Allgemeine Psychologie II (Subject) / Sprache (Lesson)

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Vorlesung 1

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  • Was ist Sprache? Ein System von Symbolen und Regeln, das uns ermöglicht, zu kommunizieren Sprache als Werkzeug der Kommunikation: Mitteilung (assertiv), Aufforderung (direktiv), Selbstverpflichtung (komissiv), Ausdruck (expressiv), Vollzug (deklarativ) Drückt Gefühle, Gedanken, Ideen und Erfahrungen aus Weitere Funktionen der Sprache: Unterstützung von Denkprozessen Aufzeichnung und Weitergabe von Wissen ⇒ Voraussetzung für komplexere Formen von Technologie, Zivilisation und Kultur
  • Die Kreativität der menschlichen Sprache Hierarchisches System = Komponenten, die zu größeren Einheiten kombiniert werden können Beherrscht von Regeln = Bestimmte Arten, auf die Komponenten angeordnet werden können
  • Die Universalität der Sprache Sprache ist universell über Kulturen hinweg Taube Kinder erfinden eigene Zeichensprache Alle Menschen mit normalen Fähigkeiten entwickeln eine Sprache und lernen, ihren komplexen Regln zu folgen Sprachentwicklung ist in verschiedenen Kulturen ähnlich  Sprachen sind “einzigartig aber gleich” > Verschiedene Wörter, Klänge und Regeln> Alle haben Nomen, Verben, Negativierungen, Fragen, Gegenwarts- undVergangenheitsformen
  • Untersuchungen der Sprache in der kognitiven Psychologie • B.F. Skinner (1957) Verbales Verhalten> Sprache wird durch Verstärkung erlernt • Noam Chomsky (1957) Syntaktische Strukturen> Menschliche Sprache ist genetisch bedingt> ZugrundeliegendeMechanismen sind in allen Sprachen identisch> Kinder produzieren Sätze, die sie nie gehört haben und die nieverstärkt worden sind
  • Psycholinguistik = Entdeckung der psychologischen Prozesse, durch die Menschen Sprache erwerben und verarbeiten Sprachverständnis Sprachproduktion Repräsentation Erwerb
  • Probleme, die beim Sprachverstehen zu lösen sind Diskrimination von Sprachsignal und irrelevantem auditorischen Input Echtzeitverarbeitung: Sprachinput = ca. 10 Phoneme pro Sekunde Segmentierung: Extraktion diskreter Einheiten (Phoneme, Silben, Wörter) aus akustischem Input Variabilität: Aussprache von Phonemen variiert je nach Kontext und zwischen Sprechern Lexikalische Selektion aus mentalem Lexikon mit einigen 10000 (oft phonologisch ähnlichen) Wörtern Semantische Interpretation: Konstruktion einer kohärenten Bedeutung aus einzelnen Wörtern Integration in mentales Modell der Sprachintention
  • Wörter als Kernelemente der Sprache Was sind eigentlich Wörter? • Wörter sind im Text durch Leerzeichen getrennt> Schriftsprache erst viel später entwickelt als unsere Fähigkeit zu sprechen> Leerzeichen gab es nicht von Anfang an in geschriebener Sprache • Erst die Römer verwendeten Leerzeichen, um Wörter zu trennen • In gesprochener Sprache gibt es keine Entsprechung für die Leerzeichen
  • Morpheme, Phoneme Phoneme: kürzeste Sprachsegmente, die, wenn sie verändert werden, die Bedeutung des Wortes ändern -> d vs t bei danken - tanken, Anzahl und Verknüpfungsregeln variieren zwischen Sprachen Morpheme: kleinste Einheit der Sprache, die Bedeutung trägt oder eine grammatikalische Funktion hat -> Freie Morpheme: können alleine stehen, gewönliche Wörter; Gebundene Morpheme: können nicht alleine stehen, meist Präfixe und Suffixe
