Jura (Fach) / Zivilrecht (Lektion)

Vorderseite Verwendungsersatz § 994 BGB
Rückseite
1. Drei Tatbestände

Es gibt drei verschiedene Tatbestände für Verwendungsersatz des Besitzers ohne Besitzrecht:

  1. Ersatz notwendiger Verwendungen bei Gutgläubigkeit, § 994 Abs. 1 BGB.
  2. Ersatz notwendiger Verwendungen nach Rechtshängigkeit bzw. nach Kenntniserlangung von dem fehlenden Besitzrecht nach den Regeln der GoA, §§ 994 Abs. 2, 683, 670 bzw. 684 S. 1, 818 BGB.
  3. Ersatz nützlicher Verwendungen gem. § 996 BGB bei
  4. + Gutgläubigkeit und + Wertsteigerung der Sache zum Zeitpunkt der Wiedererlangung durch den Eigentümer. (fehlt im Flussdiagramm oben)

2. "Verwendung" gem. § 994 BGB
a) Definition

= Vermögensaufwendungen, die der Erhaltung, Wiederherstellung und Verbesserung der Sache dienen. Es kommt nicht auf die Bereicherung des Eigentümers an. Enger Verwendungsbegriff des BGH: Nur Aufwendungen zur Erhaltung der Sache. Umgestaltung ist keine Verwendung gem. § 994 BGB, aber wegen Vorrang des EBV auch kein §§ 951, 812 BGB; allenfalls Entschädigungsanspruch gem. § 242 BGB, wenn Abriss des Hauses aus öffentlich-rechtlichen Gründen verboten ist. Grenzüberbau - BGH 26.2.64 BGHZ 41, 157.

Nicht so eng wird der Verwendungsbegriff bzw. die Konkurrenz zu § 812 BGB gesehen, wenn ein Mieter in Erwartung des Eigentumserwerbs Bauten auf dem Grundstück errichtet. In diesen Fällen wird auch der Hausbau als Verwendung angesehen, dessen Kosten zumindest über Bereicherungsrecht heraus verlangt werden können.

Bad Doberan Einkaufszentrum - BGH 22.6.2001 - V ZR 128/00, NJW 2001, 3119 = JuS 2001, 1226: Die Erwerber machen gegen den Herausgabeanspruch ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 2,3 Mio DM wegen Aufwendungen zur Herrichtung des Grundstücks geltend, nachdem der Kaufvertrag über das Grundstück rückgängig gemacht worden ist. BGH: AGL: § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative (condictio ob rem), § 818 Abs. 2 BGB. Da es sich um ein rechtmäßiges Besitzverhältnis gehandelt hat, wird nicht das Eigentümer- Besitzer-Verhältnis angewandt, sondern Bereicherungsrecht (mangels eines förmlichen Mietvertrags). Es kommt dann allerdings im Gegensatz zu § 994 BGB auf die noch vorhandene Wertsteigerung des Grundstücks an.

Kaufoption - BGH 29.9.1995 - V ZR 130/94, NJUW 1996, 52 = JuS 1996, 359: Bei formnichtiger Kaufoption und deshalb auch formnichtigem Mietvertrag wird bei Bau des vermeintlichen Mieters auf fremdem Boden § 994 BGB angewandt.

b) Geldwerte Arbeitsleistung des Besitzers?

(1) Bisher wurde sowohl im Schadensrecht als auch im Bereich der Verwendungen sehr zurückhaltend die eigene Arbeitsleistung anerkannt. Dies war höchstens der Fall, wenn sie im Rahmen des Berufs oder Gewerbes erbracht wird. Ablehnend im Schadensrecht: BGH 29.4.77 BGHZ 69, 34. Dagegen auflockernd die später Rechtsprechung, die Haushaltsführung der Ehefrau und Pflegeleistungen an verletzten Kindern als Schaden anerkannten. Für die Arbeitskraft muss sich ein Marktwert ermitteln lassen. - Anders ist die Problematik im Schadensrecht, wenn es um den Ausfall der Arbeitskraft als solcher geht (kein Schaden). (2) Nunmehr hat der BGH eine Wendung vollzogen: Die geldwerte tatsächliche Arbeitsleistung ist auch eine Verwendung (BGH 24.11.95 BB 1996, 658). Der Besitzer kann sogar den Einsatz seines Partners geltend machen, wenn dieser für ihn die Verwendung vorgenommen hat.

