Klinische Psychologie Abschlussprüfung (Subject) / 7) Agoraphobie (Lesson)
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Phänomenologie, ätiologische Modelle und Therapieverfahren
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- Definition der Agoraphobie nach DSM IV A. Angst, an Orten zu sein, von denen eine Flucht schwierig oder peinlich sein könnte oder wo im Falle eines unerwarteten oder durch die Situation begünstigten Panikanfalls oder panikartiger Symptome Hilfe nicht erreichbar sein könnte. Agoraphobische Ängste beziehen sich typischerweise auf charakteristische Muster von Situationen: z. B. allein außer Haus sein, Menschenmenge, Schlange stehen, Brücke, Reisen im Bus, Zug, Auto. B. Die Situationen werden vermieden oder sie werden nur mit deutlichem Unbehagen oder mit Angst vor dem Auftreten eines Panikanfalls oder panikähnlicher Symptome durchgestanden bzw. können nur in Begleitung aufgesucht werden. C. Die Angst oder das phobische Vermeidungsverhalten werden nicht besser durch eine andere psychische Störung erklärt. Agoraphobie wird in dieser Form definiert, kodiert wird sie wie folgt Panikstörung OHNE Agoraphobie (Kriterium B: "Es liegt keine Agoraphobie vor") Panikstörung MIT Agoraphobie(Kriterium B: "Es liegt eine Agoraphobie vor") Agoraphobie OHNE Panikstörung in der Vorgeschichte Nur eine kleine Gruppe von Agoraphobikern weist keine Panikanfälle in den gefürchteten Situationen auf. Sie ängstigt in den phobischen Situationen nicht das Auftreten eines plötzlichen Panikanfalls, sondern dass sie in einer solchen Situation z. B. ohnmächtig werden oder die Kontrolle über die Magen-/Darmtätigkeit verlieren könnten. Sie fürchten keine Panikattacken, sondern nur einzelne körperliche Symptome im Sinne einer somatoformen Störung (Schwindel, Übelkeit, Harn- oder Stuhldrang u.a.). Im DSM-IV erhält diese Patientengruppe die Diagnose Agoraphobie ohne Panikstörung.
- Ätiologische Modelle der Agoraphobie Lerntheoretisches Modell In den 60er Jahren war die 2-Faktoren-Theorie von Mowrer ein einflussreicher Ansatz zur Erklärung von Phobien und auch von Agoraphobie. Nach diesem Verständnis ist eine Agoraphobie eine konditionierte Furchtreaktion, die durch bestimmte äußere Reize (öffent-liche Orte, Verkehrsmittel u.a.) als konditionierte Stimuli ausgelöst wird. Die konditionierten Ängste führen im Laufe der Zeit zu einem immer stärkeren Vermeidungslernen, weil Flucht aus und Vermeiden von agoraphobischen Situationen zur Abnahme der Angstreaktion führt. Als Therapie wurde anfangs eine allmähliche Annäherung an die gefürchteten Reize („systematische Desensibilisierung“) vorgenommen. Diese Theorie hat jedoch ihre Schwachstellen. Das lerntheoretisch konzipierte Modell der Agoraphobie als anhaltendes Vermei-dungsverhalten auf der Basis einer konditionierten Furchtreaktion ist zwar auch gegenwärtig noch die plausible Grundlage aller effektiven Konfrontationstherapien (gestuft und massiert), muss jedoch um wesentliche kognitive Aspekte erweitert werden, um der psychischen und psychosozialen Situation vieler Betroffener gerecht zu werden. Goldstein und Chambless (1978): eine Reanalyse zur Ätiologie der Agoraphobie und erweiterung des 2-Faktoren-Modells: Einfache Agoraphobie (selten): Patienten fürchten die Phobische Situation. Auslöser: traumatische Erfahrungen mit der gefürchteten Situation Komplexe Agoraphobie (häufig): Patienten fürchten die Konsequenzen der Angst (Angst vor der Angst = Neigung, körperliche Empfindungen als eine Bedrohung zu interpretieren; Angstsensitivität) Interozeptives Konditionieren = körperliche Empfindungen wie schneller Puls werden zu konditionierten Reizen für die Panikanfälle), an die wiederum externe Situationen durch die Konditionierung höherer Ordnung gekoppelt werden könnten Auch nicht alle Annahmen von Goldstein und Chambless sind empirisch bestätigt (das Konzept "Angst vor der Angst" ist belegt, die vermuteten prädesponierenden Faktoren wie Unsicherheit, Unfähigkeit die Auslöser negativer Emotionen adäquat zu identifizieren