Jus (Fach) / VI. Rechtstheorie (Seite 61 bis 77) (Lektion)
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Fragen aus dem Fragenkatalog der Block-LV
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- Wie unterscheiden sich Erzeugungsnormen, Zwangsnormen und Zwangsnormvollzugsnormen (= verschiedene Arten der Normen) und was versteht man in diesem Zusammenhang unter materiellem Recht und Derogationsnormen? Erzeugungsnormen: (= formelles Recht) Organisationsrecht: Regelungen, die normieren, WER ermächtigt ist, Normen zu setzen Verfahrensrecht: Regelungen, die normieren, WIE bei der Normerzeugung vorzugehen ist Zwangsnormen: (= materielles Recht, Verhaltensrecht) gebieten oder verbieten ein bestimmes Verhalten (= Gebotsteil) und ordnen eine Sanktion/Rechtsfolge im Fall der Nichtbefolgung an (=Sanktionsteil) lex imperfecta: Regelungen in der Rechtsordnung, die nur aus einem Gebotsteil bestehen, Sanktionsteil fehlt --> nicht durchsetzbar! Zwangsnormvollzugsnormen: (= formelles Recht, Verfahrensrecht im weiteren Sinn) Organisationsrecht: regelt wer befugt ist, Zwangsnormen zu vollziehen Verfahrensrecht: und wie dabei vorzugehen ist regeln Erzeugung von Vollzugsakten --> sind insofern Erzeugungsnormen weitere Normen: zb. Derogationsnormen (= Normen, deren Inhalt die Aufhebung einer anderen Norm ist)
- Nach § 29 Abs 2 UniStG [Universitäts-Studiengesetz, außer Kraft getreten am 13. 12. 2003] waren die Studierenden verpflichtet, sich „ihrem Studium ernsthaft zu widmen“. Was ist, wenn ein Studierender dies nicht tut? Es findet sich kein Sanktionsteil. Wie nennt man dies? Lex imperfecta: Norm des Rechts, die nur aus Gebotsteil besteht/keinen Sanktionsteil enthält --> somit nicht durchsetzbar!
- Christoph behauptet das Rechtsnorm und Rechtsvorschrift Synonyme sind. Stimmt das? Rechtsnorm = abstraktes Modell (zB. Erzeugungsnormen, Zwangsnormen, etc.) Rechtsvorschrift = einzelne Regelungen in den konkreten Ausformulierungen des positiven Rechts --> Eine Rechtsvorschrift setzt sich fast immer aus mehreren Rechtsnormen zusammen. Bsp.: Normierung der Geschwindigkeitsbeschränkung = Rechtsvorschrift („Man darf im Ortsgebiet nicht mehr als 50 km/h fahren, sonst soll man mit einer (näher beschriebenen Strafe) sanktioniert werden.“) bestehend aus mehreren Rechtsnormen (zB. Definition eines Ortsgebietes, Kundmachung eines Ortsgebietes, welche Sanktionen sollen wann erfolgen, etc.)
