Diagnostik (Fach) / Diagnostik VO6 (Lektion)
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- Nach welchen Kriterien wähle ich (m)eine Methode aus? - Fragestellung (z.B. Kompetenz/Fähigkeit vs.Performanz/Leistung)- Diagnostisches Objekt (z.B. Alter, Bildungstand,Einschränkungen)- Ressourcen (z.B. Gruppe vs. einzeln; Screening vs. Test, vgl.NEO PI mit 240 Items vs. NEO FFI mit 60 Items)- Nötige Qualität der Daten (z.B. Messwiederholung für mehrGenauigkeit)- Art des Erlebens/Verhaltens (z.B. Erfragen des Selbstkonzeptsvs. Ermitteln der Kreativität)
- Klassifikationskriterien für Instrumente - Analyseeinheit- Einzelerhebung vs. Gruppenerhebung- Teilnahme vs. Nicht-Teilnahme des Diagnostikers- Reaktive vs. nicht reaktive Verfahren- Transparente vs. intransparente Verfahren- Typisches vs. maximales Verhalten
- Analyseeinheit - Individuum- Gruppe- soziales System
- Einzelerhebung vs. Gruppenerhebung - Gruppenverfahren setzen voraus, dass die Methodeselbsterklärend ist, i.e. nicht intensiv gesteuert werden muss- Gruppenverfahren sind angezeigt, wenn Gruppenprozesse imFokus stehen, sonst (so Ressourcen vorhanden!) eherEinzelerhebung- Einzelerhebung, wenn individuelle Anpassung nötig ist (vgl.adaptives Testen)
- Teilnahme vs. Nicht-Teilnahme des Diagnostikers - nicht-teilnehmende Verfahren sollen Verzerrungen vorbeugen -> theoriekonforme Beeinflussung der Untersuchungssituationdurch Diagnostiker; selbsterfüllende Prophezeiungen(Pygmalion-Effekt) - bei aktiver Beteiligung besonders kritisch, weniger bei passiver
- Reaktive vs. nicht reaktive Verfahren - wird das interessierende Erleben und Verhalten gezieltprovoziert, wissen die Probanden (zumeist) darum und könneneigenes Verhalten systematisch beeinflussen,⟶ es drohen best. Verfälschungen- Demand-Effekte- allg. sozial-erwünschte Antworten
- Transparente vs. intransparente Verfahren - bei transparenten Verfahren kennt Person den Zweck derDatenerhebung (Anamnesegespräch, Assessment): ggf.Problem- intransparente Verfahren widersprechen Bedürfnis nachSelbstbestimmung der Teilnehmer
- Typisches vs. maximales Verhalten - Leistungseigenschaften werden eher über Maximalleistungdefiniert- Persönlichkeits- und Einstellungsmerkmale eher übertypisches Verhalten und Erleben erhoben⟶ Das ist aber lediglich Konvention!
- Erhebungsmethoden Obwohl psychologische Diagnostik häufig auf psychometrischeZugänge (klass. Testdiagnostik) reduziert wird,bedient man sich ganz unterschiedlicher Methoden: Verhaltensbeobachtung Gesprächsmethoden Schriftliche Befragungen Computerbasierte Verfahren
- Beispiele für seltener eingesetzte Methoden: Seltener eingesetzte Methoden:- Analyse nicht-reaktiv gewonnener Daten(Archivdaten, Tagebücher, Verhaltensspuren etc.)- Projektive Verfahren: auf PA zurückgehendesdiagnostisches Konzept:- Mehrdeutige Bilder (z.B. Rorschach) werden interpretiert.- Über diese freie Assoziationsaktivität erhält DiagnostikerAufschluss über abgewehrte/verdrängte (aggressive, sexuelle,todes-) triebbezogene Erlebens- und Verhaltensinhalte(...oder auch nicht;)- RT-gestützte Verfahren: Aufschluss über WahrnehmungsundDenkprozesse (sog. additive Faktormethode, Sternberg)
- Diagnostische Zugänge Diagnostische Zugänge haben (u.a.) das Ziel, die Objekteder Diagnostik vergleichend zu beschreiben.
