Psychologie (Fach) / 03401 - Einführung in die Forschungsmethoden der Psychologie (Lektion)

Vorderseite probabilistischer Kausalerklärungen
Rückseite

Für die Psychologie eignet sich nach Westmeyer (2003, 2006) das Modell probabilistischer Kausalerklärungen nach Humphreys (1989) deutlich besser: Y in S zur Zeit t (tritt auf, lag vor) aufgrund von F trotz I.

Y = ein Ausdruck, der sich auf eine Eigenschaft oder eine Änderung in einer Eigenschaft bezieht.

S = ein Ausdruck, der sich auf ein System bezieht.

F = eine (nicht-leere) Liste von Ausdrücken, die sich auf zu Y beitragende Ursachen bezieht.

I = eine (u.U. leere) Liste von Ausdrücken, die sich auf Y entgegenwirkende Ursachen beziehen.

Beispiel: „Bei Kurt stellte sich Redeangst ein als er vors Publikum trat, da er seine Schwiegereltern und seinen Erzrivalen bemerkte, trotzdem er ein Experte auf seinem Gebiet war.“

Bedingungen:

Damit etwas Ursache ist, muss es unveränderlich eine Wirkung hervorrufen.

Probabilistische Ursachen erzeugen Änderungen in der Auftrittswahrscheinlichkeit der Wirkung: zu Y beitragende Ursachen erzeugen eine Zunahme, Y entgegenwirkende Ursachen erzeugen eine Abnahme der Auftrittswahrscheinlichkeit von Y.

Der entscheidende Punkt an diesem Erklärungsmodell ist, dass „F trotz I“. Dabei handelt es sich um Listen der zu Y beitragenden bzw. Y entgegen-wirkenden Ursachen. Demnach könnte ein Ereignis A nur dann als Ursache bezeichnet werden, wenn:

A zeitlich vor B liegtA und B kovariierenfür das Auftreten von B nur das Eintreten von A verantwortlich ist

Die letzte Forderung ist für die meisten psychischen Phänomene, z.B. psychische Störungen nicht erfüllbar, da sie von mehreren Bedingungen abhängen, die teilweise gar nicht mehr rekonstruierbar sind → multikausale Bedingtheit psych. Phänomene.

Vorhersage: Wenn Gesetzesaussagen bekannt sind und Antezedensbedingungen (bestimmte Randbedingungen für psychologische Theorien) korrekt diagnostiziert werden können, dann ist eine Vorhersage möglich. Wegen der vorher genannten Merkmale von Gesetzen im psychischen Phänomenbereich (Wahrscheinlichkeitsaussagen, Multideterminiertheit, mangelnde Rekonstruierbar-keit) sind aber keine 100%, deterministischen Vorhersagen, sondern lediglich Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich.

Veränderung: Psychische Phänomene können zumeist nicht einfach durch „Umkehrung“ ihrer Entstehungsbedingungen verändert werden, da die Bedingungen und Prozesse, die zur Entstehung eines bestimmten Merkmals beigetragen haben, nicht vollständig rekonstruierbar sind. Besondere Methoden u. Kontextbedingungen, wie sie z.B. im Rahmen von Psychotherapie oder Coaching-Maßnahmen geschaffen werden, sind erforderlich, um einmal etablierte habituelle Merkmale u. stabile Verhaltensmuster zu verändern.

Praktisch-psychologische Tätigkeit sind nicht gleichzusetzen mit der direkten Anwendung grundwissenschaftlicher Theorien.Theorien und enthaltene Gesetze gelten nur unter den Ideal-Bedingungen, unter denen sie aufgestellt und geprüft wurden.Praktisch-psychologisches Handeln unterliegt noch vielen anderen Kontext-bedingungen, die in der psych. Forschung niemals für jeden vorstellbaren Einzelfall berücksichtigt werden können.Theorien haben für die Praxis deshalb heuristische Funktion und können Problemlösungen stimulieren.Sie können zu einer relativ rationalen Rechtfertigung praktisch-psych. Handelns beitragen.

Diese Karteikarte wurde von narzissenstern erstellt.