Rechtspsychologie (Fach) / Zeugen vom Hörensagen (Lektion)
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- Wichtigkeit von Zeugenaussagen o „Der Zeugenbeweis ist eines der wichtigsten Beweismittel, dass die Strafprozessordnung zur Wahrheitsforschung zu Verfügung stellt.“ o Die Strafprozessordnung kennt vier Beweismittel: 1. Zeugenbeweis (auch Aussagen des (Mit-) Beschuldigten) 2. Sachverständigenbeweis als persönliche Beweismittel 3. Augenscheinsbeweis 4. Urkunden und andere Schriftstücke als Beweismittel
- Was ist ein Zeuge vom Hörensagen? o = eine Person (z.B. Angehöriger, behandelnder Arzt, Polizeibeamte), welche in einer Verhandlung aussagen kann, wenn das Opfer keine Aussage macht, da das ein Opfer der Straftat unmittelbar nach der Tat von der Situation berichtet hat. o Ein Zeuge vom Hörensagen gibt in einem Strafverfahren Auskunft über die Wahrnehmung von Tatsachen. Die Wahrnehmung muss über die äußeren Sinnesorgane erfolgt sein (z.B. Ohren) o Vernehmungspersonen können Zeugen vom Hörensagen werden, wenn Opfer erst in der Hauptverhandlung von ihrem Schweigerecht bzw. Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. - Frage der Zuverlässigkeit („stille Post“-Phänomen), aber auch Fragen der Protokollqualität bzw. der technischen Aufzeichnung von Aussagen
- Zeugen vom Hörensagen im deutschen Recht o Zeuge vom Hörensagen hat eine Sonderstellung: Untergruppe des Zeugenbeweises ohne ausdrückliche Regelung in der StPO - Im deutschen Recht gibt es keine Regel, die den Zeugen vom Hörensagen ausdrücklich zulässt oder ausschließt - Die Zulässigkeit der Aussagen von Zeugen vom Hörensagen ist eine Grundsatzfrage o Zeugen vom Hörensagen kommen vor allem im Strafverfahren vor, können aber auch in Zivilverfahren oder Verwaltungsrecht vorkommen - Der Zeuge vom Hörensagen stellt im deutschen Recht ein zulässiges Beweismittel dar! - Lösung der Probleme mit dem Hörensagenbeweis durch Beweiswürdigung - Probleme die bleiben: nach welchen Regelungen soll mit Missverständnissen der Zeugen vom Hörensagen umgegangen werden bzw. wie können Missverständnisse identifiziert werden? o Ziel immer bei Zeugen vom Hörensagen: Unzuverlässige Beweismittel grundsätzlich ausschließen bzw. eine Verurteilung nicht ausschließlich auf unzuverlässige Beweismittel stützen o Personengruppen, die als Zeugen vom Hörensagen in Betracht kommen: 1. Privatpersonen 2. Verhörpersonen
- Ausführungen des Bundesgerichtshofs (BGH) von 1962: „Bei einem Zeugen vom Hörensagen besteht zunächst ganz allgemein eine erhöhte Gefahr der Entstellung oder Unvollständigkeit in der Wiedergabe von Tatsachen, die ihm von demjenigen vermittelt worden sind, auf den sein Wissen zurückgeht. Je größer die Zahl der Zwischenglieder, desto geringer ist der Beweiswert der Aussage. Schon dieser Gesichtspunkt mahnt zur Vorsicht.