Persönlichkeitsppsychologie WiSe17/18 (Subject) / 10. Vorlesung (Evolutionspsychologisches Paradigma) (Lesson)
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10. Vorlesung (Evolutionspsychologisches Paradigma)
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- (Evolutionspsychologisches Paradigma: Wichtige Personen) Chares Darwin (1809-1882)David Buss (1953)Leda Cosmides (1957)John Tooby (1952)
- Evolutionspsychologisches Paradigma: Kurzform Seit Millionen von Jahren andauernder Prozess der Entstehung von Arten (inkl. homo sapiens sapiens) Formt nicht nur arttypische, körperliche und Verhaltensmerkmale, sondern auch Variationsbreite >> heute vorhandene Persönlichkeitsunterschiede durch Gesetzmäßigkeiten des evolutionären Prozesses und Eigenarten der Umwelt unserer Vorfahren zu erklären
- Menschenbild Genetische Variation Menschenbild Heutiges Verhalten als Resultat der genetischen Anpassung von Lebewesen an die jeweiligen Umweltbedingungen (primär die der Vorfahren) Darwin: Vielfalt der Arten und Variabilität innerhalb der Arten geht auf Variation und natürliche Selektion zurück Was variiert und wird später selektiert? >> Gene und Allele Genetische Variation Allele sind das Leben hindurch konstant und werden an Kinder weitergegeben Veränderungen durch: Mutation (z.B. Krebs), sexuelle Rekombination (Fortpflanzung >> neue Formen durch unterschiedliches Aufeinandertreffen (dominant, rezessiv))
- Fitness, Natürliche Selektion, Sexuelle/Intersexuelle Selektion Unterschiedliche Genvarianten können als in Konkurrenz zueinander betrachtet werden Fitness = je nach Umweltbedingungen steigt oder sinkt relative Häufigkeit wegen unterschiedlicher Fortpflanzungschancen >> Ändert sich Umwelt ändert sich Fitness des Allels >> Allele gut oder schlecht an bestimmte Umwelt angepasst Umwelt nimmt also Einfluss auf die Reproduktion von Genen, diese werden "natürlich ausgelesen" Selektion: Mechanismus, der Gene (und damit Lebewesen) an die Umwelt anpasst, sodass sie längerfristig reproduktionsfähig sind Fitness ist kein Merkmal eines Menschen oder eines Genoms, sondern eine Funktion eines Gens und seiner Umwelt Entscheidend ist der Reproduktionsvorteil eines Gens ("reproduction of the fittest"): Wichtig ist nicht ob Überleben allein, sondern dass dan auch Fortpflanzung Längere Lebenserwartung (Kindersterblichkeit, Krankheiten) heißt nicht, dass Evolution keine Rolle mehr spielt Wichtig für den Reproduktionserfolg sind vor allem soziale Umweltbedingungen (Rivalen des eigenen Geschlechts bei der Partnersuche (sexuelle Selektion), Partnerpräferenzen des anderen Geschlechts (intersexuelle Selektion))
- Inklusive Fitness: Genetische Fitness beruht auf zwei Komponenten Genetische Fitness beruht auf zwei Komponenten: Reproduktionserfolg der eigenen Gene = Fitness im engeren Sinne, Häufigkeit des Gens bei direkten Nachkommen Reproduktionserfolg dieser Gene bei genetisch Verwandten: inklusive Fitness, Häufigkeit des Gens bei direkten und indirekten Nachkommen >> es kann adaptiv sein, sich für genetisch Verwandte zu opfern
- (Erwartete genetische Verwandtschaft bei verschiedenem Verwandtschaftsgrad) Verwandtschaftsgrad - Genetischer Verwandtschaftsgrad Zwillinge 100% Eltern, Kind 50% Geschwister (unterschiedlichen Alters), zweiige Zwillinge 50% Halbgeschwister 25% Großeltern, Enkel 25% Onkel/Tante, Neffe/Nichte 25% Cousin, Cousine 12,5% Partner 0% Adoptivgeschwister; Adoptiveltern, Adoptivgeschwister 0%
