Politikwissenschaft (Fach) / Einführung in die politische Soziologie (Lektion)

In dieser Lektion befinden sich 24 Karteikarten

123

Diese Lektion wurde von simon111 erstellt.

Lektion lernen

Diese Lektion ist leider nicht zum lernen freigegeben.

  • Wie definieren Almond und Verba den Begriff der „politischen Kultur“? In welcher Beziehung steht dieses Konzept zu dem der politischen Einstellungen Die politische Kultur ist ein Merkmal eines Kollektivs, vornehmlich einer Nation.  Sie setzt sich aus individuellen Einstellungen zusammen, die sich auf politische Objekte beziehen und ein gewisses Ausmaß an Verflechtung, Ordnung und Dauerhaftigkeit(„pattern“) aufweisen.  Die in einer politischen Gemeinschaft feststellbaren Einstellungen der Bürger sind nicht einheitlich, sondern weisen gewisse Unterschiede auf („distribution“). Informationen über die Eigenschaften politischer Kultur gewinnt man durch die Erhebung politischer Einstellungen eines Individuums.
  • Welche Merkmalsdimensionen sind für die Beschreibung politischer Kulturen wichtig? Art des politischen Systems Rolle des Bürgers im polit. System (Parochial, Obrigkeitlich, Partizipativ) Einstellungsobjekte: System, Inputs, Outputs, Individuum als Teilnehmer Kongruenz von politischer Kultur und politischer Struktur: positiv - allegiance, gleichgültig - apathy, Entfremdung - alienation Almond und Verba schufen die vier Einstellungsobjekte „Individuum als Teilnehmer am politischen Leben, „System“, „Inputs“ und „Outputs“. Außerdem bestimmten sie drei „reine“ Typen politischer Kultur und bezeichneten diese als „parochial“, „subject“ und „participant“. In parochialen politischen Kulturen ist keine der vier politischen Objektklassen (System, Bürger, Input, Output) im Bewusstsein der Bevölkerung gegenwärtig. Die Menschen nehmen die Politik nicht als eigenständigen Lebensbereich wahr und demzufolge spielt sie für ihr Leben keine Rolle. In der Untertanenkultur sind den Bürgern alle Aspekte der politischen Wirklichkeit präsent, sie entwickeln aber nur zum System und zu den Outputs (Inhalt, Träger, Prozesse) bewertende Beziehungen. In der partizipativen politischen Kultur kommen Bewertungen der Input Aspekte des politischen Lebens und der Rolle des Individuums als Teilnehmer am politischen Leben hinzu. Eine positive Bewertung aller politischen Objekte kennzeichnet eine Kongruenz von politischer Kultur und politischer Struktur („allegiance“). Gleichgültigkeit („apathy“) oder Ablehnung bzw. Entfremdung („alienation“) deuten auf eine Inkongruenz von politischer Kultur und politischer Struktur hin. Die drei Idealtypen politischer Kultur bildeten die Grundlage für die weiteren Überlegungen über die Bedeutung der politischen Kultur als Stabilisierungsfaktor eines politischen Systems. Nach Almond und Verba passt zu jedem dieser Typen politischer Kultur ein bestimmtes politisches System. Wenn dieser „fit“ von politischer Kultur und politischer Struktur vorliegt, ist ein politisches System stabil, denn es findet die Zustimmung der Mitglieder der politischen Gemeinschaft. Der parochialen politischen Kultur entspricht nach Almond/Verba (1989a: 16-19) ein traditionelles politisches System vom Typus einer afrikanischen Stammesgesellschaft. Die Untertanenkultur bildet die Basis eines autoritären politischen Systems, wie es nach der Auffassung mancher Beobachter bis zum Jahr 1917 in Preußen existiert hatte.
