Erbrechen: Zu viel und unkontrolliert gegessen (z.B. Essiggurken mitMarmelade) – nennt man auch Nausia („Pass auf was du isst“).– Verschiedene Essgelüste (Pica).– Gibt es aber in manchen (speziell Naturvölker) Kulturen nicht!
- Gebärschmerzen aus evolutionsbiologischer Sicht – Techniken der Schmerzreduktion – überhaupt Beeinflussung der Schmerz-Wahrnehmung – sindaus Sicht der Humanethologie problematisch.– Zu wenig Wissen über evolutionären Selektionsmechanismen die dazu geführt haben, dass beimMenschen (trotz seiner schwierigen Geburtsbedingungen) keine hohen Pathologieratenerkennbar sind.– Es erscheint sinnvoller, bei normalem Geburtsverlauf, der Selbststeuerung des GebärvorgangsRaum zu geben.– Glückszustände die nach der Geburt auftreten, werden durch den Einsatz vonSchmerzbekämpfungsmitteln unterbunden. Diese sind jedoch für die Mutter-Kind-Beziehungvorteilhaft. Körpereigene Schmerzregulierung durch Endorphine und die glückserzeugendeWirkung des Wehenhormons Oxytocin beeinflussen die Gemütsverfassung der Gebärendenpositiv. Gut für das „Bonding“ und die Bereitschaft das Kind anzunehmen.– Oxytocin beschleunigt 1. Geburt → 2. und 3. verlängern sich.– Ohne Oxytocin dauert 1. Geburt länger, danach kürzer (bis zur 6 Geburt, dann dauert es wiederlänger).
- Postnatale Probleme – Dyspharia (Missstimmung)– Post partum blues (Heultage): Betrifft ca. 50 – 80% aller Frauen, beginnt am 2. Tag nach derEndbindung und dauert ein paar Tage.– Post natale/partale Depression: Betrifft ca. 10% aller Frauen. Ähnlich psychologischerDepression und beginnt ca. 2 Wochen nach der Geburt – kann sehr lange dauern.– Fehler der Neuanpassung an Lebensumstände für die wir entwickelt worden sind.– Evtl. wegen mangelnder Seklusion4 → Kein Schutz vor der Umwelt, keine Zeit und keinRaum, damit sie sich kennenlernen.
- Gründe für solche Erscheinungen – Hormonschwankungen (von Medizinern vermutet), weil sich alles neu einstellen muss(Endakriniium).– Erwartungshaltung in die Zukunft.– Unsicherheit in der Zukunft, Erwartung an soziale Unterstützung.– Veränderte Selbstwahrnehmung: Kind hat sich „gelöst“ – Schwangerschaft war sehr schönfür die Mutter.– Unsicherheit über Mutterrolle.– Frau hat während des Stillens keine/nicht so viel Lust auf Sex. (Schutz vor Freßfallen, Bowlby).– Erneute Schwangerschaft könnte zu Unterernährung des Erstgeborenen führen.
- Geburt am Modell Neuguinea – Einwohner Papua, beobachtetes Volk ist der Stamm der „Eipo“.– Kulturkreis der „Nek“ (Wasserleute) – ein Volk in der Steinzeit: keine Metalle, keine Schrift,kein Rad.– Eine isoliert entstandene Kultur in einer feindlichen Umwelt → Fehler haben schnell schwereKonsequenzen. Der Anpassungsprozess muss also sehr schnell sehr gut gelingen.
- Rahmenbedingungen (Geburt am Modell Neuguinea) – Menarche (1. Regel) findet erst sehr spät statt, mit ca. 18 Jahren.– Geschlechtsreife der Frauen hängt stark von der Umwelt ab. Die Menopause tritt jedochbei allen Frauen im Alter von ca. 45 Jahren ein.– Schwangerschaft bei diesem Volk hat nichts von einer Krankheit → Schwangere bleiben imnormalen System integriert, nehmen sich aber Freiheiten (wie längeren Schlaf undRuhepausen).
- Geburtsumstände (Geburt am Modell Neuguinea) – Die Geburten finden meist in der Nacht statt.– Die Frauen wollen ihre Kinder nicht alleine und auf freiem Feld gebären, sondern inGesellschaft.– Mädchen dürfen dabei sein, helfen und zuschauen.– Jungen dürfen nur bis zum circa 15. Lebensjahr dabei sein, Männer überhaupt nicht(ausgenommen sie sind Heiler).
- Geburts-begleitende Rechte (Geburt am Modell Neuguinea) – Bis zum Abnabeln haben die Frauen das Recht die Kinder abzulehnen.– Gründe dafür sind Missbildungen oder der Umstand „schon“ das dritte Mädchen zubekommen.– Männer haben bei dieser Entscheidung nur in Ausnahmefällen ein Mitspracherecht.– Abgelehnte Kinder müssen sterben → Adoption gibt es nicht.
