Psychologie (Fach) / mündliche Staatsprüfung (Lektion)

Vorderseite Beschreiben Sie die Schematherapie!
Rückseite

Young (2005); D: Roediger

Einzel, Gruppe oder Paar

Zentrale Therapieprinzipien: Begrenzte Nachbeelterung, systematische Zielführung von multimodalen Erfahrungsangeboten zu Schema- und Modusveränderung, einheitliches metakognitives Modell für Therapeut und Patient zur Prozess- und Selbstregulation

Neuerung: Achtsamkeit, Schemamodell

Indikation: Alle Persönlichkeitsstörungen und therapieresistente Achse I

è Young ist Schüler von Beck. Daher sind ältere Modelle eher kognitiv orientiert, ab der Jahrtausendwende kamen dann psychodynamische Konzepte dazu (Transaktionsanalyse, Ego-State). Trotzdem stehen Grundbedürfnisse im Mittelpunkt, nicht Triebe.

Schema: durch frühe Lebenserfahrungen gebildete komplexe neuronale Muster, die künftige Erfahrungen organisieren (durch Erwartungshaltungen und selektive Verarbeitung). Könnte man auch Lebensthema/-muster nennen.

Es gibt 18 durch Young definierte Schemata.

Bewältigungsreaktionen sind früh gelernte und später automatisiert ablaufende Verhaltensweisen, die die Aktivierung unangenehmer Schemata verhindern sollen.

Modi sind aktuelle personale Gesamtzustände und bestehen in der Regel aus mehreren zugleich aktivierten Schemata und spezifischen Bewältigungsreaktionen. Sie sind vorübergehende, komplexe Erlebniszustände bei Schemaaktivierungen in der Gegenwart, aus denen heraus Bewältigungsmodi eingesetzt werden.

è Hier fließen Erkenntnisse aus der Neurobiologie, der Bindungstheorie und der Entwicklungspsychologie eine Rolle.

Ausgangspunkt: im Rahmen der kognitiven Wende wurde die Bedeutung von Gedankeninhalten überschätzt; zunächst „erfühlen“ wir den Bedeutungsinhalt einer Situation, bevor wir ihn kognitiv verstehen. Z.B. dominieren die „lower pathways“ (LeDoux) bei der Entstehung von Störungen; diese müssen wir im Lauf der Therapie aktivieren, um bewusste Wahrnehmung zu schaffen und dann zu regulieren. Erfolgreiche Therapie verschiebt neuronale Aktivierung von subkortikaler zu kortikaler Dominanz.

Schematherapie orientiert sich an Grawes Wirkfaktoren:

1. Problemaktualisierung über erlebnisaktivierende Techniken, damit dann durch limited Parenting eine korrigierende Erfahrung induziert werden kann.

2. Problemklärung wird zunächst durch eine Imagination (dunkler Wald mit wilden Tieren, durch Wechsel in Erwachsenenmodus verliert das seinen Schrecken) =Neubewertung

3. Problembewältigung erfolgt durch Imaginary Rescripting umfassend und erlebnisnah. Die Bewältigung basiert auf einer neuen Beziehungserfahrung, bei der die Grundbedürfnisse befriedigt werden.

Vom Therapeuten fordert die Schematherapie wie CBASP auch diszipliniertes Einlassen, das liegt nicht jedem.. außerdem muss ich meine eigenen Schemata klar haben.

ACT, CBASP und DBT sind lösungs- bzw. final orientiert. In der Schematherapie haben negative Emotionen Signalcharakter, der die Frustration von Grundbedürfnissen anzeigt. Diese (meist im Kind-Modus aktivierten) Bedürfnisse sollen vom Therapeuten wahrgenommen, validiert und soweit möglich befriedigt werden. Dadurch soll die emotionale Weiterentwicklung gefördert werden (limited Reparenting); hier ist die Schema-Therapie stark an die tatsächliche Entwicklung von Kindern angelehnt.