  • Welche Einwände wurden gegen das von Almond/Verba entwickelte Konzept der politischen Kultur und seiner Verwendung in der Forschungspraxis vorgetragen? Kritisiert wurde die psychologische Verengung des Konzeptes, verbunden mit der Forderung die politische Kultur um „kulturelle Objekte“ zu erweitern. Außerdem wurde die unklare Beschreibung der Eigenschaften der Civic Culture bemängelt, sowie eine nur unzureichende Einbettung in den Gesamtansatz. - politische Eliten nicht mit einbezogen
  • Was versteht man unter politischer Legitimität? Worin unterscheidet sich das Begriffsverständnis der normativen und der empirisch-analytischen Politikwissenschaft? Legitimität ist zunächst die Rechtmäßigkeit einer politischen Ordnung oder einer politischen Herrschaft. Normativ gesehen besteht die Rechtmäßigkeit der Herrschaftsordnung durch allgemein verbindliche Prinzipien. Empirisch gesehen ist die Rechtmäßigkeit dann gegeben, wenn die Herrschaftsunterworfenen sie als rechtmäßig und verbindlich faktisch anerkennen. Bsp.: politische Ordnung ist legitim empirisch: Mehrheit der Betroffenen ist davon überzeugt normativ: anhand der angelegten Legitimationskriterien verfügt XY über eine moralische Berechtigung
  • Erläutern Sie bitte das Modell des politischen Systems von David Easton. Erläutern Sie dabei insbesondere die verschiedenen Arten von Input Easton geht mit seinem systemtheoretischen Ansatz davon aus, dass ein System seine Stabilität durch die Unterstützung der Bevölkerung erhält. Er schlägt vor, dass für die Persistenz eines politischen Systems inputs und outputs notwendig sind. Die Gesellschaft liefert den input in Form von Forderungen (demands) und Unterstützung (support). Den output des politischen Systems stellen die für die Gesellschaft verbindlichen Entscheidungen (decisions) dar, die in einem Rückkopplungsprozess wiederum Forderungen beeinflussen sowie positive oder negative Unterstützung hervorrufen. Easton geht davon aus, dass die Persistenz, also Überlebensfähigkeit des politischen Systems eher gewährleistet ist, wenn die Erwartungen der Gesellschaft mit den Leistungen des Systems einigermaßen in Einklang stehen. So definiert Easton Legitimität als Übereinstimmung der eigenen Werte und Vorstellungen mit den Objekten des politischen Systems. Die input-Kategorie Unterstützung lässt sich zweiteilen in spezifisch und diffus. Spezifische Unterstützung wandelt sich schneller und ist abhängig von konkreten Leistungen, die erbracht werden müssen. Werden die Leistungen erfüllt, erfolgt Unterstützung sonst nicht. Die diffuse Unterstützung ist weitgehend unabhängig von der konkreten Systemperformanz. Spezifische Unterstützung kann über die Zeit auch zu diffuser werden. Dadurch ist ein Überleben des Systems in Krisen möglich.
  • Erläutern Sie bitte die Konzeptualisierung politischer Unterstützung durch Dieter Fuchs Fuchs definiert aufbauend auf das Konzept von Easton drei Arten für Handlungsorientierungen zu politischer Unterstützung: die instrumentelle, die expressive, sowie die moralische Orientierung. Die instrumentelle Unterstützung orientiert sich an dem Nutzen, der daraus erwächst, so dass die Performanz oder auch die Effektivität in Beziehung zur Handlung gesetzt wird. Expressive Handlungsorientierungen hingegen betreffen die emotionalen Bedürfnisse, die durch das Unterstützungsobjekt geweckt werden: es handelt sich um affektive Bindungen wie Stolz oder Identifikation. Die moralischen Orientierungen zielen schließlich auf die Übereinstimmung zwischen dem Charakter des Regimes und den moralischen Vorstellungen des Einzelnen ab. Instrumentell - v.a. Herrschaftsträger expressiv - v.a. polit. Gemeinschaft moralisch - v.a. polit. System
  • Was versteht man unter dem Begriff „Politische Ideologie“? Unterscheiden Sie dabei bitte das Begriffsverständnis der politischen Theorie und der Politischen Soziologie. Ideologien in der politischen Theorie sind Systeme von Ideen, Werten und Überzeugungen, die: a)    eine gewisse Stabilität aufweisen b)    von relevanten gesellschaftlichen Gruppen geteilt werden c)    eine bestimmte Diagnose der sozialen und politischen Realität beinhalten  d)   relativ abstrakte Aussagen über eine wünschenswerte soziale und politische Realität treffen e)    einen Katalog von konkreteren politischen Maßnahmen implizieren, mit deren Hilfe sich die Lücke zwischen c) und d) schließen lässt f)    Handlungsappelle an bestimmte soziale Gruppen richten und g)    eine Legitimation für die Verteidigung, die Reform oder die radikale Veränderung der grundlegenden sozialen und politischen Verhältnisse einer gegebenen Gesellschaft bieten. Die politische Soziologie versteht unter Ideologien eine Reihe von emotional aufgeladenen politischen Überzeugungen, die zentrale Werte und Institutionen umfassen, sowie die Rationalisierungen von Interessen (manchmal nicht seine eigenen) und moralische Rechtfertigungen für tägliche Handlungen und Überzeugungen.
