Europarecht (Fach) / Aktuelles (Lektion)
In dieser Lektion befinden sich 5 Karteikarten
Aktuelles
Diese Lektion wurde von Mochi erstellt.
Diese Lektion ist leider nicht zum lernen freigegeben.
- Welcher Sachverhalt lag dem ESM-Urteil zu Grunde? Sachverhalt: Die Rettungspolitik in der Euro-Krise besteht im Wesentlichen aus der Gewährung von Krediten an die Mitgliedstaaten, die an den Finanzmärkten nicht mehr zu bezahlbaren Zinsen Finanzmittel aufnehmen können und denen daher ein ungeordneter "Staatsbankrott" droht. Die Darlehen wurden bislang zunächst von den Mitgliedstaaten direkt und dann von der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) gewährt. Zukünftig soll die Kreditgeberrolle der dauerhafte Europäische Finanzstabilitätsmechanismus (ESM) übernehmen, der auf Grundlage eines völkerrechtlichen Vertrages im Oktober 2012 errichtet worden ist. Jegliche Kreditgewährung geschieht unter strengen wirtschaftspolitischen Auflagen. Diese sollen sicherstellen, dass der betroffene Mitgliedstaat finanzpolitisch wieder auf solideren Kurs zurückfindet.
- Welche Fragen wurdem dem EuGH im ESM-Verfahren vorgelegt? Wie hat er diese beantwortet? Durften die MS einen völkerrechtlichen Vertrag schließen? Fällt der ESM-Vertrag nicht in die Währungspolitik und damit in die ausschließliche Kompetenz der EU, sodass die MS keine völkerrechtlichen Verträge mehr schließen könnten? - Zutreffend stellt der Gerichtshof fest, dass die Rettungspolitik keine Währungspolitik darstellt. Die Währungspolitik verfolge nämlich Preisstabilität als oberstes Ziel, während der ESM der Stabilität der Währungsunion diene und sich nur mittelbar auf die Preisstabilität auswirke. Der ESM sei ein Instrument der Wirtschaftspolitik, für welche die EU gerade keine ausschließliche Kompetenz besitzt und das über seine Spar- und Reformauflagen für die Empfängerländer die Zuständigkeit der EU bei der Koordinierung der Wirtschaftspolitik nicht schmälere (Art. 5 Abs. 1 AEUV). -Die Mitgliedstaaten dürfen dementsprechend untereinander auch völkerrechtliche Verträge schließen, soweit diese die Regeln der EU nicht beeinträchtigen. Durften der Rat im einfachen Vertragsänderungsverfahren nach Art. 48 VI EUV einen Beschluss zur Änderung des Art. 136 AEUV fassen?- Das einfache Vertragsänderungsverfahren wäre nicht zulässig gewesen, wenn diese Änderung des Art. 136 AEUV eine Kompetenz der Union selbst berührt hätte oder der Union eine Zuständigkeit übertragen hätte, also eine Kompetenz der Union erweitert oder beschränkt.- Da die Regelungen des ESM unter die Wirtschaftspolitik nach Art. 5 I AEUV fallen durfte der Europäische Rat im vereinfachten Vertragsänderungsverfahren nach Art. 48 IV EUV die Vorschrift des Art. 136 AEUV um einen neuen Abs. 3 ergänzen, welcher die Errichtung des ESM durch die Mitgliedstaaten der Eurozone ausdrücklich vorsieht (Beschl. 