Klinische Psychologie Abschlussprüfung (Fach) / 8) Generalisierte Angststörung (Lektion)
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Phänomenologie, ätiologische Modelle und Therapieverfahren
Diese Lektion wurde von zenajozika erstellt.
- Beschreibung der GAS Das zentrale Merkmal der GAS sind ständige unkontrollierbare Sorgen und Befürchtungen, die zur psychischen und körperlichen Beeinträchtigung führen. Die Betroffenen sind grüblerisch, überbesorgt und pessimistisch bezüglich alltäglicher Ereignisse und geplagt von Erwartungsängsten. Es besteht ein ständig erhöhtes Angstniveau, das meist keine Panikattacken, jedoch eine motorische Anspannung und vegetative Symptomatik bewirkt. Als Kern der Störung wird exzessive Angst und Sorge über mehere Lebensumstände angesehen, die nicht unter Kontrolle gebracht werden können, so dass mindestens drei von sechs körperlichen Begleitsymptome häufig auftreten: Ruhelosigkeit, leichte Ermüdbarkeit, Konzentrationsstörungen, Muskelanspannung und Schlafstörungen. Es dominieren somit zentralnervöse Symptome (Erregung und Anspannung). Die vegetativen Symptome (Herzklopfen, Atemnot, Schwitzen, Übelkeit, Kloß im Hals) wurden im Gegensatz zu ICD-10 im DSM IV als unspezifisch rausgenommen. Typische Sorgenthemen betreffen die eigene Gesundheit, die Gesundheit nahe stehender Personen, Arbeit, Schule, Ausbildung, zwischenmenschliche Beziehungen, Familie, gesellschaftliche Probleme, Weltgeschehen, Umwelt oder auch ganz alltägliche Angelegenheiten. Die übermäßigen und unkontrollierbaren Sorgen in mehreren Bereichen sowie die einige Begleitsymptome müssen in den letzten 6 Mon. an Mehrzahl der Tage aufgetreten sein und zu deutlichen Beeinträchtigung führen. Personen mit generalisierter Angststörung und Gesunde unterscheiden sich hinsichtlich der Themen und Inhalte ihrer Sorgen nicht – was sich jedoch unterscheidet sind Dauer, Intensität Kontrollierbarkeit der Sorgen Beeinträchtigung durch die Sorgen die Anzahl assoziierter Symptome.
- DSM IV Kriterien der GAS A. Übermäßige Angst und Sorge (furchtsame Erwartung) bezüglich mehrerer Ereignisse oder Tätigkeiten (wie etwa Arbeit oder Schulleistungen), die während mindestens 6 Monaten an der Mehrzahl der Tage auftreten. B. Die Person hat Schwierigkeiten, die Sorgen zu kontrollieren. C. Die Angst und Sorge sind mit mindestens drei der folgenden 6 Symptome verbunden (wobei zumindest einige der Symptome in den vergangenen 6 Monaten an der Mehrzahl der Tage vorlagen)... (1) Ruhelosigkeit oder ständiges „auf dem Sprung sein“, (2) leichte Ermüdbarkeit, (3) Konzentrationsstörungen oder Leere im Kopf, (4) Reizbarkeit, (5) Muskelspannung, (6) Schlafstörungen (Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten oder unruhiger, nicht erholsamer Schlaf) E. Die Angst, Sorge oder körperlichen Symptome verursachen in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen Funktionsbereichen F. Geht nicht auf die Wirkung einer körperlichen Substanz zurück und tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer affektiven Störung, einer psychotischen Störung oder einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung zurück
