Verwaltungsrecht At (Fach) / Kurseinheit 5 (Lektion)
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Kommunalverfassungsstreitigkeit Intrapersonale Streitigkeiten Verletzung organschaftlicher Rechte Ausschluss eines Gemeinderatsmitglieds wegen persönlicher Beteiligung Unmittelbarkeit des Vor-/ Nachteils iSv Art. 49 GO individuelles Sonderinteresse/ Gruppenbetroffenheit Ausschluss wegen Störung der Ordnung Verweisung eines Gemeinderatsmitglieds aus dem Zuhörerraum
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- Wodurch unterscheidet sich eine Kommunalverfassungsstreitigkeit von gewöhnlichen Klagen? Die Kommunalverfassungsstreitigkeit ist eine rein innerorganisatorische Streitigkeit innerhalb der Körperschaft des öffentlichen Rechts Gemeinde (sog. intrapersonale Streitigkeit), während gewöhnliche Streitigkeiten außerhalb der Körperschaft stattfinden (sog. interpersonale Streitigkeiten).
- Worin liegt der Unterschied zwischen einer interorganschaftlichen und einer intraorganschaftlichen Streitigkeit? Beides sind intrapersonale Streitigkeiten. Bei der interorganschaftlichen Streitigkeit streiten verschiedene Organe derselben juristischen Person (zB Gemeinderat und 1. BM); die intraorganschaftliche Streitigkeit bewegt sich zwischen Organteilen oder einem Organ und einem seiner Organteile (zB Gemeinderatsmitglied gegen Gemeinderat).
- Mit welcher Klageart setzt man prozessual die Kommunalverfassungsstreitigkeit durch? Dies richtet sich nach dem klägerischen Begehren. Je nach Situation wird entweder eine allgemeine Leistungsklage oder Feststellungsklage eingreifen (aA Leistungsklage mit atypischem Aufhebungsantrag bzw. rechtsgestaltende Aufhebungsklage).
- Bestehen gegen die Anerkennung einer Klage "sui generis" (Klageart eigener Art) grundsätzliche Bedenken? Im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG sind außerhalb der VwGO grundsätzlich Klagearten denkbar, wenn mit den herkömmlichen kein effektiver Rechtsschutz garantiert wird. Allerdings sind sie subsidiär gegenüber den VwGO-Klagearten, da sonst die Umgehung deren besonderer Sachurteilsvoraussetzungen zu befürchten ist.
- Warum scheidet bei der Situation der Kommunalverfassungsstreitigkeit eine Klageart "sui generis" aus? Weil jede Klagesituation der Kommunalverfassungsstreitigkeit mit einer VwGO-Klageart (Feststellungs-, allgemeine Leistungsklage, nach VGH mit kassatorischer Wirkung) durchgesetzt werden kann und es sonst zu einer Umgehung besonderer Sachurteilsvoraussetzungen kommen kann.
- Welche Klageart befürwortet der BayVGH bei der Klage auf Aufhebung eines Beschlusses des Gemeinderats im Rahmen der Kommunalverfassungsstreitigkeit? Die sog. "allgemeine Leistungsklage mit kassatorischer Wirkung" (oder mit atypischem Aufhebungsantrag). (Beim erledigten Beschluss teilweise auch Feststellungsklage)
- Warum zieht der VGH die "allgemeine Leistungsklage mit kassatorischer Wirkung" der "normalen" allgemeinen Leistungsklage iFd Vornahmeklage vor? Weil bei der Vornahmeklage das Gericht die Gemeinde verpflichtet, den Beschluss aufzuheben, während er bei der Gestaltungsklage mit Rechtskraft des Urteils ohne Weiteres aufgehoben ist. Dies rechtfertige das Gebot effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 IV GG.
- Worauf stützt sich die Kritik der Lehre an der "allgemeinen Leistungsklage mit kassatorischer Wirkung"? Sie kritisiert den Namen "Leistungsklage", da der VGH ihr im Prinzip eine rechtsgestaltende Wirkung zuschreibt. Daher wird in der Literatur zT die "rechtsgestaltende Aufhebungsklage" vertreten. Die hL verneint aber v.a. das Erfordernis einer weiteren Gestaltungsklage, da Art. 19 IV GG nur effektiven, nicht aber optimalen Rechtsschutz gewähre.
- Was versteht man unter einem Vor- oder Nachteil iSv Art. 49 I GO? Jede denkbare Besser- oder Schlechterstellung nicht nur wirtschaftlicher Art.
- Was ist der Sinn und Zweck der Vorschrift des Art. 49 I GO? Art. 49 I GO zielt auf die Sauberkeit der Verwaltung und will Interessenkollisionen des Gemeinderatsmitglieds verhindern.