  • Welche Funktion erfüllen Ideologien in der ökonomischen Theorie der Demokratie von Anthony Downs? Anthony Downs betrachtet in seiner Theorie Bürger und Politiker als zweckrationale Akteure, also Akteure, die stets die Option wählen, die für ihre eigenen Ziele optimal sind. Solange man davon ausgeht, dass die Akteure vollständig informiert sind, hat Ideologie keinerlei Sinn. Downs weist aber darauf hin, dass Akteure meist mangelhaft informiert sind und die Beschaffung zusätzlicher Informationen kostspielig ist. Ideologien können diesem Fall dazu beitragen, die Kosten der politischen Entscheidungsfindung reduzieren: Wenn jeder der relevanten Parteien  eine  Ideologie  zugeordnet  werden  kann,  von  der  jeweils  bestimmte  soziale  Gruppen profitieren werden, ist es für viele Wähler nicht mehr nötig, sich über jede einzelne Sachaussage  der  Parteien  zu  informieren.  Auch für die Parteien bedeutet die Festlegung auf eine Ideologie  eine enorme Erleichterung: Hat sich eine Partei erst einmal für eine Ideologie entschieden,  von  der sie erwartet,  dass diese eine optimale Kombination sozialer Gruppen anspricht, so muss sie nicht mehr bei jeder einzelnen (möglicherweise neuen) Sachfrage festlegen, mit welcher Position  sie möglichst viele Wähler für sich gewinnen könnte, sondern kann stets für den Standpunkt  plädieren, der in Übereinstimmung mit der bereits beschlossenen Ideologie steht.
  • Erläutern Sie bitte die beiden rivalisierenden Konzeptionen des Begriffs der Öffentlichen Meinung.  Zwei Konzeptionen haben sich durchgesetzt: elitenzentrierte und plebiszitär-demokratische Ansätze plebiszitär-demokratisch: Öffentliche Meinung setzt sich aus der Mehrheitseinstellung der Bevölkerung zusammen. Diese ist mit Umfragen messbar → gibt jedem Bürger die gleiche Wertung („one man one vote“) plebiszitär-demokratisch: Wie denkt die Mehrheitsbevölkerung? elitezentriert: Die öffentliche Meinung wird von intellektuellen Gruppen – einer gesellschaftlichen Elite – im Diskurs untereinander geschaffen, die Bevölkerung übernimmt das Ergebnis des Diskurses zum Großteil Elite: Kommunikation und Diskussion aufgeklärter und gebildeter Bürger (Eliten), die das Wohl der Bürger verbessern worden
  • Was versteht man unter dem Begriff „Wert“, was unter „Wertorientierung“? Wodurch unterscheiden Wertorientierungen von Einstellungen? Wert: abstrakte Konzeption von etwas Wünschenswertem, die bei der Entscheidung zwischen Alternativen als Selektionsstandard dienen kann. Ermöglichen das Abwägen von Alternativen. Bsp.: Familie vs. Karriere, keine Ideologie, kein geschlossenes System, sondern abstrakte Normen. Wertorientierungen versteht man diejenigen Werte, die die Menschen auch tatsächlich verinnerlicht haben. Wertorientierungen gelten als sehr stabil, sie werden ein Leben lang beibehalten, wenn sie einmal internalisiert sind. Damit stehen sie konzeptuell über den Einstellungen und strukturieren diese.
