Kognitive Dissonanz
Kognitive Dissonanz ist das Unbehagen, das – so ursprünglich definiert – durch zwei oder mehrere widersprüchliche Kognitionen verursacht wird; später definiert als durch eine Handlung verursacht, die dem üblichen, typischerweise positiven Selbstbild zuwiderläuft. gilt als wesentlicher Motivationsfaktor des menschlichen Denkens und Verhaltens (Festinger, 1957) kognitive Dissonanz wird als unangenehm empfunden (Unbehagen, Spannungsgefühl) als Reaktion darauf versuchen wir, diese zu reduzieren
Dissonanzreduktion
1. Änderung des Verhaltens, um es in Einklang mit der dissonanten Kognition zu bringen 2. Änderung der dissonanten Kognition, um unser Verhalten zu rechtfertigen 3. Hinzufügen weiterer Kognitionen, um unser Verhalten zu rechtfertigen
Selbstbestätigung (self-affirmation)
Die Selbstbestätigungstheorie (self-affirmation theory) beschreibt die Tendenz, Bedrohungen für das Selbstkonzept durch Dissonanz zu reduzieren, indem man Fähigkeiten in einem von dieser Bedrohung unabhängigen Bereich hervorhebt.
(impact bias)
Überschätzung von Intensität und Dauer einer negativen emotionalen Reaktion
Rationales Verhalten vs. Rationalisierendes Verhalten
Bedürfnis nach Aufrechterhaltung des positiven Selbstbildes führt allerdings auch zu rationalisierendem Denken (d.h. nachträglich eine Begründung für Verhalten geben, die Selbstwert schützt) Informationen werden nicht unvoreingenommen, sondern verzerrt (entsprechend vorgefasster Meinung) verarbeitet z.B. bessere Wahrnehmung oder Merkleistung für Informationen, die vorgefasster Meinung entspricht
Die Verzerrung von Vorlieben und Abneigungen
jedes Mal, wenn wir eine Entscheidung treffen, erleben wir Dissonanz (z.B. Kaufentscheidungen, Wohnung, Studienort) Entscheidung impliziert immer Ablehnung der anderen Alternative(n) gewählte Alternative i.d.R. nicht durchgehend positiv bzw. abgelehnte Alternative nicht durchgehend negativ eigene Entscheidung verhält sich dissonant zu allen positiven Gesichtspunkten des abgelehnten Objekts
Nachentscheidungsdissonanz
Die Nachentscheidungsdissonanz ist die Dissonanz, die nach einer Entscheidung entsteht und die typischerweise durch eine Höherbewertung der Attraktivität der gewählten Alternative und eine Abwertung der abgelehnten Alternative reduziert werden kann.
Kognitive Dissonanz, unmoralisches Verhalten und persönliche Wertvorstellungen
Dissonanzreduktion nach Entscheidung für oder gegen ein unmoralisches Verhalten kann zukünftiges (un)moralisches Verhalten/Einstellung beeinflussen z.B. Untersuchung an Grundschulkindern (Mills, 1958) : 1. Erfassung der Einstellung zum Schummeln; 2. Aufgaben mit viel Gelegenheit zum Schummeln; 3. erneute Erfassung der Einstellung zum Schummeln nach einem Tag; Ergebnis: Einstellungsänderung in Richtung des eigenen Verhaltens (Schummler nachsichtiger, Standhafte strenger) Bsp. Schummelpyramide
Rechtfertigung von Anstrengung (justification of effort)
Die Rechtfertigung von Anstrengung (justification of effort) ist das Bestreben der Menschen, Dinge positiver zu bewerten, die sie sich hart erarbeitet haben.
externe Rechtfertigung
Die externe Rechtfertigung ist ein Motiv oder eine Erklärung für dissonantes Verhalten, welche(s) sich außerhalb des Individuums befindet (z.B. Belohnung, Vermeidung von Bestrafung, Rücksichtnahme auf Gefühle Anderer).
interne Rechtfertigung
Die interne Rechtfertigung führt zur Dissonanzreduktion durch Änderung der eigenen Auffassung oder des eigenen Verhaltens.
einstellungskonträre Argumentation (counterattitudinal advocacy)
Die einstellungskonträre Argumentation (counterattitudinal advocacy) ist die Äußerung einer Meinung oder Einstellung, die der eigenen Überzeugung oder Einstellung widerspricht. → Festinger-Carlsmith-Paradigma (Bsp. Studierende, die bezahlt wurden gegen ihre Meinung zu argumentieren) → Bsp. Kinder und Spielzeug mit harter und weniger harter Bestrafung
Selbstüberredung (self-persuasion)
Selbstüberredung (self-persuasion) ist eine dauerhafte Form der Einstellungsänderung, die durch Versuche der Selbstrechtfertigung entsteht. Diese ist dauerhafter als explizite Überzeugungsversuche durch andere, weil der Prozess des Überzeugens selbstbestimmt ausgelöst wird (ohne Druck oder Drängen von Außen).
Benjamin-Franklin-Effekt
Wenn wir einer unsympathischen Person einen Gefallen tun, wird sie uns danach sympathischer sein. Bsp. Studenten werden nach einem Versuch gebeten, Geld zurück zu geben. Fanden den VL danach sympathischer. Hass auf Opfer, d.h. Schlechtreden von Personen, die man schlecht behandelt hat (extrem: Misshandlungen, Folter, Entmenschlichung von Kriegsopfern) experimentell: z.B. aufgefordertes Beleidigen von Mitstudierenden (Davis & Jones, 1960); vorgebliche Elektroschocks sollen Mitstudierenden beigebracht werden (Berscheid et al., 1968) Abwertung von Opfern zur Rechtfertigung der eigenen Schuld
Kultur und Dissonanz
Auswirkung kognitiver Dissonanz findet man in fast allen Teilen der Welt, jedoch nicht unbedingt in derselben Erscheinungsform möglich: stärker in individualistischer Kultur; Aushalten von Inkonsistenzen als Zeichen von Reife in bestimmten Kulturen empirisch: Dissonanzauslösung durch Verhalten anderer (aus Eigengruppe) in Japan
Aus Fehlern lernen
zu viel Selbstrechtfertigung verhindert Lernen aus Fehlern, Weiterentwicklung, Anpassung an UmweltOrganisationspsychologie: - Unternehmen mit günstiger Fehlermanagement-Kultur erfolgreicher (Van Dyck et al., 2005) - Trainingsverfahren mit explizitem Fehlermachen besser für neuartige Aufgaben (Keith & Frese, 2005, 2008)Maßnahmen (z.B. bei Fehlinvestitionen, escalation of commitment): - Anerkennen der Fehleranfälligkeit des eigenen Verhaltens sowie der Gefahr der Rechtfertigungsfalle - externe Berater/innen einbeziehen, die mit vorherigen Entscheidung und deren Rechtfertigung nichts zu tun haben