“ o Dazu:- Ein Zeuge darf nicht über reine Werturteile vernommen werden, sondern nur über Tatsachen. - Bei der Schilderung der Tatsachen kann es zu Schlussfolgerungen und Wertungen / Werturteilen kommen- Diese sind für eine verständliche Schilderung unerlässlich o Unter diesen Voraussetzungen soll auch der Eindruck der Ehrlichkeit (Glaubwürdigkeit ..?) Gegenstand des Zeugenbeweises sein. o WICHTIG: Laut BGH kann ein Zeuge immer nur über seine eigenen Wahrnehmungen vernommen werden, jedoch geben Zeugen nicht nur das Wahrgenommene wahr, sondern auch die persönliche Interpretation des Wahrgenommenen! - Nicht als detailliert fehldeuten, sondern auffordern, nur das wiederzugeben, was wirklich wahrgenommen wurde
- Rolle des Zeugen vom Hörensagen o Ein Zeuge kann die bekundeten Tatsachen..- Gesehen- Gehört- Gelesen- Gefühlt- Oder mit seinem Geschmackssinn wahrgenommen haben o Zeugenwahrnehmungen / Wiedergaben sind als sehr persönlicher Art und ein Zeuge ist nicht durch anderen Zeugen beliebig ersetzbar / ist unersetzbar. Geppert (1991) Zeuge vom Hörensagen:„Die Auskunftsperson `vom Hörensagen‘ gibt das wieder, was ihr von einem Dritten – dem unmittelbar Wahrnehmenden – über den beweisbedürftigen Vorfall mitgeteilt worden ist. Entscheidend ist die Weitergabe fremder Tatsachenwahrnehmung, es muss also immer um die inhaltliche Wahrheit der mitgeteilten (fremd-wahrgenommenen) Tatsache gehen. Auskunftsperson vom Hörensagen ist somit, wer den Wahrnehmungsbericht einer anderen Person lediglich weitergibt, wer fremden Beweis reproduziert.“ · Hier wird der Zeuge vom Hörensagen also lediglich als „Informant“ definiert.
- Übermittlung der Inhalte · Er muss gegenüber eines z.B. Richters also lediglich behaupten, die Tatsachen sinnlich wahrgenommen haben, unabhängig davon ob die Tatsachen auch der Wahrheit entsprechen · Wie darf ein Zeuge vom Hörensagen Wahrnehmungen weiter geben?o Verbalo Als Gestik bei Taubstummeno In Schriftformo Es muss einfach ein bestimmter Gedankeninhalt übermittelt werden · Außerdem ist irrelevant, wie der Zeuge vom Hörensagen von der Mitteilung über den beweiswürdigen Zustand erfahren hat.· Möglichkeiteno Gezielt gelauscht, ein Selbstgespräch mitgehört (CAVE - Ethik)o Hauptsache wahrgenommen!
- Probleme des Zeugenbeweises durch Hörensagen („Hearsay dangers“) o Der Zeuge des Hörensagens stellt einen minderwertigen Beweis dar im Vergleich zum unmittelbaren Zeugen o Grund: Wahrnehmung, Erinnerung und Widergabe der berichteten Information können verändert oder verfälscht sein o Störfaktoren und die Glaubhaftigkeit eines Zeugen müssen im deutschen Recht von einem Richter bei der Beurteilung des Beweiswertes eines Zeugen berücksichtigt werden- Erfordert das Hinzuziehen psychologischer gutachterlicher Sachverständiger o US-Recht: Der Wert eines Beweises wird von einer Jury bewertet. Die „Hearsay dangers“ sind der Grund, weshalb im US-amerikanischen Recht Zeugen vom Hörensagen ausgeschlossen sein sollen.