  • Erläutern Sie bitte kurz die „Theorie der Silent Revolution“ von Ronald Inglehart. Gehen Sie dabei insbesondere auf die Mangel- und die Sozialisationshypothese ein. Gestützt auf die Mangel- und die Sozialisationshypothese geht Ingleheart von einem schleichenden Wertewandel genannt „silent revolution“ aus. Die Mangelhypothese besagt hierbei, dass man die knappsten Güter am höchsten einschätzt, die Sozialisationshypothese geht davon aus, dass sich die Werte eines Menschen in den Entwicklungsjahren herausbilden und dann relativ stabil bleiben. Zusammengenommen bedeutet dies, dass die nach dem Zweiten Weltkrieg geborenen Alterskohorten eher postmaterialistische Werte ausbilden, weil sie ihre formative Phase in zunehmend sozialer und wirtschaftlicher Sicherheit erleben. Die Gesellschaft wandelt sich folglich mithilfe des Generationenaustausches und interessiert sich für Fragen zu hin zu Fragen des Umweltschutzes, der Sinnstiftung und der Selbstbestimmung. Im Gegenzug werden Fragen zum Wirtschaftswachstum, der Inflationsbekämpfung und der Arbeitsplatzsicherheit unwichtiger. 
  • Erläutern Sie bitte kurz das Konzept des Wertekreises nach Shalom Schwartz. Der Wertekreis nach Schwartz ist eine multidimensionale Skala. Sie umschließt die zehn Werte Hedonismus, Sicherheit, Leistung, Selbstbestimmung, Konformität, Wohltätigkeit, Tradition, Stimulation, Macht, Universalismus. Im Wertekreis sind die Werte miteinander vereinbar, die in Nachbarschaft zueinander liegen. In Widerspruch zueinander stehen die Werte, die sich im Kreis gegenüberliegen. Die Kreisstruktur weist außerdem zwei Konfliktachsen auf. Eine Achse beschreibt das Spannungsverhältnis zwischen Selbstzentrierung und Selbsttranszendierung, die andere das zwischen Offenheit für Veränderung und Konservatismus. Beim Konservatismus liegen Sicherheit, Konformität und Tradition am nächsten bei der Offenheit für Veränderung die Stimulation, sowie die Selbstbestimmung. Bei der Selbstzentrierung sind Macht und Leistung angelegt, bei der Selbsttranszendierung sind es Universalismus und Wohltätigkeit. Hedonismus befindet sich zwischen Stimulation und Leistung.
  • Was versteht man unter dem Begriff „politische Partizipation“? In welchem Verhältnis stehen die Begriffe „Demokratie“ und „politische Partizipation“? Politische Partizipation beschriebt alle Tätigkeiten, die Bürger freiwillig mit dem Ziel unternehmen, Entscheidungen auf den verschiedensten Ebenen des politischen Systems zu beeinflussen. Ohne politische Partizipation wäre eine Demokratie unvorstellbar, da sich Demokratie auf das Regieren durch die Bürger bezieht. Folglich kann Demokratie nicht ohne ein minimales Niveau politischer Partizipation existieren. Ein Mangel an politischer Partizipation ist für jede Demokratie destruktiv. Die enge Verbindung von Demokratie und politischer Partizipation ist auch im Grundgesetz verankert: „(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.
