Persönlichkeitsppsychologie WiSe17/18 (Fach) / 9. Vorlesung (Molekulargenetisches Paradigma) (Lektion)
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9. Vorlesung (Molekulargenetisches Paradigma)
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- Menschenbild Ausgangspunkte (Wiederholung: Chromosomen, Gene, Allele) Menschenbild Versucht, Brücke von Genom hin zur Persönlichkeit zu schlagen: Eigenschaften über Vererbung weitergegeben >> Eigenschaften resultieren auf Genom Ausgangspunkte Vererbungsgesetze (Georg Mendel, 1866) Entdeckung der DNA (Watson & Chrik, 1953) (Wiederholung: Chromosomen, DNA, Allele) Jede Zelle besitzt vollständige genetische Information (Genom) DNA besteht aus 2x23 Chromosomen Gene sind Abschnitte auf Chromosomen und können zwischen Menschen in ihrer Struktur variieren (verschiedene Allele desselben Gens) Allele sind unterschiedliche Ausprägungen desselben Gens, z.B. Blutgruppe mti 3 Allelen A, B, 0)
- Persönlichkeitskonzept Persönlichkeitsunterschiede aufgrund individualtypischer Allelmuster Vererbte Unterschiede in der anatomischen und physiologischen Struktur >> beobachtete Unterschiede in experimentellen Studien >> Persönlichkeit >> soziale Phänomene Annahme: Umwelteinflüsse wirken sich nicht auf Persönlichkeitseigenschaften aus Verhaltensgenetik: Rund 50% der individuellen Unterschiede in Persönlichkeitsmerkmalen auf genetische Einflüsse zurückführbar Kann ein direkter Nachweis genetischer Einflüsse über die Korrelation zwischen Persönlichkeitsunterscchieden und Allelen erbracht werden?
- Methodik: 3 Ansätze 1. Untersuchung von Erbkrankheiten in "Familienstudien" Ca. 3000 Erbkrankheiten auf Variation weniger Allele zurückgeführt Erklären nicht Persönlichkeitsunterschiede im Normalbereich 2. Quantitive Trait Loci Annahme: Persönlichkeitsunterschiede aufgrund von Allelen mit Häufigkeitsunterschieden in Genabschnitetn Bsp.: IQ-QTL Projekt von Robert Plomin (1994): Vergleicht QTLs zwischen Kindern mit hohem und niedrigem IQ, führte zu nicht replizierbaren Befunden 3. Genomweite Assoziationsstudien (GWAS) Annahme: Genetische Varianten in den Basenpaaren (SNPs) lassen sich Persönlichkeitsunterschiede zuordnen Korrelation zwischen Fragebogenwerten und SNPs Problem: zufällige Zusammenhänge aufgrund multipler (millionenfacher) Tests Alternative: Simultane Betrachtung aller SNPs: Genom-wide complex trait analysis (GTCA) z.B. Körpergroße: Senkung des Alpha-Niveaus (weil zu viele zufällige Zusammenhänge) >> Körpergröße eigentlich zu 90% durch Gene beeinflusst, jetzt aber Alpha-Niveau strenger >> nur noch 50%
- Zwischenfazit Persönlichkeitsunterschiede lassen sich nicht auf eine überschaubare Zahl von Allelen zurückführen Aber: genetischer Einfluss auf die Persönlichkeit ist unbestritten Neben Wechselwirkungen zwischen sehr vielen Genen und Allelvarianten bestehen auch Wechselwirkungen zwischen Genen und Umweltbedingungen
- Umwelteinflüsse auf Genomaktivität: Fehlschuss Das Genom ist zeitlebens konstant (bis auf wenige Mutationen in einzelnen Zellen, z.B. bei Krebs) Fehlschuss: Der genetische Einfluss auf die Persönlichkeit ist konstant Genom-Einfluss variiert im Lebenslauf, weil Einflüsse nicht auf Genen, sondern auf aktivierten Genen beruhen Aktivität von Genen variiert beträchtlich ("Anschalten"/"Abschalten" der Strukturgene durch Regulatorgene)
