Was bedeutet das Verb Diagignoskein (griech.) ?
gründlich kennenlernen, entscheiden, beschließen
Nennen Sie eine Definition der Psychologischen Diagnostik
Cattell (1890) „Die Bestimmung der individuellen psychischen Eigenart durch exakte Beobachtung und Messung interindividueller Differenzen in psychologischen Merkmalen.“
Was versteht man unter psychologischer Diagnostik?
Psychologische Diagnostik...- eine Teildisziplin der Psychologie im Dienste der Angewandten Psychologie- ein Prozess des „zweckgebundenes Messen“- dient Beantwortung von Fragestellungen (eines Auftraggebers)Dabei bezieht sie sich auf die - Beschreibung- Klassifikation- Erklärung- Vorhersage von Verhalten
Gliedern und beschreiben Sie die Ziele der psychologischen Diagnostik!
Beschreibung: Theorie- und regelgeleitete, systematische Erhebung, Sammlung und Verarbeitung von gezielt erhobenen hochwertigen Informationen durch verschiedene Methoden der DatengewinnungKlassifikation: Verwertung, Interpretation und Einordnung der relevanten beschreibenden Basisdaten mit Hilfe von Strategien der diagnostischen UrteilsbildungErklärung: Die ausgewerteten diagnostischen Informationen werden für die Beantwortung der Fragestellung interpretiertVorhersage: Präzise Prognose künftiger relevanter Merkmale menschlichen Verhaltens und Erlebens und deren Veränderungen in definierten Situationen
Nennen Sie konkrete (fiktive) Beispiele für diagnostische Fragestellungen.
Beispiele für Fragestellungen:• Sollten wir Herrn B. als neuen Abteilungsleiter einstellen? • Ist Herr M. für eine Ausbildung als Chemielaborant geeignet? • Soll Simon vom Schulbesuch zurückgestellt werden? • Welche Ursachen haben die schlechten Schulleistungen von Kevin? • Darf Frau L. nach ihrem Schlaganfall noch Autofahren? • Welche psychische Störung hat Frau D.? • Ist Herr V. schuldfähig?
Skizzieren Sie den Prozess der psychologischen Diagnostik. Worauf muss bei der Formulierung psychologischer Fragen geachtet werden?
Skizze siehe Vorlesung- wichtig: die im vorliegenden Fall naheliegenden Faktoren zu erkennen (deshalb benötigt man Vorinformationen)- psychologischen Fragen müssen so gewählt werden, dass sie grundsätzlich durch geeignete diagnostische Verfahren geklärt werden können
Wie vollzieht sich der diagnostische Prozess von der Fragestellung des Auftraggebers zu der diagnostischen Untersuchung? Beschreiben Sie dies kurz und erläutern Sie, worauf sich vorliegende Informationen bestehen.
-> Fragestellung des Auftraggebers Fragestellung interpretieren, neuformulieren und präzisieren -> Übersetzung in eine psychologische bzw. diagnostische Fragestellung („Hypothesen“) -> Untersuchungsanlass und vorliegende Informationen aus der Vorgeschichte mit einbeziehen -> Überführung in den Einsatz von Methoden und Verfahren=> diagnostische Untersuchungvorliegende Informationen aus der Vorgeschichte • Orientierung anhand der Verhaltensgleichung V = f(U, O, K, E, M, S) • Umgebungsvariablen: äußere Lebensbedingungen, z.B. Wohnsituation • Organismusvariablen: körperliche Bedingungen, z.B. Krankheiten • Kognitive Variablen: Leistungsfähigkeit & Inhalte des Wahrnehmens, Lernens & Denkens • Emotionale Variablen: z.B. emotionale Belastbarkeit • Motivationale Variablen: z.B. Leistungs- & Machtmotiv, Interessen, Werte • Soziale Variablen: z.B. Soziale Kompetenz, Einflüssen von „bedeutsamen“ anderen • + Wechselwirkung
Wonach richtet sich allgemein die Auswahl der Verfahren bzw. Methoden für die Beantwortung einer Fragestellung?
Eignungsprinzip• inhaltliche bzw. thematische Eignung • angemessen für die betreffende Person (Alter, Geschlecht, Bildung, evtl. Behinderung) • Ist das Verfahren evtl. bekannt, bestehen Übungseffekte? • Wie steht es um die Gefahr der sozialen Erwünschtheit bei der Beantwortung • Informationen werden in der Reihenfolge ihrer Qualität und Relevanz berücksichtigtGütekriterien • Hauptgütekriterien: Validität, Reliabilität, Objektivität • Nebengütekriterien: z.B. Fairness, Zeitaufwand, KostenSparsamkeitsprinzip • Es wird so viel Information wie nötig und so wenig Information wie möglich erhoben
Welche Dinge gelten bei einer diagnostischen Untersuchung als grundlegend zu beachten?
