Europarecht (Fach) / 5. Unionsrechtsschutz (Lektion)

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Unionsrechtsschutz

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  • 1. Unionsrechtsschutz Art 19 EUV und 251 ff AEUV regeln den Unionsrechtsschutz, es ist in zwei Bereiche geteilt: - (1) Direktklagen durch oder gegen die Organe der EU oder MS (Vertragsverletzung, Nichtigkeit und Untätigkeit, Schadenersatz usw – 258ff AEUV) - (2) Vorabentscheidungsverfahren im Dialog mit den nationalen Gerichten Art 267 AEUV. Die Verfahrensbestimmungen sind im groben in der EuGH-Satzung. Der EuGH hat Empfehlungen an die nationalen Gerichte, sowie verbindliche Anweisungen für die Parteien in den Rechtssachen zu erteilen. Zwar wird in die Verfahrensbestimmungen nicht eingegangen, nach Art 20 EuGH-Satzung gibt es jedoch ein ein schriftliches und mündliches Verfahren.  Das schriftlich besteht aus der übermittlung der Klageschriften, Schriftsäzte, Klagebantworungen, Erklärungen, Repliken, sowie aller zur Unterstützung vorgelegten Dokumente. Das mündliches Vefahren besteht aus der Anhörung der Parteien bzw ihrer Anwälte.
  • 1.2. Art 279 AEUV Art 279 AEUV genehmigt erforderlichenfalls vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung (fumus boni iuris), dazu muss der Antragsteller - (1) tatsächlich unionsrechtliche Notwendigkeit der eintwiligen Anordnung und - (2) ihre Erforderlichkeit zur Verhinderung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens glaubhaft machen Die Befolgung der einstweiligen Anordnung kann mit Zwangsgeldern sicher gemach werden -  Art 260 AEUV.
  • 1.3. Verfahren Der EuGH ist zuständig für: - Vorabentsscheidungen, Dialog mit nationalen Gerichten, - bei Direktklagen nur Vertragsverletzungsverfahren durch die Kommission oder einem MS  - Vorbehalt von Klagen zB Streitigkeiten über Legalität der Gesetzgebung und Rechtsmittelverfahren. Der EuG ist zuständig für: - Nichtigkeits- und Unterlassungsklagen, - Schadenersatzklagen gegen die EU, - Klagen aufgrund von Schiedsklauseln (Gegen sämtliche Entscheidungen in diesem Bereich steht ein Rechtsmittel an den EuGH offen, dieser hat die generelle Zuständigkeit für Rechtsmittelverfahren; Mittel sind auf Rechtsfragen beschränkt der EuG muss sie Überprüfen.)
  • 2. Vertragsverletzungsverfahren Dieses Verfahren ist gegen die MS gerichtet und hat folgende Voraussetzungen:  - (1) die Einbringung beim EuGH - (2) Aktivlegitimiert Kommission oder MS (Art 258, 259 AEUV), Passivlegitimiert nur MS - (3) Gegenstand der Klage muss eine Maßnahme der MS sein - (4) das Vorferfahren muss erfolglos gewesen sein - (5) die Formvorschriften für Klageschriften sind einzuhalten Allen MS steht die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens nach Art 259 AEUV offen. Dem betroffenen MS drohen Geldstrafen für Nichtbeseitigung einer bereits gerichtlich festgestellten Vertragsverletzung in einem zweiten Verfahren. Bei Nichtumsetzung von Richlinien kann die Kommission mit Art 258 AEUV klagen. Für die Vertragsverletzungsklage ist der EuGH in erster und letzter Instanz zuständig, dh gegen dessen Urteil gibt es kein weiteres Rechtsmittel. Rechtsschutzziel ist die Feststellung dass der MS gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat, die Feststellung ist ein Anknüpfungspunkt für weitere Rechtsfolgen zB (260 AEUV) die Pflicht zur Ergreifung der Maßnahmen die der Gerichtshof erteilt. Die Feststellung kann auch eine erga-omnes Wirkung des Urteils mit sich bringen.  