germanistik (Subject) / Einführung in die Neuere deutsche Literatur (Lesson)
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Begriffe
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- Aufklärung 1720-1780 Der Begriff "Aufklärung" kommt im 18.Jahrhundert auf und bezeichnet zunächst (1) einen allgemeinen Erkenntnisprozess, der gerichtet ist auf die Befreiung von Traditionen, Institutionen, Konventionen und Normen, die nicht vernunftgemäß begründet werden können, um die Gesamtsituation des Menschen durch die so gewonnenen Erkenntnisse im Sinne des Fortschritts zu verändern. Er ist zudem (2) eine Epochenbezeichnung für die gesamteuropäische, alle Lebensbereiche beeinflussende, zunehmend gesellschaftskritische Bewegung des 17./18.Jahrhundert, die den Prozess der Säkularisierung (Verweltlichung, Befreiung von theologischer Bevormundung) einleitet. Grundüberzeugung von der Autonomie der menschlichen Vernunft Instrument der autonomen Vernunft: Kritik (freie und öffentliche Diskussion) daraus folgt Forderung nach Freiheit der Meinungsäußerung und Toleranz gegenüber anderen Meinungen Glaube an Vernunft ist verbunden mit Glauben an den Fortschritt (besonderes Interesse für Erziehung) aus Untertanen sollten Staatsbürger werden, die sich aktiv am gesellschaftlichen Leben beteiligen und die Verfasstheit des Gemeinwesens selbst bestimmen, und zwar als Citoyen (politisch), Bourgeois (ökonomisch) und Homme (kulturell, religiös).
- Sturm und Drang 1765-1785 erhebt an sich selbst den Anspruch, anders, Avantgarde, zu sein wendet sich bewusst formal und inhaltlich von den bewährten gegenwärtigen Mustern der Literatur ab sucht sich politisch sensiblisiert neue Themen (Kindsmord, Genieästhetik, Volkslieder) oder bearbeitet alte Themen (Liebe, Sexualität, Standesunterschiede, ästhetische Fragen) neu ist im Geiste der Aufklärung gebildet und wendet diesen Geist kritisch gegen die eigene Gegenwart sucht und findet in der Geschichte (Mittelalter, Frühe Neuzeit) das, was sie in der Gegenwart vermisst -> ist auf das exemplarische Handeln von Einzelpersönlichkeiten gerichtet Emanzipation der Leidenschaften, ungebändigte Sexualität anstelle zivilisatorisch überformter Empfindsamkeit sucht ihren gesellschaftlichen Standort jenseits der sozialen (= ständisch-hierachischen) Zuweisungen wehrt sich, arrangiert sich nicht, sondern kritisiert ignoriert Gattungsgrenzen (z.B. Tragikomödie) fordert und beschreibt die Selbstbestimmung des Menschen Binnenrebellion, Aufstand gegen die Vaterinstanz in der Fremdbestimmung Unversöhnlichkeit des gesellschaftlichen und familiären Konflikts (Sturm und Drang-Drama) Mythologische Gestalt des Prometheus = Selbstbild der Sturm und Drang-Autoren radikalisierte Aufklärung
- Sturm und Drang-Dramatik Abkehr von der bisher gültigen Lehre der "drei Einheiten" (Zeit, Ort, Handlung) Entwicklung neuer dramatischer Formen; Ziel: lebendiger, vielfältiger, reizvoller "Entdeckung" von Sinnlichkeit, Leiblichkeit und ihrer Probleme Berücksichtigung volksläufiger Kultur Darstellung des Menschen mit seinen Leidenschaften im Kontext der Gesellschaft: Götz (Goethe): leidenschaftliches Individuum im Kontext mit den Zeitgenossen; steht am Übergang zweier Epochen Hofmeister (Lenz): aktuelle soziale Problematik; Sexualitätsthema: "Tragikomödie" Sturm und Drang (Klinger): genialisches, wildes Individuum im Konflikt mit der Umwelt Kindermörderin (Wagner): liebendes und leidendes Individuum wird durch die repressiven Normen der Gesellschaft ins Verbrechen getrieben Kabale und Liebe (Schiller): Liebe über die Vorurteile des Standes hinweg führt in die Katastrophe; Verderbtheit einer amoralischen Adelskaste; Kritik am Absolutismus und dessen politische Maximen -> Theaterstücke, die das Publikum ansprachen, weil dessen eigene gesellschaftliche und persönliche Probleme auf der Bühne verhandelt wurden