• Aufklärung der Person (wozu dient die Diagnostik, wer führt sie durch) • Schaffung guter Arbeitsbedingungen (Schilder „Bitte nicht stören“, Handy aus, Pausenzeiten und Toilettengänge regeln) • Aufwärmphase (Gewöhnung an die Interviewsituation oder die Testaufgaben) • Anwesenheit und Durchführung von geschultem Personal (oft, aber nicht zwingend Psychologen) • Je nach Fragestellung als paper-pencil-Fragebogen, Online-Assessment, Interview etc. • Einzel- oder Gruppentestung • Belastbarkeit der getesteten Person, Pausen einplanen
Zu welchen Arten von Ergebnissen kommt es nach einer diagnostischen Untersuchung? Wie geht man ggf. vor?
Idealfall: Ergebnis liefert Antwort auf psychologische Fragen• Unbefriedigende Ergebnisse, die eventuell neue Datenerhebung erfordern: • Uneindeutige Antwort - Widersprüchliche Antworten zweier oder mehrerer Methoden - Ungültige Antwort (z.B. durch sozial erwünschtes Ankreuzen im Fragebogen)• Falls eine Integration zu einem in sich widerspruchsfreien Gesamtbild nicht gelingt: neue Hypothesenbildung → neue Verfahrensauswahl → neue Untersuchung
Was bezeichnet man als diagnostisches Urteil? Worin unterscheidet sich die klinische und statistische/mechanische Urteilsbildung im Kern?
Als diagnostisches Urteil wird die Beantwortung einer Fragestellung unter Integration der erhobenen diagnostischen Daten bezeichnet.Klinische Urteilsbildung:Diagnostiker kombiniert Einzeldaten individuell zu GesamturteilMechanische oder statistische Urteilsbildung: Datenintegration über statistische VorgabenBeispiel: statistische Urteilsbildung im klinischen Bereich: Goldberg Index (Feststellung, ob Klient psychotisch ist) Die T-Werte (MW = 50, SD = 10) von fünf Skalen des MMPI werden verrechnet L+Pa+Sc–Hy–Pt* -> Index > 45, Patient gilt als psychotisch
Was sind die Kritikpunkte bei der klinischen / menschlicher Urteilsbildung ?
• Bei klinischem Urteil Anfälligkeit für bestimmte Urteilsfehler • Menschen ignorieren oft die Basisrate • Falsche Gewichtung von Informationen (stärkere Berücksichtigung von Informationen, die leicht verfügbar sind → Availability-Heuristik) • Vernachlässigung der Regression zur Mitte • mangelnde Übereinstimmung zweier Analytiker hinsichtlich des gleichen Traums oder der Ergebnisse eines projektiven Verfahrens
Welche Kritikpunkte bringt die mechanische/statistische Urteilsbildung mit sich?
• Mechanische Vorhersage ist keine Universallösung • Statistisches Urteil kann nur auf Daten basieren, die für alle Probanden vorliegen • Anwendung nur eines Tests zur Urteilsfindung ist unrealistisch • keine einschlägigen Forschungsergebnisse, die Verrechnungsformel begründen könnten • Oft keine Alternative zu menschlichem Urteil
Welche Schlussfolgerungen bzw. Anwendungsvorschläge ergeben sich aus kritischen Untersuchungen zu der klinischen und der mechanischen/statistischen Urteilsbildung?
• Vorteile und Chancen beider Urteilsmodelle nutzen • Vorzugsweise mechanische Vorhersagemodelle statt klinischer nutzen, aber ihnen nicht blind vertrauen • Bei Zweifel an Angemessenheit des Vorhersagemodells, Korrektur oder Ergänzung durch zusätzliche Informationen • Statistische Modelle nutzen, die empirisch gut überprüft sind • Kontinuierliche Prüfung und Verbesserung der Modelle • Verwendung „intelligenter“ statistischer Methoden: nicht nur Urteilsmodelle, die ausschließlich von linearen Zusammenhängen zwischen Prädiktoren und Kriterien ausgehen → Interaktionen zwischen Prädiktoren berücksichtigen
Wie kann die Idee neuronaler Netwerke beim statistischen Urteil zur Anwendung kommen?
• Einführung einer „Zwischenschicht“ zur Trennung von Prädiktoren und Kriterium • Anzahl der Neurone (N1, N2…) frei wählbar • Verbindungen werden im ersten Schritt mit Zufallsgewichten versehen • Durch Variation dieser initialen Gewichte lernt das Netzwerk und optimiert die Prognose • Die „Übertragungsfunktion“ der Neuronen muss nicht linear sein (kurvlinear, Stufenfunktion, Sigmoid) • Wo könnten Schwächen dieser Methode liegen (Stichwort Replizierbarkeit)?
Wie erfolgt die Darstellung normbasierter Testwerte?
Darstellung der Ergebnisse anhand der Referenznormen Angabe von Gütekriterien, Konfidenzintervallen... (Bsp. Siehe Folie 31)
Was kennzeichnet ein psychologisches Gutachten und wie sieht dessen Gliederung aus?
