Interpretative Soziologie und qualitative Methoden in der Sozialforschung (Fach) / Übungsfragen (Lektion)
In dieser Lektion befinden sich 14 Karteikarten
Testklausur
Diese Lektion wurde von rexr erstellt.
- Welche der folgenden Forschungsfragen kann mit standardisierten Erhebungen und prüfstatistischen Verfahren NICHT empirisch fundiert beantwortet werden? Bitte kreuzen Sie nur eine Antwort an (2 Punkte). -Hat der höchste Bildungsabschluss der Eltern einen positiven Effekt auf die Bildungschancen der Kinder, der unabhängig von Rechtsstaats der Familie zu beobachten ist? -Trägt da Bundesland, in das Kinder eingewandert sind, zur Erklärung von Bildungsungleichheit bei? -Wie gehen Kinder mit einem schlechten ausländerrechtlichen Status um, und durch welche Mechanismen wirkt sich die rechtliche Benachteiligung auf ihre Bildungschancen aus? -Erklären sich die Nachteile, die Akademiker mit ausländischem Abschluss am deutschen Arbeitsmarkt erleiden, eher dadurch, dass ihre Bildungstitel nicht anerkannt werden, oder eher dadurch, dass ihr Zugang zum Arbeitsmarkt rechtlich eingeschränkt ist? ...
- Nennen und erläutern Sie ein konstitutives Merkmal qualitativer Sozialforschung (2 Punkte). Stellen Sie eine Prämisse des symbolischen Interaktionismus, auf die sich dieses Merkmal bezieht, dar (1 Punkt), und erklären Sie (gerne auch am Beispiel) wieso es sich bei diesem konstitutiven Merkmal um die Umsetzung der Prämisse in den qualitativen Methoden handelt (2 Punkte). ...
- Nennen und erklären Sie drei von fünf konstitutiven Merkmalen qualitativer Forschung (3 Punkte). Erläutern Sie, wie eines dieser Merkmale in einem Ihnen bekannten For-schungsprojekt umgesetzt wurde (2 Punkte)! [Gesamt: 5]! In der qualitativen Sozialforschung sind konstitutive Merkmale insofern relevant, als dass sie Sinnverstehen (als methodisch kontrolliertes Fremdverstehen) methodologisch begründen. Im Folgenden gebe ich drei (von vier) konstitutive Merkmale an und erläutere diese: Kontextualität (u.a. Indexikalität und Sequenzialität): Kontextualität meint, dass z.B. (Interview-) äußerungen immer in einem bestimmten Zusammenhang stehen und in diesem Zusammenhang interpretiert werden müssen. Sprachliche Äußerungen geben lediglich Hinweise auf Bedeutungen, das meint Indexikalität von Sprache. Des Weiteren ist Bedeutungsaushandlung oder Kommunikation im Allgemeinen sequentiell organisiert, d.h. sie ist in einer bestimmten Reihenfolge organisiert. Offenheit bezüglich des Gegenstandes: Qualitative Sozialforschung ist offen bzgl. ihres Gegenstandes, denn Bedeutungen sind nicht von vornherein gegeben oder Dingen inhärent, sondern erschließen sich erst im Laufe z.B. der Felderschließungsphase. Das interessierende Phänomen der Untersuchung (der Gegenstand) ist insofern erst nach einer ersten Felderschließungsphase gegeben, der Gegenstand wird im Laufe der Forschung (immer wieder) modifiziert. Offenheit bezüglich der Erhebung: Qualitative Sozialforschung ermöglicht es den Personen im Feld, eigene Relevanzstrukturen einzubringen, damit Sinnverstehen überhaupt erst ermöglicht wird. In der Grounded Theory Methodologie soll eine gegenstandsbezogene Theorie entwickelt werden, d.h. man beginnt mit einem breiten Blick für die Gegenstände, Personen, etc. im gesamten Forschungsfeld. Im Projekt „Vertrauensvolle Verständigung herstellen“ sollten psychologische Faktoren der interdisziplinären Projektarbeiten erkundet werden. Das Merkmal „Offenheit bezüglich der Erhebung“ lässt sich daran erkennen, dass zunächst das Feld durch teilnehmende Beobachtungen erkundet wurde und dann im nächsten Schritt problemzentrierte Interviews geführt wurden. Auch wurde ein drittes Projekt untersucht, nachdem Ergebnisse aus den ersten beiden Projekten deutlich gemacht hatten, dass das sinnvoll ist. Erklärungen: Jeweils 0,5 Punkte werden für jede richtige Erklärung eines Merkmals vergeben.