2011/199)- Da ein solcher Mechanismus wie der ESM bisher nicht vorgesehen war, noch der EU eine Zuständigkeit übertragen wird, sondern im Gegenteil die Zuständigkeit der MS durch den neuen Abs. III festgestellt wird, ist das einfache Zulässigkeitsverfahren nach Art. 48 VI EUV zulässig. Dürfen Euromitglieder Kredite gewährt werden, obwohl Art. 125 I AEUV eine automatische Haftung der MS untereinander sowie eine Schuldübernahme ausschließt, um die haushaltspolitische Eigenverantwortlichkeit sicherzustellen? Durfte die Union Zahlungen leisten, denn für diese braucht sie eine Kompetenzgrundlage?--> War die Vertragsänderung des Art. 136 AEUV erforderlich, um eine Ausnahme des Art. 125 AEUV zu kreieren? Denn dann wäre implizit die Rechtswidrigkeit der Rettungspolitik bis zur Einführung dieser Vorschrift, d.h. der Griechenlandhilfen und der EFSF-Darlehen festgestellt.- Aus Art. 125 AEUV wollen einzelne Stimmen ein grundsätzliches Verbot jeglicher finanziellen Unterstützung innerhalb der Eurozone herleiten. - Sinn und Zweck: Der Sinn dieser Vorschrift besteht darin, alle Formen des finanziellen Einstehenmüssens der Euro-Mitglieder füreinander auszuschließen. Die Betonung dabei liegt aber auf dem Wort "müssen". Gläubiger von Euro-Staaten sollen wissen, dass sie im Falle eines Forderungsausfalls keinen anderen Staat der Eurozone haftbar machen können.--> Würden auch freiwillige Beistandsleistungen von Art. 125 AEUV erfasst werden, würde dies bedeuten, dass etwa Deutschland jedem Staat der Welt nach freiem politischem Ermessen Kredite und andere finanzielle Hilfen gewähren könnte – nur nicht denjenigen Partnern, mit denen es am engsten verbunden ist und von deren Wohlergehen es am meisten abhängt.- Vergleich mit Art. 122 II AEUV ermöglicht auch finanziellen Beistand,--> im Vergleich hätte Art. 125 AEUV klarer als Ausnahme deklariert hätte werden müssen--> Konpetenzgrundlage für EU, wenn anwendbar: Auf eine Einschränkung auf unverschuldet oder höhere Gewalt hat man bei der Formulierung von Art. 122 II AEUV verzichtet. Die Einschätzung der Lage und der Notwendigkeit eines Beistands bleibt daher mit guten Gründen bei den politischen Organen der Union.- Vergleich zu Art. 123, in dem von einem „Verbot“ die Sprache ist, historisch: 125 beruht auf Artikel von Maastricht, der sicherstellen sollte, dass ein Staat dennoch einen Anreiz hat, aber hier geht um die Stabilität des gesamten Bereiches, außerdem keine Haftung sondern Bürge-Die Funktion der Vorschrift, sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten auf eine solide Haushaltspolitik achten, werde durch derartige Kredite nicht beeinträchtigt. - Sämtliche Streithelfer waren sich einig, dass der neue Art. 136 III AEUV lediglich deklaratorischen Charakter habe: Für die Errichtung des ESM sei im Prinzip gar keine Rechtsgrundlage erforderlich, da es sich um Kompetenzen handele, welche die Mitgliedstaaten ohnehin innehaben.