- Geburtsvorgang (Geburt am Modell Neuguinea) – Während der Wehen und der Geburt dürfen sich die Frauen verhalten wie es ihnen richtigerscheint (Schlafen, was auch immer). Erfahrene Frauen sind aber dabei und helfen.– Es gibt verschiedene Möglichkeiten durch Einnahme von bestimmten Körperpositionen dieGeburt günstig zu beeinflussen (z.B. die Knie-Ellenbogen-Lage, um die Position des Kindeszu verbessern).– Es gibt keine Gelbsucht bei den Neugeborenen!
- Vorteile der vertikalen Geburtsstellung – Kulturen-Vergleich zeigt, dass die vertikale Gebärstellung am weitesten verbreitet ist.– Auffindbar bei Völkern, die sich Jahrtausende ohne äußere Einflüsse entwickelten.– Sehr günstige Stellung, weil sie sich unter widrigen Bedingungen entwickelt und dies zweifelloszu dem Zweck, das Überleben eines Volkes bestmöglich abzusichern.– Die Schwerkraft hilft bei der Geburt mit.– Günstige Verhältnisse für den Blutkreislauf, keine Absperrung der unteren Hohlvene.– Beckenring ist besser erweitert wenn die Beine belastet sind.– Werdende Mutter kann Haltung besser bestimmen → günstiger für die Schmerzbewältigung.– Es fließt mehr Blut von der Plazenta zum Kind zurück.– Bessere Eigenwahrnehmung als in der Horizontalen.
- Evolutionsbiologische und ethnomedizinische Postulate an die Geburtshilfe 1. Der Wunsch nach einer human gestalteten, autark vollzogenen und bewusst erlebten Geburt istlegitim.2. Die biokybernetischen Regelmechanismen, die die normale Geburt steuern, sind das Produkteiner langen Evolution und damit optimal angepasst → Eingriffe sind Störungen derEigensteuerung.3. Vertikale Gebärhaltungen haben klare Vorteile.4. Durch schmerzgesteuerte Verhaltensänderungen sind die Gebärenden in der Lage, selbständiggünstige Gebärpositionen zu finden.5. Es bestehen biopsychologische Zusammenhänge zwischen Territorium und Geburt → dieGebärende muss sich „heimisch“ fühlen.6. Archaische Weisen der Bekämpfung von Schmerz und Angst sind physiologisch und daher imNormalfall techno-medizinischen und pharmakologischen Eingriffen vorzuziehen.7. Die Hauptbezugsperson (im Regelfall die Hebamme) muss die Geburt von Anfang bis Endebetreuen → kein „Schichtwechsel“ unter der Geburt.8. Sind die Ehemänner/Partner die idealen Laienbetreuer? Wünschenswert wäre die Anwesenheiteiner geburtserfahrenen Vertrauten und einer geburtsunerfahrenen jungen Frau (Lerneffekt).9. Das plötzliche Ende des Wehen- und Durchtrittsschmerzes hat möglicherweise eine wichtigepsychophysiologische Funktion– Starke positive Emotionen (Folge der Ausschüttung von Oxytocin, Endorphinen undanderen Neuropeptiden) unterstützen das erste „Bonding“.10. Frauen, die sich für natürliches Gebären entscheiden, müssen und werden sicherlich auch mehrVerantwortung übernehmen.
- 10. Frauen, die sich für natürliches Gebären entscheiden, müssen und werden sicherlich auch mehr Verantwortung übernehmen. – Vormilch (Kolostum) ist sehr reich an Fett und Protein → viele gute Sachen drin → Trinken lassen.– Stillende Mütter können nicht schwanger werden, solange sie Tag und Nacht stillen.– Optimaler Zeitpunkt für das nächste Kind wäre nach drei Jahren (von der Geburt an).
- Bindung und Sozialisation in traditionalen Kulturen – Viel Körperkontakt, Kind-gesteuertes Stillen und Zuwendeverhalten → generell Eingehen aufdie kindlichen Bedürfnisse.– Erziehungsstil zunächst permissiv, kontinuierlich leitender und restriktiver.– Kind ist Drehscheibe sozialer Interaktionen → Kind ist dort, wo die Stimuli sind.– Ausbildung der sicheren Basis → die Lösung wird dadurch erleichtert.– Nach dem Abstillen im Alter von ca. 2-3 Jahren („2. Abnabelung“) ist das Kind wesentlichweiter in der Spielgruppe sozialisiert (begünstigt durch inhomogene Altersschichtung).– Spiel nahezu ohne Spielzeug.– Übernahme geschlechtstypischer Rollen.– Kinder- und Erwachsenenwelt sind räumlich und inhaltlich wenig getrennt.– Informelles Lernen durch Dabeisein und Imitation.– Zunehmend Übernehmen von wichtigen Aufgaben und Rollen im Alltag und in besonderenSituationen (ausgezeichnete Kenntnisse und Fertigkeiten).– Lernen, mit Gefahr umzugehen.– Initiationsriten (vor allem bei Jungen) als Phase formeller Instruktion.– Weitgehendes Fehlen des Generationenkonfliktes.
