RVO (Subject) / Bonner (Lesson)

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WS 18/19 RVO

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  • Hindernisse europäischer Sozialpolitik bzw. Was steht der Herausbildung eines europäischen „Sozialstaats“ im Weg? 1)      Instituionelle Hindernisse, also aufgrund der Beschaffenheit der EU selbst; 2)      Hindernisse aufgrund der Unterschiedlichkeit der wohlfahrtsstaatlichen Traditionen und           Zielstellungen der Mitgliedstaaten (Heterogenität als Hindernis) 3)     Hindernisse, die auf die Natur von Sozialpolitik selbst zurückzuführen sind:          Sozialpolitik als Machtressource
  • 1) Instituionelle Hindernisse, also aufgrund der Beschaffenheit der EU selbst; • sozialpolitisch hat die EU traditionell nur sehr geringe Kompetenzen • keine Steuerhoheit => auf EU‐Ebene keine Möglichkeit, Steuern zu erheben ð  D.h. entscheidende Einnahmequelle für sozialpolitische Projekte fehlt! ð  EU ist nur regulierend und koordinierend tätig, zahlt aber keinerlei Sozialleistungen an EU - Bürger • bestimmte Entscheidungen im Bereich Sozialpolitik auf EU‐Ebene müssen einstimmig getroffen werden müssen, was eine äußerst große Hürde darstellt (vgl. 2.). Eine mehrheitliche Konsensbildung ist in manchen Fällen also gar nicht vorgesehen, eben weil Sozialpolitik als nationales Politikfeld betrachtet wird.
  • 2) Hindernisse aufgrund der Unterschiedlichkeit der wohlfahrtsstaatlichen Traditionen und Zielstellungen der Mitgliedstaaten (Heterogenität als Hindernis) schwer für Mitgliedstaaten, sich zu einigen, da sie jeweils auf unterschiedliche sozialpolitische Traditionen blicken ð  verschiedene Werte, Leitideen und Institutionen, aus denen sie unterschiedliche mitgliedstaatliche Interessen ableiten ð  Während die einen bspw. eine Absicherung auf hohem Niveau bevorzugen, streben andere Länder eher eine minimale Grundsicherung an. => unterschiedliche Gerechtigkeitsvorstellungen, die die Sozialpolitiken eines jeden Landes prägen ð  Daraus resultiert die Gefahr einer Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners.
  • 3) Hindernisse, die auf die Natur von Sozialpolitik selbst zurückzuführen sind: Sozialpolitik als Machtressource ·         Für nationalstaatliche Regierungen ist Sozialpolitik eine wichtige Machtressource und ein              Instrument zur Herstellung politischer Zugehörigkeiten (Identität) und Bindungen bzw.            Loyalitäten ·         Bsp: Für Bismarck stellten die Sozialversicherungen ein entscheidendes Instrument dar,              die deutschen Arbeiter an den Staat zu binden. ·         => deshalb sind die EU‐Mitgliedstaaten auch nicht bereit, sozialpolitische Kompetenzen               an  die EU‐Ebene abzutreten
  • Kritische Folgen für nationale Wohlfahrtsstaaten: Inwiefern und durch welche konkreten Mechanismen werden nationale Wohlfahrtsstaaten durch Europäisierungsprozesse beeinträchtigt bzw. herausgefordert? 1. Globalisierung allgemein 2. indirekte Folgen der Europäisierung 3. direkte Folgen der Europäisierung
  • Folge: Globalisierung allgemein unabhängig von der EU verändern bereits das transnationale Wirtschaften und der globale Wettbewerb die Daseinsbedingungen nationaler Sozialstaaten: ð  so können bspw. die günstigeren Produktionsbedingungen in anderen Ländern einen Kostendruck auf den heimischen Sozialstaat ausüben, der unter dem Vorwand der Wettbewerbsfähigkeit zu Kürzungen von Sozialleistungen führen kann
  • 2. Indirekte Folgen der Europäisierung Globalisierung bezogen auf Wirtschaften im europäischen Binnenmarkt bedeutet, dass die Regeln des gemeinsamen Marktes, die Souveränität und Handlungsspielräume nationaler Wohlfahrtsstaaten eingeschränkt werden können.   ð  nationale Regierungen haben das Gefühl, nicht mehr frei entscheiden zu können. Denn um wettbewerbsfähig zu bleiben/werden, können nationale Regierungen z.B.  Sozialpolitische Reformen beschließen, die Kürzungen gleichkommen. ð  (Ein Beispiel wäre die vorauseilende Kürzung des Arbeitslosengeldes, um zu verhindern, dass durch erhöhte Binnenmigration die Kosten zu sehr in die Höhe schnellen.) ð  Es handelt sich also um Veränderungen, die von der EU nicht vorgegeben wurden, die aber dennoch als indirekte Folge des europäischen Integrationsprozesses einzustufen sind.