  • Wie lassen sich die verschiedenen Formen politischer Partizipation systematisieren? Erläutern Sie dabei bitte insbesondere die von Teorell, Torcal und Montero entwickelte Typologie. Zunächst einmal kann zwischen konventioneller und unkonventioneller politischer Partizipation unterschieden werden. Als konventionell gilt die klassische Staatsbürgerrolle, die sich an der Beteiligung von Wahlen äußert. Als unkonventionell gilt die legale Methode der problemorientierten Partizipation, wie die Mitarbeit in einer Bürgerinitiative. Im illegalen Bereich wird zwischen gewaltfrei (Zivile Ungehorsam), sowie gewaltsam (Politische Gewalt) unterschieden. Verba, Schlozman und Brady unterscheiden vier Hauptformen von Partizipation: „Wählen“, „Kampagnen“, „Kontaktieren“ und „Gemeinschaft“. Teorell, Torcal und Montero benutzen einen typologisch geprägten Ansatz: So wird zwischen dem benutzten Kanal unterschieden – entweder Repräsentativ oder Extra-Repräsentativ. Mit repräsentativen Kanälen sind Partizipationsformen gemeint, die sich an Politiker, Beamte oder Institutionen der repräsentativen Demokratie richten. Andere, extra-repräsentative Kanäle sind zum Beispiel Produktyboykotte oder Versuche die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Eine zweite Dimension der Typologie basiert auf dem Charakter der Aktivitäten. Exit-basierte Aktivitäten sind Einflussmöglichkeiten, die der Bürger benutzen kann oder auch nicht (zb. Wahlen als repräsentative Variante und Konsumboykott als extra-repräsentative). Eine voice-basierte Aktivität wird genutzt, um Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Sache zu lenken. Die voice-basierte Aktivität kann noch in gezielt und nicht gezielt zerlegt werden. Im nicht gezielten Bereich ist die Parteiaktivität (repräsentativ) und die Protestaktivität (Extra-Repräsentativ) anzusiedeln. Gezielt bezieht sich auf das Kontaktieren einzelner Individuen
  • In welchem Umfang machen die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands von den unterschiedlichen Möglichkeiten politischer Partizipation Gebrauch? Welche Probleme sind mit dem empirisch beobachtbaren Partizipationsverhalten verbunden? Zu Beginn des 21. Jahrhunderts beteiligten sich die Deutschen – mit Ausnahme von Wahlen – kaum politisch. Das ist ähnlich zu den meisten demokratischen Staaten. Die Wahlbeteiligung lag bei etwas unter 80% bei den Bundestagswahlen. Neben Wahlbeteiligung wird nur die sehr allgemeine Partizipationsform „seine Meinung im Bekanntenkreis und am Arbeitsplatz zu äußern“ ebenfalls von einer Mehrzahl der Bürger bejaht – alle anderen Formen politischer Partizipation werden dagegen nur von deutlichen Minderheiten (wie beispielsweise Unterschriftensammlungen) oder von sehr geringen Teilen der Bevölkerung (wie zum Beispiel die Mitarbeit in Parteien oder politischen Gruppen) genutzt. Manche Formen werden fast nie angewandt (wie zum Beispiel Hausbesetzungen oder Gewalt). Bemerkenswerte Unterschiede zwischen Ost- und West-Deutschland sind für 1998 allerdings nicht festzustellen. Offensichtlich hat sich – zumindest in diesem Punkt – die Annäherung der politischen Kulturen in den beiden Landesteilen weiter fortgesetzt. Wenn die Wahlbeteiligung außer Acht gelassen wird, sehen wir, dass die politische Beteiligung in Deutschland ständig gewachsen ist. Der Anteil der Bürger, der mindestens eine Form politischer Partizipation, der nicht die Wahlbeteiligung betrifft, genutzt hat, stieg von 16 Prozent 1959 auf 57 Prozent.
  • Warum gilt soziale Partizipation als so wichtiger Baustein demokratischer Systeme? Unter welchen Bedingungen können Vereine und Netzwerke auch undemokratisch wirken? Die Arbeit in Vereinen begünstigt die Herausbildung demokratieförderlicher Werte und Normen wie Kollektivgutorientierung, Toleranz, soziales Vertrauen oder Beteiligungsbereitschaft, sowie allgemeine Normen der Kooperation. In einer nicht-demokratischen, nicht-toleranten Umwelt, die vor allem Normen der Intoleranz kommuniziert, können Vereine allerdings auch undemokratische und gesellschaftsschädigende Wirkungen zeigen. Beispiele wären hier der Ku Klux Klan oder die Mafia.