- Nehmen Sie zu den folgenden Forschungsfragen einzeln Stellung! Würden Sie die Fragestellung eher mit qualitativen Methoden oder eher mit hypothesenprüfenden Verfahren untersuchen und warum? Handelt es sich überhaupt um eine soziologische Frage und wenn nein, warum nicht? Frage A: Wie genau bewältigen AbsolventInnen der Soziologie den Statusübergang zwischen Studium und Berufstätigkeit? Frage B: Hat der höchste Bildungsabschluss der Eltern einen positiven Effekt auf den Erwerbsstatus von Personen, die über einen BA Abschluss in Soziologie verfügen? Frage C: Wie kann man endlich erreichen, dass alle BA AbsolventInnen einen ihnen gemäßen Arbeitsplatz finden? Antwort zu Frage A: Das Interesse für „Bewältigen“ suggeriert ein Interesse für die Sinngebung und die Handlungspraxis der Studierenden, d.h. hier wird nach der Art und Weise gefragt, wie Absolvent_innen die Zeit erleben, in denen sich Statusübergänge vollbringen. Das ist eine interessante soziologische Frage, weil hierdurch die Heterogenität und Homogenität von Erfahrungen in den Blick kommt. Die Frage lässt sich auch sehr gut mit qualitativen Methoden beantworten, da sie z.B. in Interviews danach gefragt werden kann, wie Studierende ihre Zeit erleben und z.B. welche Bedeutung sie der Erwerbstätigkeit zuschreiben. Daher erscheinen qualitative Methoden geeignet. Antwort zu Frage B: Hier geht es um soziale Merkmale, die weitgehend unabhängig von der Sinngebung der Akteure sind. Alternativ: Die Frage zielt auf eine Korrelation zwischen zwei Variablen ab. Daher erscheinen hypothesenprüfende Verfahren sinnvoll, die ausgehend von der theoretisch naheliegend erscheinenden Hypothese, dass Humankapital in der Familie langfristig positiv auf die Arbeitsmarktchancen wirkt, prüfen, ob das auch empirisch so ist. Antwort zu Frage C: Hier geht es um die Intervention in soziale Verhältnisse. Die Soziologie interessiert sich eher für eine Beschreibung sozialer Verhältnisse. Auch ist die Frage normativ formuliert. Auch das vermeidet die Soziologie. Es handelt sich also nicht um eine soziologische Fragestellung.
- Erläutern Sie, was mit dem Gütekriterium „Intersubjektive Nachvollziehbarkeit“ gemeint ist (2 Punkte). Stellen Sie eine forschungspraktische Vorgehensweise dar, durch die intersubjektive Nachvollziehbarkeit gewährleistet werden kann [1 Punkt] ? Da Sinn in Situationen ausgehandelt wird, kann er nie kontextunabhängig und „objektiv“ festgestellt werden. Man kann aber die Interpretation der Forschenden so explizit machen und im Verhältnis zu zahlreichen anderen Forschenden diskutieren/aushandeln, dass sie intersubjektiv nachvollziehbar wird. Bei der Durchführung eines Sozialforschungsprojektes kann intersubjektive Nachvollziehbarkeit u.a. gewährleistet werden durch: Dokumentation des Forschungsprozesses (Protokolle zur Feldphase, Transkripte) Interpretation in Gruppen (evtl. auch tichwort: methodisch kontrolliertes Fremdverstehen) Anwendung kodifizierter Verfahren: Heutzutage denkt man sich das methodische Vorgehen nicht einfach aus, sondern bezieht sich auf die bereits vorliegenden Auswertungsverfahren. Wenn mind. einer dieser Punkte richtig dargestellt wurde, werden der 3. Punkt vergeben.