  • Segmentierungsproblem und Variabilitätsproblem Problem: Wo hört ein Wort auf und wo fängt das nächste an? Wieso verstehen wir eine erkälteten, eine betrunkenen oder eine wütend schreienden Person? Segmentierung des kontinuierlichen Sprachsignals Physikalisches Signal und gehörte Laute stimmen oft nicht überein Physikalisch: kontinuierlicher Lautstrom (keine klaren Pausen zwischen Wörtern, oft Pausen innerhalb von Wörtern Gehört: individuelle, klar voneinander getrennte Wörter Problem: Hörer muss Einheiten im Sprachsignal entdecken, die den Zugriff auf das mentale Lexikon erlauben Hinweise auf Wortgrenzen: Bestimmte Lautfolgen kommen nie in einer Silbe vor Lautfolgen, die keinen Vokal enthalten, können kein Wort sein Betonung (z.B. werden im Englischen die meisten Substantive auf der ersten Silbe betont)
  • Kohortenmodell (Marslen-Wilson, 1980) Menschen können Gehörtes mit einer Verzögerung von 250 ms nachsprechen und dabei sogar Fehler korrigieren Kohortenmodell: Noch bevor das Wort ganz ausgesprochen ist beginnt ein Suchprozess nach passenden Begriffen, der anhand der weiteren lautlichen Informationen zunehmend eingeschränkt wird Lexikalische Aktivierung aller Kandidaten, die mit dem Anfangsphonem übereinstimmen Lexikalische Selektion: Schrittweise Einschränkung auf zunehmend weniger Kandidaten Worterkennung: Prozess bricht ab, sobald nur noch ein Wort in der Kohorte ist (uniqueness point) Parallele Verarbeitung: phonologische, lexikalische, syntaktische und semantische Information wird simultan genutzt, um die Anfangskohorte einzuschränken Semantische Kontexteffekte: die Selektion von Wortkandidaten kann durch den Satzkontext beeiflusst werden
  • Das variable Sprachsignal Einfluss der Bedeutung: Segmentierung aufgrund der Bedeutung Interpretation aufgrund von Vorwissen und Kontext -> Zunächst werden Phoneme gehört und im KZ gespeichert, wobei diese mit Hilfe der Sprachkenntnisse aud dem LG zu bedeutungstragenden Morphemen und Phrasen des Satzes organisiert werden Modifikation von Phonemen aufgrund der Bedeutung Phoneme werden in Wörtern schneller erkannt als in Nicht-Wörtern (Rubin, Turvey & Van Gelder, 1976) Wortüberlegenheits-Effekt -> besagt, dass ein Leser ganze Wörter einer Sprache schneller und mit einer kleineren Fehlerrate erkennt als einzelstehende Buchstaben und Nichtwörter (zufällige Buchstabenkombinationen), welche sich aus denselben Buchstaben zusammensetzen
  • Phonemischer Restaurationseffekt (Warren&Warren, 1970) Einzelne Wörter in Sätzen wurden durch ein Geräusch ersetzt Keine Versuchsperson bemerkte dies Stattdessen wurde das fehlende Phonem gehört Gleicher akustischer Input wird je nach Bedeutungskontext unterschiedlich wahrgenommen It was found the *eel was on the axle; gehört: wheel It was foud the  *eel was on the table; gehört: meal
  • TRACE-Modell (McClelland&Elman, 1986) unterste Ebene: Knoten -> Jede Verbindung zwischen einem Merkmalsknoten und einem Buchstabenknoten bedeutet, dass das jeweilige Merkmal Teil des Buchstabens ist (erregende Verbindungen).Enthält zusätzlich hemmende Verbindungen zwischen den Merkmalsknoten und den Knoten der Buchstaben, die das jeweilige Merkmal nicht enthalten Drei Ebenen von Verarbeitungseinheiten für phonetische Merkmale, Phoneme und Worte Hemmende Verbindungen zwischen Einheiten der selben Ebene (laterale Hemmung) Bahnende Verbindungen zwischen Einheiten verschiedener Ebenen• Je besser ein Merkmal zum Sprachsignal passt, umso stärkerwird es aktiviert• Merkmalseinheiten aktivieren Phonemeinheiten• Phonemeinheiten aktivieren alle Worte in denen sieenthalten sind• Worteinheiten aktivieren top-down Phonemeinheiten
  • TRACE-Modell - empirische Evidenz Erkennen von verrauschtem Sprachinput -> Musterergänzung aufgrund top-down Einflüssen kategoriale Wahrnehmung von Phonemen -> Nebeneffekt der lateralen Hemmung zwischen Phonem-Units (winner-takes-it-all-Prinzip) • Eimas & Corbit (1973):> Variierten Vokaleinsatzzeit (vocal onset time; VOT) nach einem Konsonanten> Gradueller Anstieg der VOT von 0 msec ("da") zu 80 msec ("ta"), aber kategoriale Wahrnehmung von "da" oder "ta" ohne Zwischenstufen Wortüberlegenheitseffekt: Befund, dass Buchstaben schneller erkannt werden, wenn sie in einem Wort enthalten sind (im Vergleich zu isolierten Buchstaben oder Buchstaben in einem Nicht-Wort)