  • Erläutern Sie den Begriff des „doppelten Doppelcharakters“ des Sozialkapitals. In welchem Verhältnis stehen strukturelle und kulturelle Komponenten? Der doppelte Doppelcharakter ist ein Modell um soziales Kapital auf der Mikro- und der Makroebene zu unterscheiden. Soziales Kapital in der Mikroebene wird Beziehungskapital genannt, auf der Makroebene heißt es Systemkapital. Beide bedingen einander. Strukturelle Komponenten wie Netzwerke und Vereinsstrukturen im Makrobereich und soziale Beziehungen im Mikrobereich regen kulturelle Komponenten an. Als kulturelle Komponente im Makrobereich gilt der gesellschaftliche Fundus des sozialen Vertrauens im Mikrobereich ist das soziale Vertrauen zu nennen. Strukturelle und kulturelle Komponenten sind zueinander konstitutiv und sorgen für gute, demokratische Institutionen (Makro) bzw. Individuen (Mikro)
  • Unterscheiden Sie verschiedene Typen des Sozialkapitals und diskutieren Sie deren demokratische und gesellschaftliche Bedeutung. Es kann zwischen zwei verschiedenen Assoziationstypen des Sozialkapitals unterschieden werden: bridging and bonding. Bonding beschreibt dabei Netzwerke, welche die Bildung von generalisiertem Vertrauen verhindern. Hier finden sich Menschen zusammen, die sich in sozialer, ethnischer, oder religiös-kultureller Herkunft extrem ähneln, und wo solche exklusiven Kriterien zur entscheidenden Mitgliedschaftsbedingung werden. Vertrauen kann nicht auf Personen übertragen werden, die das Definitionskriterium nicht erfüllen. Gruppen, die ausschließlich bindendes Sozialkapital generieren, mangelt es so an der Befähigung, Ressourcen und Informationen von außerhalb der Gruppe zu rezipieren. Auf brückenbildende Assoziationen trifft das Gegenteil zu: sie rekrutieren Mitglieder unterschiedlicher sozialer, ethnischer oder religiös-kultureller Herkunft, daher entwickeln sich globalere Identitäten und Normen generalisierter Reziprozität. Dank der inneren Heterogenität der Assoziation wird der Zufluss an Information gefördert und der Zugriff auf externe Ressourcen erleichtert. Brückenbildende Gruppen tragen so in besonderem Umfang zur Lösung typischer Kollektivgutprobleme bei (Putnam 2000: 363), während bindende Gruppen im Extremfall „secterian tendencies, corruption and ethnocentrism“ produzieren. Sozialkapital ist also nicht grundlegend positiv. Es muss durchaus in der richtigen Variante vorliegen. Auch die AfD bildet beispielsweise ein gutes Netzwerk, in dem mit Sicherheit soziales Kapital reichlich vorhanden ist. Leider gehört es vermutlich eher der bonding Variante an.