Wichtig: nicht auf vordergründige Bewältigungsmodi reagieren, sondern zu den Bedürfnissen des hintergründigen Kindmodus‘ vordringen. Wenn der Therapeut sich nicht vom verletzten Kind abwendet, sondern zu ihm hin, kann der Patient eine neue Bindungserfahrung machen, und Ur-Misstrauen kann sich zumindest in partielles Vertrauen wandeln. Dann ist möglich, blockierte Emotionale Prozesse und Ressourcen zu lösen (Trauer zum Loslassen, Wut zur Selbstbehauptung).

Selbstabwertung wird als internalisierte Fremdbewertung konzuptualisiert. Beim Vordringen zum Kindmodus werden oft die Elternstimmen erstmal lauter; hier gilt es zu expilzieren, woher die Selbstabwertung kommt, die häufig auf liebevolle Zuwendung folgt. Häufig kommt erstmal eine „Ich-Fomulierung“, diese soll in die „Du-Form“ überführt werden, um die Bezugspersonen-Introjekte zu Re-Externalisieren. Hier funktioniert gut der Stuhl-Dialog – in diesem Rahmen kann man strafende Elternstimmen auch vor die Tür setzen.

è Grundlegendes erstes Ziel: Differenzierung der Modi!

Durch Konkrete Grundbedürfnis-Befriedigung wird eine Basis für die Autonomieentwicklung gelegt à gelungener Interaktionszirkel von Bedürfnisausdruck und –befriedigung.

Empathische Konfrontation in zwei Schritten:

1. Das Motiv, die „gute Absicht“ der Bewältigungsreaktion validieren; die Bewältigungsreaktion als nötige Überlebensstrategie in der Kindheit bewerten (Grawe: „damals beste Not-Lösung“)

2. Die negativen Konsequenzen im Erwachsenenalter herausarbeiten; mit dem gesunden Erwachsenen nach alternativen Optionen der Bedürfnisbefriedigung suchen

Therapie

- Flexible Beziehungsgestaltung: Nachbeelterung vs. empathische Konfrontation; außerdem hohe „emotionale Amplitude“: pozessual-emotionale Aktivierung alter Schemata und Bewältigungsreaktionen (=Erlebnis- und Verhaltensmuster), sprachliche Klärung.

o Einfühlen in Kindmodus, benennen der primären Gefühle. Sinnkonstruktion herstellen (wo kommts her, was hat es für Auswirkungen?) à entlastet, entpathologisiert. Herausarbeiten, wo sich die alten Schemata heute in dysfunktionaler Bewältigung zeigen – unter wohlwollend-anerkennendem Blick des Therapeuten soll sich „verstehende Selbstannahme“ herausbilden.

- Desaktualisierung durch Mentalisierung: die früheren Modi sollen im Hier und Jetzt mit veränderter Antwort erfahren werden. Therapeut vermittelt, dass Pat. Anderes und besseres verdient hätte. So kann Pat ins „wise mind“ (Linehan) wechseln, den inneren Beobachter, und neues Lösungsverhalten erarbeiten. Dazu ist viiiiiel Validierung der Bedürfnisse und Empfindungen wichtig

- Internalisierung des Therapeutenmodells: ggf. hilft der Therapeut bei der Lösungssuche mit eigenen Vorschlägen. Vermittelt wird eine normative Entwicklungspsychologie, aus der normale Grundbedürfnisse abgeleitet werden. Der Therapeut fungiert als Vorbild und begrenzende Bezugsperson und korrigiert damit, was die Eltern damals verbockt haben. Hier wird von „einbrennen“ gesprochen, weil die Schematherapie davon ausgeht, dass nur verstehen nicht reicht, es muss auch erleben stattfinden.

- Neuronale Neuformung durch Übungsschleifen:

BEATE-Schritte (Roediger): Benennen-Erkennen-Anerkennen-Trennen-Einbrennen

Emotionen sollen auch aktiv szenisch-dramatisch erlebt und prozessiert (ausgedrückt, bewältigt..) werden. Kognitive Verarbeitung ist aber auch wichtig. Hier passiert Problemaktualisierung, -klärung-, -bewältigung. Im Lauf nimmt der Pat. Eine immer aktivere Rolle ein. Es kommt zum „cortical override“ (Siegel) = Verankerung der top-down-Regulation der subkoritkalen Aktivierung durch fronto-limbische Feedbackschleifen

- Neuprägung durch reflektierte, unmittelbare emotionale Erfahrungen: werden direkt übers limbische System verarbeitet. Für gute Schematherapie ist die Verbindung von Selbstaktualisierung und Selbstreflexion wichtig. Emotionserleben ist notwendig, damit es seinen Schrecken verliert.