- Epigenetik Befasst sich mit Zuständen der Genaktivität, die bei Zellteilung weitergegeben werden Änderungen im epigenetischen Programm >> Änderungen in Funktionen des Genoms (nicht Genom selbst) Epigenom = Gesamtheit epigenetischer Information der Zelle >> kann zwischen Zellen variieren (Spezialisierung von Zellen während der Embryonalentwicklung) Epigenetische Codes sensitiv für Umwelteinflüsse Umweltabhängige epigenetische "Programmierung" kann massive Einflüsse auf die Entwicklung haben >> Beispiele: Krokodile: Geschlechtsentwicklung aufgrund der Umwelttemperatur, also nicht genetisch sondern epigenetisch bestimmt; Ratten: mütterliche Fürsorge mindert Stressanfälligkeit ihrer Kinder (auch fremder!) >> Änderung von Geneffekten die Cortisolproduktion beeinflussen; Mensch: Vergleich Methyl-Codes Verstorbener (anders bei Personen die in Kindheit vergewaltigt wurden und/oder sich umgebracht haben) Zwischen genetischer Aktivität (nicht Genen!), neuronaler Aktivität, Verhalten und der Umwelt besteht im Prinzip eine vollständige Wechselwirkung Genetische Einflüsse sind altersabhängig und können stabilisierend oder destabilisierend auf Persönlichkeitseigenschaften wirken
- (2 Beispiele für Wechselwirkungen zwischen genetischer Aktivität, neuronaler Aktivität, Verhalten und Umwelt) Stoffwechselkrankheit Phenylketonurie: Phenylalanin-arme Diät im Kindesalter und entsprechende Medikation kann den intelligenzmindernden Effekt fast ganz unterdrücken Umwelteingrifff (Arzt/Eltern) nur während der Hirnreifung (Kindes- und Jugendalter) erforderlich, da das kritische Allel nur dann einwirkt Chorea Huntington (HD) Neurodegenerative Erkrankung Verantwortliches Alel auf dem 4. Chromosom wirkt im Mittel ab 43 Jahre, vorher Träger unauffällig
- Beispiele Genetische Einflüsse altersabhängig/stabilisierend/destabilisierend >> Shared Environment/Unshared Environment Genetische Einflüsse gewinnen besonders im Kindesalter an Bedeutung für Intelligenz, irgendwann dann stabil Shared Environment: typischerweise Elternhäuser von Zwillingen Unshared Environment: in was Zwillinge sich unähnlich sind dann (z.B. Fußball vs. Basketball)
- Gen-Umwelt-Interaktion Effekte von Allelen und Umweltbedingungen stehen in Wechselwirkungen (Gottlieb, 1991; Roberts / Jackson, 2008) Depression: "SERT-Transporter-Gen": 5-HTTLPR (SS-Allel vs. LL) + averse Umweltbedingungen in der Kindheit Wechselwirkungen können... ... genetische Wirkungen verschleiern, weil diese je nach Umwelt anders ausfallen ... Umweltwirkungen verschleiern, weil diese je nach Allel unterschiedlich ausfallen Erste Hinweise auf eine spezifische Gen-Umwelt-Interaktion in der Dunedin Longitudinal Study (Caspi et al., 2002) Das Enzym MAOA reduziert exzessive Produktion von Serotonin, Noadrenalin und Dopamin, die typischerweise bei starkem Stress auftritt und aggressives Verhalten begünstigt
- Zusammenfassung genetischer Einfluss auf die Persönlichkeit ist unbestritten Bislang wenig konsistente Evidenz für Gene/Allele, die komplexe Persönlichkeitseigenschaften erklären Kein Widerspruch zum Eigenschaftsparadigma, sondern komplementärer Ansatz Ziel: Prozesse besser zu verstehen, die vom Genom zur Persönlichkeit führen Methodik: Genomweite Assoziationsstudien bzw. GCTA, (Erbkrankheiten, Quantitive Trait Loci)