Vorverfahren: Im Fall des Art 258 AEUV besteht das Vorverfahren aus einem Mahnschreiben der Kommission an den MS und einer abschlägigen Gegenäußerung der MS. Im Fall des Art 259 AEUV besteht es aus einer zwingenden Befassung der beteiligten MS und der Kommission. Die Kommission muss eine begründete Stellungnahme zu der, von einem MS behaupteten, Vertragsverletzungen abgeben.   Unterlässt die Kommisison binnen 3 Monaten die Abgabe einer Stellungnahme kann dennoch geklagt werden, außerdem bindet die Meinung der Kommission den MS nicht bei der Entscheidung eine Klage zu erheben. Für ein Vorferfahren ist ein Rechtsschutzinteresse nicht vorausgesetzt.  Feststellung:  Die Vertragsverletzungsklage ist begründet wenn: - die vom Kläger behaupteten Tatsachen zutreffen - das Verhalten gegen Unionsrecht verstößt - die fragliche Maßnahme dem betreffenden Ms zuzurechnen ist Das Vertragsverletzungsurteil ist ein Feststellungsurteil und bewirkt die Pflicht zur Beseitigung und weiterer Unterlassung Art 260(1) AEUV, daneben hat sie auch erga-omnes- Wirkung, gilt also für alle.  Die Nichtbefolgung des Urteils kann in einem späteren Gerichtsverfahren sanktioniert werden, die Rechtsgrundlage entspringt dem Art 260 AEUV. Aktivlegitimiert ist die Kommission. Eine Ausnahme bildet der Art 260 Abs 3 AEUV, bei der vollständigen Nichtumsetzung einer RL, bereits im Rahmen der ersten Vertragsverletzungklage kann man nach Art 258 Gelbuße beantragen. Es gibt 2 Formen von Geldbußen: - (1) Pauschalbeträge bei Unrechtsgehalt des Verstoßes für die Vergangenheit - (2) Zwangsgelder Anreiz für die Zukunft; Höher der Strafe geht von einem Sockelbetrag aus, diese sind nach Schwere, Dauer und Wirtschaftsleistung anzupassen
  • 3. Nichtigkeitsklage Die Nichtigkeitsklage ist im Art 263 AEUV geregelt. Die Nichtigkeit gilt im Erlass einer rechtswidrigen Handlung. Für diese Klage ist der EuG zuständig, eine Ausnahme gilt allerdings nach Art 51 EuGH-Satzung, die dem EuGH vorbehaltenen Klagen regelt. Gegen EuG entscheidungen gibt es ein Rechtmittel beim EuGh. Das Rechtsschutzziel der Nichtigkeitsklage ist die Aufhebung der rechtswidrigen Handlung eines Organs. Sie ist eine Rechtsgestaltungsklage. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind folgende: - (1) Einbringung beim zuständigen Organ (meist EuG) - (2) Aktivlegitimiert sind EU-Organe, MS sowie Einzelpersonen, Beklagte sind EU-Organe - (4) Gegenstand: gegen / auf eine rechtlich bindende Handlung des beklagten Organs, für zB Empfehlungen steht im Regelfall weder Nichtigkeits- noch Untätigkeitsklagen zu - (5) Nicht privilegierte Kläger (Einzelpersonen) müssen den Nachweis von Rechtsschutzinteresse einbringen - (6) Es besteht eine Klagsfristen von zwei Monaten, bei der Nichtigkeitsklage gilt jener Zeitpunkt, ab Kenntnis der betreffenden Handlung   - (7) Formvoraussetzungen müssen erfüllt sein Feststellung: Die Nichtigkeitsklage ist inhaltlich begründet, wenn einer der in Art 263 AEUV genannten Nichtigkeitsgründe vorliegt. Neben der Verletzung von höherrangigem Unionsrechts sind dies noch die Unzuständigkeit des handelnden Organs zur Setzung der Handlung, Verletzung wesentlicher Formvorschriften des Verfahrens zum Erlass des Rechtsakts und des Ermessensmissbrauchs. Das Urteil hebt den angefochteten Rechtaskt  und dessen Rechtswirkung von Anfang an ex tunc auf. Zudem gilt das Urteil erga omnes.