  • Erläutern Sie bitte das mikro- und das makrosoziologische Erklärungsmodell des Wählens. In welcher Beziehung stehen die beiden Modelle? Das mikrosoziologische Modell besagt, dass die Wahlentscheidung von Menschen von ihrer sozialen Einbettung abhängt. Menschen sind demnach bemüht, sich in ihr soziales Umfeld einzupflegen, deshalb passen sie sich auch den vorherrschenden politischen Präferenzen an. Ein Arbeitnehmer in Oberbayern, der regelmäßig in die katholische Kirche geht und am Arbeitsplatz mit vorrangig CSU-Wählern zu tun hat, wird wahrscheinlich auch die CSU wählen. Schlechter vorherzusagen ist die Wahlentscheidung bei sogenannten cross pressures. Hier bekommen Menschen unterschiedliche Einflüsse aus verschiedenen Sphären mit. Zum Beispiel CSU -Wähler im Fußballverein, SPD-Wähler am Arbeitsplatz. Der makrosoziologische Ansatz rückt „cleavages“ in den Mittelpunkt. Diese gesellschaftlichen Spannungslinien beschreiben einen dauerhaften sozialen Konflikt und sind laut Lipset und Rokkan auf gesellschaftliche Modernisierungsprozesse zurückzuführen. Das Parteiensystem wird beeinflusst, wenn Konfliktgruppen Bündnisse mit politischen Parteien eingehen. Nach Lipset und Rokkan gibt es vier cleavages: Zentrum vs. Peripherie, Staat vs. Kirche, Stadt vs. Land und Arbeit vs. Kapital. Das mikrosoziologische Modell erklärt warum der Anhänger einer Gruppe ähnlich wählt, wie das Kollektiv. Warum das Kollektiv aber A oder B wählt bleibt offen und wird versucht durch das mikrosoziologische Modell zu erklären.
  • Erläutern Sie bitte die Grundstruktur des sozialpsychologischen Erklärungsansatzes des Wählerverhaltens (Ann Arbor-Modell). Die Wahlentscheidung wird im Wesentlichen auf die drei Faktoren Parteiidentifikation, Issue- und Kandidatenorientierungen zurückgeführt. Bei der Parteiidentifikation handelt es sich um eine langfristig stabile affektive Bindung an eine Partei, die in frühen Lebensphasen zumindest angelegt wird. Sie wirkt stabilisierend au das Wahlverhalten.  Issueorientierungen beziehen sich auf politische Sachfragen, die wiederum in verschiedene Typen untergliedert werden können. Inhaltlich lassen sich leistungs- und positionsbezogene Fragen unterscheiden. In die erste Kategorie fällt etwa die Be-wertung der Regierungsleistung, in die zweite der Standpunkt zur weiteren Nutzung der Kernener-gie. Zeitlich kann man in die Vergangenheit und in die Zukunft gerichtete Issueorientierungen tren-nen.  Kandidatenorientierungen beziehen sich auf die Spitzenkandidaten, potentiell aber auch auf andere Akteure. Es lassen sich rollennahe (etwa Fachkompetenz) und rollenferne (etwa Privatleben) Dimensionen der Kandidatenbewertung unterscheiden. Issue- und Kandidatenorientierungen gelten als variabler als die Parteiidentifikation und können daher Veränderungen im Wahlverhalten erklären.
  • Was versteht man unter Partisan Dealignment und Personalisierung des Wählerverhaltens? Was sind die Ursachen dieser Prozesse? Partisan Dealignment bedeutet die Erosion langfristiger Parteibindungen, die Personalisierung des Wählerverhaltens bedeutet, dass sich Wähler bei ihrer Wahlentscheidung an Kandidaten orientieren (umgesetzt von der FDP mit Christian Lindner bei der Bundestagswahl 2017. Gründe für das Dealignment sind die Modernisierung, die Auflösung traditioneller sozialer Milieus, die Individualisierung und der Wertewandel. Die Personalisierung des Wählerverhaltens könnte mit der Betonung von Personen in der Wahlkampfführung sowie mit der Medienberichterstattung (TV-Duelle) zusammenhängen.