- Bohnsack hat dafür plädiert, die Erhebungsverfahren Gruppendiskussion, biographisches Interview und teilnehmende Beobachtung zu kombinieren. Erklären Sie zunächst abstrakt, welche Aspekte eines Phänomens durch das jeweilige Erhebungsverfahren am besten zu Tage treten (3 Punkte). Wählen Sie dann ein Beispiel für ein Forschungsthema und erläutern Sie an diesem einen Beispiel, welche verschiedenen Aspekte des interessierenden Phänomens voraussichtlich von den drei Erhebungsverfahren erfasst werden (3 Punkte). Erklären Sie, warum eine Triangulation von Erhebungsverfahren sinnvoll sein kann (1 Punkt). Erster Teil der Frage: Abstrakte Erklärung 1 Punkt für Gruppendiskussionen: In Gruppendiskussionen werden selbstverständlich geteilte Meinungen und Erfahrungen aktualisiert. Auch richtig waren Argumentationen, die sich darauf bezogen, dass sich Interaktionen, Meinungsproduktion und kollektive Wissensbestände in Gruppendiskussionen erfassen lassen. 1 Punkt für Biographische Interviews: Biographische Interviews liefern Erzählungen über alltägliche Handlungspraktiken und zur Lebensgeschichte. Es zählten gute Argumentationen in Bezug darauf, dass Lebensgeschichten erzählt werden können, die einen tieferen Einblick in besondere Ereignisse, Erfahrungen und Erlebnisse erlauben. 1 Punkt für Teilnehmende Beobachtung: Teilnehmende Beobachtung im Feld zeigt Praktiken, auch solche, die im Widerspruch zur Selbstdarstellung und –wahrnehmung stehen. Hier zählten Argumentationen, die sich darauf bezogen, dass durch teilnehmende Beobachtung Handlungsmuster und Regeln im Feld beobachtet werden können, die für die Beforschten selbstverständlich sind und die somit schwer durch Erzählungen erfasst werden können. Zweiter Teil der Frage: Erläuterung an einem aussagekräftigen Beispiel. Z.B. Delinquente Jugendgruppen: 1 Punkt für Gruppeninterview: Wenn man die Lebenswelt delinquenter Jugendgruppen untersucht, kann man z.B. in der Gruppendiskussion feststellen, dass sie eine selbstverständliche Vorstellung von „Fairness“ haben. 1 Punkt für: Zugleich zeigt die teilnehmende Beobachtung, dass sie nicht fair sind, wenn sie Gewalt ausüben, dass sich die Gewalttätigkeit in ritualisierten Handlungsabläufen „von selbst“ entwickelt. 1 Punkt für: Im biographischen Interview werden Hintergründe der Devianz z.B. die Gewalttätigkeit des Vaters erkennbar oder man erfährt etwas über die Monotonie ihres Alltags, was erklärt, warum Gewalt als außerordentliches Ereignis gesucht wird. Dritter Teil der Frage (1 Punkt): Die Triangulation von Erhebungsverfahren ist sinnvoll, weil in jedem Verfahren ein anderer Aspekt des interessierenden Phänomens erkennbar wird. Anmerkungen zur Bepunktung Teil 1: Punkte werden auch vergeben, wenn die genannten Phänomene nicht unbedingt zur Dokumentarischen Methode passen oder nicht direkt die Frage nach den unterschiedlichen Aspekten EINES Phänomens beantworten (z.B. Analyse von Rollenkonstellationen und Beziehungen in Gruppendiskussionen; Beobachtung des Gegenstandes in ‚natürlicher Umgebung‘/Alltagsabläufe bei Teilnehmender Beobachtung). (Das führt dazu, dass die Punkte im ersten Teil häufiger vergeben werden konnten). Keinen Punkt gibt es für die Antwort, Teilnehmende Beobachtung diene der Felderkundung. Teil 2: Im zweiten Teil wird dagegen darauf geachtet, dass die Erhebungsverfahren auf EIN Phänomen angewendet werden. Z.T. wurde lediglich die Antwort aus Teil 1 wiederholt, dafür gab es keine Punkte.Die volle Punktzahl gab es, wenn das Prinzip der Triangulation erkannt wurde und anhand des ausgesuchten Beispiels durchgespielt wurde, welche Aspekte des Phänomens mithilfe welcher Methode erhoben werden können. Wieder musste es sich nicht um ein Phänomen handeln, das typischerweise mithilfe der Dokumentarischen Methode untersucht werden würde.
