Klinische Psychologie Abschlussprüfung (Fach) / 11) Depressive Störungen (Lektion)

Vorderseite Ätiologie der Depression
Rückseite

Gemäß dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell wird angenommen, dass prädisponierende konstitutionelle Faktoren genetischer bzw. familiengenetischer Art und frühe adverse soziale und umweltbezogene Ereignisse und Bedingungen zur Ausbildung einer erhöhten Vulnerabili-tät beitragen, die sich über entwicklungsbiologische, psychologische und soziale Prozesse weiter akzentuieren oder abschwächen kann.

1) Distale Risikofaktoren:

  1. Familiäre Häufung: bei Verwandten ersten Grades der Depressiven ein 20% höheres Erkrankungsrisiko; Genetische Faktoren sind bei einer unipolaren Depression nicht so bedeutend wie bei bipolaren. Höhere Konkordanz bei eineiigen Zwillingen (43% Wahrscheinlichkeit für Depression bei eineiigen Zwilligen; 20% Wahrscheinlichkeit bei zweieiigen). Der genetische Übertragungsmodus ist unsicher, aber es ist wahrscheinlich, dass genetische Effekte über verschiedene, zumeist indirekte Mechanismen, zum Tragen kommen:
  • durch passive Gen-Umwelt-Interaktionen (Vermittlung erhöhter Vulnerabilität bei Konfrontation mit nicht kontrollierbaren adversen Lebensereignissen)
  • durch aktive Gen-Umwelt-Interaktionen (Vermittlung einer erhöhten allgemeinen Anfälligkeit für die Herbeiführung depressionskritischer Lebensereignisse (z. B. Trennung von Partner, Schul- und Ausbildungsabbruch)

2. frühe Traumata und adverse Lebensereignisse sowie Entwicklungsbedingungen (Vernachlässigung, Deprivation, Trennungserlebnisse in der Kindheit )

3. Temperament und Persönlichkeit (Verhaltenshemmung, Affektlabilität)

2) Proximale Faktoren

1. Lebensereignisse und chronische Belastungen: (vor allem vulnerable Personen mit einem bestimmten Serotonintransportergenotyp und traumatischen bzw. adversen Ereignissen in der Kindheit ein erhöhtes Risiko für Depression aufweisen).

2. Soziale und psychologische Faktoren: Verlustereignisse bei mangelnder Effizienz der sozialen und kognitiv-affektiven Bewältigungsstrategien. Sozial-psychologische Risiken dabei:

  • äußere Umstände, die den Betroffenen wenig oder kei-ne Kontrolle bzw. Kontrollwahrnehmung ermöglichen (langfristige Arbeitslosigkeit, schlechte Lebensbedingungen, begrenzte Handlungsspielräume)
  • starre und unflexible Kognitions- und Handlungsmus-ter (z. B. hohes Anspruchsniveau, Abhängigkeit von anderen).

3. Psychopathologische Faktoren: Am häufigsten gehen Depressionen Angsterkrankungen unterschiedlicher Form und Intensität voraus.

Behavioristische Erklärung (nach Lewinsohn) - sog. Verstärker-Verlust-Theorie

Die Depressive Symptomatik hängt nach Lewinson mit einer geringen Rate verhaltenskontingenter positiver Umweltverstärkung, vor allem im sozialen Interaktionsbereich. Zahl der Belohnungen wird geringer – als Reaktion darauf zeigen Menschen immer weniger positive Verhaltensweisen und immer mehr Rückzug, erhalten deshalb noch weniger positive Verstärkung aus ihrere Umwelt → Teufelskreis → Depressionen.

Kritik: unklares Ursache-Wirkungs-Verhältnis, nur Korrelationsstudien, meist Selbstbeurteilungen (können verzerrt sein)

Kognitive Erklärung (nach Beck)

ð Negatives Denken als Ursache für Depressionen

1) Dysfunktionale kognitive Grundannahmen

= stabilie kognitive Denkmuster und Strukturen, rigide negative kognitive Stile (z.B. „wenn ich versage, werden sich andere von mir abgestoßen fühlen“, "Ich muss perfekt sein"). Zentrale Themen sind: Hoffnungslosigkeit, Selbstkritik, geringe Selbstachtung. Die Dysfunktionalen kognitiven Grundannahmen bestehen in pessimistischen Einstellungen zu sich selbst, zur Umwelt und zur Zukunft = kognitive Triade (negative Gedankenkette)

2) Denkfehler

Diese negativen Schemata und Überzeugungen wurden durch ungünstige frühe Erfahrungen und Lernprozesse (z. B. frühe Verlusterlebnisse, Zurückweisungen) erworben und können in der weiteren Lebensgeschichte durch Situationen, die der Entstehungssituation ähneln, aktiviert werden und führen so zu automatischem Denkfehlern: absolutistischen, verallgemeinernden, verzerrten, unlogischen oder unangemessenen Fehlschlüssen, die wiederum die negativen Schemata verstärken:

Rückgekoppeltes System: kognitive Prozesse lösen Depressionssymptome aus – Symptome bestätigen ursprüngliche negative Kognitionen – Kognitionen werden verstärkt – Rückkopplung etabliert sich.

Forschung belegt eindeutig Zusammenhang zwischen negativen Kognitionen und Depressionen, aber keine klare Ursache-Wirkungs-Beziehung!

Kognitiv-behavioristische Erklärung: Theorie der gelernten Hilflosigkeit (Seligman)

Die wiederholte Erfahrung mangelnder Kontrolle über wichtige, insbesondere aversive Umweltaspekte eine generalisierte Erwartung von Unkontrollierbarkeit und schließlich depressive Reaktionsmuster nach sich zieht.

ð Menschen werden depressiv, wenn sie glauben ...

1. dass sie keine Kontrolle über Verstärkungen in ihrem Leben haben

2. sie für diesen hilflosen Zustand selbst verantwortlich sind, d.h. sich selbst dafür global, stabil und internal verantwortlich machen → Entscheidende Rolle der Kausalattribution in der revidierten Theorie von Seligman

Empirische Studien stützen diese Theorie

Modifikation der Hoffnungslosigkeitstheorie durch Abramson, Metalsky und Alloy

Wenn Personen davon ausgehen, dass unerwünschte Ereignisse auftreten werden bzw. erwünschte Ereignisse nicht eintreten werden und sie zugleich nicht die Möglichkeit sehen, diese Situation zu verändern, so befinden sie sich im Zustand der Hoffnungslosigkeit, der eine Depression zur Folge hat.

Neurochemische Theorien der Depression

  • es wird ein gestörtes Gleichgewicht im Serotonergen und Noradrenergen Neurotransmittersystemen bei Depression vermutet. Zunächst wurde eine Katacholaminhypothese angenommen (1965): Mangel an Katecholaminen (Noradrenalin) bei Depression, Überschuss bei Manie. Dann setzte sich bis ca. 2005 die Monaminhypothese durch: Mangel an Serotonin und Noradrenalin bei Depression (Grundlage: Wirkung von MAO-Hemmern und Trizyklischen Antidepressiva). Haupteinwand gegen diese Hypothese: Serotonin- und Noradrenalinspiegel erhöhen sich zunächst, gehen dann auf das Ursprungsniveau zurück, gleichzeitig setzt aber die Wirkung der Medikamente erst nach Tagen bis Wochen. Neue Hypothesen nehmen Adaptationsprozesse auf der Rezeptorebene und die Down-Regulation (durch die Steigerung der Transmitterkonzentration wird die Anzahl oder die Empfindlichkeit der postsynaptischen Rezeptoren reduziert )als Wirkmechanismen für die Antidepressiva an.

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