konnte bei den meisten Patienten nicht nachgewiesen werden). Kognitives Modell Selektive Aufmerksamkeit, dysfunktionale Gedanken, Sicherheitssignalkonzept ( Das agoraphobische Vermeidungsverhalten spiegelt ein gestörtes Gleichgewicht zwischen subjektiv empfundener Gefahr und Sicherheit wider; ständige Suche nach Sicherheit). Biologisches Modell Noradrenerge Hyperaktivität Serotonerge Hypersensitivität (wird durch SSRI beeinflusst) Inhibitorische Wirkung durch GABA (wird durch Benzodiazepine beeinflusst) in Kombination mit biolgischer und kognitiver Vulnerabilität führen sie zu physiologisch-sympatikotonen Effekten (wie Tachikardie) Körperlichen Symptomen (Herzklopfen, Zittern) zur Panikattacke zum Vermeidungsverhalten und schließlich zur Agoraphobie Nach den biologischen und kognitiven Erklärungsmodellen der Agoraphobie versuchen die Betroffenen nicht so sehr äußere Reize (Plätze, Räume, Verkehrsmittel, Menschenmassen), sondern vielmehr innere (körperliche und mentale) Reize zu vermeiden, sodass die agoraphobischen Situationen an sich nicht mehr das Hauptproblem in der Verhaltenstherapie darstellen, wie dies in der Vergangenheit angenommen wurde. Die Betroffenen haben also eher Angst davor, was ihnen in den Angstauslösenden Situationen passieren könnte. Es gibt kein einhaltliches Modell, es werden komplexe Zusammenhänge und Interaktionen vermutet → integrative psychophysiologische, Konditionierungs- und kognitive Modelle.
- Therapieverfahren bei Agoraphobie Bei Patienten mit starkem agoraphobischem Vermeidungsverhalten, die möglicherweise aufgrund erfolgreicher Vermeidung überhaupt keine aktuellen Panikanfälle mehr erleiden ist die Konfrontationsbehandlung die Methode der Wahl.
- Therapieverfahren bei Agoraphobie Heute sind kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungen die Methode der Wahl für Panikstörungund Agoraphobie,wo sie bei ca. 80% der behandelten Patienten zu stabilen Erfolgen führen. Während bei Patienten mit Panikattacken ohne Agoraphobie die Exposition an Körpereigene Signale (z.B. beim Hyperventilationstest) sowie Kognitive Umstrukturierung als therapeutische Verfahren im Vordergrund stehen, bilden bei Agoraphobie ohne Panikstörung die Konfrontation an externe Auslöser sowie Abbau vom Vermeidungsverhalten die Schwerpunkte der Therapie. Wenn Panikstörung mit Agoraphobie diagnostiziert wird, werden beide Verfahren kombiniert. Die Konfrontation kann graduiert (Patienten üben schrittweise, ihren Aktionsradius auszudehnen) oder in Form der Reizüberflutung erfolgen, wobei das die Reizüberflutung mit einem massierten Vorgehen (mehrere Stunden am Tag, mehrere Tage aneinander, 5 - 10 Tage lang) bei Agoraphobie die besten Ergebnisse zeigt. Dabei wird es mit den Situationen begonnen, die die stärkste Angst auslösen. Vorgehen: Erklärungsmodell, kognitive Vorbereitung eine Bedenkzeit über mehrere Tage, in der der Patient sich für oder gegen die Behandlung entscheiden soll. Die Situationen für die Konfrontation invivo werden sehr konkret und detailliert zusammen mit den Patienten geplant. Die Patienten werden instruiert, so lange in den einzelnenSituationen zu bleiben, bis die Angst von selbst geringerwird, ohne zu versuchen, die Angst zu unterdrücken odersich abzulenken. Die Begleitung d g urch den Therapeutensollte so bald wie möglich ausgeschlichen werden. Die Pa-tienten werden für die Durchführung der Konfrontations-übungen (nicht aber für Angstfreiheit) verstärkt und zurSelbstverstärkungangehalten. Sobald derTherapeutsicher ist, dass der Patientkein Flucht- und Vermeidungsverhalten mehrzeigenwird,sollte der PatientinAbsprachemit dem Therapeuten alleine phobische Situationen aufsuchen = Selbstkontrollphase Obwohl die massierte Konfrontation in vivo bessere und umfassendere Wirkungen aufweist als graduierte bzw. in sensu-Konfrontation oder systematische Desensibilisierung, könnte dennoch das größte Problem der massierten Reizkonfrontation deren Akzeptanz sein. Antidepressiva (SSRI) und Benzodiazepine alleine bei Agoraphobie wenig wirksam!