- Warum kann mit "unmittelbarem" Vor- oder Nachteil nicht "direkte Kausalität" gemeint sein? Weil die persönliche Beteiligung sonst nur dann vorläge, wenn der Vor- oder Nachteil bei der entsprechenden Person ohne weiteren Umsetzungsakt eintritt. Dies würde aber bedeuten, dass ein Ratsmitglied bei Beschlüssen über Satzungen und Verordnungen, die eines Umsetzungsakts (zB VA) bedürfen, mitberaten und abstimmen dürfte. Gerade hier muss aber im Hinblick auf die Sauberkeit der Verwaltung ein Mitwirkungsverbot bestehen.
- Wann wird also eine "Unmittelbarkeit" eines Vor- oder Nachteils angenommen? Wenn die betreffende Person nicht nur als Angehörige einer Gruppe betroffen ist, sondern ein individuelles Sonderinteresse an dem Beschluss hat.
- Welche Rechtsnatur hat ein Ausschluss eines Gemeinderatsmitglieds von der Sitzung wegen fortgesetzter erheblicher Störung? Beim Ausschluss nach Art. 53 I 3 GO handelt es sich nach Ansicht des BayVGH lediglich um ein Verwaltungsinternum. Die Annahme eines VA scheitert danach an der fehlenden Außenwirkung, da das Gemeinderatsmitglied bloß in seinen organschaftlichen Rechten, nicht aber in seinem Grundverhältnis als Gemeinderatsmitglied betroffen sei. Die Literatur nimmt zT einen VA an, da auf Grund des (wenn auch nur zeitweisen) partiellen Entzugs der Mitgliedschaftsrechte die Außenwirkung zu bejahen sei.
- Welche Rechtsnatur hat ein Ausschluss eines Zuhörers von der Gemeinderatssitzung wegen Störung der Ordnung? Beim Ausschluss nach Art. 53 I 2 GO handelt es sich eindeutig um einen VA iSd Art. 35 S. 1 BayVwVfG; insbesondere liegt die Außenwirkung vor.
- Ist ein Gemeinderatsmitglied beim Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplan unmittelbar betroffen iSd Art. 49 I GO, wenn es selbst Eigentümer eines Grundstücks im Plangebiet ist? Die Rechtsnatur des Bebauunsplans als Satzung (§ 10 BauGB) spricht gegen das unmittelbare Betroffensein. Entscheidend dafür spricht aber, dass beim Bebauunsplan Festsetzungen über jedes einzelne Grundstück getroffen werden und damit über jedes Grundstück abgestimmt wird.
- Wann ist ein Ratsmitglied als Grundstückseigentümer bei der Abstimmung über den Flächennutzungsplan beteiligt iSv Art. 49 GO? Eigentlich ist das Gemeinderatsmitglied sowohl bei erstmaliger Aufstellung, als auch bei der Änderung eines kleinen Teils des Flächennutzungsplans befangen. Da es aber insbesondere in kleineren Gemeinden möglich ist, dass bei erstmaliger Aufstellung des Flächennutzungsplanes die Mehrzahl der Gemeinderatsmitglieder befangen ist, kann Art. 49 GO in diesem Fall nicht angewendet werden, weil sonst ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Planungshoheit der Gemeinde vorläge.
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- Woraus ergibt sich die Beteiligtenfähigkeit eines nach Art. 49 I GO ausgeschlossenen Gemeinderatsmitglieds im Falle der Klage? Die hM nimmt § 63 Nr. 1, § 61 Nr. 2 VwGO analog an, wobei das Merkmal der Vereinigung durch die Analogie überwunden wird.
- Wer ist im Fall der Klage eine ausgeschlossenen Gemeinderatsmitglieds prozessfähig? In jedem Fall der 1. BM (OB, Art. 34 I 2 GO): Entweder als Vertreter der beklagten Gemeinde (Stadt), § 62 III VwGO, Art. 38 I GO (hM) oder als Vertreter des zu verklagenden Gemeinderates (Stadtrates), § 62 III VwGO, Art. 36 I GO (MM).
- Wann kann eine Außenwirkung eines Verwaltungsaktes angenommen werden, obwohl der Adressat selbst Teil des Trägers öffentlicher Verwaltung ist? Wenn der Adressat in Rechten betroffen wird, die ihm ungeachtet seiner Stellung in seiner persönlichen Rechtsstellung als Bürger zustehen.
- Was versteht man unter einem Rechtsverhältnis iSd § 43 VwGO? Eine rechtliche Beziehung, die sich aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Regelung zwischen zwei Rechtssubjekten (oder zu einem Rechtssubjekt) ergibt.