Formen von Unfallursachen
Fast jeder Unfall hat mehrere Ursachen, wobei diese meist an gefährlichen Zuständen oder Eigenschaften der Arbeitsumwelt und/ oder risikoreichen Verhaltensweisen, Unterlassungen oder Vorgängen der unmittelbar und indirekt beteiligten Personen liegen. Personenbezogene Unfallursachen (Verhalten der unmittelbar Beteiligten) Orgaisatorische Unfallursachen (Verhalten von indirekt beteiligten Personen od. organisationalen Vorgängen) Technische Unfallursachen (Verhalten technischer Gegenstände)
Systematisches Vorgehen um Unfälle zu vermeiden?
Ermittlung und Analyse der Gefahr Ableitung und Festlegung von Schutzzielen Planung und Durchführung von Maßnamen Erfolgskontrolle
Ermittlung und Analyse von Gefahren
Am gebräuchlichsten → Einzelfallanalyse; dabei sollen Erkenntnisse über Umstände und Ursachen der zu einem bestimmten Unfall führenden Gefahren gewonnen werden (z.B.: Ob Anordnungen/ Vorschriften übertreten wurden) Unfallstatistiken Unfallschwerpunktermittlung
Welche Beobachtungsebenen unterscheidet man bei Arbeitsunfällen? (Lehnder & Skiba; 2005)
Ebene der Unfallursache → Identifikation der Gefahr Ebene des Unfallhergangs → Ereignis Ebene der Unfallfolgen → Schadenserfassung
Wie lassen sich Arbeitsunfälle vermeiden?
(4 Formen der Unfallverhütung)
Beseitigung der Gefahr → z.B. Klein- statt Niederspannung bei Signalanlagen) Trennung oder Beseitigung der Gefährdung → Gefahr bleibt bestehen, aber Verletzungsmöglichkeiten dadurch ausgeschaltet, indem sicher gestellt wird dass Einflussbereiche von Menschen und Maschine sich nicht überschneiden (z.B. Automatisierung gefährlicher Arbeitsschritte) Abschirmung oder Verringerung der Gefährdung → Gefahr bleibt bestehen; Verletzungsmöglichkeiten aber erschwert (Sicherheitsbereiche/ Schutzausrüstung) Anpassung an die Gefährung → Infos über Gefährdung zugänglich machen, Trainings für sicherheitsgerechtes Verhalten 1-3 = Verhältnisprävention / 4 = Verhaltensprävention
Sicherheitstraining anhand von Videos - welche Funktionen?
emotionale (Angst; Empathie; Hilfsbereitschaft) sensitivierende (Aufmerksamkeit auf mögl. Gefährdung gelenkt und Antizipation mit negativen Konsequenzen sicherheitskritischen Verhaltens anregen) instruktionale (Vermittlung von Wissen über mögli. Gefährdungen, Unfallabläufe oder sichere Handlungsweisen)
Beschreibe sicherheitskritisches Verhalten
Sicherheitskritisches Verhalten ist Verhalten bzw. Handeln, das Gefahren auslöst bzw. die Personen in den Wirkbereich von Gefährdung bingen und somit zu gefährlichen Arbeitssituationen führt. Dies kann in mehr der weniger bewusster bzw. beabsichtiger Form (riskantes; sicherheitswidriges Verhalten) oder nicht bewusstes bzw. nicht beabsichtigter Form (fehlerhaftes Verhalten) geschehen.
Individuelle Einflussfaktoren auf sicherheitskritisches Verhalten
Alter (hohe Unfallrate im Alter zwischen 17 und 30 Jahren) Zusammenhang zu "geringer Verträglichkeit" (Big Five) + geringer Gewissenhaftigkeit + hohe Offenheit für Neues + Neurotizismus Routine bei der Arbeit als Moderatorvariable negative Affektivität mit höher Unfallrate & positive Affektivität mit niedriger Unfallrate verknüpft Deutlicher Zusammenhang zu "externaler Kontrollorientierung" (Eigenes Verhalten wird als durch äußere Bedingungen bestimmt und verursacht wahrgenommen) Hohe Zusammenhänge zu aggressiven Verhalten Neigung zu impulsiven Verhalten
Welche organisationale Einflussfaktoren gibt es in Bezug auf sicherheitskritisches Verhalten?
