Privatrecht 1 (Fach) / Vertragsanfechtung I - Irrtum (Lektion)
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Irrtum
Diese Lektion wurde von 08121984 erstellt.
- Irrtum Irrtum ist die falsche oder fehlende Vorstellung von der Wirklichkeit. - Vgl I/21/6.
- Vertrauenstheorie Nach der Vertrauenstheorie ist eine Erklärung so zu verstehen, wie sie ein redlicher, verständiger und sorgfältiger Erklärungsempfänger - alle (auch ungewöhnlichen) Kenntnisse des wirklichen Erklärungsempfängers eingeschlossen - verstehen musste und durfte, sodass also zu berücksichtigen ist, ob der konkrete Erklärungsempfänger einen eventuell abweichenden Willen des Erklärenden erkannt hat oder erkennen hätte müssen, in welchem Fall der abweichende subjektive Wille des Erklärenden zum Erklärungsinhalt wird. - Vgl I/15/8 ff.
- Erklärungswert einer Erklärung, objektiver Der objektive Erklärungswert einer Erklärung ist nach der Vertrauenstheorie zu ermitteln. Demnach ist die Erklärung aus der Sicht eines objektiv-redlichen Erklärungsempfängers zu betrachten, alle Kenntnisse des wirklichen Erklärungsempfängers, auch soweit sie ungewöhnlich sind, eingeschlossen. Ein objektiv-redlicher Erklärungsempfänger ist, wer sich bemüht, richtig zu verstehen, was der andere will. - Vgl I/11/14.
- Erklärungsirrtum Erklärungsirrtum liegt vor, wenn die objektive Bedeutung der - vom anderen Teil auch so verstandenen - Erklärung vom inneren Willen des Erklärenden abweicht, also eine Divergenz zwischen objektiver Erklärungsbedeutung und subjektivem Willen des Erklärenden besteht. - Vgl I/15/2 und I/21/8 ff.
- Falsa demonstratio non nocet Weicht der übereinstimmende objektive Erklärungswert der Erklärungen vom übereinstimmenden subjektiven Willen der Parteien ab, so wird nicht der übereinstimmende objektive Erklärungswert Vertragsinhalt, sondern der innere übereinstimmende Wille der Parteien (natürlicher Konsens). - Vgl I/21/33.
- Geschäftsirrtum im engeren Sinn Beim Geschäftsirrtum irrt der Erklärende über einen tatsächlichen oder rechtlichen Umstand, der Inhalt des Vertrages geworden ist. Vier Arten des Geschäftsirrtums ieS sind zu unterscheiden: 1) Der Geschäftsirrtum über die Natur des Geschäftes, 2) der Geschäftsirrtum über den Vertragsgegenstand, 3) der Geschäftsirrtum über geschäftsrelevante Eigenschaften des Vertragsgegenstandes und 4) der Geschäftsirrtum über die Person oder geschäftsrelevante Eigenschaften oder Identität der Person des Vertragspartners. - Vgl I/21/11.
- Gestaltungsrecht Gestaltungsrechte verleihen dem Berechtigten die Rechtsmacht, durch einseitige Erklärung, ohne Mitwirkung eines anderen, eine Veränderung der bestehenden Rechtsverhältnisse herbeizuführen. - Vgl I/9/21.
- Geschäftsirrtum über geschäftsrelevante Eigenschaften Geschäftsrelevant sind jene Eigenschaften, die entweder nach der Verkehrsanschauung beim betreffenden Gegenstand gewöhnlich vorausgesetzt werden (vgl auch §922 ABGB) oder von den Parteien besonders bedungen worden sind. - Vgl I/21/15.
- Irrtumsveranlassung durch den Gegner des Irrenden Der Gegner des Irrenden hat den Irrtum nach hA veranlasst, wenn er für den Irrtum adäquat (angemessen) ursächlich war. Adäquat kausal war ein Verhalten, wenn es nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, einen Irrtum hervorzurufen. Verschulden iSv fahrlässigem Verhalten des Vertragspartners des Irrenden ist nicht erforderlich. Entscheidend ist, ob der andere (=Vertragspartner des Irrenden) soviel zur Entstehung des Irrtums beigetragen hat, dass sein Vertrauen auf die Erklärung nicht schutzwürdig ist. - Vgl I/21/27 ff.
- Motivirrtum Der Motivirrtum bezieht sich auf einen Umstand außerhalb des Vertragsinhaltes. - Vgl I/21/18 ff.
