Strafrecht (Fach) / Kurseinheit 5 (Lektion)
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Versuch und Rücktritt
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- In welchen Fällen ist der Versuch überhaupt strafbar? Gem. § 23 I ist der Versuch eines Verbrechens immer strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es bestimmt. Gem. § 12 I liegt ein Verbrechen bei einer abstrakten Mindeststrafandrohung von 1 Jahr oder darüber vor.
- Wann hat der Täter Tatentschluss? Der Tatentschluss beim Versuch entspricht dem vollen subjektiven Tatbestand beim vollendeten Delikt, erfordert also mindestens Tatvorsatz (Eventualvorsatz reicht) und ggf. zusätzlich subjektive TB-Elemente (wie zB Absichten). Vom Tatentschluss kann dabei allerdings nur gesprochen werden, wenn der Täter bereits unbedingten Handlungswillen hat, ohne subjektive Vorbehalte (der Erfolgswille darf durchaus bedingt sein). Ansonsten liegt nur sog. "Tatgeneigtheit" vor.
- Wie wird von der hM das unmittelbare Ansetzen iSd § 22 grundsätzlich bestimmt? Der Täter setzt unmittelbar zur Tat an, wenn das tatbestandlich geschützte Rechtsgut konkret gefährdet erscheint, sodass die Gefährdungshandlung in ungestörtem Fortgang - ohne einen weiteren wesentlichen Zwischenakt - zur Tatbestandserfüllung führen muss (objektives Bewertungskriterium) und der Täter die Schwelle zum "Jetzt geht's los" überschreitet. Eine Teilverwirklichung ist nicht unbedingt nötig aber grds. ausreichend.
- In welchen Fällen wird die sog. "Entlassungsformel" angewendet? Wann kann danach das unmittelbare Ansetzen bejaht werden? Die sog. "Entlassungsformel" wird bei abgeschlossener Versuchshandlung herangezogen. Danach wird differenziert: Behält der Täter das weitere Geschehen unter Kontrolle, dann bleibt es für die Beurteilung des unmittelbaren Ansetzens bei der allg. Ansatzformel. Gibt der Täter hingegen das weitere Geschehen aus der Hand, so dass nach seiner Vorstellung der Erfolg jetzt selbständig und ungehindert eintreten kann, so liegt das unmittelbare Ansetzen bereits in diesem Moment vor.
- Welchen Ansatz vertritt der BGH neuerdings in den sog. "Falle-Fällen"? Der BGH differenziert hier folgendermaßen: Steht für den Täter bei Abschluss seiner Handlung sicher fest, das Opfer werde erscheinen und sein für den Taterfolg geplantes Verhalten bewirken, so liegt eine unmittelbare Gefährdung bereits mit Abschluss der Tathandlung vor. Hält der Täter ein Erscheinen des Opfers im Wirkungskreis des Tatmittels hingegen für lediglich möglich, aber noch ungewiss oder gar wenig wahrscheinlich, so kann eine unmittelbare Rechtsgutgefährdung erst dann eintreten, wenn das Opfer tatsächlich erscheint und sich deshalb die Gefahr für das Opfer tatsächlich verdichtet.
- Wann liegt ein untauglicher Versuch vor? Ist dieser immer Strafbar? Ein untauglicher Versuch liegt vor, wenn sich der Täter Tatumstände vorstellt und verwirklichen will, die tbmäßig wären (=umgekehrter TB-Irrtum), wenn aber die Ausführung des Tatentschlusses entgegen der subjektiven Tätervorstellung wegen Untauglichkeit des Mittels, Objekts oder Subjekts (str.) objektiv von vornherein nicht zur TB-Verwirklichung führen kann. Der untaugliche Versuch ist grds. voll strafbar. Nur wenn die Untauglichkeit aus grobem Unverstand verkannt wird, kann nach § 23 III gemildert oder sogar von Strafe abgesehen werden.
- Wann liegt ein strafloses Wahndelikt vor? Ein strafloses Wahndelikt liegt vor, wenn der Täter bei richtiger Einschätzung der Tatumstände einen straflosen Sachverhalt infolge eines Rechtsirrtums (umgekehrter Subsumtionsirrtum, umgekehrter Verbotsirrtum, umgekehrter Erlaubnisirrtum, umgekehrter Strafbarkeitsirrtum) für strafbar hält und sich deshalb zu Unrecht als "strafbar" wähnt.
- Was ist ein irrealer bzw. abergläubischer Versuch? Wie beurteilt sich hier die Strafbarkeit? Ein abergläubischer oder irrealer Versuch liegt vor, wenn der Täter mit der menschlichen Beherrschbarkeit und Verfügungsgewalt entzogenen Mitteln (zB Verhexen) den tatbestandlichen Erfolg herbeiführen will. Die hM stuft diese Art von Versuch als straflos ein, indem sie entweder mangels Sozialrelevanz schon ein strafrechtlich relevantes Verhalten ablehnt oder mangels echtem Verwirklichungswillen den Tatentschluss verneint.