- Das Thomas-Theorem besagt, dass Menschen Situationen deuten und dass diese Situationsdeutungen unabhängig davon, wie Außenstehende deren Richtigkeit beurteilen, dadurch wahr werden, dass Menschen ihnen entsprechend handeln. Die Sequenzialität der Interpretation in vielen qualitativen Analyseverfahren wird u.a. mit Bezug auf das Thomas-Theorem begründet. Erläutern Sie, was mit der Sequenzialität der Interpretation gemeint ist (2 Punkte) und wie die Sequenzialität der Interpretation mit dem Thomas-Theorem begründet werden kann (3 Punkte). Die Sequenzialität der Interpretation bedeutet [in der Objektiven Hermeneutik und der Dokumentarischen Methode], dass man mit dem Anfang einer Interaktion/eines Transkripts beginnt und in der Reihenfolge der Interaktion interpretiert [also nicht Wissen aus späteren Phasen des Transkripts vorne schon zur Anwendung bringt. Besonders deutlich wird das an der Lesartenbildung in der Objektiven Hermeneutik: Man bildet Lesarten, als ob danach nichts mehr geschehen wäre]. Mit dem Thomas-Theorem hängt das insofern zusammen, als auch das Thomas-Theorem darauf abhebt, dass Handelnde zunächst die Situation wahrnehmen und ihr Bedeutung geben. Diese Bedeutung ist dann u.a. dafür wichtig, wie sie weiter handeln. Auch dabei können sie nicht wissen, wie ihr Gegenüber irgendwann später handeln wird. Zum Beispiel können sich zwei Menschen begegnen und einer sagt „Guten Tag“. In dem Moment ist die Situation noch völlig offen. Wenn der zweite dann sagt: „Hast Du auch so einen schlimmen Husten?“, zeigt sich daran, dass der zweite davon ausgeht, dass er duzen kann und dass er über Krankheiten reden kann. Wenn die erste Person dann sagt: „Nein, aber es ist ok, wenn Du mein Manuskript erst nächste Woche in den Satz gibst“ wird deutlich, dass sie sich in einer hierarchischen Beziehung befinden. Indem man sequenziell interpretiert, arbeitet man der Reihe nach heraus, wie die Handelnden die Situation interpretieren und wie sie sie durch ihre Handlungen weiter strukturieren.
- Welche der folgenden Forschungsfragen ließe sich am besten mit Hilfe der Grounded Theory untersuchen (2 Punkte)? Bitte kreuzen Sie nur eine Antwort an. -Die Debatte über kulturelle Diversität in Einwanderungsländern -Wirkt sich die kulturelle Heterogenität eines Arbeitsteams auf den Umsatz aus, den dieses Team erzielt? -Kooperationsprozesse in multikulturellen Arbeitsteams -Merkmale, hinsichtlich derer sich Mitglieder eines Arbeitsteams unterscheiden können -> Kooperationsprozesse in multikulturellen Arbeitsteams Die erste Antwort verweist auf eine öffentliche Debatte und würde von daher besser zur Diskursanalyse passen. Die zweite Antwort definiert zwei Konzepte als Variablen, die in einem linearen Zusammenhang stehen, was sich besser mit repräsentativen Daten und quantitativen Methoden beurteilen lässt. Die dritte Frage passt am besten, weil sie in der Tradition des Pragmatismus steht und weil sie die Voraussetzungen und prozesshafte Verläufe des Phänomens „Kooperation“ in den Blick nimmt. Auch wenn „Merkmale“ nicht unbedingt auf die Sinngebung von Handelnden verweist, könnte man diese Frage mit qualitativen Methoden und auch der Grounded Theory untersuchen, wenn man z.B. danach fragen würde, wie die Mitglieder des Teams Unterscheidungen untereinander vornehmen. Die Fragestellung passt aber deutlich weniger gut zur Grounded Theory als das dritte Forschungsthema.
- Sie arbeiten an einem Leitfaden für Interviews mit den Mitarbeiter/innen der Arbeitsagentur, die die Auflage „Fördern und Fordern“ gegenüber jugendlichen Arbeitslosen durchsetzen müssen. Dabei interessieren Sie sich auch dafür, ob die Befragten die gesetzlichen Regelungen gut finden. Nehmen Sie zu jeder der folgenden Frageformulierungen Stellung und diskutieren Sie, was Ihnen an dieser Formulierung vorteilhaft oder auch misslungen erscheint! Formulierung A: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass in den Behörden Gegner und Befürworter der Gesetzeslage sitzen. Welcher Gruppe würden Sie sich zuordnen? Formulierung B: Wenn Sie die Rahmenbedingungen Ihrer Arbeit beliebig verändern könnten, was würden Sie ändern und warum? Formulierung C: Wie denken Sie