- Offenbar auffallen müssen beim Gegner des Irrenden Offenbar auffallen muss der Irrtum, wenn er bei verkehrsüblicher Sorgfalt (= offenbar) erkennbar gewesen wäre oder der Partner wenigstens Verdacht hätte schöpfen müssen.
- Relative Berechnungsmethode Nach der relativen Berechnungsmethode verhält sich der vereinbarte Preis (P) zum geminderten Preis (p) wie der Wert der geschuldeten (mangelfreien) Sache (W), wie sie der Irrende erwerben oder veräußern wollte, zum Wert der tatsächlich erworbenen oder veräußerten (mangelhaften) Sache (w) - (P :p = W :w). - Vgl I/21/42.
- Unwesentlichkeit des Irrtums Ein Irrtum ist unwesentlich, wenn der Vertrag auch bei Kenntnis der wahren Sachlage abgeschlossen worden wäre, aber nur mit anderem Inhalt. - Vgl I/21/36.
- Wesentlichkeit des Irrtums Ein Irrtum ist wesentlich, wenn ohne den Irrtum das Geschäft gar nicht abgeschlossen worden wäre. - Vgl I/21/36.
- Wertirrtum Wertirrtum liegt vor, wenn der Irrende über den Wert oder Preis einer Sache irrt. Der Wertirrtum ist grundsätzlich unbeachtlich (Motivirrtum). Lediglich wenn die Parteien einem Vertrag einvernehmlich den Börsen- oder Marktpreis zugrundegelegt haben (der vereinbarte Preis soll der Marktpreis sein), kann ein GI vorliegen. - Vgl I/21/21.
- Kalkulationsirrtum Kalkulationsirrtum liegt vor, wenn sich eine Vertragspartei bei Berechnung der eigenen Leistungs- bzw Gegenleistungskosten, also bei der Kalkulation irrt. Dieser Irrtum ist grundsätzlich ein Motivirrtum, außer die Kalkulation wurde zum Inhalt des Geschäftes gemacht (Geschäftsirrtum). - Vgl I/21/22.
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- Rechtsfolgenirrtum Rechtsfolgenirrtum liegt vor, wenn sich der Irrende über die Rechtsfolgen seiner Erklärung bzw des daraus resultierenden Vertrages irrt. Der Rechtsfolgenirrtum ist idR Motivirrtum, kann aber auch Geschäftsirrtum sein, wenn die Parteien gesetzliche Vorschriften durch Verweisung zum Vertragsinhalt gemacht haben. - Vgl I/21/23.
- Rechtzeitige Aufklärung des Irrtums Rechtzeitig aufgeklärt ist der Irrtum, wenn der Gegner des Irrenden noch keine rechtlichen oder wirtschaftlichen Dispositionen im Vertrauen auf die Gültigkeit der Erklärung getroffen hat oder die Gelegenheit zu solchen verabsäumt hat (= res-integra-Lehre). Ganz geringfügige Dispositionen, wie zB Briefporto, ausgedruckte Kassenzettel etc, sind dabei aber zu vernachlässigen. - Vgl I/21/31.
- Äquivalenztheorie Der Irrtum war kausal iSd Äquivalenztheorie, wenn der Irrende in Kenntnis der wahren Sachlage den Vertrag nicht in der konkreten Gestalt geschlossen hätte. - Vgl I/21/25.
- Echter Dritter (§ 875 ABGB) Echte Dritte sind alle Personen, derer sich der Vertragspartner NICHT im Rahmen der Verhandlungen als Gehilfen bedient, die also bei der Vertragsvorbereitung oder beim Vertragsabschluss NICHT (bzw nur unbeauftragt) im Interesse des Vertragspartners tätig sind. - Vgl I/21/45 ff.
- Dingliche ex-tunc-Wirkung ex-tunc: Die Rechtslage ist so, als ob der Vertrag nie abgeschlossen worden wäre. Die Aufhebung des Vertrages wirkt auf den Vertragsabschlusszeitpunkt zurück. Dingliche Wirkung: Die dingliche Wirkung der Vertragsanfechtung bezeichnet den Umstand, dass die Anfechtung auch auf den (sachenrechtlichen) Titel zurückwirkt. Da die Übereignung aber entsprechend dem Grundsatz von der kausalen Tradition ein kausales Geschäft ist, wird die zwischenzeitliche Übereignung rückwirkend ungültig. Eigentümer ist daher (noch immer) jener, der die Sache aufgrund des Vertrages übereignen wollte (außer in der Zwischenzeit fand ein gutgläubiger Eigentumserwerb eines Dritten - zB nach §367 ABGB - statt). - Vgl I/21/40.
