Strafrecht (Fach) / Jugendstraf-/prozessrecht (Lektion)

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JStG und JStPO

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  • Wie wurden Strafmilderungen für Jugendliche in früheren Rechtsordnungen (19. Jhd.) begründet? Mit Unreife und damit mit einer verminderten Zurechnungsfähigkeit. (Erst im 20. Jhd. kamen Forderungen nach einem eigenständigen Sanktionenrecht durch.)
  • Wie hat sich das JStR bis zum 20. Jhd. entwickelt (Vorgeschichte)? Wie wurde die Strafmündigkeit behandelt? 1532 wurde in Carolina die Strafmündigkeit für Diebe auf 14. Jahre gesetzt. Im gemeinen Recht bis Ende d. 18. Jhd. hat sich die Schuldfähigkeit aus drei Kriterien zusammengesetz: a) Infantes bis 7 J. sind nicht schuldfähig, b) Impuberes (8-13 J.) werden je nach ihrem Reifegrad und Einsicht in die Tat wie infantes oder minores behandelt, c) Minores (14-25 J.) werden wie Erwachsen mit fakult. Strafmilderung behandelt. 1810 hängte Frankreich mit dem Code Pénal die Strafmündigkeit auf 16 J.; darunter hängt die Strafmündigkeit vom intellektueller Unterscheidungsvermögen von Recht und Unrecht ab). In den Schweizer Kantone im 19. Jhd. bestand grosse Zersplitterung. Mehrheitliche wurde die Strafmündigkeit auf 12 J. gesetzt.
  • Seit dem 20. Jhd. hat sich eine selbständiges JStR entwickelt, wer war für diese Entwicklung zuständig? Die Jugendgerichtsbewegung seit Ende d. 19. Jhd: Sie forderte ein selbständiges Jugendstrafrecht mit eigenständigem Verfahren und getrenntem Vollzug.
  • Welches waren die Gründe für eine strafrechtliche Anknüpfung und nicht das Jugendwohlfahrtsmodell (knüpft auch an ZGB)? Man wollte Unterschied zw. strafbarem Verhalten u. anderen abweichenden Verhaltensweisen verdeutlichen-->damit sollte das Bewusstsein der Jugendl. f. d. besondere Bedeutung strafrechtl. geschützter RG schärfen. Es bestanden Bedenken darüber, dass ein Jugendwohlfahrtsgesetz im Bereich der leichten (nur Warncharakter) und in dem der schweren Delikte (ev. Sanktionen mit eindeutigem Strafcharakter) keine adäquaten Reaktionsweisen zu bieten vermöchte. 
  • Welches ist die Folge der strafrechtlichen Ausrichtung? Es wird nur der Jugendliche für sein Verhalten verantwortlich gemacht (in extremen Ausnahmefällen von erzieherischen Pflichtverstössen greift Art. 219 StGB, oder die Eltern können zivilrechtlich nach Art. 333 ZGB schadensersatzpflichtig sein).
  • Welches sind die Unterschiede vom Jugendstrafverfahren zum Kindsschutzverfahren (ZGB)? Das Jugenstrafverfahren ist täterorientiert, das zivlirechtliche familienzentriert.  Jugendstrafrechtliche Schutzmassnahmen werden zu 82% gegen männliche Jugendliche angeordnet, die mehrheitlich verteidigt sind. 64% der zivilrechtlichen Verfahren betreffen Mädchen, denen i.d.R. keine Rechtsvertretung zur Seite steht. Dennoch werden die zivilrechtl. Massnahmen von den Jugendl. u. deren Eltern besser akzeptiert.
  • Verhältnis Jugendstrafrecht ggü. Erwachsenenstrafrecht? Das Jugendstrafrecht is eine lex specialis und ersetzt die Erwachsenen-Sanktionen durch die besinderen geregelten Jugens-Sanktionen.
  • Ab welchem Alter sind Geld- und Freiheitsstrafen anwendbar? Ab 15 Jahre.
  • Wie werden Jugendliche unter 15 J. sanktionier? Verweis (ev. mit Probezeit) oder der persönliche Leistung bis 10 Tagen.
  • Wie werden Kinder unter 10 Jahren strafrechtlich behandelt? Sie sind nicht strafbar (es kann kein Strafverfahren durchgeführt werden), auch wenn sie im objektiven Sinne eine Straftat begangen haben. Ev. kann eine zivilrechtliche Kindesschutzmassnahme nach Art. 307 ff. ZGB geprüft werden. Siehe hierzu auch Art. 4 JStG.
