Politikwissenschaft (Fach) / Steuerungs- und Governancetheorie 7 (Lektion)

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Entgrenzung des Regierens nach innen: "Governance"

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  • Paradigmenwechsel von Steuerung zu Governance a) semantische (bedeutungstechnische) Verschiebungen - seit Beginn der 1990er Jahre: Auftauchen des anglo-amerikanischen Begriffs "Governance" in der Politikwissenschaft - Wandel der Semantik (Begriffsstrategie)--> rasche Ausbreitung des Governance-Begriffs, der schrittweise den Begriff "politische Steuerung" ersetzt bzw. überlagert - These: Indiz für tiefgreifenden sozio-strukturellen Wandel - Vergleich den Megatrend in politikwissenschaftlichen Diskursen --> "Wandel der Staatlichkeit" - doppelter Veränderungsprozess 1) der Wahrnehmung    2) der empirisch-gesellschaftlichen Entwicklung
  • Paradigmenwechsel von Steuerung zu Governance b) doppelte Dynamik: theorieinterne und theorieexterne • theorieinterne Dynamik --> vergleichende Thematisierung der Grenzen von Steuerung in den verschiedenen Steuerungstheorien • gesellschaftliche Entwicklungsdynamik technikgetriebener Globalisierungsprozess führt zur Erosion der Grenzen des (1) nach innen (2) und nach außen souveränen Nationalstaats d.h.--> Auflösungserscheinungen des Leviathans (Figur der Allmacht) ad (1): "kooperativer Staat" (Inklusion nicht-staatlicher Akteure) ad (2): Regieren "jenseits" des Nationalstaats
  • Exkurs: "Unter den Bedingungen der Globalisierung" a) Begriff und Kern der Globalisierung: Globalisierung ist der Prozess der - zunehmenden internationalen Verflechtung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren in allen Bereichen (Wirtschaft, Umwelt, Kultur, Kommunikation, Politik usw.) - der durch den technischen Fortschritt (insbesondere die neuen Informations-und Kommunikations- sowie Transporttechnologien) vorangetrieben wird. --> Veränderung der Raum-Zeit-Verhältnisse (Antony Giddens)
  • Exkurs: "Unter den Bedingungen der Globalisierung" b) Dimensionen der Globalisierung 1) wirtschaftliche Sphäre --> Globalisierung des Wettbewerbs a) quantitativ: Zunahme weltweiter Interaktionen (=Erweiterung des Feld der Möglichkeiten) b) qualitativ: Globalisierung von Entscheidungshorizonten (=Wandel der vertrauten Alternativen) Motto: "Unter den Bedingungen der Globalisierung" 2) kulturelle Sphäre --> Globalisierung der Kommunikationsströme a) einerseits: Zunahme der kulturellen Vielfalt der Welt (wachsendes Alternativenbewusstseins) b) andererseits: Ausbreitung von globalen Egalisierungstendenzen (Vereinheitlichungstendenz) 3) politische Sphäre --> Problem: "Hinterherhinken" der politischen Globalisierung Diskrepanz: a) globale Wirkungszusammenhänge b) national begrenzte politische Handlungs(un)fähigkeit Folge: strukturelle Entmachtung der Politik
  • Exkurs: "Unter den Bedingungen der Globalisierung" c) negative und positive Globalisierung - negative Globalisierung (überwiegend in gegenwärtiger Phase) --> Abbau bisher wirksamer nationaler Grenzen und Regelungen Probleme *politische Regierungslücke * demokratisches Legitimationsdefizit positive Globalisierung (Zukunftsprojekt) --> Aufbau neuer politischer Gestaltungsinstrumente die dem globalen Wirkungshorizont angemessen sind: Redeweise von "(Global) Governance"
  • Governancekonzept- Charakterisierung Vorbemerkungen Das Label "Governance" unterstreicht die --> Neuartigkeit politischer Regulierungsmodi in der komplexer gewordenen Welt des 21. Jahrhunderts steile Karriere eines Begriffs - 2 Voraussetzungen a) Sozialindikator für neue empirische Problemlagen b) hinreichende Diffusität des Begriffs ermöglicht seine Verwendung in unterschiedlichen Kontexten Zitat (Artur Benz): "Das Erarbeiten eines Begriffs stellt daher einen der wichtigsten ersten Schritte des wissenschaftlichen Lernens und Forschens dar"
  • Governancekonzept – Charakterisierung a) begriffsgeschichte Aspekte (Herkunft) im Englischen: - lange Zeit synonym verwandt zu politische Steuerung (--> Prozessaspekt)                      - später: Ausweitung des Begriffs In der Ökonomie (Prägung des wissenschaftlichen Begriffs) - Untersuchung von institutionellen Regelungen in Unternehmen - in der Institutionenökonomie: Übertragung auf Makroebene --> Änderung des Bildes vom Markt (1) von "freiem Markt" (2) zu Markt als eingebettet in System von Regeln, die durch Politik bestimmt werden - Fazit: In den Wirtschaftswissenschaften wird mit dem Governance-Begriff erfasst: (1) die Existenz von Regeln (2) die Art und Weise der Regeldurchsetzung im Wirtschaftsprozess