- Erklärung von Verhalten: Ultimate Erklärungen, Proximate Erklärungen Ultimate Erklärungen: allgemeine Überlegungen zum Selektionsdruck und zu Reproduktionsvorteilen in der Vergangenheit >> "Adaptive Probleme" (Welche adaptiven Probleme gab es zu lösen? z.B. Partnerwahl zur Fortpflanzung) >> Bereiche adaptiver Probleme: 1. Überleben 2. Partnerwahl und Sexualität 3. Elternschaft 4. Unterstützung von Verwandten 5. Kooperation 6. Aggression 7. Sexuelle Rivalität 8. Soziale Dominanz (2.) Proximate Erklärungen: Geben an, wie adaptive Probleme durch konkretes Verhalten gelöst werden >> Evovierte (auf Evolution basierende) psychologische Mechanismen (EPMs) z.B. "Eignung" von Partnern für die Fortpflanzung feststellen (Gesundheit >> Attraktivität, Versorgung >> Status, Pflege >> zwischenmenschliche Wärme)
- Attraktivität, Status und Wärme - Agency und Communion Agency = aktives Vorankommen der Persönlichkeit Communion = dass es zwischenmenschlich funktioniert Attraktivität: Männern und Frauen relativ wichtig und gleich wichtig - höhere Präferenz je höher Agency Status: Männer und Frauen weniger als Attraktivitt, Frauen ist Status wichtiger - Höhere Präferenz je höher Agency Wohlbefinden: Männern und Frauen am Wichtigsten, Männern etwas wichtiger als Frauen - Höhere Präferenz je höher Communion
- Proximate Mechanismen Methodik für proximate Mechanismen Proximate Mechanismen müssen nicht direkt ultimaten biologischen Erklärungen entsprechen, dürfen aber nicht widersprechen Evolvierter psychologischer Mechanismus (EPM) = bereichs- und kontextspezifischer proximater Mechanismus >> EPM ist Anpassungsleistung an die Umwelt (ultimat) und vermutlich genetisch fixiert, wird daher vererbt Ziel: Identifikation universeller Mechanismen der Informationsverarbeitung, Verhaltensregulation und Individualentwicklung als EPMs Methodik: >> für bekannte Mechanismen besondere Fitness unter den vermuteten Umweltbedingungen unserer Vorfahren nachweisen (z.B. Angst vor Schlangen) >> Aufgrund von Überlegungen zu adaptiven Problemen in der evolutionären Vergangenheit, mögliche EPMs identifizieren und dann empirisch prüfen, ob diese tatsächlich nachweisbar sind
- Beispiel proximate Mechanismen: Vaterschaftsunsicherheit) Vaterschaftsunsicherheit aufgrund "verdeckter Zeugung" (Väter können sich eigentlich nicht sicher sein, ob sie wirklich der Vater sind) Konsequenzen für die Adaptivitär von Hilfeleistung gegenüber väterlichen versus mütterlichen Verwandten (>> väterlicherseits niedriger)
- Methodik Evolutionspsychologischer Nachweis eines EPMs erfordert... ... Angabe des gelösten Problems in der Vergangenheit ... Angabe des proximaten psychologischen Mechanismus ... Plausibilität der genetischen Fixiertheit ... Bereichsspezifität des Mechanismus ... förderlich (nicht notwendig): Nachweis homologer (= Übereinstimmung verschiedener Rassen) EPMs bei Artverwandten
- Persönlichkeitsunterschiede: Balancierter Polymorphismus Differentielle psychologsche Adaptionen (EPMs) aufgrund von... ... Balancierter Polymorphismus (balancing selection): Gen-Umwelt-Interaktionen Morphologie (Form/Gestalt/Struktur wirken sich auf Verhalten aus) Konditionale Entwicklungsstrategie Frequenzabhängige Selektion
