Testverfahren (Fach) / Der Thematische Apperzeptionstest (TAT) (Lektion)
In dieser Lektion befinden sich 18 Karteikarten
Der thematische Apperzeptionstest (TAT) von Henry A. Murray (1943)
Diese Lektion wurde von LaBatichica erstellt.
- Was erfasst der TAT? Das projektive Verfahren zur diagnostischen Erfassung der Persönlichkeit von Henry Murray (1936) ermöglicht „einige dominante Triebe, Gefühle, Gesinnungen, Komplexe und Konflikte einer Persönlichkeit“ zu erkennen, innere Probleme aufzudecken, die der Proband sich nicht eingesteht oder sich nicht bewusst macht TAT zeigt unbewusste Erwartungen, Wünsche, Hoffnungen, Befürchtungen (unbewusste Bereiche der Persönlichkeit). Biographische Analyse der Persönlichkeit, d.h. es wird nicht nur die Persönlichkeitsstruktur erfasst, sondern wie die Züge der Persönlichkeit entstanden sind.
- Testmaterial • 31 Bildtafeln in schwarz-weiß (darunter: Spezielle Tafeln für Mädchen und Jungen bis 14 Jahre, sowie Tafeln für weibliche und männliche Personen ab 14 Jahren, Kennzeichnung auf der Rückseite) - Je nach Proband werden zwei Serien à 10 Karten zusammengestellt • Bilder absichtlich unscharf und mehrdeutig • abgebildet sind Menschen in verschiedenen Situationen • Die Bilder gehören zwei verschiedenen Serien an, Durchführung in zwei Sitzungen. Die erste Serie enthält realitätsnahe Bilder, auf den Karten der zweiten Serie sind eher abstrakte Bilder zu sehen. Die zweite Serie enthält außerdem eine leere, weiße Tafel • Manual (Original von Murray kann durch deutsches Handbuch von Revers, 1979, ergänzt werden) • Zusätzlich: Schreibmaterial, ggf. Tonband oder Video zur Aufzeichnung des Protokolls
- Durchführung Ablauf der Untersuchung: 1. Biografische Anamnese 2. Instruktion 1 3. Serie 1 (Dauer: ca. 1h; 5-6 Minuten/Bild) 4. Pause von mindestens 24 Stunden 5. Instruktion 2 6. Serie 2 (Dauer: s.o.; wichtig: Instruktion leere Karte) 7. anschließendes Interview (ca. 1 h) o Zweck: Klären, ob Proband beim Erfinden der Geschichten auf eigene Biografie zurückgegriffen hatte, Schwierigkeiten beim Erzählen abfragen 2 Was noch zu beachten ist: • Pb beobachten => Zeigt es bei bestimmten Bilder Signale des Abwehrens (z.B. Stirn runzeln) • Wenn Pb zu viel redet: Ihn vorsichtig wieder auf das Thema hinführen • Wenn Pb schweigt/sehr knapp erzählt: Nachfragen, möglichst neutral (keine Suggestion!!)
- Was ist zu beachten? • Pb beobachten => Zeigt es bei bestimmten Bilder Signale des Abwehrens (z.B. Stirn runzeln) • Wenn Pb zu viel redet: Ihn vorsichtig wieder auf das Thema hinführen • Wenn Pb schweigt/sehr knapp erzählt: Nachfragen, möglichst neutral (keine Suggestion!!)
- Instruktion • Wichtigste Inhalte der Instruktionen: - Test wird als Phantasietest dargestellt, Proband soll zu jedem Bild eine Geschichte erfinden (etwa fünf Minuten pro Geschichte) - Proband soll Situation der Personen auf der Bild wiedergeben: Deren Gedanken und Gefühle - Was war vorher? Wie kam es zur Situation? - Was passiert dann? Ausgang der Geschichte? - Geschichte soll möglichst dramatisch sein - Es gibt keine richtigen bzw. falschen Antworten
- Auswertung/Interpretation nach Revers (=Freie Interpretation) Auswertungsmaterial: Beschriebene Geschichten Auswertungsdauer: Abhängig von Erfahrung des Versuchsleiters, Fragestellung, sowie vom Inhalt der Geschichten Ablauf: 1. Durchsicht des gesamten Protokolls (Gesamteindruck) 2. Deskriptive Übersetzung der Testgeschichten a. Psychologische Situation der Hauptfigur beschreiben b. Psychologischer Situationsverlauf (Vorgeschichte, Gegenwart, zukünftige Entwicklung) 3. Schematische Auswertung a. Thema/Problem herausarbeiten b. Situationaler Kontext i. In welchem Zusammenhang tritt das Problem auf? ii. Wurde das Problem auch in anderen Geschichten thematisiert? c. Entwicklung des Themas i. Verlauf: Wie kam es zu dem Problem? Wie setzt sich die Hauptperson damit auseinander? ii. Ausgang: Welchen Ausgang hat die Geschichte? Kommt es zur Lösung des Problems? d. Inhaltliche und formale Besonderheiten? 4. Längsschnittanalyse 5. Informationen des eventuell geführten Interviews mit in Betracht ziehen
- Auswertung/Interpretation nach Revers (= freie Interpretation) Testmodifikation und Auswertungsmöglichkeiten: - Leistungs-/Macht-/Anschlussmotiv (McClelland, Heckhausen) - Interaktions-TAT (Stix) - Need-Press-Analyse (Murray) - Psychodynamische Auswertung (Rauschfleisch) - Thematischer Gestaltungstest (TGT), Revers & Widauer, 1985 (neuere Bilder) 3