  • Ab welchem Alter beginnt das Erwachsenenstrafrecht? Ab 18 J. Es gibt keine Übergangsgruppen.  Überschneidungen gibt es einzig im Massnahmenvollzug, indem Jugendl. gestützt auf Art. 16 Abs. 3 ab 17. J. in eine Einrichtung f. junge Erwachsene eingeliefert werden können.  
  • Wie werden die sog. gemischten Fälle behandelt? Gemischte Fälle = Jugendl. die vor und nach Erreichen d. Altersgrenze v. 18 J. Straftaten begangen haben, die im gl. Verfahren zu beurteilen sind. Es greift für Straftaten Art. 3 Abs. 2 StGB, d.h. es wird in den meisten Fällen Erwachsenenstrafrecht angewendet. (Allerdings federt Art. 49 Abs. 3 diese Konsequenz ab). Für Massnahmen kann gem. Art. 3 Abs. 2 StGB sowohl Jugend- als auch Erwachsenenstrafrecht angewendet werden. Kriterien sind Umstände wie d. Alter, d. persönl. Verhältnisse, d. Schutzinteressen d. Öffentlichk. und d. Möglichkeiten im Vollzug.  
  • Wie verhält sich das Strafverfahren in d. gemischten Fällen? Ob in den gemischten Fällen d. Jugend- oder d. Erwachsenenstrafgericht zuständig ist, entscheidet sich danach, ob d. Verfahren v. oder nach d. 18 Geburtstag eingeleitet wurde. Gem. Bger ist diese Regel auf alle gemischten Fälle anwendbar!
  • Wie verhält sich das Strafverfahren in d. gemischten Fällen? Ob in den gemischten Fällen d. Jugend- oder d. Erwachsenenstrafgericht zuständig ist, entscheidet sich danach, ob d. Verfahren v. oder nach d. 18 Geburtstag eingeleitet wurde. Gem. Bger ist diese Regel auf alle gemischten Fälle anwendbar!
  • Welche Modelle existieren im Jugendstrafrecht? Das Wohlfahrts- und das Justizmodell.
  • Wie wird das Wohlfahrtsmodell (oder Erziehungsmodell) beschrieben? Es stehen weniger die Straftat und das Verschulden, als stärker die Person des Jugendlichen und seine Bedürfnisse nach erzieherischer und therapeutischen Einwirkungen im Vordergrund. Ziel: durch individualisierte Sanktionen das Fehlverhalten zu korrigieren. Typisch sind bei diesem Modell offene oder unbestimmte Sanktionen, die in einem weniger förmlichen Verfahren festgelegt werden.
  • Wie wird das Justizmodell beschrieben? Es orientiert sich am straffälligen Verhalten des Jugendl. und ahndet dieses mit einer tatproportionalen Sanktion. Ziel: Betont die Verantwortlichekit des jugendl. Täters u. versucht diesen mit der verdienten Strafe zu beeindrucken.   Verfahren ist förmlich und durch die gleichen Verfahrensgarantien abgesichtert wie bei d. Erwachsenen.
  • Ziele des täterbezogenen Strafrechts? Im Vordergrund steht die spezial-präventative Zielsetzung: unerwünschtes Verhalten soll beendet und dessen Wiederholung verhindert werden. Dabei geht es um Grenzziehung und darum, dass die Straftat Anlass ist, sich mit dem Jugendl. als Person zu befassen und zu prüfen, welche Intervention zu seiner Entwicklung u. zur angestrebten Deliktfreiheit beitragen kann.  
  • Aus welchen Faktoren ergibt sich die Ausgestaltung der Sanktion? Nicht nur aus d. begangenen Unrecht! Auch aus d. Persönlichkeit, d. Entwicklungsstand, d. Sanktionsempfindlichkeit, d. Lebensverhältnissen.
  • Probleme bei der Persönlichkeitsüberprüfung? Das gesetzl. Instrumentarien besteht in Art. 9 JStrG. Angesichts der zur Verfügung stehenden Ressourcen ist es nicht möglich, in allen Fällen eine Persönlichkeitsprüfung durchzuführen. Es wird höchstens abgeklärt, ob es sich um krasse Auffälligkeiten vorliegen. Ansonsten wird nach dem Verschuldensprinzip sanktioniert.
  • Wie lassen sich lange Freiheitsstrafen im JStG begründen? Sind nur sehr selten! Aber wenn, dann i.S. einer positiven Generalprävention. Sie dienen in erster Linie d. Beruhigung d. Öffentlichkeit. Hohe Freiheitsstrafe ist in Art. 25 Abs. 2 JStG geregelt und zusätzl. zu einer Massnahme verhängt!
