Entscheidungstheorie (Subject) / Kapitel VII: Entscheidung bei Sicherheit und mehreren Zielen (Lesson)
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Entscheidung bei Sicherheit und mehreren Zielen
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- Multiattributive Wertfunktion drückt die Präferenzstärke für Alternativen aus, allerdings unter Berücksichtigung von mehrere Zielen bzw. Attributen dadurch steigt die Realitätsnähe von Wertfunktionen massiv, weil fast alle Entscheidungen mehrere Ziele betreffen jeder Alternative wird ein Wert in Abhängigkeit von mehreren Attributen zugeordnet, so dass gilt • a ≻b ⇔ v(a) > v(b), mit a, b ∈ A beim Beispiel „Berufswahl“ würde dies bedeuten, dass man realistischerweise mindestens 2 Ziele berücksichtigt: - Gehalt - Arbeitszeit
- Additives Modell multiattributive Wertfunktion mit der bei weitem größten praktischen Bedeutung Alternative a ∈ A sei durch den Vektor a = (a1, …, am) charakterisiert ar: Ausprägungen der Attribute Xr bei Alternative a über jedem Attribut Xr gibt es eine Einzelwertfunktion vr(xr) Einzelwertfunktionen vr sind auf [0, 1] normiert folglich gilt: vr(xr-) = 0 und vr(xr+) = 1 alle relevanten Ausprägungen von Xr liegen dazwischen das Intervall [xr-, xr+] muss alle Alternativen umfassen, sollte dabei aber möglichst klein sein Wert einer Alternative a: v (a) = Σ wrvr(ar) wr: Gewichte der Attribute Xr, für die gilt: wr > 0 Σ wr = 1 Begriff „Gewicht“ ist irreführend, besser: - Skalierungskonstante bzw. - Wertzuwachs aufgrund Veränderung eines Attributs von x- auf x+, während alle anderen Attribute konstant bleiben
- Praktische Anwendung des additiven Modells wegen seiner Eleganz und Einfachheit wird das additive Modell sehr häufig eingesetzt andere Bezeichnung: Scoring-Modell Anwendungsgebiete sind z.B. - Schulnoten (beim Abitur) - Warentests - Bewertung der Kreditwürdigkeit allerdings wird das Modell häufig auch vorschnell eingesetzt additives Modell setzt offensichtlich voraus, - dass ein bestimmter Zuwachs bei einem Attribut - völlig unabhängig vom Niveau der anderen Attribute ist
- Anwendungsvoraussetzungen für das additive Modell Additive multiattributive Wertfunktionen dürfen nur eingesetzt werden, wenn Präferenzunabhängigkeit gegeben ist, insb.: Bei nicht-messbaren Wertfunktionen 2.1 Einfache Präferenzunabhängigkeit 2.2 Wechselseitige Präferenzunabhängigkeit Bei messbaren Wertfunktionen 2.3 Differenzunabhängigkeit für jedes Attribut (dies impliziert wechselseitige Präferenzunabhängigkeit)
- Einfache Präferenzunabhängigkeit Seien a = (a1, …, ai-1, ai, ai+1, …, am) b = (a1, …, ai-1, bi, ai+1, …, am) 2 Alternativen, die sich nur im i-tenAttribut unterscheiden, und a´= (a´1, …, a´i-1, ai, a´i+1, …, a´m) b´= (a´1, …, a´i-1, bi, a´i+1, …, a´m) 2 andere Alternativen, die sich ebenfalls nur im i-ten Attribut unterscheiden, im i-ten Attribut aber dieselbe Ausprägung aufweisen wie a und b, dann ist Xi einfach präferenzunabhängig von den anderen Attributen, wenn für beliebige Attributsausprägungengilt a ≻b ⇔ a´≻b´(analog für ≺,~)
- Beispiel zur einfachen Präferenzunabhängigkeit Autokauf drei Attribute sind entscheidungsrelevant - Farbe [schwarz, silber] - Preis [10.000€, 20.000€] - PS [75 PS, 120 PS] Farbe ist dann einfach präferenzunabhängig von den anderen Attributen, wenn - schwarz immer gegenüber silber präferiert wird, - unabhängig davon, welche Ausprägung Preis und PS haben
- Wechselseitige Präferenzunabhängigkeit Attribute X1, …, Xm sind wechselseitig präferenzunabhängig, wenn jede Teilmenge dieser Attribute präferenzunabhängig von der jeweiligen Komplementärmenge ist im o.g. Beispiel bedeutet das z.B.: Teilmenge {Farbe, PS} muss von Komplementärmenge {Preis} präferenzunabhängig sein, d.h. wenn man in der Preisklasse 12.000 € die Kombination (schwarz, 100 PS) gegenüber (silber, 110 PS) präferiert, dann muss man diese Präferenz auch in der Preisklasse 20.000€ haben
