Psychologie (Fach) / mündliche Staatsprüfung (Lektion)

Vorderseite Beschreiben Sie die Akzeptanz- und Commitmenttherapie!
Rückseite

Hayes, 2012

Neuerung: Achtsamkeit, Akzeptanz, Wertebezug

Zentrale Therapieprinzipien: Metaphern und Übungen zu Achtsamkeit, Defusion, Selbst-Als-Kontext, Akzeptanz, Werte wählen und formulieren, Engagement.

Indikation: breit à transdiagnostisch; Einzel oder Gruppe

- Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen bleiben, wie sie sind – die Arbeit konzentriert sich darauf, wie der Pat. Darauf Bezug nimmt. Es geht um die Wirkung der Kognitionen, nicht um deren Inhalt.

- Leiden ist unvermeidlich; der Kampf dagegen ist das, was die eigentlichen Schwierigkeiten macht

- Übergeordnetes Ziel: mentale Flexibilität entwickeln

- „Es ist möglich, auch mit schmerzhaften Gefühlen ein erfülltes Leben zu führen“

- Theoretisches Fundament: Relational Frame Theory = Bezugsrahmentherorie. Besagt: Sprache ist ein bedeutsamer Teil der menschlichen Umwelt, die Sprecher und Hörer einbettet. In diesem Rahmen bieten ACT-Therapeuten neue sprachliche Umweltbedingungen an, um eingefahrene verbal-sprachliche Prozesse abzuschwächen. Basis von ACT: funktionaler Kontextualismus = moderne Spielart des Pragmatismus

„experiental avoidance“ = Erfahrungsvermeidung, laut Hayes symtpomverstärkend

Es gibt sechs problematische Prozesse und somit auch sechs Behandlungsansätze. Die Reihenfolge ist willkürlich und kann frei gewählt werden, sowohl nach Anforderungen des Pat. Als auch nach Präferenz des Therapeuten.

1.1 Kognitive Fusion:Makroereignisse wie Verlust, Trauma werden automatisch in Worte, Gedanken und Bilder gefasst; diese können einen Teil der Wirkung ausüben, die die ursprünglichen Ereignisse ausgelöst hat. Das ist kognitive Fusion. à allgemeiner gefasst: Bezugnehmen

So wird auch die „Verschmelzung“ erklärt, die im Rahmen von automatischen Gedanken passiert – äußere Ereignisse werden eins mit kognitiven Inhalten.

1.2 ErlebnisvermeidungPositive Ereignisse werden zu Annäherungszielen, negative zu Vermeidungszielen. Dabei gilt für äußere Ereignisse das gleiche wie für innere Ereignisse = Gedanken, Körperempfindungen, Gefühle.

è Das kann dann wieder paradoxe Effekte haben (der rosa Elefant, wenn ich etwas nicht zu haben versuche

Therapiestrategie: Akzeptanz und Bereitwilligkeit

- Gute Vor-Übung: Achtsamkeit trainieren (im Sinne des Selbst-als-Prozess-Verhaltens), damit Pat. Schon mal Kontakt zu unangenehmen Gefühlen hatte.

Vorgehen in vier Schritten:

1. Definition des vermiedenen Gefühls: einen Namen geben

2. Bestandsaufnahme des bisherigen Meideverhaltens mit der Feststellung, dass das zu vermeidende Gefühl eher größer geworden ist als kleiner

3. Kontrolle als Problem erleben, dabei soll die Paradoxie erlebt und nicht nur verstanden werden. Normalisieren!

4. Bereitwilligkeit/Akzeptanz als Alternative: Metapher vom Tauziehen (Tauziehen ist anstrengender als das Seil loszulassen und nicht zu kämpfen)

Manchmal taucht hier ein Problem auf: Patienten können die negativen Emotionen aufgrund von Annahmen über sich selbst als schwach, instabil und inkohärent nicht zulassen. Dann sollte ich erst Defusion und Selbst-als-Kontext trainieren.

1.3 Unachtsamkeit bzw. gering ausgeprägtes Selbst-als-Prozess- VerhaltenDurch kognitive Fusion und Erlebnisvermeidung sind wir auf die nach außen gerichteten Sinneswahrnehmungen konzentriert und sind mit den Gedanken überwiegend in Vergangenheit und Zukunft. Dadurch verlieren wir den Kontakt zu uns selbst, langfristigen Zielen und Werten und dem Zugang zu inneren Vorgängen. Das ist sowohl Mangel an Achtsamkeit als auch geringe Aktivität von Selbst-als-Prozess.

è Klinische Ausprägung: grübeln über Vergangenheit, Befürchtungen bezüglich Zukunft, Unaufmerksamkeit, Vernachlässigung der eigenen Grenzen und/oder anderer Menschen

Therapiestrategie:

- Kontakt herstellen zwischen Gefühlen, Körperempfindungen und Gedanken einerseits und Erlebnissen andererseits. Ziel: Unterschied zwischen Vergangenem und Hier und Jetzt herausarbeiten.