- Zur Entstehung des TAT • entwickelt an der Harvard Universität von H.A. Murray und Mitarbeitern als Explorationshilfe in der klinischen Arbeit • angeregt durch Schwartz’ Social Situation Picture Test, der zur Untersuchung straffälliger Jugendlicher diente (diese wurden dazu aufgefordert, sich bei 8 Bildern, deren Szenen individuell an ihre Biographie angepasst waren, in die Situation der Hauptfigur zu versetzen) • Weitere Grundlage war die Erkenntnis aus Assoziationsexperimenten, dass die Reaktion auf einen mehrdeutigen Reiz von individuellen Einstellungen, wichtigen Erfahrungen und Schemata geprägt wird und somit einen Rückschluss auf die Persönlichkeit und deren Entwicklung zulässt. - F. Galton, Erfinder der experimentellen Untersuchung des freien Assoziierens, stellte 1880 fest: - Assoziationen, die mehrmals innerhalb von 4 Monaten wiederkehren, sind größtenteils Erlebnisse aus der Kindheit und Jugendzeit zurückzuführen
- Zur Entstehung des TAT Kriterien der Bilderauswahl Kriterien der Bilderauswahl • Mehrdeutigkeit/ambiguity, sodass Benennung des Inhalts bereits eine Projektion darstellt • Soziale Situationen sollen bekannt und alltäglich sein (schon so/ähnlich erlebt) • Auswertung der TAT-Geschichte soll zur gleichen Diagnose führen wie andere diagnostische Verfahren
- Gütekriterien Die Überprüfung psychometrischer Kennwerte ist bei projektiven Verfahren besonders schwierig und führt zu uneinheitlichen Ergebnissen in Abhängigkeit von der Fragestellung und dem verwendeten Auswertungsverfahren. Insgesamt ist die ganzheitliche Methode als unterlegen gegenüber der Erfassung spezieller Motive und Auszählungsverfahren einzuschätzen.
- Gütekriterien Altersbereich & Normen • Normen sind nicht vorhanden • nach Murray ab dem 4. LJ einsetzbar, jedoch bessere Ergebnisse ab dem 8. LJ davor wäre z.B. der Children Apperception Test (CAT) von Bellak, 1949 geeignet • bis zum 14. LJ soll die Serie BG (boys/girls) verwendet werden
- Gütekriterien Objektivität Objektivität • der Durchführung, Auswertung und Interpretation ist hier kaum gegeben durch: o Wichtigkeit des Verhältnisses zwischen Proband und Testleiter (offene Atmosphäre schaffen) o Fehlen von Normen bei der Auswertung bzw. fehlender Trennung zwischen Auswertung und Interpretation o dennoch: Auswertungsobjektivität bei Auszählungsmethoden gut bis sehr gut: Interrater-Korrelation von .80 bis .95 4
- Reliabilität • Berechnung nur mit Retest- oder Halbierungstechnik möglich, aber beide Methoden sind trotzdem problematisch (Erinnerungseffekte, fehlende Homogenität) • je nach Verzögerung bei Retest erhebliche Unterschiede: 2 Monate: r = .80; 6 Monate: r = .60; 10 Monate: r = .50 • interne Konsistenz niedrig durch (gewünschte) Heterogenität des Materials
- Gütekriterien Validität • es ist allgemein unklar, welchen Stellenwert die angesprochenen Themen haben • Validierungsergebnisse (an anderen Tests) variieren sehr stark, bei präzise definierten Merkmalen wiederum beste Koeffizienten (z.B. Kriteriumsvalidität des LM-TAT: Studienleistung und Hoffnung auf Erfolg korrelieren zu .56)
- Bewertung des Tests Vorteile Nachteile Große Bandbreite Gütekriterien problematisch Entwicklung der Persönlichkeit Unökonomisch, zeitintensiv Geringe Durchschaubarkeit Viel Erfahrung nötig (Auswertung) Ergebnisse weniger beeinflussbar Zugang zum „Unbewussten“ Voraussetzung: Erzählwilligkeit Explorationshilfe, Vorbereitung einer Material eventuell befremdlich Therapie, Ergänzung anderer Methoden(Alter)
- Bewertung des Tests - außerdem • Grundannahme fragwürdig (nicht verifizierbar/falsifizierbar) • Ebenenkonfusion: welcher Teil der Geschichte stammt dem Unbewussten, welcher dem Bewussten ab?
-
- Fazit Der TAT ist heute eher als Explorationshilfe zu verwenden und kann hierbei durchaus gute „Ergebnisse“ im Sinne von Anhaltspunkten zu weiteren Untersuchungen liefern- immer unter der Voraussetzung, dass dem Anwender die Problematik der Testgüte bewusst ist.
- Allgemeine Informationen Bibliographie: Henry A. Murray (1943). Thematischer Apperzeptionstest (4. Auflage). Göttingen: Hogrefe Testart: Projektives Verfahren; verbal-thematisch Merkmal: Persönlichkeit, eventuell Leistungs-/Macht-/Anschlussmotiv