- Vergleichende Aussagen (e.g. interindividuell, normorientiert etc.) in der Psychodiagnostik basieren auf zwei grundsätzlich verschiedenen Beschreibungsansätzen - Kategoriale Modelle: sog. qualitative/typologischeBeschreibungen ordnen diagnostische Objekte bestimmtenKategorien zu („Erika ist ein Hitzkopf“).- Dimensionale Modelle: sog. quantitative Systeme gehenvon kontinuierlichen Eigenschaftsdimensionen aus, in Bezugauf die ein diagnostisches Objekt beschrieben wird („Erika isteher cholerisch“).
- Kategoriale Ansätze Personen werden im Sinne diskreter, stabiler und einheitlicherStörungsphänomene eingeordnet§ Für uns relevant vor allem (mehr dazu in späteren VLs!):§ ICD-10, F80-F89: Entwicklungsstörungen§ F90-F98: Verhaltens- und emotionale Störungenmit Beginn in der Kindheit und Jugendneben Störungen, die auch im Kindes- und Jugendalter auftreten:§ F32: depressive Episoden§ F42: Zwangsstörungen§ F43: Reaktionen auf schwere Belastungen§ F50: Essstörungen
- Dimensionale Ansätze § Individuelle Verhaltensausprägungen werden als Kontinuumvon Verhaltensintensitäten entlang empirisch gewonnenerDimensionen erfasst.§ Bsp. Diagnostik von Verhaltensstörungen anhand vonSyndromskalen (ASEBA, Achenbach, 1991)§ internalisierende Auffälligkeiten mit intensiveren Ausprägungenauf den Skalen sozialer Rückzug, körperliche Beschwerden undängstlich/depressiv;§ externalisierende Auffälligkeiten mit intensiveren Ausprägungenauf den Skalen dissoziales Verhalten und aggressives Verhalten;§ gemischte Auffälligkeiten mit intensiveren Ausprägungen auf denSkalen soziale Probleme, schizoid/zwanghaft und
- Diagnostischer Prozess Als diagnostischer Prozess wird die Abfolge vonMaßnahmen zur Gewinnung diagnostisch relevanterInformationen bezeichnet.“ (Amelang&Zielinski, 2002, S. 417)§ Warum sollte man – bzw. die Fachgremien in denunterschiedlichen Disziplinen – sich darüber Gedankenmachen?⟶ Nicht nur die Qualität der Instrumente sondern auch desallgemeinen Vorgehensbestimmt die Qualität diagnostischerEntscheidungen maßgeblich!§ Hier v.a. zentrale Verantwortung des Diagnostikers:Verschränkung von Empirie und Theorie im Sinnediagnostischer Hypothesen, um zielführende Datenerhebung23-Mai-18 abzusichern!
- Hintergrund unreflektierten diagnostischer Zugänge § Hypothese hat sich in der Vergangenheit bewährt (Evidenz).§ Passung zwischen Hypothese und Bedürfnissen desDiagnostikers (eigene Motive).§ Kognitive Schemata (Vorurteile, Stereotype etc.) engen dieSuche nach empirischer Evidenz spezifisch ein(Bestätigungstendenz).§ Klammern an Lehrmeinungen („Gurus“)
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- Regeln für die Hypothesenformulierung Vorschlag für die Gestaltung des ersten (und soentscheidenden) Schritts (z.B. Schmitt&Gerstenberg, 2014):§ Explizit hinterfragen, welche Hypothese hinter dem Wunschsteht, bestimmte Information zu erheben.§ Hypothesen basieren auf wissenschaftlich belegbaren Theorien.§ Hypothese explizit machen und möglichst vieleAlternativhypothesen aufstellen („schlechte Schulleistung“?)§ Nicht vorschnell Hypothesenraum einengen bzw. (!!!) einengenlassen.§ Einengung des Hypothesenraums erfolgt nur auf Basisrationaler Entscheidungen vor dem Hintergrund empirischerÜberprüfung.§ Auch vorläufig ausgeschlossene Hypothesen werdendokumentiert.
- Es gibt grundsätzlich drei Arten der Verknüpfungen von Daten § Additive Verknüpfung (Beispiel X)-> Motto: Das Gesamtpaket muss stimmen...!§ Konjunktive Verknüpfung (Beispiel Y)-> Motto: Ein bestimmtes Niveau unterschreiten wir nirgends...!§ Disjunktive Verknüpfung (Beispiel Z)-> Motto: Hauptsache irgendwo stimmt dann alles...!