  • Worthäufigkeitseffekt Lexical decision task: Stilles Lesen eine Liste von Wörtern und Nicht-Wörtern Antworte "Ja" beim Lesen eines Wortes Effekt der Worthäufigkeit: Hoch-frequente Wörter werden schneller erkannt Augenbewegungen beim Lesen Niedrig-frequente Wörter werden länger betrachtet
  • Lexikale Ambiguität Wörter haben mehr als eine Bedeutung Kontext löst die Ambiguität, nachdem alle Bedeutungen eines Wortes kurz abgerufen worden sind
  • Bedeutungsdominanz Tatsache, dass einige Wörter häufiger verwendet werden als andere Polarisierte Dominanz: Wenn Wörter zwei oder mehrere Bedeutungen haben mit unterschiedlicher Dominanz Ausgewogene Dominanz: Wenn Wörter zwei oder mehrere Bedeutungen haben mit ungefähr gleicher Dominanz
  • Semantik und Syntax Semantik: Bedeutung von Wörtern und Sätzen Syntax: Regeln, wie Wörter zu Sätzen kombiniert werden können Bei der Verarbeitung von Sprache generiert das Gehirn kontinuierlich Vorhersagen, die auf semantischen und syntaktischen Informationen basieren (Gestern traf ich Julias...-Erwartung eines Substantivs) EKP-Studien untersuchen elektrokortikale Reaktionen auf Abweichungen von solchen Erwartungen -> Ziel: Analyse des Zeitverlaufs von semantischen und syntaktischen Verarbeitungsprozessen Ereignis-korrelierte Potentiale (EKPs) und bildgebende Studien zeigen, dass Syntax und Semantik mit unterschiedlichen Mechanismen relatiert sind N400-Welle wird größer, wenn Bedeutung eines Wortes nicht mit dem Rest des Satzes zusammenpasst; N600-Welle wird größer, wenn eine grammatikalisch falsche Struktur verwendet wird
  • Semantische Verarbeitung: N400 Größe der N400-Welle als Indikator für die Schwierigkeit der semantischen Verarbeitung Vermuteter Prozess: lexikalische Deutung Eine kleinere Welle süiegelt eine stärkere Aktivierung passender Gedächtnisinhalte beim lexikalischen Zugriff wider Bei dem Satz "Ich nehme einen Kaffee mit Milch und..." ist das Wort "Zucker" bereits semnatisch voraktiviert Zugriff und Verarbeitung gelingen leichter und die N400-Welle ist reduziert N400-Welle auch als Indikator für Verletzungen der Semantik und des Weltwissens
  • Parsing Das mentale Gruppieren von Wörtern in einem Satz in Phrasen ist entscheidend für das Bestimmen der Bedeutung eines Satzes > „Helen und Monika spielen dauernd mit Gretchen und Caroline mit dem Ball ….“• … im Hof• … gegen die Jungs• … nach der Schule
  • Holzweg-Sätze (Garden path Sätze) Wenn man aus einem sprachlichen Ausdruck mit mehreren Lesarten beim Verstehen zunächst die falsche Lesart wählt und sich im weiteren Verlauf korrigiert, da man den Fehler aus dem folgenden Kontext erkennt > „Er hatte geglaubt dass das Mädchen das Fleisch liebte Vegetarierin war.“> „Helen und Monika spielen dauernd mit Gretchen und Caroline mit dem Ball bleibt allein.“
  • Parsing - Syntax-first Ansatz Grammatische Struktur des Satze bestimmt das Parsing (Zerteilen) Late closure: parser (Zerteiler) nimmt an, dass jedes neue Wort Teil der aktuellen Phrase ist Garden-path Modell > „[Helen und Monika spielen dauernd mit Gretchen und Caroline] [mit dem Ball bleibt allein].“> „[Helen und Monika spielen dauernd mit Gretchen] [und Caroline mit dem Ball bleibt allein].“ Sowohl Semantik als auch Syntax beeinflussen das Parsing beim Lesen eines Satzes > “Der Spion sah den Mann mit dem Fernglas.” > “Mit dem Fernglas sahen die Vögel die Männer.”