Ein einflussreicher Ursachenkomplex für die Entstehung von Unfällen ist das erhöhte Vorkommen von Stresssituationen bzw. hohem Leistungsdruck im Arbeitskontext. Murphy, DuBois und Hurrell (1986) nehmen an, dass unterschiedliche Stressoren am Arbeitsplatz (z. B. Zeitdruck oder unklare Rollenanforderungen) aber auch im privaten Bereich (z. B. familiäre Konflikte) zunächst Reaktionen wie Angst, Übermüdung, Motivationsverlust oder unangemessene Bewältigungsreaktionen (z. B. Alkoholmissbrauch) auslösen. Mögliche Konsequenzen daraus sind eine verminderte Aufmerksamkeit und Reaktionsgeschwindigkeit sowie fehlerhaft es Urteils- und Entscheidungsverhalten. Dies ist wiederum die Basis für riskantes und sicherheitskritisches Verhalten, das letztlich Unfälle und Beinaheunfälle auslöst. Leistungsdruck → Abkürzungen (um Arbeitstempo zu erhöhen) → Unfälle Durch konstanten Zeitdruck nehmen die Mitarbeiter ihre Situation schließlich so wahr, dass das Eingehen von Risiken bei ihrer Arbeit ein normaler Zustand ist – insbesondere dann, wenn das sicherheitskritische Verhalten nicht sanktioniert wird. Die Wahrnehmung einer Rollenüberlastung führt somit dazu, dass die betroffenen Mitarbeiter sich nicht mehr an Sicherheitszielen, sondern nur noch an den zu erreichenden Arbeitsergebnissen orientieren.
Beschreibe die kognitions- und handlungstheoretisch orientierten Ansätze zur Vermeidung von Gefahren und Risiko. (Hoyos; 1987)
Hiermit beschäftigen sich kognitions- und handlungstheoretischorientierte Ansätze der Sicherheitspsychologie.Die Wahrnehmung von Gefahren stellt eine erste Teilaufgabe im Rahmen des Handelns in gefährlichen Kontexten dar. Sie bildet die Voraussetzung für weitere Phasen (z. B. Beurteilen der Gefährdungen und Handlungsentscheidungen) und dient der Orientierung in solchen Situationen.Kognitionspsychologisch handelt es sich um einen Prozess der Informationsverarbeitung, bei dem aus dem kontinuierlichen Reizstrom Signale herausgefiltert werden, die Gefahren anzeigen bzw. im Sinne von »Vorsignalen« Hinweise auf sich anbahnende Gefahren geben. Hierzu muss die Person über ein Kategoriensystem verfügen, das Erscheinungsweisen, zeitliche Eigenheiten und Zugänglichkeit der Gefahrensignale ordnet. Das heißt, nicht alle Gefahren werden direkt signalisiert, sondern müssen in vielen Fällen aus »Indikatoren« erschlossen werden.
Welche Dimensionen (7) von Gefahrenindikatoren können unterschieden werden?
Dimensionen von Gefahrenindikatoren Anschaulichkeit Zugänglichkeit Kodierung Regelmäßigkeit im Auftreten Vorwarnzeit Gefährdungswahrscheinlichkeit Signalisierte Schadensfolgen Als einflussreich für die Gefahrenbeurteilung und -kontrolle erwies sich insbesondere die Dimension »signalisierte Schadensfolgen«, da offenbar die Tendenz besteht, sich weniger intensiv um Gefahren zu kümmern, wenn nur Bagatellschäden signalisiert werden.
Wie kann eine Person die Gefahren erkennt über das weitere Vorgehen entscheiden?
Gemäß Hoyos (1987) kann sie dies auf zwei Ebenen tun: Erstens kann sie versuchen, die Gefährdung zu steuern, d. h., sie entscheidet darüber, wie weit und wie lange sie sich in den Gefahrenbereich begibt. Hierbei spricht man von Gefahrenexposition . Zweitens kann sie die möglichen Folgen einer Gefahrenexposition kontrollieren, indem sie Vorsorgemaßnahmen ergreift (z. B. Schutzausrüstungen tragen). In der Gefahrenexposition drückt sich somit die individuelle Bereitschaft aus, sich Gefahren mehr oder weniger auszusetzen und das Eintreten von Personen- und Sachschäden mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in Kauf zu nehmen. Dies wird auch als Risikoverhalten bezeichnet und durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst.
Was ist der Unterschied zwischen Fehler und Irrtümer (Arbeitssicherheit)?
Bereits Weimer (1931) führte umfangreiche Analysen zum Wesen und den Arten von Fehlern durch und unterschied dabei insbesondere zwischen Fehlern und Irrtümern. Während Erstere durch ein Versagen von psychischen Funktionen (z. B. Aufmerksamkeits- oder Gedächtnisfunktionen) entstehen, beruhen Letztere auf Unkenntnis oder mangelhafter Kenntnis bestimmter Sachverhalte.
Beschreibe den Ansatz von Norman in Bezug auf verschiedene Fehlerformen.