- Konditionale Entwicklungsstrategien Interindividuelle Entwicklungsverläufe mit unterschiedlicher Fitness je nach Umweltbedingungen (z.B. in "reichen" Umwelten": viele Kinder, wenig kümmern; bei harten Umweltbedingungen: wenige Kinder, viel kümmern) Falls Umwelt langfristig zwischen Extremen schwankt, sind konditionale Entwicklungsstrategien adaptiv, die Individualentwicklung an die Umwelt der Kinder anpassen >> Suche nach Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsunterschieden im Jugend- oder Erwachsenenalter und Umweltunterschieden in der Kindheit >> Finden des proximaten Mechanismus
- Konditionale Entwicklungsstrategien: Beispiel Väterliche Fürsorge im Kindesalter und Reproduktionsverhalten Töchter im Jugendalter Väterliche Fürsorge als Indikator für künftige Umwelt; Bedingung für konditionale Entwicklungsstrategie Hohe väterliche Fürsorge: Kinder entwickeln sich in Richtung starker elterlicher Investition Niedrige väterliche Fürsorge: Kinder entwickenl sich in Richtung starken Paarungsaufwandes (viele Kinder bekommen) Vorhersage: Töchter von Vätern, die sich wenig oder gar nicht um sie in der Kindheit kümmern, kommen früher in die Pubertät, haben eher ersten GV, weniger stabile Partnerschaften, investieren selbst weniger in ihre Kinder z.B. Korrelationen von .43 zwischen Qualität der Vater-Tochter-Beziehung im Alter von 4 Jahren und dem Alter der Tochter bei der ersten Regelblutung Evlt. Geruchsstoffe von Vater und/oder nichtverwandter Männer als proximate Mechanismen
- Frequenzabhängige Selektion Fitness des Gens hängt von der Häufigkeit in der Population ab Stabilisierung des Verhältnisses alternativer Genvarianten z.B. Geschlecht (Modell von Fisher) Geschlechtsverhältnis im Alter der maximalen Fruchtbarkeit 1:1 Prinzipiell würden aber weniger Männer ausreichen Aber: Genetische Fitness von Geschlecht ist frequenzabhängig Wären Männer seltenerm könnten sie ihre Gene besser weitergeben Dadurch würden langfristig Eltern begünstigt, die überproportional Jungen zur Welt bringen Dies würde die Rate der Männer so lange erhöhen, bis sie genauso häufig sind wie Frauen Entsprechende Argumentation für den umgekehrten Fall Langfristig pendelt sich in Populationen ein Verhältnis zwischen Geschlechtern von ca. 1:1 ein; Geschlechtsverhältnis ist also "evolutionär stabil"
- Bewertung Chancen Risiken/Probleme Neue Fragestellungen, Sichtweisen und Konzepte Chancen: Nutzen und Ausbauen evolutionsbiologischen Wissens über innerartliche Unterschiede Persönlichkeit (auch) als Ergebnis der Geschichte unserer Art Risiken/Probleme Schlechte empirische Prüfbarkeit/Scheinerklärungen Wenig Beitrag zur Erklärung adaptiv neutraler und nicht adaptiver Persönlichkeitsvariante
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- Zusammenfassung Evolution formt nicht nur arttypsiche körperliche Merkmale, sondern auch Unterschiede durch Variation und Selektion Heutiges Verhalten als Resultat der genetischen Anpassung von Lebewesen an die jeweiligen Umweltbedingungen (primär die der Vorfahren) Fitness ist Funktion eines Gens und seiner Umwelt (nicht eines Menschens oder Genoms) Persönlichkeitsunterschiede aufgrund von... ... Umweltunterschiede vermittelt durch EPMs, z.B. frequenzabhängige Selektion, konditionale Entwicklungsstrategien,...) >> Balancierter Polymorphismus