  • Visual word paradigm (Tanenhaus, 1995) Augenbewegungen ändern sich, wenn Information nahelegt, dass eine Revision der Interpretation eines Satzes notwendig ist Syntaktische und semantische Information wird simultan herangzogen Tanenhaus testete dies mit dem Satz "Put the apple on the towel in the box". Die Versuchspersonen mussten während sie den Satz hörten eine neue Interpretation vornehmen, da es bedeuten könnte, dass der Apfel auf dem Handuch in die Box gelegt werden soll oder, dass der Apfel erst auf das Handtuch und dann in die Box gelgt werden soll. Demnach gehen auch die Augenbewegungen je nach Interpretation erst zum Handtuch und dann zur Box.
  • Inferenz Leser erschaffen Informationen beim Lesen, die nicht explizit im Text vorzufinden ist Anaphorisch: Verbinden von Objekten/Personen Instrumental: Werkzeuge oder Methoden Kausal: Ereignisse in einem Satz sind verursacht durch Ereignisse, die in einem vorherigen Satz benannt werden > “Sie nahm eine Aspirin. Ihre Kopfschmerzen verschwanden.”
  • Situation model Mentale Repräsentationen darüber, um was es in einem Text geht Repräsentiert Ereignisse, als ob man die Situation durchleben würde Aus der Perspektive des Protagonisten
  • Stanfield and Zwaan, 2001 (orientation and shape experiment) Die Versuchspersonen wurden gefragt, ob das Bild, das sie gezeit bekommen, dem beschriebenen Objekt in den Sätzen entspricht Die Versuchspersonen konnten schneller mit "Ja" antworten, im orientation und im shape Experiment, wenn die Orientierung bzw. die Form des Objekts mehr zum Satzinhalt passte The ranger saw the eagle in the sky -> Fliegender Adler: schnellere Antwort The ranger saw the eagle in the nest -> Sitzender Adler: schnellere Antwort
  • Physiologie der Simulation Annäherungsweise die gleichen Hirnareale sind aktiv bei tatsächlichen Bewegungen wie beim Lesen von handlungs-relatierten Wörtern Die Aktivierung ist stärker bei der tatsächlichen Bewegung
  • Sprachproduktion: Konversation + syntaktisches Priming Wenn zwei oder mehr Personen sich miteinander unterhalten dynamisch und schnell syntaktische Koordinierung -> Gebrauch ähnlicher grammatikalischer Konstruktionen Syntaktisches Priming Produktion einer bestimmten grammatikalischen Konstruktion durch eine Person erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass eine andere Person diese benutzen wird Reduziert den Verarbeitungsaufwand in Konversationen Experiment (Branigan,2000): Die Versuchsperson sitzt an einem Tisch auf dem Bilder ausgelegt sind. Gegenüber sitzt der Versuchsleiter, welcher aber durch eine Trennwand die Versuchsperson nicht sehen kann und umgekehrt. Der Versuchsleiter beschreibt eine Karte und die Versuchsperson soll diese finden (The girl gave the boy a book). Danach soll die Versuchsperson eine Karte beschreiben. Es wird nun geschaut, ob die Versuchsperson die selben syntaktischen Konstruktion, wie der Versuchsleiter verwendet (The father gave the daughter a present).
  • Kultur, Sprache und Kognition Sapir-Whorf-Hypothese: Sprache beeinflusst das Denken (Die Sapir-Whorf-Hypothese bezeichnet den Umstand, dass die Art und Weise, wie Menschen denken, stark durch Grammatik und Wortschatz, also die semantische Struktur ihrer Muttersprache beeinflusst oder bestimmt werden) Winawer (2007): Kulturen zeigen Unterschiede in der Kategorisierung von Farben -> Englischsprechende Menschen bezeichnen jeden Blauton als "Blau", wohingegen Russischsprechende Menschen hellere Blautöne als "goluboy" und dunklere Töne als "siniy" bezeichnen Gilbert (2006): Kreis mit farblich ausgefüllten Quadraten wird gezeigt (Eine Farbe passt nicht). Linke visuelles Feld (nonlanguage) -> Reaktionszeiten waren gleich egal ob die nicht-passende Farbe aus derselben Kategorie kam oder nicht; rechtes visuelles Feld (language) -> Reaktionszeiten waren schneller, wenn die nicht-passende Farbe aus einer anderen Kategorie kommt (blau vs. grün)