eigentlich über die Hartz IV Reform? Beispiellösung Formulierung A: Misslungen erscheint mir an dieser Frageformulierung sowohl, dass sie voraussetzt, dass alle Personen in den Behörden entweder Gegner oder Befürworter der Gesetzlage sind, denn es könnte sein, dass die Interviewperson indifferent gegenüber diesem Thema ist. Misslungen erscheint mir auch, dass die Frage auch geschlossen ist, d.h. die Interviewperson kann nicht viel (von eigenen Erfahrungen oder Meinungen) erzählen. Formulierung B: Vorteilhaft erscheint mir, dass die Interviewperson ein Thema ihrer Wahl (was) auswählen und offen dazu erzählen kann. Auch setzt die Frage nicht voraus – und das ist gut - , dass die Person überhaupt eine Meinung zu den gesetzlichen Regelungen hat. Auch ist nicht vorgegeben, was unter Rahmenbedingungen verstanden wird. Es könnte sich auch zeigen, dass Gesetze gar nicht so wichtig sind. Das heikle Thema „Kritik an den Regelungen, die man selbst durchsetzen muss“ kann also angesprochen werden. Die Befragten müssen aber nichts dazu sagen, sondern können auch über andere Dinge, die sich ändern sollten, sprechen. Interessante Variante zu B: „Kritik: Die Frage setzt voraus, dass man etwas verändern will. Das sollte vermieden werden“ Dafür wurden auch 2 Punkte gegeben, da dieses Argument überzeugt. Überhaupt wurde diese Frage sehr großzügig bewertet. Wenn Sie richtige Kriterien in einer Weise angewandt haben, die von meiner Einschätzung abweicht, aber nachvollziehbar ist, haben Sie die Punkte erhalten. Formulierung C: Diese Frage kann zu Erzählungen anregen, aber sie zielt nur auf Argumente ab und engt das Thema unnötig auf Hartz IV ein. Hier sind verschiedene Einschätzungen möglich. Man könnte auch sagen, dass die Frage schön prägnant ist. Und einige haben – zurecht – angemerkt, dass hier Vorkenntnisse erforderlich sind. Diese sind allerdings bei MitarbeiterInnen der Arbeitsagentur zu erwarten. Häufiger Irrtum: Befragt werden nicht jugendliche Arbeitslose, sondern die MitarbeiterInnen der Arbeitsagentur. Wenn die Antwort trotzdem richtig argumentiert war, wurden Punkte vergeben, aber Argumente wie „passt nicht für Jugendliche“ wurden nicht gezählt. Wenn Sie das missverstanden haben, bemühen Sie sich bitte zukünftig darum, Klausurfragen genauer zu lesen. Ungenaues Lesen kostet in Klausuren häufig viele Punkte. Falsch war es natürlich auch, sich Sorgen darum zu machen, ob bei Variante B möglicherweise Dinge gesagt werden, die nicht zum Forschungsinteresse passen. Da keine Minuspunkte vergeben wurden, und in der Regel auch noch richtige Einschätzungen geäußert wurden, hat sich dieser Fehler aber nur für wenige Personen negativ ausgewirkt.
- Welche zwei Diskursstränge oder Argumentationskomplexe unterscheidet Zimmermann im Diskurs über die gleichgeschlechtliche Ehe in den USA ? Diskursstränge oder Argumentationskomplexe sind thematisch in sich einheitliche Diskursverläufe. In Zimmermanns Untersuchung lassen sich der traditionale und der konstitutionelle Diskursstrang unterscheiden. Im traditionalen Diskursstrang wird der Zerfall der (heterosexuellen) Familie beklagt, welche als Grundpfeiler der US-Gesellschaft gesehen wird. Die Ehe von Homosexuellen wird als weitere Angriff auf die traditionelle Familie interpretiert. Im konstitutionellen Diskursstrang beruft man sich auf die Verfassung, die allen Menschen in den USA die gleichen Rechte gewährt. Die gleich geschlechtliche Ehe fällt gemäß des amerikanischen Individualismus unter das Recht auf selbstbestimmte und freie Lebensführung des Individuums. Häufige Fehler: Wenn Sie sich nicht sicher sind, welches Geschlecht ein von Ihnen rezipierter Autor bzw. in diesem Fall Autorin hat, dann wäre es klug, geschlechtsneutrale Formulierungen zu wählen, statt diese einfach zu einem Mann zu machen. Wenn nur auf „traditionelle Familie“ verwiesen wirde ohne weitere Erklärungen wurden 0,5 Punkte vergeben, weil da immerhin bekannt war, dass das eine Rolle spielte. 0,5 Punkte wenn Diskursstrang richtig definiert aber nicht auf die Studie bezogen wird. Eine abstrakte Definition war aber nicht nötig, um die volle Punktzahl zu erhalten, wenn die Frage inhaltlich richtig beantwortet wurde.