- Welche Fragen ist nach dem ESM-Urteil noch offen geblieben? Wann wird mit einer Entscheidung dazu gerechnet? Wie wird der EuGH warscheinlich entscheiden? Offen ist hingegen noch die Frage, ob die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihren Anleihekäufen das Europarecht verletzt. Er dürfte dazu aber voraussichtlich im nächsten Jahr Gelegenheit erhalten. Auch insoweit sprechen die überzeugenderen Argumente allerdings dafür, dass die EZB das Europarecht nicht bricht. - Hinsichtlich des Verhaltens der Europäischen Zentralbank ist Art. 123 AEUV zu beachten, der ein Verbot der Finanzierung mitgliedstaatlicher Haushalte durch die EZB statuiert. Dazu werden direkte Zentralbankkredite ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln, das heißt Staatsanleihen. - Die EZB umgeht dieses Verbot zur Zeit, indem sie die Anleihen der betroffenen Staaten nicht direkt von den öffentlichen Emittenten übernimmt, sondern mittelbar am Kapitalmarkt erwirbt.--> Auch hierfür gilt jedoch: Das Wort "unmittelbar" ist bewusst in Art. 123 AEUV aufgenommen worden, um der Zentralbank eine Offenmarktpolitik ohne größere Begrenzungen zu ermöglichen. Man kann es nicht nachträglich im Wege der Interpretation wieder aus dem Vertrag streichen. Außerdem ist der entstandene Streit über die Zulässigkeit von Organleihen von EU-Organen entstanden--> muss einer Organleihe ein einstimmiger Beschluss aller MS vorliegen (GB)?--> hier nicht relevant, da einstimmiger Beschluss vorliegt
- Wie war der Hintergrund der zum Verfahren führte? Thomas Pringles klagte gegen die irische Ratifikation des ESM vor dem irischen Supreme Court sorgte dafür, dass der dauerhafte „Rettungsschirm“ auch als Vorabentscheidung den Weg nach Luxemburg fand. Alle 27 Richter - sehr selten - fanden sich ein Die beklagte irische Regierung erhielt außerdem Unterstützung von einem ganzen Dutzend Streithelfer: neun Mitgliedstaaten, der Europäischen Rat, das Europäische Parlament sowie die Kommission präsentierten ihre Plädoyers zu Gunsten des ESM
- Wie hat das BVerfG über den ESM/Fiskalpakt entschieden? Die Verfassungsrichter des Zweiten Senats haben die Anträge als "überwiegend unbegründet" zurückgewiesen. "Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Anträge mit der Maßgabe abgelehnt, dass eine Ratifizierung des ESM-Vertrages nur zulässig ist, wenn völkerrechtlich sichergestellt wird, dass 1. durch die in Art. 8 Abs. 5 Satz 1 des ESM-Vertrages (ESMV) geregelte Haftungsbeschränkung sämtliche Zahlungsverpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus diesem Vertrag der Höhe nach auf ihren Anteil am genehmigten Stammkapital des ESM (190.024.800.000 Euro) begrenzt sind und keine Vorschrift dieses Vertrages so ausgelegt werden darf, dass für die Bundesrepublik Deutschland ohne Zustimmung des deutschen Vertreters in den Gremien des ESM höhere Zahlungsverpflichtungen begründet werden,2. die Regelungen des ESM-Vertrages über die Unverletzlichkeit der Unterlagen des ESM (Art. 32 Abs. 5, Art. 35 Abs. 1 ESMV) und die berufliche Schweigepflicht aller für den ESM tätigen Personen (Art. 34 ESMV) einer umfassenden Unterrichtung des Bundestages und des Bundesrates nicht entgegenstehen. Die Bundesrepublik Deutschland muss zum Ausdruck bringen, dass sie an den ESM-Vertrag insgesamt nicht gebunden sein will, falls sich die von ihr geltend zu machenden Vorbehalte als unwirksam erweisen sollten." Das Bundesverfassungsgericht definierte mit Blick auf die Europäische Zentralbank eine weitere Auflage. Der ESM könne nicht "zum Vehikel einer verfassungswidrigen Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank" werden. Eine Aufnahme von Kapital durch den ESM bei der Europäischen Zentralbank wäre mit dem in den EU-Veträgen festgeschriebenen Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung nicht vereinbar. "Auch eine Hinterlegung von Staatsanleihen durch den ESM bei der Europäischen Zentralbank als Sicherheit für Kredite würde gegen das Verbot unmittelbaren Erwerbs von Schuldtiteln öffentlicher Stellen verstoßen", stellte das Gericht klar. Es sei dabei irrelevant, ob es um eine Übernahme von Schuldtiteln direkt vom öffentlichen Emittenten am Primärmarkt oder nach dem Zwischenerwerb durch den ESM um einen Erwerb am Sekundärmarkt handele.Die Verfassungsrichter machten deutlich, dass sie in laufenden Verfahren nicht geprüft hätten, ob der EZB-Beschluss vom 6. September über den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen finanzschwacher Euro-Staaten (EZB-Bazooka) diesen rechtlichen Vorgaben entspricht.