  • Welches sind d. VSS d. qualifizierten Freiheitsentzugs nach Art. 25 Abs. 2? 1) D. Jugendl. muss d. 16 Lj. vollendet haben, 2a) ein Verbrechen, das nicht unter 3 J. bedroht ist oder, 2b) eine Tat nach Art. 122, 140 Ziff. 3 od. 184 StGB begangen haben, 3) dabei muss er skrupellos gehandelt haben.   Zu prüfen sind allfällige Rechtfertigungsgründe.
  • Handelt es sich beim Jugendstrafrecht um ein Täterstrafrecht? Nein, es ist aber täterbezogen, d.h. auch hier ist d. Tat VSS und Anknüpfungspunkt f. Sanktionierung. Allerdings spielt d. Bestreben, die Persönlichkeit d. Jugendl. auf d. Sanktion abzustimmen eine gr. Rolle als im Erwachsenenstrafrecht.
  • Welche Strafen sind nicht am Verschuldensprinzip orientiert? Der Verweis und die persönl. Leistung bis zu 10 T., diese Strafen sind reine Erziehungssanktionen.
  • Kritik ggü. d. in Art. 2 statuierten Erziehungsziels? Grüber: Die Pädagogik-Ziele seien nicht genügend konkretisiert. Herrmann: Oftmals fehle es d. Jugendanwälten und Jugendrichter an einer genügend pädagogischen Ausbildung.
  • Warum wird d. Jugendstrafrecht auch zweispuriges Sanktionensystem genannt? Weil neben d. Strafen auch Massnahmen vorgesehen sind.
  • Sanktionenkombinationen? 1) Im Vollzug einer freiheitsentz. Sanktion u. Massnahme wird nur eine Sanktion durchgeführt, falls diese sich als undurchführbar erweist, wird sie durch die Freiheitsstrafe ersetzt. Das Verhältnis zw. Freiheitsstrafe u. stationärer Massnahme ist nicht ausgeglichen, weil d. Jugendl. d. Schutzmassnahme sabotieren können und dadurch d. Vollzug d. wesentl. kürzeren Strafe zu erzwingen können! 2) Ambulante Massnahme u. unbedingter Freiheitsentz.: hier kann d. Gericht d. Freiheitsentzug aufschieben.  3) Ambulante Massnahme u. Strafe ohne Freiheitsent.: werden nebeneinander vollzogen.
  • Welches ist die dritte Spur im JStG (neben Strafe u. Massnahme)? Die Meditation, geregelt i. Art. 17 JStPO. Sie ist ein fachlich angeleitetes Versöhnugsverfahren und soll zu einem Ausgleich zw. Täter u. Opfer führen.
  • Wie viele d. Jugend-Verurteilungen sind männliche Jugendliche? Ca. 78%.
  • Was bedeuten d. in Art. 2 festgelegten Grundsätze "Schutz" u. "Erziehung"? 1) Schutz: Abwehr v. Gefahren, Korrektur v. Fehlentwickl., Schaffen v. günstigen Entwicklungsbedingungen. 2) Erziehung: Zwar werden Strafen nach d. Schuldprinzip zugemessen, jedoch als Warn- oder Denkzettelstrafen verstanden.
  • Unterschied z. Erwachsenenstrafrecht? Im Erwachsenenstrafrecht geht es um eine tatvergeltende Sanktion, im Jugendstrafrecht soll d. Sanktion Anlass geben, sich mit d. Täter zu befassen und zu prüfen, was er für eine günstige Entwicklung braucht.
  • Wer hat die Strafmündigkeitsgrenze v. 10 J. als inakzeptabel bezeichnet? Der Kinderrechtsausschuss d. Vereinten Nationen, er hat empfholen eine solche Grenze auf mind. 12 J. anzusetzen!
  • Art. 1 JStPO verweist nur auf Art. 3 Abs. 1 JStG, nicht aber auf Abs. 2. Gilt Abs. 2 nun nicht mehr? Riedo hält d. Nichterwähnung von Abs. 2 als ein Versehen d. Gesetzgebers, dieser Ansicht ist wohl zu folgen (aufgrund d. Entstehungsgeschichte).
  • Welches sind die Bestimmungen zur Strafuntersuchung? Art. 5 und 9.