- Vergleich: Zeuge vom Hörensagen vs. Protokoll o Vernehmung einer Person vom Hörensagen hat einen geringeren Beweiswert als eine Beweisführung durch ein Protokoll - Ein Protokoll gilt als sachliches Beweismittel, eine Person vom Hörensagen nicht o Es gibt die sogenannte „Zeugenkaskade“1. Wenn möglich soll ein unmittelbarer Zeuge gehört werden2. Sonst wird das Protokoll zur Rate gezogen3. Und wenn das nicht geht, kann ein Zeuge vom Hörensagen zur Fallaufklärung beitragen o Es können in jeder Kaskade individuelle Unterschiede / Fehler in der Beweisfähigkeit von Zeugen entstehen: - Wahrnehmungsfehler bei unmittelbaren und mittelbaren Zeugen oder Verarbeitungsfehler beim Protokollieren
- Forschung zu Zeugen vom Hörensagen o Jede Menge Informationen gehen immer verloren, auch bei verschiedenen Gesprächsformen (Free Recall oder Interview Situation) - Informationssituation sehr komplex à eine Menge Informationen werden ausgelassen - Was jedoch immer hilft: In der Situation Notizen machen!! o Zum Einfluss individueller Unterschiede - Gedächtnisfähigkeiten entscheidend! § Kognitive Verfassung spielt große Rolle in Bezug auf (Qualität von) Zeugenaussagen (hier: Anzahl an korrekten Details)
- US-amerikanisches Recht o Formalistisches Beweisrecht- Umfasst eine Jury- Das Kreuzverhör- Und einen Grundsatz für „no hearsay evidence“ o Außerdem wichtig: das Zwei-Parteien-Prinzip- Anklage vs. Verteidigung- Richter nimmt eine passive (d.h. beobachtende, regulierende) Rolle ein- Jede Partei stellt ihre Hypothese vom Tatgeschehen in der Hauptverhandlung dar- „Mentalität des Gewinnens“ -> bessere Argumente als der Gegner bringen!- Jedoch muss die Anklage aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtend entlastende Beweise des Angeklagten darstellen -> das soll ein faires Verfahren gewährleisten o Rolle des „hearsay evidence“ - Grundsätzlich unzulässig- Jedoch die Frage offen, ab wann ein Beweis „hearsay evidence“ ist- Also eine komplexe Frage der Definition!
- Hearsay Evidence im US-amerikanischen Recht o Grundsätzlich: sehr großes Potenzial des Diagnostizitäts-Ratios aus den verschiedenen Datenquellen o Folgende Aspekte werden beleuchtet - Handelt es sich um ein Statement? = mündliche Aussage, schriftliche Aussage oder non-verbale Äußerung - Gibt es einen „Declarant“? = dritte Person, die ein „Statement“ gemacht hat - Hearsay = das Statement wird nicht erst vor Gericht, sondern „out-of-court“ gemacht -> Beweiszweck und -ziel ist die inhaltliche Richtigkeit des „Statement“ - Tonband mit aufgezeichneter Äußerung eines declarant = hearsay evidence, wenn das Tonband als Beweismittel in den Prozess eingeführt wird § Entscheidend: hat die dritte Person beabsichtigt eine Aussage zu machen?? Ist ein Beweismittel an die Glaubwürdigkeit des „declarant“ gebunden -> dann mit hoher W. = „hearsay evidence“ , da die Information „hearsay dangers“ unterliegen kann.
- Inhalte von „Hearsay Evidence“ - Spontane Ausrufe § Gelten als reflexartig und unbeabsichtigt -> kein Beweismittel § Haben keinen Beweisbaren Tatsachenkern -> kein Einfluss auf die Glaubwürdigkeit - Höflichkeiten des Alltags § Können als nicht klar beabsichtigt gelten und stellen daher keinen Beweis dar - Nicht willensgetragene Äußerungen § Z.B. durch Rauschzustand oder Reden im Schlaf - Befehle oder Anweisungen § Stellt keine beabsichtigte Äußerung einer Tatsache oder Meinung dar - Fragen § Fragen können weitere Informationen beinhalten, die nicht absichtlich der notwendig gegeben werden § Declarant müsste Schlussfolgerungen berichten und diese gelten nicht als zulässiges Beweismittel - Hearsay Dangers bei Fragen oder impliziten Behauptungen: § Wenn eine Absicht besteht, erhöht die Absicht die Wahrscheinlichkeit der Verfälschbarkeit § Daher können als Ausnahme „implizite Äußerungen“ eine Informationen im Sinne der Hearsay Rule sein § Dies lässt jedoch den Aspekt des beweisbaren / prüfbaren Tatsachenkerns außer Acht! -> Kriterien für die Prüfung des hearsay evidence variieren fallweise!