Irrtümer in der Zielbildung (Irrtümer, die bei der Planung, Entscheidung und Problemlösung entstehen und vor allem auf mangelnden Kenntnissen bzw. Fehlannahmen beruhen), Aktivierungsfehler (betrifft Handlungen, die hoch geübt sind und unabsichtlich durch bestimmte Situationsmerkmale ausgelöst werden; z. B. betritt jemand sein Schlafzimmer, um sich für das Essen umzuziehen und findet sich im Bett wieder), falscher Aufruf aktiver Schemata (durch falsche oder fehlende Auslösebedingungen werden aktive Schemata zur falschen Zeit oder nicht aufgerufen; z. B. vergessen einen Brief einzuwerfen oder eine Besorgung zu erledigen). Insbesondere die zweite und dritte Fehlerkategorie, die als »action slips« bezeichnet werden und den Fehlern gemäß Weimer entsprechen, machen deutlich, dass viele Fehlhandlungen eher unabsichtlich durch bestimmte Eigenschaften des menschlichen Informationsverarbeitungssystems entstehen.
Beschreibe das GEMS-Modell (Reason; 1990)
»Generic Error Modelling System« auf das Entdecken und Korrigieren von Fehlern beim Handeln ausgerichtet, indem Erwartungen über Handlungsergebnisse gebildet und Abweichungen davon registriert und überprüft werden. Jedoch können auch diese Erwartungsbildungen und Überprüfungen fehlerhaft sein oder nicht zur richtigen Zeit erfolgen.Drei Ebenen der kognitiven Steuerung von Handlungen unterschieden: die fertigkeitsbasierte, die regelbasierte und die wissensbasierte Ebene. Umfangreiche Systemanalysen und Lösungsüberlegungen werden so lange es geht vermieden. Automatisierte und bereits bekannte Lösungswege werden so lange genutzt wir möglich. Fehleranaylse anhand von drei Ebenen: Fertigkeitbasierte Fehler (Ausrutscher und Versehen) Handlungsplan richtig, Ausführung fehlerhaft Regelbasierte Fehler (Verwechslungs und Erkennungsfehler): Handlung falsch, aber Ausführung in richtiger Form Wissensbasierte Fehler (Denk- und Urteilsfehler): Vor allem durch die begrenzte Rationalität des Menschen begründet → eingeschränkte Informationskapazität
Wie unterscheidet sich die "Regelverletzung" von den anderen Fehlerarten? Was ist die Ursache der Regelverletzungen?
→ die absichtliche Übertretungen von Sicherheitsbestimmungen, stellt die gefährlichste Kategorie menschlicher Fehlhandlungen dar. Ursachen solcher Regelverletzungen sind nicht nur inadäquate Einstellungen oder mangelnde Bereitschaften in Bezug auf Sicherheitsfragen, sondern auch Unkenntnis oder eine falsche Interpretation entsprechender Bestimmungen. Regelverletzer sind teilweise auch durch übertriebenes Selbstvertrauen und ein spezifisches Kompetenzgefühl charakterisiert; d. h., sie glauben in der Lage zu sein, die Bestimmungen ohne Gefahr übertreten zu können. Allerdings sollte man nicht annehmen, dass mit Regelverletzungen gleichzeitig auch immer böse Absichten verbunden sind.
Was versteht man unter Systemsicherheit?
Die Eigenschaft komplexer Systeme, die es dem System gestatten, ohne größere Zusammenbrüche und vorgegebenen Bedigungen und mit einem Minimum unbeabsichtigten Kontrollverlustes oder Schadens für die Org. und die Umwelt zu funktionieren. System mit hohem Gefährdungspotential → besonders durch latente Fehler die meist sicherheitsrelevante organisationaler Schwachstellen betreffen, gefährdet.
Was sagt das "Swiss Cheese Modell" aus?
Systemsicherheit wird in Systemen mit hohem Gefährdungspotenzial zunächst durch umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen auf unterschiedlichen Ebenen gewährleistet. Diese Sicherheitsvorkehrungen bzw. -barrieren (»defences«) beinhalten technische Sicherheitseinrichtungen (z. B. Alarmschaltungen), organisatorische Sicherheitsregelungen (z. B. Vorschriften für eine sichere Systemführung) und ausbildungsbezogene Maßnahmen (z. B. zur Erhöhung des Sicherheitsbewusstseins). Solange Ausfälle nur auf einer Ebene der Sicherheitsvorkehrungen auftreten, aber auf den anderen Ebenen greifen, kann die Systemsicherheit trotzdem gewährleistet werden (»defences in depth«). Fallen die Sicherheitsvorkehrungen durch eine Verkettung unglücklicher Umstände jedoch auf mehreren Ebenen aus, führt dies – wenn auch selten – zu einem Systemversagen, was allerdings weitreichende Konsequenzen hat. Reason (1997) geht außerdem davon aus, dass dasVersagen der Sicherheitsbarrieren durch zwei Typen vonFehlern entsteht: aktive und latente Fehler.