- Wann liegt nach hM ein fehlgeschlagener Versuch vor? Ein fehlgeschlagener Versuch liegt nach hM (Gesamtbetrachtung) dann vor, wenn der Täter erkennt, das Erforderliche für den Erfolgseintritt noch nicht getan zu haben und es jetzt - in natürlicher Handlungseinheit zur bisherigen Tat - auch nicht tun zu können, selbst wenn er wollte.
- Wann liegt ein noch unbeendeter Versuch vor? Ein noch unbeendeter Versuch ist zu bejahen, wenn sich der Täter vorstellt, das Erfoderliche für den Erfolgseintritt noch nicht getan zu haben, es aber jetzt - in natürlicher Handlungseinheit zur bisherigen Versuchshandlung - noch tun zu können, wenn er es nur wollte.
- Wann liegt ein beendeter Versuch vor? Ein beendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter sich subjektiv vorstellt, das für den Erfolgseintritt Erforderliche bzw. jedenfalls so viel getan zu haben, dass die Möglichkeit des Erfolgseintritts jetzt nahe liegt (sog. Gefahrbewusstsein). Neuerdings sieht der BGH es sogar regelmäßig als ausreichend an, wenn sich der Täter infolge Gleichgültigkeit überhaupt keine (aktiven) Vorstellungen macht.
- Welche Auswirkung hat es, wenn der Täter nach der letzten Versuchshandlung seine zunächst gewonnene Vorstellung von der Erfolgseignung seines Tuns noch einmal korrigiert? Korrigiert der Täter seine subjektive Vorstellung am Rücktrittshorizont, so bestimmt sich der Versuchstyp nach der korrigierten Vorstellung, wenn die Korrektur in einem Zeitpunkt stattfindet, in dem ein weiterer Versuchsakt noch in natürlicher Handlungseinheit zu dem bisherigen Versuchsgeschehen gestanden hätte.
- Wie kann der Alleintäter vom fehlgeschlagenen Versuch zurücktreten? Überhaupt nicht. Die Rücktrittshandlungen des § 24 passen hier offensichtlich nicht.
- Wie kann der Alleintäter vom unbeendeten Versuch zurücktreten? Gem § 24 I 1 Alt. 1 durch freiwilliges Aufgeben der weiteren Tatausführung.
- Wie kann der Alleintäter vom beendeten Versuch zurücktreten? Gem. § 24 I 1 Alt. 2 durch freiwillige Vollendungsverhinderung, was zumindest eine Gegenaktivität mit Verhinderungskausalität voraussetzt (streitig, ob und inwieweit noch weitere Voraussetzungen nötig; Stichwort: "Optimallösung"); wird die Vollendung ohne Zutun des Täters verhindert gem. § 24 I 2 durch freiwilliges und ernsthaftes Bemühen um Vollendungsverhinderung; dies verlangt eine Gegenaktivität ohne Verhinderungskausalität, aus der das ernstliche Bemühen um Vollendungsverhinderung erkennbar wird.
- Wo liegt das Problem des Rücktritts vom bedingt vorsätzlichen Versuch bei Erreichen eines primär angestrebten außertatbestandlichen Handlungsziels (Denkzettelfälle)? Wie wird das Problem gelöst? Das Problem liegt darin, dass der Täter für den Fall des Erreichens des primären außertatbestandlichen Handlungsziels die weitere Ausführung der bedingt vorsätzlich begonnenen Tat gar nicht mehr vorhat und es sich deshalb fragt, ob die Rücktrittshandlung iSd § 24 I 1 Alt. 1 - Aufgeben der weiteren Tatausführung - überhaupt noch möglich ist. Nach wohl hM ist der Rücktritt tatbestandsbezogen zu prüfen. Deshalb bleiben außertatbestandliche Vorstellungen unberücksichtigt. Entscheidend ist allein, dass der Täter von der erkannten Möglichkeit der TB-Verwirklichung Abstand nimmt. Das Motiv ist egal bzw. spielt erst für die Frage der Freiwilligkeit eine Rolle.
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- Wann ist der Rücktritt nach hM freiwillig? Nach der psychologisierenden Betrachtungsweise (hM), wenn der Täter nicht aus heteronomen sondern autonomen Motiven, also in freier Selbstbestimmung "als Herr seiner Entschlüsse" zurücktritt.
- Wie beurteilt sich der Rücktritt bei mehreren Tatbeteiligten? Gem. § 24 II sind folgende Möglichkeiten zu unterscheiden, ohne dass es im Regelfall einer Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch bedarf. Rücktritt durch freiwillige Verhinderung der Vollendung, § 24 II 1 Rücktritt durch freiwilliges und ernsthaftes Bemühen um Vollendungsverhinderung bei fehlender Verhinderungskausalität gem. § 24 II 2, wenn Vollendnung ohne ohne Zutun des Beteiligten ausbleibt (Alt. 1) oder wenn Vollendung zwar eintritt, aber unabhängig vom Beitrag des Beteiligten (Alt. 2).