  • Was sind politische Parteien? Welche Aufgaben erfüllen Sie im Rahmen der repräsentativen parlamentarischen Demokratie? „Parteien verkörpern ideologisch unterscheidbare politische Machterwerbsorganisationen, die ihre Aktivitäten auf die erfolgreiche Teilnahme an Wahlen, die Inbesitznahme von öffentlichen Ämtern und Schaltstellen staatlicher Macht sowie die Entwicklung und Umsetzung politischer Zielvorstellungen ausrichten. Sie sind Sprungbretter für politische Karrieren und geben freiwillig engagierten Mitgliedern (…) Gelegenheit, mitzuarbeiten und für die Verwirklichung der Parteiziele einzutreten. Als politische Willensbildungs- und Entscheidungsinstanzen machen sie die repräsentativ-demokratische Ausübung von politischer Herrschaft unter massendemokratischen Bedingungen möglich“ (Wiesendahl 2006: 9)
  • Wie haben sich die politischen Parteien organisationshistorisch entwickelt? Erläutern Sie bitte die vier wichtigsten Entwicklungsstufen. Meist im 19.Jh wurden die Kaderparteien in den Parlamenten gegründet. Sie waren nur im Wahlkampf aktiv, haben einen geringen Organisationsgrad, wenig außerparlamentarische Aktivitäten und relativ wenige Mitglieder. Um die Jahrhundertwende herum entstanden die Massenintegrationsparteien. Sie haben eine große Parteiorganisation und stehen in Verbindung zu Kollateralorganisationen. Sie sind ständig aktiv, z.B. zu Ideologieverbreitung und sozialen Integration der Massen. Ihre Ideologie genießt eine zentrale Stellung, die Partei polarisiert und zeigt wenig Kooperation. Darauf folgten die Volksparteien, die keine wirklich neue Organisationsstruktur aufwiesen. Mit einer Catch-All-Strategie wurde die Zielgruppe ausgeweitet, der Ideologieumgang wurde pragmatischer. Die Parteien zeigten sich kooperations- und koalitionsfähiger. Linkages zur Gesellschaft wurden pluralisiert. Die Mitgliedschaft der Parteien wurde geschwächt, die Führung gestärkt. Seit Ende des 20 Jh. Entwickelten sich professionalisierte Wählerparteien. Sie sind wie einst die Kaderparteien nur im Wahlkampf aktiv und führen diesen professionalisiert, kapital- und medienintensiv. Mitglieder spielen nur noch eine geringe Rolle und schwinden. Der Anteil der karriere-motivierten Mitglieder steigt.
  • Erläutern Sie bitte die unterschiedlichen positiven und negativen Anreize für die Mitgliedschaft in einer politischen Partei (General-Incentives-Modell). Im positiven Bereich sind zunächst die selektiven Anreize zu nennen. Sie bieten der Person unmittelbare Vorteile durch die Parteizugehörigkeit. Selektive ergebnisbezogene Anreize sind zum Beispiel Ämter und Mandate. Selektive prozessbezogene Anreize sind Belohnungen wie Spaß an der Arbeit oder die Freundschaft zu anderen Parteimitgliedern. Der selektive Bereich setzt im Normalfall aktives Engagement in der Partei voraus. Fünf weitere Anreize können hingegen meist schon durch die bloße Mitgliedschaft erfüllt werden. Kollektive politische Anreize sind dann gegeben, wenn das Mitglied glaubt, durch seine Mitgliedschaft zur Durchsetzung politischer Inhalte und Maßnahmen beizutragen, die von dem Mitglied für wünschenswert gehalten werden. Normative Anreize hingegen bestehen in der Erfüllung bestimmter Erwartungen des sozialen Umfelds. Altruistische Anreize liegen dann vor, wenn das Mitglied glaubt, durch seine Mitgliedschaft einen Beitrag zum Funktionieren der Demokratie zu leisten. Von ideologischen Anreizen wird gesprochen, wenn sich Mitglieder durch ihre Mitgliedschaft zu bestimmten ideologischen Prinzipien bekennen wollen. Expressive Anreize schließlich bestehen in der Bekundung von Unterstützung für die Partei und ihre Politiker durch die Mitgliedschaft. Bei den negativen Anreizen kann unterschieden werden in Kosten, die aus innerparteilichen Engagement erwachsen und Kosten die aus der Mitgliedschaft erwachsen. Eine Mitgliedschaft erfordert hier lediglich monetäre Kosten in Form von Mitgliedsbeiträge. Die Engagementskosten unterteilen sich in Opportunitätskosten (für die Partei aufgewendete Zeit und Energie), sowie Arbeitsleid (Gremienarbeit, ehrenamtliche Dienste).