  • 4. Untätigkeitsklage Die Untätigkeitsklage ist in Art 265 AEUV geregelt. Untätigkeit besteht im rechtswidrigen Unterlassen einer solchen Handlung.  Für die Klage ist der EuG zuständig, ausnahmen gelten für nach Art 51 EuGH-Satzung dem EuGH vorbehaltenen Klagen. Gegen EuG entscheidungen gibt es ein Rechtmittel beim EuGh. Das Rechtsschutzziel ist die Feststellung, dass eine Handlungspflicht des Organs besteht. Hat das Organ (rechtswidrig) gehandelt so kann nur subsidiär eine Nichtigkeitsklage erhoben werden. Wurde rechtswidrig keine Handlung gesetzt kann eine Untätigkeitsklage erhoben werden. Voraussetzungen:  - (1) die Einbringung beim zuständigen Organ (meist EuG) - (2) Aktivlegitimier sind EU-Organe, MS sowie Einzelpersonen, Beklagte sind EU-Organe - (4) Gegenstand der Klage ist eine rechtlich bindende Handlung des beklagten Organs, für zB Empfehlungen steht im Regelfall weder Nichtigkeits- noch Untätigkeitsklagen zu - (5) Nicht privilegierte Kläger müssen den Nachweis von Rechtsschutzinteresse einbringen - (6) Es besteht eine Wartefirst. Das betreffende Organ muss zur Handlung aufgefordert worden sein und hat zwei Monate Zeit um die begehrte Handlung zu setzen, wird die unterlassen so kann die Klage nach weiteren zwei Monaten nach Art 265 AEUV erhoben werden. Die Aufforderung und Einhaltung der Fristen ist zwingende Voraussetzung- - (7) Formvoraussetzungen müssen erfüllt sein, zu den Klageschriften gehört die Angabe der gewünschten Maßnahmen und der infolge der Untätigkeit konkret verletzen Handlungspflicht  Feststellung:  Die Untätigkeitsklage ist begründet wenn eine Handlungspflicht bestand, bei nicht privilegierten Klägern muss die Handlungspflicht konkret gegenüber dem Kläger bestanden haben. Das Untätigkeitsurteil stellt die Handlungspflicht fest. Die Handlung ist vom beklagten Organ nachzuholen und kann nicht unmittelbar durch das Unterlassungsurteil substituiert werden. Ignoriert das Organ die Handlungspflicht so muss neuerlich Untätigkeitsklage erhoben werden. Die Feststellung rechtswidrigen Unterlassens kann zu Art 340 AEUV Schadenersatzansprüche gegen die Union führen, die mit seperater Klage Art 268 AEUV verfolgt werden können. 
  • 1.4. Privilegierte und nicht Privilegierten Kläger Privilegierte Kläger müssen keinen Betroffenheitsnachweist (Nachweis von Beschwer bzw Rechtsschutzinteresse) antreten. Sie können daher auch einer abstraken Normenkontrolle dienen und müssen nicht immer auf die Wahrung eigener Ansprüche zielen. Privilegierte Kläger sind nach Art 263 AEUV bei der Nichtigkeitsklage: - alle MS, der Rat, die Kommission und das Parlament. Teilprivilegierte Kläger müssen den einfachen Betroffenheitsnachweis antreten, dass sie die Klage zur Wahrung ihrer Rechte erheben, diese sind: - der Rechnungshof, die Europäische Zentralbank (EZB), und der Ausschuss der Regionen Die Untätigkeitsklage kennt nach dem Wortlaut des Art 265 AEUV nur privilegierte Kläger, neben den Ms sind das alle Organe der EU. Nicht privilegierte Kläger sind Einzelpersonen. Sie müssen unmittelbar und individuell betroffen sein.  Die Betroffenheit für nicht priviligerte Kläger liegt vor wenn sie als Adressat genannt sind (unmittelbar) und die Handlung an sie gerichtet ist (individuell). Verwaltungsrechtsakte in Art 290, 291 AEUV die nicht Gesetzgebungsakte im Sinne des Art 289 AEUV sind, sind leichter zu beweisen, denn man muss nur die unmittelbare Betroffenheit beweisen. Unmittelbare Betroffenheit bedeutet, dass die Rechtswirkung für den Kläger aufgrund des Rechtsakts zwangsläufig eintreten. Individuelle Betroffenheit bedeutet, dass der Rechtsakt den Kläger wegen bestimmten persöhnlichen Eigenschaften aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebend berürht und ihn in ähnlicher weise individualisert wie den Adressaten eines Beschlusses (Plaumann-Formel). Übersprungen wird die Hürde dort wie die Regelung einen abgeschlossenen Personenkreis betrifft (closed class). Die Untätigkeitsklage knüpft auch am Erfordernis der unmittelbar und individuellen Betroffenheit bei nicht privilegierten Personen nach Art 265 AEUV – in der Praxis ist der Bereich jedoch auf unterlassene Beschlüsse eingeschränkt, nicht auf RL oder VO. 