Die Rolle von Achtsamkeit und Akzeptanz

Achtsamkeit: eine unvoreingenommene, nicht-wertende Wahrnehmung des aktuellen Erlebens als Einstiegspunkt in jede Neubewertung und Selbstregulation. [scheinbar kann man auch Expos Schematherapeutisch verstehen: Am Anfang wird die Angst mit Kinderaugen gesehen und wirkt überwältigend; durch den gesunden Erwachsenenmodus wir eine Distanzierung ermöglicht]

Differenzierung des emotionalen Erlebens: primäre/basale vs sekundäre/sozial vermittelte Emotionen (bei den Bewältigungsmodi). Pat. Lernt, seine Emotionen zuzuordnen. Lernerfahrung: Ich HABE Angst, aber ich BIN nicht die Angst.

Perspektivwechsel, um aus der Schemaaktivierung aussteigen zu können:

Wie achtsames Autofahren: (achtsam) bemerken, dass der Gang nicht passt, Gang rausnehmen (Desaktualisierung), neuen Gang wählen (Neubewertung), auf diese Weise top-down auf das System einwirken (Cortical Override).

Akzeptanz als Innere Haltung: = annehmende Grundhaltung.

Erstmal auf Basis von Fremdakzeptanz durch den Therapeuten, der sich um das verletzte Kind bemüht (Th als „ideales Elternteil“) à Selbstakzeptanz, Selbstfürsorge, Selbstbeelterung

Balance: Veränderungserwartung und Akzeptanz: Aufgrund der häufigen Therapeuten-Schemata „Verlassenheit“; „emotionale Entbehrung“, „unerbittliche Ansprüche“, „Aufopferung“ möchten Therapeuten oft zu schnell zu viel erreichen und überfordern sich und/oder die Pat. à eigene Möglichkeiten und die des Pat. Achtsam wahrnehmen, evtl. Tempo raus.

Konsistenz (und damit subjektive Zufriedenheit) hängt nach Grawe nicht vom objektiv Erreichten, sondern vom Verhältnis von Erwartungen und erreichtem Ergebnis ab. Wenn der innere Kritiker entmachtet ist, ändern sich oft auf die Ziele der Pat. Und sie sind früher zufrieden, als eigentlich festgelegt. Das kann am Ende des Therapieprozesses Verlangsamung und Stillstand erklären.

Mit realistischen Erwartungen arbeiten: Was ist überhaupt möglich? Traumatisierte Pat. Erreichen oft kein „normales“ Funktionsniveau. Kindheitserlebnisse = Narben à radikale Akzeptanz: annehmen, was ist, und das beste draus machen.

Für Patienten ist oft das Konzept der „emotionalen Teilleistungsstörung“ entlastend.

Evidenz:

Konstrutkvalidität: zufriedenstellend bis gut. Durch experimentelle Paradigma wurde die Schema-Aktivierung nachgewiesen.

Wirksamkeit/Efficacy: insgesamt vielversprechend, aber noch nicht ausreichend. Schematherapie ist der Transference-Focused Therapy überlegen in Bezug auf Outcome und Abbrecher. Evt bei Substanzmissbrauch anderen spezifischen Therapien nicht überlegen; hier ist noch Forschung nötig. Bei PTBS gibt es im Vergleich zu klassischer KVT Hinweise auf Überlegenheit der Schematherapie.

Anwendungsuntersuchungen: Nadort (2009): nach 18 Monaten Schematherapie erfüllen 42% nicht mehr die Borderline-Kriterien.

Es gibt schon ganz gute Evidenz in Bezig auf Wirksamkeit und Kosten, aber nicht genug RCT-Studien.

Diese Karteikarte wurde von Steefano erstellt.