- Wieso ist in der Darstellung der Rechtsordnung in Stufenbaumodellen die Nationalratswahlordnung der Straßenverkehrsordnung, einem einfachen Bundesgesetz, einmal übergeordnet und einmal gleichgeordnet? Es gibt 2 verschiedene Stufenbaumodelle der Rechtsordnung: Gliederung nach rechtlichen Bedingtheit: Gliederung nach dem Erzeugungszusammenhang Erzeugungsnormen stehen über erzeugten Normen Erzeugungszusammenhang ergibt sich aus inhaltlicher Betrachtung der Normen --> NRWO regelt wie der NR gewählt wird und ist damit Erzeugungsnorm gegenüber allen Normen, die vom NR erzeugt werden 2. Stufenbau nach der derogatorischen Kraft: verschiedene Rechtsformen (= Art und Weise, in der Norm erzeugt wurde) --> Resultat aus unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen an die Erzeugung (zB. verschiedene Quoren bei Beschlussfassung) aus Rechtsform kann man auf rechtliche Kraft einer Norm, eine andere Norm aufheben oder abändern zu können, schließen (= derogatorische Kraft) dieser Stufenbau: stellt Derogationszusammenhänge dar alle Normen, die in derselben Form erzeugt wurden, stehen auf gleicher Stufe schwieriger erzeugte Normen stehen über den leichter erzeugten Normen --> NRWO und StVO sind beides einfache Bundesgesetze
- In einer Rechtsvorschrift findet sich folgende Anordnung: “§4 des Seilbahngesetzes tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2014 außer Kraft.“ Worum handelt es sich dabei aus rechtstheoretischer Sicht? Welche Unterscheidung kann man treffen? Derogationsnorm = Inhalt der Norm ist die Aufhebung einer anderen Norm Unterscheidung: materielle Derogation: Regelung wurde novelliert/durch neuere ersetzt formelle Derogation: in Norm wird ausdrücklich normiert, dass Regelung aufgehoben wird
- Macht es bezüglich des Geltungsbereichs einen Unterschied, ob ein Gesetz in ganz Österreich gilt oder für alle Österreicher? Unterschied: örtlicher Geltungs- und Anwendungsbereich von Normen:bezogen auf räumliches Gebiet, für das Rechtsnormen Geltung haben bzw. auf das sie anzuwenden sind --> Gesetz bezieht sich auf Staatsgebiet des Landes Österreichs persönlicher Geltungs- und Anwendungsbereich von Normen:bezogen auf die Personen, für die Rechtsnormen Geltung haben bzw. auf die sie anzuwenden sind--> auf alle österreichischen StaatsbürgerInnen anzuwenden
- Bestimmen Sie den Geltungsbereich der folgenden Vorschriften: 1. „Den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unterliegen Anlagen, die mit gasförmigen, flüssigen oder festen Brennstoffen befeuert werden oder denen durch heiße Abgase Wärme zugeführt wird (Abhitzekessel).“ 2. „In der Rechtssache gegen Herrn Martin Müller, wohnhaft in ..., wegen Fahrens ohne gültige Lenkerberechtigung ergeht folgender Bescheid...“ 1. sachlicher Geltungs- und Anwendungsbereich von Normen: bezogen auf bestimmte Lebenssachverhalte bzw. Verhalten, an das Rechtsnormen anknüpfen 2. persönlicher Geltungs- und Anwendungsbereich von Normen: bezogen auf die Personen, für die Rechtsnormen Geltung haben bzw. auf die sie anzuwenden sind
- Welche 4 Geltungs- bzw. Anwendungsbereiche von Normen gibt es? örtlicher Geltungs- bzw. Anwendungsbereich: bezogen auf räumliches Gebiet, für das Rechtsnormen Geltung haben bzw. auf das sie anzuwenden sindzB.: Landesgesetze = Rechtsnormen, die sich idR auf ein Bundesland beziehen persönlicher Geltungs- bzw. Anwendungsbereich: bezogen auf die Personen, für die Rechtsnormen Geltung haben bzw. auf die sie anzuwenden sindzB.: Rechtsnormen können sich auf alle StaatsbürgerInnen oder auf bestimmte Personengruppen (zB. Elter, StudentInnen, etc.) beziehen sachlicher Geltungs- und Anwendungsbereich: bezogen auf bestimmte Lebenssachverhalte bzw. Verhalten, an das Rechtsnormen anknüpfenzB.: Denkmalschutz zeitlicher Geltungs- und Anwendungsbereich: Rechtsnormen haben auch zeitlichen Bezug
- Am 15.10.2009 beschließt der NÖ Landtag ein neues Naturschutzgesetz. Das Gesetz wird am 20.10.2009 im Landesgesetzblatt kundgemacht und enthält folgende Bestimmung: „Dieses Landesgesetz tritt mit 01.01.2010 in Kraft.“ Ab wann gilt das NÖ Naturschutzgesetz? Geltung = Teil der Rechtsordnung: erfolgt mit Kundmachung, dh. Gesetz gilt ab 20.10.2009 Inkrafttreten = auf Sachverhalte anwendbar: idR 1 Tag nach der Kundmachung, aber in diesem Fall ab 1.1.2010 (= Legisvakanz)
- Ein Bundesgesetz wird am 30. Jänner kundgemacht. Es normiert, dass es am 1. Jänner desselben Jahres in Kraft tritt. Was wird mit dieser Regelung angeordnet? Ist sie verfassungsrechtlich zulässig? Es wird eine Rückwirkung angeordnet, dh. dass ein Gesetz auf einen Sachverhalte anzuwenden sind, die sich vor der Kundmachung ereignet haben. Sofern es sich nicht um eine strafrechtliche Norm handelt, ist diese Rückwirkung verfassungsrechtlich zulässig. Sie muss allerdings immer sachlich gerechtfertigt sein. Sollte es sich um eine strafrechtliche Norm handeln, ist sie nicht verfassungsrechtlich zulässig, denn es handelt sich um einen Verstoß gegen Art 7 EMRK ("Keine Strafe ohne Gesetz"), die besagt, dass niemand wegen einer Handlung verurteilt werden kann, die zum Zeitpunkt des Begehens noch nicht strafbar war.