- Erläutern Sie am Beispiel eines Krisenexperiments, was im Interpretativen Paradigma mit der Regelhaftigkeit des Alltagslebens gemeint ist (3 Punkte)! Krisenexperimente wurden z.B. von Garfinkel mit seinen Studierenden durchgeführt. Sie gingen in ein Lokal und als der Kellner die Rechnung brachte, taten sie so, als wüssten sie nicht, was eine Rechnung ist und was „Bezahlen“ bedeutet. Das führte sehr schnell dazu, dass der Kellner die Polizei rief. Je nach Situation kam es auch dazu, dass die Experimentatoren für verrückt erklärt wurden. Diese Experimente zeigen, dass Alltagsinteraktionen auf einem großen impliziten Wissensvorrat aufbauen [der u.a. in Lebenswelten geteilt wird]. Diese Regeln der Interaktion sind keine expliziten Gesetze oder Normen, sondern sie wurden von den Handelnden während der Sozialisation verinnerlicht und sie sind ihnen selbstverständlich. Zugleich sind sie außerordentlich stark bindend. 1 Punkt für die richtige Erklärung eines Krisenexperimentes, 1 Punkt für annährend richtige Erläuterungen dazu, um welche Regeln es geht, und ein weiterer Punkt für elaborierte/theoretisch eingebettete Erläuterungen der Regeln Häufiger Fehler: Einige haben sich zu sehr auf explizit gültige Normen und Sanktionen bezogen. Das Interessante an den Krisenexperimenten ist aber nicht, dass Zechpreller ins Gefängnis kommen, sondern dass die Interaktionspartner völlig verunsichert reagieren, wenn jemand augenscheinlich nicht weiß, wie „man“ richtig mit einer Rechnung umzugehen hat, bzw. was diese überhaupt ist
- Erläutern Sie am Beispiel eines Krisenexperiments, was im Interpretativen Paradigma mit der Regelhaftigkeit des Alltagslebens gemeint ist (3 Punkte)! ...
- Nenne mindestens drei wichtige Zwecke (3Punkte), die ein Erzählstimulus am Beginn eines Interviews erfüllen muss und illustriere diese Zwecke an einem Beispiel (2 Punkte). ● kurzer Bezug zum Thema, das sehr allgemein formuliert ist ● Allgemeine Formulierung des eigenen Interesses ● Mehrfaches Signalisieren von Offenheit und Interesse für alles, was der/die Interviewte relevant findet ● Begründung für das offene Interesse (Die interviewte Person muss verstehen, warum sie so viel erzählen soll) ● Am Ende direkte Erzählaufforderung, so dass direkt eine Erzählung beginnen könnte ➔ 3 davon benennen! - - - - - - ● Also ich hatte Ihnen ja schon gesagt, dass wir uns dafür interessieren, wie Migranten und Migrantinnen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt finden (Vages Thema) ● Es spielen bei dem Thema ja viele Situationen und Geschichten eine Rolle. (Begründung für das offene Thema). ● Und deswegen, interessieren wir uns für Ihre ganze Lebensgeschichte. Also für alle Geschichten und Erlebnisse, die Ihnen einfallen. Sie können auch gerne in aller Ausführlichkeit erzählen. Erfahrungsgemäß reicht die Zeit, die wir jetzt haben, dafür aus und Ich hör Ihnen da gerne zu. (Signalisieren von Offenheit). ● Fangen Sie jetzt bitte an Ihre Lebensgeschichte zu erzählen! (Direkte Erzählaufforderung)
- Eine Form der Generalisierung in der qualitativen Forschung ist die Typenbildung. Erläutern Sie, wie durch eine Typenbildung generalisiert werden kann. (4 Punkte) ● Ein Typus abstrahiert von Einzelf.llen, indem er verschiedene Merkmale, die sinnhaft ineinander greifen, zu einem zusammenh.ngenden Bild zusammenfügt. ● Eine Typenbildung besteht aus mehreren Typen, die sich m.glichst deutlich voneinander unterscheiden sollen. ● Weber spricht u.a. deshalb von Idealtypen, weil Typologien Unterschiede, die in der Empirie nicht ganz so deutlich ausfallen, überzeichnen, um ein analytisch pr.zises Instrument zu schaffen. ● Wenn man eine Typologie erstellt hat, erhebt man damit Anspruch, dass man z.B. wichtige Muster des .bergangs in den Arbeitsmarkt als Typen erfasst hat. Man kann nicht sagen, wie h.ufig diese Typen vorkommen, aber man kann die Typen, die man erfasst hat, in ihrer Sinnhaftigkeit pr.zise analysieren. Es handelt sich also um eine theoretische oder analytische Generalisierung.