- Differenzunabhängigkeit Seien erneut a = (a1, …, ai-1, ai, ai+1, …, am) b = (a1, …, ai-1, bi, ai+1, …, am) 2 Alternativen, die sich nur im i-ten Attribut unterscheiden, und a´= (a´1, …, a´i-1, ai, a´i+1, …, a´m) b´= (a´1, …, a´i-1, bi, a´i+1, …, a´m) 2 andere Alternativen, die sich ebenfalls nur im i-ten Attribut unterscheiden, im i-ten Attribut aber dieselbe Ausprägung aufweisen wie a und b, dann ist Xi differenzunabhängig von den anderen Attributen, wenn für beliebige Attributsausprägungengilt (a → b) ~(a´ → b´)
- Beispiel zur Differenzunabhängigkeit Autokauf drei Attribute sind entscheidungsrelevant - Farbe [schwarz, silber] - Preis [10.000€, 20.000€] - PS [75 PS, 120 PS] PS ist dann differenzunabhängig von den anderen Attributen, wenn - der zusätzliche Wert einer Erhöhung der Motorstärke um 10 PS unabhängig davon ist, - ob es sich um die Kombination (silber, 12.000€) oder um die Kombination (schwarz, 15.000€) handelt
- Problem: Präferenzunabhängigkeit ist nicht gegeben es kommt häufig vor, dass Entscheider bzgl. ihrer Ziele nicht präferenzunabhängig sind Bsp.: - Attribute Gehalt [30.000€, 60.000€] und Urlaubstage [20, 40] bei Berufswahlentscheidung - Urlaubstage werden umso wertvoller, je höher das Gehalt ist, da dadurch andere Urlaubsalternativen (z.B. Fernreisen) in Betracht kommen Folge: additives Modell ist bei dieser Entscheidung nicht zulässig wegen seiner Einfachheit ist Präferenzunabhängigkeit aber sehr wünschenswert
- Herbeiführung von Präferenzunabhängigkeit Präferenzunabhängigkeit ist umso eher erfüllt, je dichter die Unter-und Obergrenzen der Attribute zusammen liegen im o.g. Bsp.: Gehalt [50.000€, 60.000€] häufig lässt sich Präferenzunabhängigkeit erreichen, indem das Zielsystem umstrukturiert wird im o.g. Bsp. durch Aufteilung des Attributs Urlaubstage in - Urlaubstage für Fernreisen - Urlaubstage für andere Zwecke (Europa, zu Hause) allerdings gibt es auch Entscheidungen, wo dies nicht möglich und das additive Modell grundsätzlich nicht anwendbar ist
- Ermittlung der Gewichte Ermittlung der Gewichtung von Attributen ist neben Ermittlung von Wertfunktionen eine zentrale Aufgabe der ET Gewichte müssen aus subjektiven Präferenzaussagen des Entscheiders entnommen werden 3 Methoden zur Ermittlung der Gewichtung vorgestellt Direct-Ratio-Verfahren Trade-Off-Verfahren Swing-Verfahren
- Direct-Ratio-Verfahren wird in der Praxis sehr häufig benutzt, obwohl es sehr unzuverlässig ist Vorgehensweise: m Attribute werden vom Entscheider ihrer „Wichtigkeit“ nach geordnet anschließend wird ausgehend vom unwichtigsten Attribut die „Wichtigkeit“ der Attribute paarweise abgefragt z.B.: wenn w1 = 1, wie wichtig ist dann w2? Antwort: 1,2 wenn m-1 Paarvergleiche durchgeführt worden sind, lassen sich die Gewichte der Attribute einfach berechnen → Verbunden mit großen Konsistenzproblemen!
- Trade-off-Verfahren fragt nach den Austauschraten zwischen zwei Zielgrößen, bei denen der Entscheider indifferent ist es werden 2 Alternativen f und g mit m Attributen gesucht, die - sich nur in den 2 Attributen Xi und Xj unterscheiden und - vom Entscheider als gleichwertig angesehen werden wenn das additive Modell gültig ist, dann gilt: wivi(fi) + wjvj(fj) = wivi(gi) + wjvj(gj) hat man m-1 solcher Gleichungen, so erhält man zusammen mit der Bedingung ∑ wr = 1 ein Gleichungssystem, das eindeutig zu lösen ist → Schwäche des Trade-off-Verfahrens: diskrete Variablen
- Swing-Verfahren Entscheider wird zunächst mit der schlechtesten möglichen (hypothetischen) Alternative konfrontiert a-= (x1-, x2-, …, xm-) dann werden ihm m weitere hypothetische Alternativen br gezeigt, - die sich von a- dadurch unterscheiden, - dass jeweils ein Attribut auf die beste mögliche Ausprägung gesetzt wird, d.h. - br = (x1-, …, xr-1-, xr+, xr+1-, …, xm-) mit r = 1, …, m anschließend ordnet er die br gemäß seiner Präferenz dann werden die br bewertet, wobei - a- 0 Punkte und die meistpräferierte br 100 Punkte erhält - die Bewertungen der anderen br die Wertunterschiede zum Ausdruck bringen sollen abschließend können die Gewichte durch Normierung der Bewertungen berechnet werden: wr = tr / (Σ ti)•mit ti= Punktzahlen bei der Bewertung