- Weimarer Klassik - Orientierung an den ästhetischen Vorbildern der Antike - Anstoß aus Bildender Kunst durch Johann Joachim Winckelmann: statt spätbarockem Manierismus ("Schwulst") "edle Einfalt und stille Größe", Einfachheit und Harmonie griechischer Kunstwerke griechische Kunstwerke: universale, zeitlose Vorbilder in den Figuren der Griechen zeigt sich der Ausdruck großer, innerer Haltung und das Idealbild des freien Menschen: Einklang von sinnlicher Anschauung und sittlichen Maßstäben in der griechischen Plastik Autonomieästhetik: Kunst ist zweckfrei; ein Kunstwerk steht außerhalb von ökonomischen oder politischen Nützlichkeitsüberlegungen, als schöner Gegenstand in sich selbst ruhend Damit erhält das Kunstwerk den Charakter eines für sich bestehenden vollendeten Ganzen Kunst muss keine Wirklichkeit wiedergeben, ist vielmehr Ausdruck einer hinter der jeweiligen Form erkennbaren Idee (der Wahrheit, Schönheit, Liebe, Gerechtigkeit, ...) Bildung ist die ständige Selbstvervollkommnung des sittlichen und geistigen Menschen Individuum rückt in das Zentrum von Bildung und Erziehung infolge der Erfahrungen der Französischen Revolution entwirft Schiller das Konzept der ästhetischen Erziehung: mit den Mitteln der Kunst zur Veredelung des menschlichen Charakters die zeitlose und zwecklose Schönheit eines Kunstwerks führt, so Schiller, die sinnlich-ästhetische Doppelnatur des Menschen zu einem harmonischen Ausgleich der "ästhetische" Zustand der Balance von Neigung und Pflicht im Kunsterlebnis bedeutet die Erfahrung von größtmöglicher persönlicher Freiheit in der Spielwelt einer zweckfreien Kunst (d.h. befreit von den tatsächlichen Beschränkungen seiner Existenz) erlebt der Mensch die eigenen Möglichkeiten eines sittlichen, zu Vernunft und Humanität fähigen Wesens
- Die Romantik 1795-1830 In der Epoche der Romantik wurden die Werte des Rationalismus und der Aufklärung abgelöst; stattdessen trat die Entwicklung von Sensiblität und das Recht des Künstlers auf Selbstbestimmung in den Vordergrund Den nach der Revolution erlebten Verlust an Einfluss und Prestige und die daraus erwachsenen Gefühle von Einsamkeit und Heimatlosigkeit sublimieren die Romantiker in variablen Formen der Realitätsflucht und Verklärung des Unbekannten Die Zeit der Nachrevolution sah eine zunehmende Isolierung der Intelligenz vom Rest der Gesellschaft und eine Unterscheidung zwischen Bourgeois und Citoyen Der übersteigerte Individualismus der Romantik stellte einen Versuch dar, sich in Abhebung von der Ignoranz und Geistesfeindschaft der bourgeoisen Gesellschaft eine eigene ästhetische Sphäre zu schaffen. Ein wesentliches Motiv der Romantik war das des Doppelgängers, in dem der an der Realität leidenden Romantiker all seine irrationalen Triebe zu sublimieren vermochte. Den Romantikern erschien die innere, seelische Welt wichtiger und realer als die äußere Wirklichkeit, die dem Individuum lediglich als Mittel zur Selbstvergewisserung diente. In der deutschen Romantik herrschten zunächst revolutionäre Ideen vor, die später in restaurative Bestrebungen umschlugen.
- Vormärz Der Vormärz wird auf die Jahre vor der Märzrevolution (1848) datiert, wobei verschiedene Einteilungen üblich sind: a.)im weiteren Sinne: die Zeit zwischen 1815 und 1848 b.)im engeren Sinne: die Zeit zwischen 1830 und 1848 Mit dem Begriff wird gleichermaßen die Literatur dieser Zeit bezeichnet. Parallel zum radikal-demokratischen Vormärz existierte das tendentiell konservative Biedermeier. Motive des Vormärz: Forderung der Gleichbehandlung aller Menschen (Menschenrechte), demokratische Verfassung und Pressefreiheit (gegen herrschende Zensur). In der Literatur werden vor allem politische, oppositionelle und revolutionäre Schriften gefasst, die sich gegen die politischen Verhältnisse wendeten und eben nicht (wie etwa kennzeichnend für das Biedermeier war) resigniert den autoritären Obrigkeitsstaat hinnahmen, sondern dagegen aufbegehrten. Differenziert wird die Literatur des Vormärz a.) in den Verbund Junges Deutschland, der das literarische Leben zwischen 1830 und 1834 prägte und sich durch liberale Ideen auszeichnete (Heinrich Heine, Karl Gutzkow, Heinrich Laube) und b.) den eigentlichen Vormärz, der vor allem die Jahre vor der Märzrevolution beschreibt. Autoren jener Zeit sind unter anderem Heinrich Heine, August Heinrich Hoffmann von Fallersleben und Georg Büchner Zitat: "Alle Autoren waren engagierte Literaten, die sich weniger mit dem Seelenleben und innerer Gestimmtheit des Menschen (Biedermeier) befassten als mit weltverändernden Gedanken und Taten. Weltbürgertum war ihnen wichtiger als Patriotismus, rationalistische Kritik wichtiger als Christentum, Fortschritt und Sozialismus bedeuteten ihnen mehr als Individualismus und Tradition. Statt den Leser ästhetisch zu befriedigen, suchten sie politisch auf ihn einzuwirken. Das gerade ließen die Behörden der Obrigkeit nicht zu; vor deren Verfolgung mussten daher immer mehr Schriftsteller ins Exil gehen. Die auf politische Veränderung drängenden Veröffentlichungen, die sogenannte Literatur des Vormärz, wurde immer radikaler bis im März 1848 die bürgerlichen Demokraten gegen die Macht des Feudaladels aufstanden."