- Ätiologie der GAS GAS kann in jedem Alter entstehen und beginnt meist schleichend. Beginn im späten Erwachsenenalter wird durch negative Lebensereignisse begünstigt. Die Entstehung der generalisierten Angststörung kann, wie die anderer psychischer Störungen auch, im Moment durch Vulnerabilitäts-Stress-Modelle am besten erklärt werden. Neurobiologische Faktoren Relevante Neurotransmittersysteme bei GAS sind: GABA-System (reduzierte GABA-A-Rezeptor Sensitivität / Mangel an hemmenden Neurotransmittern) → Therapie mit Benzodiazepinen Serotonerges System (Reduzierte Transmitterlevel in der cerebrospinalen Flüssigkeit bzw. reduzierte postsynaptische Sero-toninfunktion/Rezeptorsensitivität) → Therapie mit SSRI Noradrenerges System (Reduzierte Rezeptorsensitivität) → Behandlung mit SNRI Hinweise auf eine erhöhte Aktivität in verschiedenen Hirnregionen (- Frontalkortex: Sorgen; - Basalganglien: motorische Anspannung;- Thalamus: Hypervigilanz;- Temporallappen: autonome Veränderungen. ) Reduzierte Autonome Variabilität bei GAS: Das Modell des centralen autonomen Netzwerkes (CAN): das CAN erhält und integriert viszerale, humorale und Umgebungsinformationen und koordiniert endokrine, autonome und verhaltensbezogene Reaktionen. Die Hemmung dieses Systems über die GABA Interneurone scheint bei GAS-Patienten nicht ausreichend zu funktionieren. Diese Disinhibition führt zu einem typischen ständigen Gefühl "auf dem Sprung sein" → dies wird in Zusammenhang mit einer geringen Herzratenvariabilität in Zusammenhang gebracht. Es liegen jedoch bis jetzt zu wenige Studien in diesem Bereich vor, und es gibt viele offene Fragen und uneindeutige Befunde Psychologische Faktoren Erziehungsstil der Eltern: kritisch, ablehnend, zurückweisend, aber auch überbehütet, kontrolliert (jedoch inkonsistente Befundlage und eher für alle Angststörungen typisch); unsicherer Bindungsstil zu der Bezugsperson mehrere ungünstige bedrohliche negative Ereignisse (Befunde basieren jedoch auf Korrelativen Studien) Unsicherheit-Intoleranz: keine absolute Sicherheit zu haben, dass etwas befürchtetes nicht eintritt können die GAS-Patienten schwer aushalten → Rückversicherungsverhalten Probleme in der Informationsverarbeitung: stärkere Wahrnehmung von Gefahrenreizen und stärkere Reaktion auf die wahrgenommene Gefahrenreize. Dies führt zur Vermeidung des starken Stress und physiologischer Erregung durch Vertiefung in den Prozess der die Sorgen ("Vermeidungstheorie der Sorgen", erregungsmodulierende Funktion von Sorgen). Außerdem folgende Bias in der Informationsverarbeitung: Mehrdeutige Situationen werden als bedrohlich interpretiert Bedrohliche Informationen werden schneller enkodiert als nicht bedrohliche Informationen (Gedächtnisbias) Geringeres Vertrauen in die Problemlösung, geringe wahrgenommene persönliche Kontrolle Längere Entscheidungsprozesse, Umfangreicheres Sammeln von Beweisen (inadequate Problemlösung) Es wird davon ausgegangen, dass diese in der Kindheit erworbenen kognitiven Schemata später unter Stressereignissen aktiviert werden können. 5. Positive Annahmen über die Sorgen führen zu ihrerAufrechterhaltung ("Sorgen schützen mich vor Enttäuschungen") 6. Sorgen stellen auch eine Art der kognitiven Vermeidung dar: dadurch werden negative Emotionen gedämpft indem man die Verarbeitung der negativen Stimuli durch das Flüchten in den Sorgenprozess verhindert. → die physiologische Reagibilität wird auf diese Weise reduziert. → Aufnahme und Verarbeitung korrektiver Informationen ist problematisch, da die kognitive Anteile der Furchtstruktur ständig aktiviert werden, was zu einer mangelnden Habituation an angstauslösende Situationen führt → Sorgen nehmen Wiederholungscharakter an. Der Versucht die Sorgen zu unterdrucken oder zu kontrollieren ist meist nicht wirksam und verstärkt sie nur.