- Unvollständige Informationen über die Gewichte Ermittlung der subjektiven Gewichte eines Entscheiders ist stets mit Unsicherheit behaftet Möglichkeiten des Umgangs mit unvollständigen und inkonsistenten Informationen zu viele Informationen: Erzeugung von eindeutigen Informationen: Fehlerminimierung zu wenige Informationen: Verwendung von Intervallen anstelle genauer Werte: Dominanzprüfung ungenaue Informationen: Sensitivitätsanalyse
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- Fehlerminimierung (von Klausur ausgeschlossen) Annahmen: - es liegen n Indifferenzaussagen vor, die die Form haben: - fi (w1, w2, …, wm) = 0 - n ≥ m, d.h. mehr Indifferenzaussagen als Ziele, d.h. das Gleichungssystem ist i.d.R. überbestimmt für jede Gleichung wird nun eine Fehlervariable εi eingeführt: - fi (w1, w2, …, wm) = εi - Folge: das Gleichungssystem ist unterbestimmt Ziel: Ermittlung derjenigen wr, die zu den kleinsten Werten für εi führen, mit Hilfe linearer Programmierung Zielfunktion: - Minimiere ∑|εi| (Alternativmodell: Minimiere max{|εi|}) dies wird erreicht durch die Einführung von 2 positiven Variablen εi+ und εi- mit εi = εi+ - εi- daraus ergibt sich die Zielfunktion - Minimiere ∑(εi+ + εi-) die Nebenbedingungen ergeben sich aus den n Indifferenz-aussagen sowie aus: εi+, εi- ≥ 0 wr ≥ 0
- Dominanzprüfung bezeichne V(I) die Menge der mit den Präferenzinformationen I verträglichen Wertfunktionen v dann können wir eine Relation ≽V(I) definieren mit a ≽V(I)b ⇔ v(a) ≥ v(b) für alle v aus V(I) v(a) > v(b) für mindestens ein v ∈ V(I) a, b ∈ A zu prüfen ist daher, ob a ≽V(I)b gilt oder nicht dies erfolgt durch einen einfachen Optimierungsansatz zunächst benutzt man die Zielfunktion Minimiere v(a) - v (b) Nebenbedingung: v ∈ V(I) ergibt sich ein positiver Zielfunktionswert, gilt für alle v v(a) > v(b) und damit a ≽V(I)b, d.h. a dominiert b ergibt sich ein kein positiver Zielfunktionswert, gibt es ein v mit v(a) ≤ v(b), d.h. a dominiert b nicht wichtig: Dies bedeutet nicht, dass b a dominiert!
- Sensitivitätsanalyse Sensitivitätsanalyse untersucht z.B., ob Entscheidung stabil gegenüber geringfügigen Schwankungen eines Gewichts ist Problem dabei: isolierte Erhöhung eines einzelnen Gewichts beeinflusst wegen ∑wr = 1 auch die anderen Gewichte daher wird i.d.R. festgelegt, dass die nicht schwankenden Gewichte stets im gleichen Verhältnis zueinander bleiben
- Sensitivitätsanalyse - Bandbreiteneffekt (Warum entsteht er?) Attribute haben als solche keine Gewichte! Bsp.: Sätze wie - „Gesundheit ist wichtiger als Geld“ - „Sicherheit ist wichtiger als Preis“ besagen gar nichts Grund: Gewichte wr hängen immer vom Intervall [xr-, xr+] ab, über das die Einzelwertfunktionen definiert sind, d.h. kleines Intervall führt zu einem geringerem Gewicht als ein größeres Intervall diesen Effekt nennt man Bandbreiteneffekt dies zeigt die zentrale Schwäche der Direct-Ratio-Methode auf
- Sensitivitätsanalyse - Bandbreiteneffekt (Wie wird er korrigiert?) aus dem Bandbreiteneffekt ergibt sich die Notwendigkeit, die Gewichte einer multiattributiven Wertfunktion zu ändern, wenn sich die Bandbreite eines Gewichts ändert Annahmen: additives Modell mit Gewichten wr und Wertfunktionen vr, die ermittelt wurden über das Intervall Br = [xr-, xr+] die Wertdifferenz zwischen xr- und xr+ des r-ten Attributs ist ∆vr(Br) = vr(xr+) - vr(xr-) = 1 - 0 = 1 Nun wird das Intervall bzw. die Bandbreite erweitert auf B´r= [xr-´, xr+´] Dadurch schrumpfen nach der Normierung die Wertdifferenzen zwischen den Alternativen im Attribut Xr analog wachsen die Wertdifferenzen, wenn die Bandbreite verkleinert wird um dies auszugleichen, muss das Gewicht des Attributs multipliziert werden mit einem Korrekturfaktor M M = ∆vr(B´r) außerdem müssen die Gewichte neu normiert werden mit wr´ = M wt / [M wr + (1 - wr)] bzw. wj´ = wj / [M wr + (1 - wr)] wr´ = Gewicht des Attributs mit veränderter Bandbreite wj´ = Gewichte der Attribute mit unveränderter Bandbreite