- zwei Strategien der Urteilsbildung – unabhängig vom diagnostischen Bereich (Personalauswahl bis pädagogische Diagnostik...) O Sog. klinische UrteilsbildungAuswahl, Gewichtung und Integration diagnostischerInformation wird vom Diagnostiker ohne Rückgriff aufexplizit festgelegte Regeln (intuitiv, informell) vorgenommen.⟶ Basiert auf Annahmen, dass§ der Diagnostiker über (teilweise implizite/s) Erfahrungund Fachwissen verfügt und§ auf Basis von Gruppendaten keine Rückschlüsse aufIndividuen gezogen werden sollten. O Statistische UrteilsbildungAuswahl, Gewichtung und Integration diagnostischerInformation wird auf Basis festgelegter Algorithmen(explizites Regelwerk) vorgenommen⟶ Basis sind große diagnostische Studien, die Relevanzvon Prädiktoren statistisch abschätzen (vgl. internationalediagnostische Manuale!!)
- Argumente für Urteilsbildungen Klinische Urteilsbildung§ Diagnostiker hat vollständiges Bild, i.e. mehr Informationen, als inPopulationsstudien erhoben werden können.§ Daten, die auf Basis von Gruppenstudien gewonnen werden, sind „blind“ fürden Einzelfall – bzw. nicht prädiktiv. Statistische Urteilsbildung§ Menschliche Informationsverarbeitungskapazität ist beschränkt, i.e.Integration großer Datenmengen ist nicht möglich.§ Faktoren wie Salienz best. Information, Affekt etc. verzerrenmenschliches Urteil systematisch.§ Heuristiken (i.e. auf begrenztem Wissen basierend) statt Algorithmen... ⟶ Metaanalysen bestätigen algorithmische Zugänge (z.B. sog.paramorphe Modelle: modellieren Zusammenhang zw. Daten,Entscheidungsmodellen exzellenter Diagnostiker & Diagnosen), diecomputational implementiert werden; Kleinmuntz, 1963).
- Repräsentativitätsbias Instanzen werden auf Basis derÄhnlichkeit mit Prototypen bestimmter Kategorien diesenzugeordnet.⟶ John trägt gerne lange schwarze Mäntel, hat langesschwarzes Haar und hört Death Metal. Was istwahrscheinlicher: Er ist ein Christ? Er ist ein Satanist?
- Basisratenbias Fehleinschätzung bzgl. der Häufigkeitbestimmter Kategorien in der Grundpopulation⟶ Überlegen Sie sich kurz 10 typische Situationen, in denenSie sich selbst behauptet haben.Frage: Wie selbstbewusst sind Sie?
- Verfügbarkeitsbias Urteile hängen davon ab, wie leichtInformation aus dem Gedächtnis abrufbar ist.
- Typische Urteilsfehler O Unausgewogenes Ausschöpfen des Urteilsspektrums§ Strengefehler§ Mildefehler§ Tendenz zur Mitte§ Tendenz zum Extremen⟶ to do: Selbstreflexion, Fachreflexion, Kollegenrat etc.O Interferenzen§ Reihungsfehler bzw. Einfluss vorangegangener Urteile§ Logische Fehler bzw. unzulässige Verknüpfungen§ Halo-Effekte⟶ to do: Trennung Leistungsbeschreibung & -bewertung,alle Aspekte der Leistung auflisten, Bild vom Schülerreflektieren etc.
- Urteilsverzerrung durch Manipulation? § Dazu: Cattells Differenzierung unterschiedlicher Datentypen§ L(ife)-Daten: biographische Information§ Q(uestionnaire)-Daten: Selbsteinschätzung/-rating§ T(est)-Daten: Leistungs- oder experimentell gewonnene Daten§ Faking-Diskussion (i.S.v. Täuschung) bezieht sichv.a. auf Q-Daten wie z.B. Persönlichkeitstests.Häufige Verzerrungstendenzen:§ Soziale Erwünschtheit (auch: impression management)§ Selbsttäuschende Erhöhung (auch self-enhancement)§ Allgemeine Akquieszenz§ Tendenz zur Mitte, Tendenz zu Extremantworten§ Simulation, Aggravation vs. Dissimulation⟶ Zusätzliche Validitätsskalen in z.B. Persönlichkeitsinventaren (e.g. Lügenskala im MMPI-2: „Manchmal lache ich übereinen dreckigen Witz...“) oder indirekte Maße (e.g. IAT)