Politikwissenschaft (Fach) / Steuerungs- und Governancetheorie Folie 2 (Lektion)

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Renate Mayntz

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  • Prof. Dr. mult. Renate Mayntz (Biographie) -geb. 1929 in Berlin - Fokus: Steuerungstheorie, Wiss.- u. Technikforschung, transnationale Strukturen - Direktorin emeritus des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln
  • Einordnung der Steuerungsdiskussion These vom Staatsversagen 3 Diskussionszusammenhänge = 3 Staatsfunktionen 1) Ordnungsfunktion (v.a. in den 70ern) --> drohende "Unregierbarkeit" westl. Demokratien (Probleme bei der Durchsetzung polit. Herrschaft) 2) Wohlfahrtssicherungsfunktion (ab den 60ern) --> Krise des Sozialstaates als = Finanzkrise angesichts ständig steigender Erwartungen 3) Gestaltungsfunktion (ab den 80ern) --> "Steuerungsversagen" Staat kann identifizierte soziale und ökologische Probleme nicht mehr lösen ad 3) Paradigma des Steuerungsversagens = Gegenstand der folgenden Überlegungen - Frage nach Zusammenhang zwischen a) Diagnose (Ursachen) und b) Therapie (Lösungen) These/Kritik von Mayntz: --> Vernachlässigung des methodischen Primats der Problemdiagnose in der Diskussion d.h. Vernachlässigung der vordringlichen Frage nach den Ursachen des staatlichen Steuerungsversagens <--> vorschnelle Reformvorschläge zur Rechtfertigung wertbasierter (ideologischer) Präferenzen
  • Begriff Steuerung Kritik Mayntz: häufig fehlende Definition des Steuerungsbegriffs ab 1970: Steuerungsbegriff erstmals in wiss. Literatur gebraucht 1980er: inflationäre Verwendung in den Sozialwissenschaften Herkunft: vermutlich Übersetzung des engl. Begriffs. "control"
  • Begriff Steuerung - enge versus weite Begriffsverwendung a) zunächst enge Begriffsverwendung in Politikwissenschaft:  --> Steuerung= Fähigkeit zur konzeptionell orientierten Gestaltung der gesellschaftl. Umwelt durch politische Instanzen b) <-> vgl. dagegen zunehmende Ausweitung des Begriffsinhalts in soziologischen Zusammenhängen: Steuerung = Handlungskoordination bzw. soziale Ordnung durch 1) Staat (Mittel: Macht, Recht) oder 2) Markt  (Mittel: Geld) oder 3) Gemeinschaft (Mittel: Solidarität)
  • Begriff Steuerung- Position von Mayntz Kritik an weiter Begriffsverwendung : führt zu begrifflichen Unklarheiten --> Plädoyer für eine enge Fassung des Steuerungsbegriffs + Kopplung an Akteursperspektive Anknüpfungspunkt: Verwendung des Begriffs in technischen Zusammenhängen d.h. es geht nicht nur um gezielte Beeinflussung sondern darum ein System von einem Ort oder Zustand zu einem bestimmten anderen zu bringen
  • Klassisches handlungstheoreitsches Steuerungsmodell Steuerungssubjekt      (S)            Staat                               ⇓ (M1) Steuerungsmittel     ⇓ (M2)          kausal-lineare Steuerungskette                               ⇓ (M3) Steuerungsobjekt       (O)           Gesellschaft                                    ⇓       \      Ausgangszustand (Z1) ⇒    Zielzustand (Z2) --> Steuerung als intentionale Änderung eines externen Zustandes                  
  • Klassisches handlungstheoretisches Steuerungsmodell- Anmerkungen Steuerungssubjekt --> Personen oder korporative Akteure (=handlungsfähiges soziales Kollektiv) <--> bloße Handlungskoordination Steuerungshandeln (Einsatz von Steuerungsmitteln)                       --> zurechenbar auf Steuerungssubjekt d.h.: --> bewusst hoch selektive Betrachtungsweise <--> das Handeln des Steuerungsobjektes erscheint als = Re-aktion Steuerungsobjekt --> Systemcharakter: durch Steuerung soll seine autonome Dynamik gezielt geändert werden <--> punktuelle Eingriffe Steuerungsziel (bzw. Intention) --> bestimmte Zustandsänderung des als Steuerungsobjekt fungierenden Systems durch den Einsatz von Steuerungsmitteln --> grundlegende Annahme einer Relation Mittel-Wirkung: kausale Beziehung zwischen a) Steuerungshandeln (Mittel) b) und Steuerungsergebnissen (Wirkung) --> muss Steuerung erfolgreich sein? (Zielzustandserreichung?) NEIN! (Steuerungsversuche gelten hier als Steuerung)