  • Wann wird d. vorsorgl. Schutzmassnahme eingesetzt? Sie soll möglichst früh die frühzeitige Untersuchungshaft ersetzen. Eine solche Ersatzschutzmassnahme ist insbesondere d. vorsorgl. Unterbringung od. d. in Art. 9 geregelte Beobachtung resp. stationäre Begutachtung.
  • Welches sind die vier vorgesehenen Schutzmassnahmen? Aufsicht; persönliche Betreuung; ambulante Behandlungs; Unterbringung.
  • In welchen zwei Ausnahmefällen wird eine Schutzmassnahme ohne eine Strafe angeordnet wird? Schuldunfähigkeit, Art. 10 Abs. 1 oder wenn, Strafe d. Erfolg d. Schutzmassnahme gefährden würde, Art. 21 Abs. 1 lit. a.
  • Wer legt die vorgesehene Massnahme fest? Die urteilende Behörde. Die Massnahme kann gem. Art. 18 nachträglich geändert werden. 
  • Was ist VSS um eine Strafe anzuordnen? Verschulden. Ein Verschulden liegt vor, wenn d. Jugendl. fähig ist, d. Unrecht seiner Tat einzusehen  (Einsichtsfähigkeit) und nach dieser Einsicht zu handeln (Steuerungsfähigkeit).
  • Was ist bei der konkreten Beurteilung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zu beachten? Es ist insb. davon auszugehen, dass Jugendl. in ihrer moralischen Entwicklung noch nicht gefestigt u. stärker beeinflussbar sind, sei es durch Personen od. Gruppen od. Versuchssituationen.
  • Wie wird die Problematik d. Schuldfähigkeit v. Kindern entschärft? F. Jugendl. unter 15 J. sieht d. JStG nur d. Verweis u. d. persönl. Leistung bis 10 T. als Strafe vor. Solche Erziehungsstrafen mit Warncharakter lassen sich pädagogisch auch ohne ein eigentl. Verschulden rechtfertigen.
  • Wann wird eine Schutzmassnahme angeordnet? Dem delinquenten Verhalten müssen persönl. Probleme zu Grunde liegen, diese sind: defizitäre Erziehungssituation, psychische Fehlentwicklung, eingeschl. Fehlverhalten, Sucht, Dissozialität, Gefährdung Dritter od. andere Symptomatik.
  • Kategorien d. Schutzmassnahmen? 1) Ambulante SM ( Aufsicht, pers. Betreuung, ambulante Behandl.); 2) Stationäre SM (offene od. geschl. Unterbringung zur Beobachtung u. Begutachtung);  3) Erzieherische u. Behandl.massnahmen (können miteinander verbunden werden)
  • Merkmale d. Schutzmassnahmen? zeitl. nicht festgelegt, können sich bis zum 22. Lj. erstrecken; inhaltl. sehr offen umschrieben; lassen sich in drei Kategorien unterscheiden.
  • Wie wird die Aufsicht beschrieben? Es handelt sich um eine ambulante Massnahme, bei der das bestehende Erziehungssystem durch kontrollierende, steuernde oder unterstützende Beratung u. Begleitung beeinflusst werden soll.   
  • Was sind sog. Weisungen? Eine Aufsicht kann mit einer Weisung verbunden werden. Sie richtet sich gegen die Eltern.
  • Wann darf keine Aufsicht angeordnet werden? Wenn eine Vormundschaft besteht. Ist ein Vormund überfordert, so sollte er ersetzt werden und nicht durch eine zusätzl. Fachperson ergänzt werden.
  • Was kann betr. dem Erfordernis d. Einverständnisses d. Jugendl. für eine Aufsicht nach Art. 12 od. einer persönl. Betreuung nach Art. 13? Macht wenig Sinn, weil die erteilte Einwilligung später widerrufen werden kann. Das Zustimmungserfordernis gilt nur für die Anordnung d. Schutzmassnahme nicht aber für das Weiterführen einer vorher angeordneten Schutzmassnahme.
  • Beschreibung des Modells der sozialpädagogischen Familienbegleitung? Kann im Rahmen einer Aufsicht gem. Art. 12 od. einer persön. Betreuung nach Art. 13 angeordnet werden. Es zeichnet sich dadurch aus, dass eine systemisch ausgebildete Fachkraft regelmässig die Familie d. Jugendl. besucht und in diesem Rahmen am Familiengeschehen teilnimmt.
  • Wann wird eine persönl. Betreuung nach Art. 13 angeordnet? Wenn als Folge einer erzieherischen Mangelsituation eine Gefährdung besteht, die die Eltern aus eigener Kraft nicht beheben können. Sie ist subsidiär zur Aufsicht nach Art. 12.