-> Richtlinien / Standards zur Darstellung der Fragestellung und Ergebnisse • Typische Gliederung • Fragestellung(en) des Auftraggebers • Psychogische Fragen / Hypothesen • Untersuchungsmethoden auflisten • Darstellung der Ergebnisse • Psychologischer Befund • Problemlösungsvorschläge & Empfehlungen • Unterschrift • Anhang (Literatur, Testergebnisse, Zusatzgutachten, etc.) • Annahmen werden in einem Gutachten nicht ausdrücklich aufgeführt, aber es ist wichtig, dass man sie nennen, erklären und begründen kann! Schmidt-Atzert & A
Welche Rahmenbedingungen des diagnostischen Prozesses gibt es?
Rechtliche Rahmenbedingungen (siehe Folie 34!)Allgemein-ethische und berufsethische Richtlinien Gesellschaftliche Relevanz
Welche Kriterien sind mit den ethischen Richtlinien der DGPs und des BDP (zu Gutachten/Berichten) und was versteht man unter diesen Kriterien?
Sorgfaltspflicht: • sachliche und wissenschaftliche Fundiertheit, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit, frist- und formgerechte Anfertigung der Gutachten Transparenz: • Gutachten für Adressaten inhaltlich nachvollziehbarEinsichtnahme: • Für Begutachteten nur mit Einwilligung des Auftraggebers (wenn Auftraggeber und Begutachteter nicht identisch sind) • Psychologen sollten darauf einwirken, dass Einsichtnahme der Begutachteten möglich ist, sofern keine gesundheitlichen Schäden zu befürchten sind • Falls keine Einsichtnahme möglich, Begutachtete vorab darüber informieren Keine Gefälligkeitsgutachten: • Gutachten nicht ohne eigene Mitwirkung durch Dritte erstellen lassen • Stellungnahme zu Gutachten von Kollegen ist zulässig
Erläutern Sie die gesellschaftliche Relevanz als Rahmenbedingung des diagnostischen Prozesses.
• Individueller Nutzen: effektive Behandlung von psychischen Störungen durch klinische Diagnostik • Wirtschaftlicher Nutzen: mehr Ertrag durch bessere Berufseignungsdiagnostik • Gesellschaftlicher Nutzen: validere Rückfallprognose bei Straftätern, Schutz vor gefährlichen Verkehrsteilnehmern durch Verkehrseignungsdiagnostik • Die Varianzaufklärung durch diagnostische Verfahren ist oft klein z.B. korreliert das Ergebnis eines Studierfähigkeitstests mit Studienerfolg um r = .39, d.h. „nur“ 15 % der Varianz der Studienleistungen können durch den Test aufgeklärt werden aber
Was lässt sich schlussfolgernd auf die Ergebnisse von Meyer et al. (2001) hinsichtlich Korrelationen sagen?
Meta-Analyse Meyer et al. (2001) • Zur Einordnung der Validitäten von Tests und Diagnoseverfahren werden eine Vielzahl von Korrelationen berichtet • viele Korrelationen bewegen sich im Bereich von r = .15 bis .30, etwas höher liegt der Zusammenhang von bisherigem und zukünftigen Verhalten (hierauf basiert in überspitzt formuliert die gesamte Diagnostik) • Grundaussage: Eine perfekte Korrelation ist nie zu erwarten (Multideterminiertheit von menschlichem Verhalten), auch kleine Koeffizienten sind nützlich und können nicht immer nach Cohens Einordnung (r = .10 klein, r = .30 mittel etc.) beurteilt werden • Der Zusammenhang Nr. 2 (Aspirin & Herzinfarktrisiko) stellt aufgrund der großen Fallzahl eine bedeutsame Korrelation dar – einige Leben könnten davon abhängen • Ziel sollte vor allem die Replikation von systematischen Zusammenhängen sein, nicht die Suche nach einer perfekten Korrelation
Geben Sie die grundlegenden Aussagen der Meta-Analyse Meyer et al. (2001) wieder!
• Meyer et al. (2001) fassen Ergebnisse von 125 Meta-Analysen zusammen, die Validität medizinischer und psychologischer Diagnostik betreffend Grundlegende Aussagen der Studie: • Psychologische Diagnostik ist ein valides Instrument • P.D. ist hinsichtlich ihrer Aussagekraft und Validität vergleichbar mit Ergebnissen der medizinischen Diagnostik • P.D. liefert einzigartige Information (inkrementelle Validität) • Einsatz von Interviews (ohne ergänzende psychologische Tests) im klinischen Kontext wird als unzureichend charakterisiert • „Bürokratisches Testen“ anhand fester Vorschriften wird ebenfalls kritisch gesehen, vermieden werden soll z.B. - der Einsatz fester Testprozeduren (individueller Fokus!) - Vorgabe fester Anwendungsrichtlinien (auch wenn Standards, wie z.B. die DIN 33430 hilfreich sind) - Verlassen auf gewohnheitsmäßigen Einsatz unspezifischer Testbatterien