- Der Gesetzgeber erlässt mit 31.1.2014 einen neuen Straftatbestand gegen Spielmanipulation, welcher ab 1.1.2013 verbindlich ist. Wie nennt man diese Art der Regelung? Beurteilen Sie deren Zulässigkeit. Es wird eine Rückwirkung angeordnet, dh. dass ein Gesetz auf einen Sachverhalte anzuwenden sind, die sich vor der Kundmachung ereignet haben. Es handelt sich hierbei um eine strafrechtliche Norm. Daher ist sie nicht verfassungsrechtlich zulässig, denn es handelt sich um einen Verstoß gegen Art 7 EMRK ("Keine Strafe ohne Gesetz"), die besagt, dass niemand wegen einer Handlung verurteilt werden kann, die zum Zeitpunkt des Begehens noch nicht strafbar war.
- Was versteht man unter einem Fehlerkalkül? Fehlerkalkül = Regelungen, die anordnen bzw. aus denen sich ableiten lässt, dass Fehler bei der Erzeugung von Normen nicht zur absoluten Nichtigkeit der erzeugten Norm führen --> dient Rechtssicherheit
- Eine im Nationalrat beschlossene Novelle zum Glückspielgesetz wird versehentlich nicht im Rechtsinformationssystem des Bundes kundgemacht. Können aus dieser Regelung Rechtsfolgen abgeleitet werden? handelt sich um fehlerhaft erzeugte Norm – 2 Voraussetzungen, dass sie trotzdem gilt und das Fehlerkalkül zur Anwendung kommt: muss zumind. Willensakt eines Staatsorgans vorliegen: ist erfolgt. der Akt muss veröffentlicht worden sein: ist nicht erfolgt. → keine Geltung, kann nicht auf Sachverhalte angewendet werden (Fehlerkalkül auch nicht anwendbar, da nie in Geltung!)