- Therapie der GAS Informationsvermittlung Hier werden allgemeine Informationen über Angst sowie spezielleInformationen zur GAS gegeben. Das Bedingungsmodell der Störung wird vermittelt und die Patienten werden angeleitet, sich mittels »Sorgentagebüchern «selbst zu beobachten. Dieser Baustein ist Bestandteil jeder Therapie der GAS. Konfrontationsverfahren Bei der Konfrontation wird vermittelt, dass Angst (oder auch andere starke Emotionen) nicht bekämpft werden muss, dass sie vielmehr zugelassen werden kann. Angst vergeht von alleine, ohne begrenzt oder kontrolliert werden zu müssen. Bestandteile der Sorgenexpositionsbehandlung:1. Psychoedukation 2. Vermittlung der grundlegenden Therapieprinzipien 3. Konfrontationsübungen (zunächst in sensu, dann ergänzend in vivo) 4. Rückfallprophylaxe 1. Sorgenkonfronation in sensu Die Sorgenkonforntation in sensu zielt vor allem auf die Veränderung der eingesetzten Strategien eines Patienten ab, die er bis dahin zur Verringerung der Sorgen (Ablenkung, Gedankenstopp, Sorgenketten, Sorgen in Gedanken statt Bildern) und der damit einhergehenden fehlenden emotionalen Verarbeitung angewendet hat. 2. Sorgenkonfrontation in vivo Ziel ist der Abbau von Vermeidungs- und Rückversicherungsverhalten. Sorgenkonfrontation in sensu und in vivo folgen nacheinander undwerden stets kombiniert. Kognitive Verfahren Verschiedene kognitive Techniken wie Realitätsprüfung, »Entkatastrophisieren« und Umgang mit den Meta-Sorgen oder auch die angewandten Entspannung können in bestimmten Fällen zusätzlich zur Sorgenkonfrontation angewendet werden. Auch für sich alleine, z. B. in Kombination zu einer kognitiven Therapie bei einer komorbiden Depression, kann diese Intervention sinnvoll sein. Bsp: · Rational-emotive Therapie (ELLIS) Patienten lernen Annahmen, die allumfassende Ängste auslösen, herauszufinden und zu verändern. ð mäßige Wirksamkeit · Änderung der automatischen Gedanken (BECK) Therapeut hilft, automatische Gedanken, die auf fehlangepassten Annahmen beruhen, zu erkennen und deren Gültigkeit zu prüfen. ð ähnelt dem Ansatz von ELLIS, ist nur etwas systematischer. ð Evtl. wirksamste Behandlungsform für generalisierte Angststörung. Angewandte Entspannung nach Öst Es wird Copingstrategie vermittelt, eine Fähigkeit, die die Ängste verringern oder sogar beseitigen soll. Die Angewandte Entspannung beinhaltet ein Trainingsprogramm, in dem der Patient lernt, sich in sekunden-schnelle zu entspannen, sobald er erste Anzeichen vonAngst verspürt. Es handelt sich dabei um ein von Öst (1987) entwickeltes, spezielles Entspannungstraining, das auf der progressiven Muskelrelaxation (PMR) nach Jacobsen (1938) aufbaut. Beste Wirksamkeit in Kombinationen mit kognitiven Techniken. Zu beachten ist dabei, dass nicht alle Therapiebausteine miteinander kombiniert werden können. So sollte nicht angewandte Ent-spannung gemeinsam mit einer Konfrontationsbehand-lung durchgeführt werden, da sich ihre Rationale wider-sprechen. Angstlösende Medikamente · Benzodiazepine ð werden am häufigsten verordnet ð reduzieren Angst, in dem sie die Fähigkeit von GABA verbessern, körperliche Erregung abzubauen ð verstärken zusätzlich Wirksamkeit psychotherapeutischer Verfahren ð ABER: - keine dauerhafte Besserung d.h. nach Absetzen sofort wieder Ängste - unerwünschte Nebenwirkungen (körperliche Abhängigkeit bei hohen Dosen und längerer Behandlungszeit sowie Schläfrigkeit, Depression, Aggression etc.) - Potenzierung toxischer Wirkung anderer Substanzen (z.B. Alkohol) durch Benzodiazepine · Betablocker ð reduzieren Angstsymptome wie z.B. Palpitationen, Zittern · Azaspirone ð ähnliche Wirksamkeit wie Benzodiazepine, aber geringeres Suchtpotenzial!
- Orientierungsfrage bei GAS waren sie in den letzten 6 Monaten besonders nervös oder ängstlich? Leiden Sie häufig unter übermäßig starken Sorgen, die Sie nicht oder nur schwer kontrollieren können? (z.B. Sorgen wegen Familie, Beruf, Finanzen etc.)