  • Grenzen der Steuerung- Planungseuphorie und Enttäuschungserfahrungen - Hintergrund der Steuerungsphilosophie: dass die menschliche Gattung die eigenen Geschicke lenken kann - die Vorstellung erfolgreiche gesellschaftliche Planung sei möglich, wurde begünstigt durch die Erfahrung nach dem 2. Weltkrieg (Stichwort "Wirtschaftswunder") - außerdem wurde als Erfordernis von Planung befördert durch das Bewusstsein der Problematik der technologischen Entwicklung (Stichwort "Atomkraft") --> wachsende Planungsorientierung der politischen Entscheidungsträger in den 60ern <--> Enttäuschungserfahrungen: politische Steuerung wird zum = wissenschaftlichen Thema
  • Grenzen der Steuerung - mögliche Enttäuschungserfahrungen Reformprogramme... Fall 1: nicht umsetzbar Fall 2: zwar umgesetzt, aber nicht gewünschte Wirkung Fall 3: zwar gewünschte Wirkung, aber "unintendierte Nebenfolgen" --> Frage nach Ursachen der Zielverfehlung durch regulative Politik
  • Grenzen der Steuerung- mögliche Ursachen 2 mögliche Verursacher des Scheiterns von Steuerung: a) die Probleme wurzeln in der (unzureichenden).. --> Steuerungsfähigkeit des Staates (Steuerungssubjekt) b) die Probleme wurzeln in der (unzureichenden).. --> Steuerbarkeit der gesellschaftlichen Teilbereiche (Steuerungsobjekt)
  • Grenzen der Steuerung- Fall A (bedingt durch mangelnde Steuerungsfähigkeit des Staates) 1) Wissensproblem (späte 60er/ frühe 70er) Steuerungsakteur verfügt nicht über ausreichendes Wissen von relevanten Zusammenhängen 2) Implementationsproblem (70er) Vollzugsdefizit bei mehrstufig gegliederter Steuerungsinstanz (nachgeordnete Behörden sind keine neutralen Instrumente) 3) Motivationsproblem (70er) Steuerungsadressaten leisten Widerstand gegen regulative Normierung (positives Engagement ist hoheitlich nicht erzielbar)
  • Grenzen der Steuerung ( Fall A-Steuerungsfähigkeit) - Kritik und Therapievorschläge - Kritik an hoheitlicher Form der Steuerung durch zentral gesetzte (Rechts-)Normen - Suche nach alternativen Steuerungsformen (als = Alternativen zum Recht) a) positive und negative finanzielle Anreize b) Informations- und Überzeugungsprogramme
  • Grenzen der Steuerung - Fall B (mangelnde Steuerbarkeit der gesellschaftlichen Teilbereiche--> Steuerbarkeitsproblem) - Diagnose: die interne Dynamik der Teilsysteme ist "von außen" (vom Staat) nicht einsehbar d.h. Problem wurzelt in der Eigenart des Steuerungsobjektes --> Verselbständigungtendenzen der Teilsysteme - Suche nach neuen Rechtsformen (vgl. Offe od. Teubner) als = alternative Form des Rechts - Konsequenz: Verlagerung von Steuerungsbefugnissen auf gesellschaftliche Akteure
  • Grenzen der Steuerung- Fall B (Kommentar von Mayntz) - Mayntz ist skeptisch gegenüber der Diagnose, die Probleme regulativer Politik hätten ihre Ursache in einem vom Staat nicht bewältigbaren "Steuerbarkeitsproblem" - Kritik von Mayntz: a) Verkürzung der Analyse auf Kommunikationsprozesse und Vernachlässigung der "energetischen" Dimension b) Kommunikationen werden von sozial Handelnden erzeugt - diese sprechen verschiedene Sprachen - These von Mayntz: --> Bedeutsamkeit der Erkundung unterschiedlicher struktureller Merkmale politischer Teilsysteme (Regelungsfelder) z.B. Grad der Organisiertheit, Zentralisierung, POlarisierung
  • Grenzen der handlungstheoretischen Perspektive (Mayntz, 2001) - Konzeptualisierung von politischer Steuerung als Problemlösungsprozess (Effektivität im Fokus) - man muss sich bewusst sein, dass dies eine hoch selektive Perspektive ist, die Anderes ausblendet - Selbst-Reflexion von Mayntz: --> Staat als doppeltes Interesse 1) Gemeinwohlmaximierung (Macht als INstrument) 2) Interesse an Selbsterhaltung (Macht als Selbstzweck) Fazit: im klassischen Steuerungsparadigma wird die Herrschaftsdimension unterbelichtet - keine Unterscheidung zwischen totalitären und demokratischen Systemen: Steuerungstheorien in demokratischen westlichen Systemen entwickelt