- Chemische Kommunikation – Olfaktorische Kommunikation (Riechen) – Körperhaare in diesen Regionen haben vergrößerte Oberflächen durch gekräuselte Strukturen →gute Abgabe der Geruchssignale– Haare bieten auch Platz für verschiedene Bakterienarten, die in ihrem Wirken mitverantwortlichsind für den individuellen Geruch.– Kinder finden die Milchdrüsen der Mutter über den Geruch der mamilären Duftdrüsen besser.– Für uns Menschen ist die olfaktorische Kommunikation noch sehr wichtig, besonders imsexuellen Kontext. Eine neue Hypothese vermutet einen Zusammenhang zwischen Geruch undImmunsystem, der die Auswahl des Sexualpartners erleichtert und zu bestmöglichenBedingungen für die Nachkommen beiträgt.– Wichtige Funktionen hat der Körpergeruch im Zusammenhang mit Sympathie/Antipathie undder Sexualität. Eine nicht gesicherte These sieht eine besonders große Anfälligkeit der Frauenfür den männlichen Geruchsstoff Androstenon in der Zeit kurz vor dem Eisprung.– Der moderne Mensch ist ohne großen Aufwand fähig, mit Hilfe von Parfums und andererSubstanzen seinen eigenen Körpergeruch zu unterdrücken und gleichzeitig den Sexualgeruchvon außen wieder zuzuführen.
- Taktile Kommunikation / Kommunikation über den Tastsinn – Haptisch veranlagte Menschen neigen dazu, Kontakte über den Tastsinn (Anfassen)aufzunehmen.– In Mitteleuropa hat sich die taktile Kommunikation unter Erwachsenen in den letzten Jahrenstark gewandelt. Berühren von Freunden und Bekannten, Umarmen und Küssen auf Wange oderMund haben sich schon weitgehend durchgesetzt.– Einen wichtigen Aspekt liefert die soziale Haar- und Hautpflege, besonders in den Ländern derDritten Welt. Das Entfernen von Läusen beispielsweise ist Teil eines spezifischen MotivationsundErlebniskomplexes den wir offenbar mit den Affen teilen.– Dorothea Strecke hat 1991 mit Hilfe von Versuchen mit Affen nachgewiesen, dass imGehirn produzierte Beta-Endorphine ganz wesentlich zur Steuerung der sozialen Hautpflegebeitragen, außerdem bei Schmerzen freigesetzt werden und Teil des körpereigenenBelohnungssystems ist.– Beim gelausten Tier kommt es zu einer Senkung von Herzfrequenz und Blutdruck, alsoeiner psychophysischen Entspannung. Frau Strecke konnte 1991 nachweisen, dass eineleichte Rückenmassage bei Patienten einer Intensivstation ebenfalls einen entspannenden,beruhigenden Effekt hatte.
- Akustische Kommunikation: Evolution und Sprache – Schiefenhövel stellt drei Hypothesen über die Entwicklung und Funktion unserer Sprache vor.– Er erteilt den Thesen der Sprachdeterministen Sapir & Whorf eine 100%ige Absage.– Außerdem weist er sofort auf einen offensichtlichen Widerspruch hin: Warum sollte diegemeinsame Jagd unserer Vorfahren einen so großen Selektionsdruck ausgeübt haben, wo dochgerade bei einer Jagd möglichst wenig gesprochen wird und ein Jäger vom anderen genau weißwas er denkt und was er als nächstes tut?– Erst durch eine Sprache wurde es möglich, Informationen über die einzelnen Gruppenmitgliederaufzunehmen und zu speichern → der Einzelne kann Reaktion der anderen antizipieren.– Hypothese 3 stammt von Thomas Sebeok (1985).– Sprache ist danach erst sekundär entstanden, nachdem die Umwelt mental repräsentiert war,sozusagen als Nebeneffekt der kognitiven Bewältigung der Umwelt. Als Argument dieserprovokanten Ansicht führt Sebeok die Tatsache der nonverbalen Kommunikation fürwichtige Inhalte an.
- Sonderfall: Pfeifsprachen – Pfeifsprachen entwickelten sich sekundär in Gebirgen unter anderem in Mexiko, aufGomera und in den Pyrenäen und stellen eine Art Imitation der wirklichen Sprache dar.– Ähnlich verhält es sich mit dem Jodeln in vielen Bergregionen der Erde, das wie diePfeifsprachen auch der Nachrichten-Übermittlung dient.
-