  • 3. direkte Folgen der Europäisierung Es gibt auch direkte Folgen der Regulierungen auf europäischer Ebene auf die nationalen Wohlfahrtsstaaten: ·         Bsp: Wenn der europäische Gerichtshof entscheidet, dass auch andere EU-Bürger ein Anrecht auf Sozialleistungen haben, so müssen die Staaten ihr nationales Sozialrecht entsprechend anpassen! ·         Bsp: hat die Europäische Kommission in der Arbeitszeitrichtlinie festgehalten, dass die Ruhezeit von Ärzten in Bereitschaft auch zur Arbeitszeit zählt, so müssen die Mitgliedstaaten diesen Punkt in ihren Arbeitsschutzbestimmungen nachbessern, wenn nötig.   ð  Konkrete sozialpolitische Regelungen auf EU‐Ebene modifizieren also nationales Sozialecht, da diese nun nicht mehr allein darüber entscheiden, wer eine Leistung erhält. ð  So ist es erstmals in der Geschichte der Sozialstaaten möglich geworden, Leistungsansprüche, die in einem anderen Staat erworben wurden, zu exportieren bzw. in das System eines anderen Staates zu konvertieren und die Mitgliedstaaten dazu zu zwingen, ihre Sozialsysteme kompatibel mit den Erfordernissen einer höheren Binnenmarktmobilität zu machen  
  • Erläutern Sie kurz die Typologie Esping Anderson: Esping-Andersen versucht Wohlfahrtsstaatsregime zu kategorisieren. Er hat ein Modell entwickelt, die Länder sind aber meist Mischformen  Merkmale eines Wohlfahrtsstaates: - Ein großer Teil des Staatshaushaltes muss im sozialen Bereich ausgegeben werden - Alle Staatsbürger müssen dieselben sozialen Rechte haben - Die sozialen Gesetze müssen in der Verfassung verankert sein   Kategorisierung orientiert sich dabei:   ·         an Qualität der Leistungen und an der Wirkung von Sozialpolitik auf soziale Schichtung            (Stratifizierung)   ·         an dem Verhältnis zwischen Staat und Markt in den Anspruchsvoraussetzungen                      sozialer    Leistungen (Dekommodifizierung)   ·         und an der gesellschaftlichen Machtverteilung (Kräfte zwischen Markt, Staat, Familie) Wer ist der primäre Wohlfahrtsproduzent?    Er kategorisiert 3 Typen von sozialer Sicherung: sozialdemokratisch, konservativ, liberal
  • Stratifizierung beschreibt, inwiefern ein System zur Ausbildung von sozialen Schichten beiträgt /der Wechsel zwischen den Schichten möglich ist hoch stratifiziert: stark geschichtet, Schichten undurchlässig (kons + lib) gering stratifiziert: geringe Schichtung, Durchlässigkeit zwischen den Schichten (sozdem)
  • Dekommodifizierung beschreibt den Grad, inwieweit Menschen unabhängig von ihrer Marktposition Zugang zu Sozialleistungen haben. hoher Dekommodifizierungsgrad:  weitgehende Entkopplung der Sozialleistungen von (früherer) Erwerbstätigkeit => Lebensunterhalt kann ohne Zwang zur Erwerbsarbeit bestritten werden (soz.dem) mittlerer Dekommgrad: kons geringer Dekommgrad: lib
  • der sozialdemokratische Wohlfahrtstaat -          hohe Dekommodifizierung => marktunabhängiges Leben möglich -          geringe Stratifizierung: geringe soziale Schichtung, geringe soziale Ungleichheit -          Universalismus: identische Rechte für Arbeiter, Angestellte und Beamte -          hohe Umverteilungswirkung: Gleichheit auf höchstem Niveau, -          starkes Eingreifen des Staates gestützt durch hohe Steuern, dadurch können                             Sozialausgaben so hoch sein -          angestrebte Vollbeschäftigung, um ein relativ hohes Maß an sozialer Gleichheit zu                       erreichen -          Staat als zentrale Instanz
  • der konservative Wohlfahrtstaat •       mittelere bis hohe Stratifizierung: Aufrechterhaltung der Statusunterschiede durch das             Äquivalenzprinzip in der Sozialversicherung •       staatliche Pflichtversicherungen mit Möglichkeit der privaten Zusatzversicherung •       mittlere Dekommodifizierung, Leistungen stark lohnarbeitszentriert => mit der Folge, dass soziale Rechte stark an den beruflichen Status gebunden sind -          hoher Status der Familie, traditionelles Familienbild, patriarchale Gesellschaft                         steuerliche Vorteile bei Ehe (Ehegattensplitting) (Mütterrente) •       geringe Umverteilung •       untergeordnete Rolle von Betriebs- und Privatleistungen •       Korporatismus (Bezeichnung verschiedener Formen der Beteiligung bestimmter                       gesellschaftlicher Gruppen an politischen Entscheidungsprozessen) •       Markt weitesgehend verdrängt -> Familie (Subsidiarität) als zentrale Instanz
  • der liberale Wohlfahrtstaat •       Soziale Sicherung nach dem Fürsorgeprinzip •       Markt als zentrale Instanz •       hohe Stratifizierung: vom Markt produzierte Ungleichheit bleibt weitgehend unverändert •       geringe Dekommodifizierung v.a. bedarfsgeprüfte (Minimal)Sicherung •       hoher Stellenwert privater Fürsorge (private Rente, private Gesundheitsausgaben)                       Universale und Sozialversicherungsleistungen haben daneben eine geringere Bedeutung •       Beschäftigungsdynamik hoch, Steuern sind niedrig was – im günstigen Fall – einen hohen           privaten Wohlstand entstehen lässt