  • 5. Vorabentscheidung Die Vorabetnscheidung ist die zweite Säule des Unionsrechtsschutzes, sie ermöglicht das Zusammenwirken von EuGH und nationalen Gerichten und stellt sicher dass beide, die ihnen im System zugeordneten Aufgaben, wahrnehmen können  Das Rechtsschutzziel ist die dem Individualrechtsschutz dienende Sicherstellung einer richtigen Anwendung von Unionsrecht. Sie ist ein Zwischenverfahren des natoinalen Gerichtsverfahrens, dass eine konkrete Frage des nationalen Gerichts betreffend der Auslegung oder Gültigkeit von Unionsrecht zum Gegenstand hat. Voraussetzungen:  - (1) das Vorabentscheidungsersuchen muss beim EuGH eingebracht werden und  - (2) von einem nationalen Gericht im Sinne des Artikel 267 AEUV stammen und weiters - (3) die Vorlagefrage hat Unionsrecht zum Gegenstand, dh die Auslegung von Primärrecht und Sekundärrecht bzw die Gültigkeit von Sekundärrecht - (4) die Beantwortung der Vorlagefrage muss erforderlich sein (kein Scheingericht) - (5) die Formvorschriften müssen in Gestalt eines Mindestinhalts des Ersuchens erfüllt sein Ein nationales Gericht ist nach Art 267 AEUV: - (1) eine gesetzliche Grundlage der Einrichtung mit- (2) permanentem Charakter,- (3) obligatorischer Zuständigkeit, - (4) bindung der Entscheidung an Rechtsnormen,- (5) bindung an gerichtstypische, förmliche Verfahrensregeln und- (6) die Unabhängigkeit des Organs  Feststellung:  Für unterinstanzliche Gerichte bestimmt Art 267 AEUV, dass die Vorlage nach eigenem Ermessen erfolgen kannn, sie haben ein Vorlagerecht - nur in einem Ausnahmefall besteht eine Vorlagepflicht, wenn sie Zweifel an der Gültgkeit eines Unionsrechts hegen. Letztlinstanzliche Geriche haben eine generelle Vorlagepflicht nach Art 267 AEUV. Sie haben Fragen der Auslegung oder Gültigkeit vom Unionsrecht die in den von ihnen behandelten Fällen auftauchen, dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. Das Urteil lässt sich als verbinldiches Gutachten zum Unionsrecht begreifen. Es ähnelt Feststellungsurteilen aber auch Zwischenurteilen - eine genaue Zuordnung ist nicht möglich.  Die Antwort ist verbindlich für das vorlegende Gericht, das ausgelegte Unionrecht hat auch erga omnes Wirkung, als Stand des Rechts zu beachten. Eine fehlende Anpassung kann als qualifizierter Verstoß für die Staatshaftung gesehen werden.
  • 5.1.CILFIT-Doktrin Nach der CILFIT-Doktrin bestehen Ausnahmen der Vorlagepflicht, die in der Praxis dazu führen, dass auch letztinstanzliche Gerichte die meisten Fragen dem EuGH nicht mehr vorlegen müssen. Diese liegen vor wenn:  - die richtige Antwort derart offenkundig ist, dass für kein anderes Gericht im Binnenmarkt oder dem EuGH Raum für vernünftige Zweifel besteht (acte éclairé) oder - dieselbe Frage bereits beantwortet wurde (acte eclaire I) oder - die Rechtsfrage in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshoft gelöst ist (acte éclairé II)
  • 5.2. Vorlageentscheidung: Rechtsmittel und Unterlassung Nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie ist die Reichweite der Parteirechte im nationalen Verfahren grundsätzlich eine Sache des nationalen Verfahrensrechts: Das Unionsrecht alleine das Art 267 AEUV als Dialog zwischen Gerichten anlegt vermittelt keinen Vorlageanspruch, es verleiht aber Recht, eine Vorlage anregen zu dürfen und diese im nationalen Gericht prüfen zu lassen. Es kann also der Fall sein, dass die Parteien des nationalen Verfahrens bei der Anwendung des unterinstanzlichen Gerichts nach Art 267 AEUV oder der Anwendung der CILFIT-Kriterien durch letzinstanzliche Gerichte ein Mitspracherecht dahin haben, dass sie eine Vorlage verlangen können.Aus diesem Grund muss die Vorlageentscheidung auch nicht mit Rechtsmitteln angreifbar sein - in Österreich besteht kein individueller Parteianspruch auf Vorlage.
  • 5.3. Unterlassung der Vorabentscheidung Entscheidet sich das Gericht für eine Vorabentscheidung, ist der Vorlagebeschluss unanfechtbar. Es erfolgt eine Verfahrensaussetzung, währenddessen dürfen nur solche Handlungen vom Gericht vorgenommen werden, die durch die Vorabentscheidung nicht beeinflusst werden können oder die Frage abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten. Eine Verletzung der Vorlagepflicht stellt eine Vertragsverletzung dar die zur Staatshaftung führen kann. In Österreich wird die rechtswidrige Nichtvorlage als Verletzung dess Rechts auf den Richter nach Art 83 Abs 2 B-VG gewertet sodass das betreffende Urteil also mit einem schwerwiegenden Rechtsfehler behaftet ist.