  • Governancekonzept – Charakterisierung Begriffsverständnisse in Sozial- und Politikwissenschaften Befund: in der politischen Praxis taucht der Governance-Begriff ab Mitte der 80er vermehrt auf zunächst deutliche normativ akzentuierte Begriffsverwendung --> "Good Governance" zwei praxeologische Kontexte von Good Governance 1) Programm zur Verbesserung des Regierns in nationalen und internationalen Kontexten 2) Konzept zum Abbau staatlicher Steuerung und Leistungen zugunsten privatwirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure (=nicht-staatlicher Akteure) --> hieraus resultieren 2 unterschiedliche Begriffsverständnisse
  • Governancekonzept – Charakterisierung 2 unterschiedliche Begriffsverständnisse in Sozial- und POlitikwissenschaften (1) enges Verständnis: Government versus Governance 1) enges Verständnis: Government versus Governance Kontext: Good Governance zunächst von der Weltbank benutzt als Modellvorstellung für erfolgreiche Entwicklungspolitik (--> nicht-hierarchisch) später Ausweitung auf transnationale Problemlösung Plädoyer für Formen zivilgesellschaftlicher Beteiligung an Prozessen politischer Problemlösung auf allen territorialen Ebenen a) Government: autonome Tätigkeit einer Regierung b) Governance: netzwerkartige Strukturen des Zusammenwirkens staatlicher und nicht-staatlicher (privater) Akteure
  • Governancekonzept – Charakterisierung 2 unterschiedliche Begriffsverständnisse in Sozial- und POlitikwissenschaften (2) weites Verständnis: Regelungsstrukturen Kontext: von neoliberalen Regierungen verwandt, die nicht-staatliche Formen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben propagierten ("Privatisierung", "New Public Management"...) Bedeutung: Good Governance als soziale Handlungskoordinierung sowie als Regelungsaspekt in komplexen Strukturen Formen: - Public-Private Partnerships - Selbstregulierung privater Akteure - Koordination über Marktprozesse - hierarchische Koordination
  • Governancekonzept – Charakterisierung Netzwerke Governanceformen als Kontinuum von institutionellen Strukturen zwischen zwei Polen von Regulierungsmechanismen MARKT --|--|--|--|--|--|--|--|--|--|--|--|--|--|--|--|--|--|--|--|---STAAT     Netzwerkkonfigurationen = "Drittes Modell": "jenseits von Markt und Staat Grenzfälle: - rein staatlich-hierarchische Modi --> exkludiert beim engen Begriff - rein marktwirtschaftliche Modi --> exkludiert z.B. von Mayntz
  • SCHEMA Typen der sozialen Handlungskoordination                              Staat/Hierarch.                  Markt                    Netzwerke Koordinations-         Anweisung                      Tausch                     Verhandlung                     mechanismus Ressource                  Macht                             Geld                        Vertrauen          Vorteil                     Verbindlichkeit                 Flexibilität                      V+F    Nachteil                    Inflexibilität                 Unverbindlichkeit                 ?
  • Vorteile von Netzwerken - dynamische Netzwerkbildung: funktionale Bestimmung der Zugehörigkeit (Problemlösungsbeitrag) - variable Grenze gegenüber Umwelt: mehr Raum für Abstimmungsprozesse zwischen konfligierenden Ansprüchen - Hoffnung auf Begegnung unterschiedlicher Wissensressourcen - Verbindlichkeit (Interaktionsregeln) + Flexibilität (Dynamik) - Fazit: Netzwerk = Chiffre zur Bewältigung der gestiegenen Kontingenzen in einer sich                             globalisierenden Welt
  • Schlussüberlegungen a) Reflexionen zu Governanceaspekten - Rolle des Staates --> Interdependenzmanager d.h. Koordinationsaufgaben im Netzwerk - Netzwerke als "antagonistische Kooperationen" = Mischung aus gegensätzlichen und gemeinsamen Orientierungen - Governance zielt ab nicht nur auf Regeln setzende Instanzen, sondern auch auf dadurch begründete Institutionen
  • Schlussüberlegungen b) Einschätzung von Governance potentielle Schwächen: - Entscheidungsblockaden - suboptimale Kompromisslösungen - Einigung auf Kosten Dritter - Gefahr fehlender Bindungswirkung der Normen - Dominanz priviligierter Interessen Förderliche Faktoren: - großer Problemdruck (bei geteilter Problemdefinition) - bestimmte Formen von Ungewissheit (über Kostenverteilung) Stärke des Governance-Konzeptes - offen für unterschiedliche Theorien --> Erfordernis der Kontextualisierung des abstrakten Begriffs
  • Schlussüberlegungen c) Bilanzierung von Merkmalen des Governance-Konzeptes - Governance = neue Modi der Regulierung - normatives und empirisch-analytisches Konzept - politikwissenschaftlicher Fokus: Kooperation von staatlichen und nicht-staatlichen (privatwirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen) Akteuren zum Zweck der Erbringung öffentlicher Aufgaben - Hintergrund: steigende Interdependenzen (zwischen Sektoren, zwischen Staaten usw.) - wichtig für Problemlösung: effektive Institutionen - Aufwertung von *Politiknetzwerken         * Verhandlungen (auch: Vertrauen) * Informalität                * Wissen * gesellschaftlicher Selbstorganisation * Kooperation               * Problemlösung