- Worum handelt es sich beim „doppelten Rechtsantlitz“? bei Stufenbau der rechtlichen Bedingtheit → Rechtsnormen haben ein doppeltes Rechtsantlitz, wenn sie zugleich erzeugte Norm und Erzeugungsnorm sind
- Das Land Salzburg erlässt ein LandesG, das inhaltlich dieselbe Materie wie ein BundesG regelt. Die sbg Behörden wenden das sbg LandesG an, schließlich stamme es vom Land Salzburg, sei „neuer“ und derogiere somit der bundesgesetzlichen Regelung. Nehmen Sie dazu Stellung. kein Derogationszusammenhang zwischen Bundes- und Landesrecht in Österreich gilt nicht „Bundesrecht bricht Landesrecht“ einfache BundesG haben keinen Vorrang vor Landes(verfassungs)G außerdem: kein Fall der lex posterior oder lex specialis-Regel --> Kompetenzverteilung (Art 10-15 B-VG): regelt ob Bund oder Land für Vollziehung bzw. Gesetzgebung einer Materie zuständig ist Materien werden taxativ aufgezählt, für die entweder Bund oder Länder zuständig sind Art 15 Abs 1: Generalklausel zugunsten der Länder = sofern Kompetenz nicht ausdrücklich dem Bund zugeschrieben ist, bleibt sie bei den Ländern bei Unklarheiten: Feststellung durch VerfGH
- Um welche Vorgänge handelt es sich in den nachstehenden Fällen: a. Mit dem 1. Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz BGBl 2/2008 wird angeordnet: „§ 1 Abs 1 Folgende bundes- verfassungsgesetzlichen Bestimmungen werden aufgehoben: 14. Art 8 Abs 2 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl Nr 684/1988;;[...].“ b. § 543 Abs 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz lautet: „Mit dem Wirksamkeitsbeginn dieses Bundesgesetzes treten, soweit nichts anderes bestimmt wird, für dessen Wirksamkeitsbereich alle bis dahin geltenden Bestimmungen, die diesem Bundesgesetz widersprechen, außer Kraft.“ a. formelle Derogation = in Norm wird ausdrücklich normiert, dass Regelung aufgehoben wird b. materielle Derogation = Regelung wurde novelliert/durch neuere ersetzt
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- Welche Ansätze gibt es, die Geltung von Normen zu begründen? Machttheorien: Geltung beruht darauf, dass Recht von einer Autorität als Befehl gesetzt wurde und mit Zwangsgewalt durchgesetzt werden kann Anerkennungstheorien: Geltung beruht darauf, dass die Menschen. deren Verhalten geregelt ist, und die Straforgane die Rechtsordnung (und ihre Norme) anerkennen; sollen wird aus dem Sein begründet Naturrecht: nicht vom Menschen geschaffen, sondern von der Vernunft, der Natur oder einer göttlichen Autorität; Annahme das Vernunftwesen Mensch könne die ethischen Aspekte, Werte und Rechtsideen erkennen Rechtspositivismus: Geltung von Rechtsordnungen wird rein normativ begründet
- Alex fragt sich, mit welchen Quoren die Grundnorm abänderbar ist. Können Sie ihm helfen? Was ist die Grundnorm? Welche Rechtswissenschaft beschäftigt sich mit der Grundnorm? Reine Rechtstheorie: strikte Trennung von Sein und Sollen Geltung von Normen nicht von Werten abhängig --> Werterelativismus: menschlicher Erkenntnis ist es nicht möglich, absolute Werte zu erkennen Grundnorm = oberste positivrechtlichen Norm aus der sich die Rechtsordnung ableitet - keine Norm des positiven Rechts, sondern eine bloße Annahme - nicht gesetzt und kein Inhalt
- Was ist der Stufenbau nach derogatorischer Kraft? verschiedene Rechtsformen (= Art und Weise, in der Norm erzeugt wurde) --> Resultat aus unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen an die Erzeugung(zB. verschiedene Quoren bei Beschlussfassung) aus Rechtsform kann man auf rechtliche Kraft einer Norm, eine andere Norm aufheben oder abändern zu können, schließen (= derogatorische Kraft) dieser Stufenbau: stellt Derogationszusammenhänge dar alle Normen, die in derselben Form erzeugt wurden, stehen auf gleicher Stufe schwieriger erzeugte Normen stehen über den leichter erzeugten Normen
- Moritz hört im Radio, dass der OGH heute in seinem Urteil ausgesprochen hat, dass 9 Klauseln in Mietverträgen unzulässig sind. Er freut sich: Endlich sind diese Klauseln allgemein und generell verboten. Was ist aus verfassungsrechtlicher Sicht zu dieser Überlegung zu bemerken? + Unterscheidung zwischen generellen und individuellen Normen! das Urteil ist eine individuell-konkrete Rechtsnorm --> es hat daher nur im Einzelfall Rechtswirkungen und wird nicht „allgemein verbindlich“ Unterscheidung: Generelle Normen: richten sich an unbestimmten, nach Gattungsmerkmalen bestimmten Personenkreis (zB. Gesetze, Verordnungen) Individuelle Normen: richten sich an bestimmte Personen (zB. Bescheide, Urteile)