- Einfache Übung: Pat. Einladen, den Atem zu beobachten und schauen, was sie beobachtet

- Hier kann man auch die „bekannten“ Achtsamkeits-Übungen einfließen lassen, wie achtsames essen oder Zähne putzen

1.4 Instabiles SelbsterlebenDie Fokussierung auf zu vermeidende Gefühle und die Vernachlässigung des nach innen und außen gerichteten Erlebens (Selbst-als-Prozess) hat noch weitere Konsequenzen: Wenn wir unser Selbstbild an veränderliche Erlebnisinhalte knüpfen, können wir uns nicht als stabil und zusammenhängend erleben. à kein Kontakt zu stabilem innerem Bezugspunkt

Zusätzlich erschwert bei starren Weltanschauungen, rigiden Selbstbildannahmen. Außerdem wechselt im Rahmen der kognitiven Fusion auch der zeitliche Bezugsrahmen (vergangene Ereignisse vor fünf, drei, sieben Jahren tauchen gleichwertig beim Grübeln auf) und fragmentieren das Selbst-Gefühl zusätzlich.

Therapiestrategie: Ich-hier-jetzt

Mit ich-hier-jetzt im Kontakt zu sein, fördert eine stabile Selbstwahrnehmung. Beispiel: wenn ich auf einer Straßenkreuzung stehe, ändert sich alles Mögliche um mich rum (Autos, andere Fußgänger, Sonne, Regen), aber ich bleibe gleich. Es sind nur andere Blickwinkel. Auch meine Gedanken und Gefühle ändern sich, aber ich selbst bleibe gleich. Im Therapiesetting kann ich das fördern über Fragen, auf deren Antwort „Ich“ kommen sollte („wer denkt das? Wer redet hier und jetzt? Wer beobachtet diese Veränderungen?“)

1.5 Unklarheit von WertenDurch die bereits genannten Prozesse ist es schwierig zu wissen, was für einen selbst wichtig ist. Durch die Identifizierung mit mehr oder weniger zufälligen Lebensereignissen und die Vermeidung von Gefühlen wird die Entfernung von eigenen Werten gefördert.

Therapiestrategie: Wertetraining

Stabiles Selbsterleben als gute Voraussetzung. Oft richten wir uns nach sozialer Erwünschtheit oder frühen Erfahrungen. Hier soll der Teil gestärkt werden, der sich unabhängig davon Werte, Ziele und Pläne fasst. Neben der Formulierung soll hier auch geübt werden, sich den Werten entsprechend zu verhalten – das könnte auch „sich Zeit für eine Tasse Tee nehmen“ sein, und dann dementsprechend die nötigen Schritte zur Umsetzung und mögliche Hindernisse und der Umgang damit.

1.6 Impulsives Verhalten und InaktivitätOhne klare Kriterien, was persönlich wichtig ist, ist auf längerfristige Ziele ausgerichtetes Verhalten nur schwer möglich. Stattdessen: Impulsivität, Inaktivität. Reduktionstische Selbstbildannahmen und Erlebnisvermeidung steuern Verhalten; deshalb fühlt es sich häufig entfremdet an und führt zu depressionsförderndem Verstärkermangel und selbstschädigende Überforderung. Weitere häufige Folge: soziale Schwierigkeiten

Therapiestrategie: Engagement / Commitment

Bei jedem (engagierten) Handeln habe ich die Wahl: Bin ich bereit, mich einzusetzen und die entsprechenden Gefühle/Gedanken in Kauf zu nehmen oder möchte ich vermeiden?

Hier soll trainiert werden, das eigene Verhalten (oder sogar das Leben) immer wieder auf die Werte auszurichten. Training von Engagement findet schon im Therapieraum statt, wenn es darum geht, sich auf Übungen einzulassen oder seine Probleme offen anzusprechen.

Hier kann ich alle möglichen VT-Strategien einsetzen: SoKo, Problemlösen, Verhaltensaktivierung.. die Verbindung mit relevanten Werten hilft bei der Umsetzung. Ziel ist damit hier nicht Symptomreduktion per se, sondern eine wertebezogene Lebensführung.

Evidenz:

RFT und ACT sind breit empirisch abgesichert, es gibt gleich eine Reihe an Metaanalysen. ACT funktioniert auch kulturübergreifend und für alle Altersgruppen.

Ausblick:

Es gibt diverse Bestrebungen, ACT mit anderen vorhandenen Konzepten zu koppeln, z.B. mit CBASP, aber auch mit den Mindfulness-Konzepten und sogar mit Psychoanalyse.

Diese Karteikarte wurde von Steefano erstellt.