Europarecht (Fach) / Kurseinheit 1 (Lektion)
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Warenverkehrsfreiheit Vertragsverletzungsverfahren
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- Gibt es für die Zuweisung des Rechtsweges zum Gerichtshof der EU nach dem AEU-Vertrag eine Generalklausel? Der AEU-Vertrag enthält keine den Rechtsweg eröffnende Generalklausel, sondern einen enumerativen Katalog von Einzelzuständigkeiten. Es gilt das Prinzip der Spezialzuständigkeit.
- Welche Klagemöglichkeit steht der Kommission bzw. jedem Mitgliedstaat zur Verfügung, wenn nach ihrer Auffassung ein Mitgliedstaat gegen EU-Recht verstoßen hat? Nach Art. 258, 259 AEU kann der EuGH im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens angerufen werden.
- Welche Rechtsnatur hat die Klage im Vertragsverletzungsverfahren? Es handelt sich um eine Feststellungsklage.
- Angenommen, die Kommission klagt wegen Vertragsverletzung durch einen Mitgliedstaat: Was muss die Kommission zunächst veranlassen, um das Vertragsverletzungsverfahren beim EuGH zulässig anhängig machen zu können? Zunächst muss die Kommission dem Mitgliedstaat mitteilen, welches staatliche Handeln nach ihrer Auffassung gegen welche Rechtsnorm verstößt und diesen zu den Vorwürfen anhören (erstes Mahnschreiben). Hält die Kommission an ihrer Auffassung fest, muss sie eine mit Gründen versehene Stellungnahme abgeben, aus der sich die konkreten Vorwürfe ergeben (begründete Stellungnahme). Nach fruchtlosem Ablauf der darin gesetzten Frist ist der Weg zum EuGH frei.
- Kann die sog. begründete Stellungnahme gesondert angefochten werden? Die Stellungnahme kann nicht gesondert angefochten werden. Sie ist nur Klagevoraussetzung.
- Wie muss sich der Mitgliedstaat verhalten, damit eine Klage der Kommission zulässig ist? Ausreichend ist, dass sich der Mitgliedstaat innerhalb der Frist gar nicht äußert und das gerügte Verhalten nach Ablauf der Frist weiter praktiziert.
- Führt eine Erfüllung der Kommissionsanforderungen durch den Staat nach Fristablauf zum Wegfall des Klageinteresses? Die Erfüllung der Kommissionsanforderungen nach Fristablauf steht der Zulässigkeit des Vertragsverletzungsverfahrens nicht entgegen: Wiederholungsgefahr, Präjudizinteresse, besonderes objektives Interesse.
- Muss die Kommission geltend machen in ihren Rechten verletzt zu sein? Nein, es handelt sich um ein objektives Beanstandungsverfahren.
- Ist die Kommission berechtigt oder verpflichtet den EuGH anzurufen, wenn nach ihrer Auffassung ein Mitgliedstaat EU-Recht verletzt? Nach zT vertretener Ansicht ist die Kommission gem. Art. 17 I 3 EUV grds. verpflichtet, den EuGH anzurufen. Der EuGH verneint die Verpflichtung dazu unter Hinweis auf den Wortlaut des Art. 258 II AEUV: "Nach Auffassung", "kann" (=Ermessensentscheidung).
- Wann ist die Klage wegen Vertragsverletzung begründet? Wenn der Mitgliedstaat EU-Recht nicht oder falsch anwendet, insbesondere Handlungspflichten nicht erfüllt oder Unterlassungspflichten zuwider handelt.
- Sind bei der Beurteilung der Vertragsverletzung nur die Normen der Verträge oder auch die auf sie gestützten Rechtsakte zu berücksichtigen? Es sind auch die auf die Verträge gestützten Rechtsakte (VO, RL, Beschlüsse) Prüfungsmaßstab im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens gem. Art. 258 AEUV.
- Das Verhalten welcher Stellen muss sich der Mitgliedstaat zurechnen lassen? Der Mitgliedstaat muss sich das Verhalten aller seiner Organe zurechnen lassen (Bund, Länder, Anstalten, Stiftungen und Körperschaften des öff. Rechts, Gerichte).
- Für welche Waren gelten die Vorschriften über den freien Warenverkehr? Nur für EU-Waren iSv Art. 28 II AEUV.
- Was bedeutet eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung? Jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (sog. Dassonville-Formel).
- Setzt der Begriff der "Maßnahme gleicher Wirkung" voraus, dass eine Vorschrift nur für ausländische Waren gilt? Der Begriff setzt nicht voraus, dass eine Vorschrift ausdrücklich nur ausländische Waren betrifft (formale Diskriminierung). Es genügt, dass das Handelshemmnis einer typischen einheimischen Erzeugung zugute kommen kann (versteckte Diskriminierung).
- Welche "Rechtfertigungsgründe" lassen sich im Rahmen der Cassis-Formel geltend machen? Es müssen - ähnlich wie die in Art. 36 AEUV genannten Gründe - Gründe nicht wirtschafttlicher Art sein.
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- Unter welchen weiteren Voraussetzungen kommt nach der Cassis-Formel eine "Rechtfertigung" in Betracht? Eine Rechtfertigung nach der Cassis-Formel kommt nur in Betracht, wenn die beschränkende nationale Regelung unterschiedslos für einheimische wie für eingeführte Erzeugnisse gilt und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck steht (Verhältnismäßigkeit)
- Wie lautet das Urteil des EuGH, wenn es im Vertragsverletzungsverfahren zu einer Verurteilung des Mitgliedstaates kommt? Der EuGH kann weder die beanstandete Regelung aufheben noch den Mitgliedstaat zur Aufhebung verurteilen. Er spricht ein Feststellungsurteil dahingehend aus, dass die konkrete Maßnahme gegen EU-Recht verstößt.