c) Umfang der zu erstattenden Aufwendungen

Erhaltung, Wiederherstellung , Verbesserung:

Generalüberholung -OLG Celle 10.11.94 NJW-RR 1995, 1527 = JuS 1996, 266: Der Beklagte hat ein Auto Bj. 1980 für 6.500 DM von einem S. erworben. Im Kfz-Brief stand der Name der Klägerin und ihr Geburtsname, der auch S. lautete. Die Klägerin verlangt Herausgabe, der Beklagte Erstattung von Kosten einer Generalüberholung in Höhe von 14.000 DM.

3. "Zeitpunkt der Vindikationslage"

Es werden auch Verwendungen berücksichtigt, die vor dem Zeitpunkt gemacht wurden: Autoreparatur (EBV) - BGH 21.12.60 BGHZ 34, 122 und 34, 153; Mazda323 - BGH 25.2.87 NJW 87, 1880 = JuS 87, 655 .

Anspruch des Reparaturunternehmers, der eine unter Eigentumsvorbehalt gekaufte Sache für den Käufer repariert, wenn später der Verkäufer vom Vertrag zurücktritt:

(1) BGH: Kein gutgläubiger Erwerb des gesetzlichen Pfandrechts (§ 647 BGB), aber Verwendungsersatz und Zurückbehaltungsrecht gem. §§ 1000, 994 Abs. 1 S. 1 BGB - obwohl der Unternehmer rechtmäßiger Besitzer war und erst durch den Rücktritt des Verkäufers zum nichtberechtigten Besitzer wurde (BGH 21.12.60 BGHZ 34, 122).

(2) §§ 647, 185 BGB analog: In der Regel verpflichtet sich der Käufer im Kaufvertrag, die unter Eigentumsvorbehalt gekaufte Sache - soweit erforderlich - reparieren zu lassen. Insofern gibt der Verkäufer seine Einwilligung zur einem Verhalten des Käufers, das zur Entstehung des Unternehmerpfandrechts kraft Gesetzes (§ 647 BGB) führt (Medicus BR Rn. 594).

(3) Gutgläubiger Erwerb des Unternehmerpfandrechts (ähnlich dem rechtsgeschäftlichen Pfandrecht gem. §§ 1204, 1207, 932 BGB), zumal in § 366 Abs. 3 HGB der Gesetzgeber bei anderen gesetzlichen Pfandrechten einen Gutglaubenserwerb zugelassen hat.

Autoreparatur (EBV) - BGH 21.12.60 BGHZ 34, 122 und 34, 153: V hat K ein Auto unter Eigentumsvorbehalt verkauft. Nach einem Unfall wird der Wagen in der Werkstatt des R repariert. K kann die Kaufpreisraten nicht mehr bezahlen. V tritt vom Kaufvertrag zurück und verlangt von R das Auto heraus. 1. Kann R die Herausgabe verweigern, bis die Reparaturkosten von 1.000 DM bezahlt sind? 2. Ändert sich an der Beurteilung etwas, wenn R sich in seinen AGB ein Pfandrecht an den reparierten Autos vorbehalten hat? (BGH 4.5.77 NJW 1977, 1240 = BGHZ 68, 323 = JuS 1977, 764 - Austauschmotor; BGH 18.5.83 NJW 83, 2140 = BGHZ 87, 274 = JuS 83, 879 - Magirus-Deutz; BGH 25.2.87 NJW 1987, 1880 = BGHZ 100, 95 = JuS 1987, 655 - Mazda323).

4. Verrechnung von Aufwendungen (§ 994 BGB) gem. Saldotheorie

Scheingrundstückskauf BGH 11.11.94 NJW 95, 454: Der Kläger verkaufte mit notariellem Vertrag vom 4. 5. 1990 sein Grundstück für den beurkundeten Betrag von 200.000 DM an den Beklagten. Dieser zahlte den Betrag umgehend. Vom 1. 8. 1990 bis zum 30. 4. 1991 vermietete der Bekl. das Grundstück für 1.800 DM monatlich. Im Juli 1990 stellte sich heraus, dass der beurkundete Kaufpreis von den Parteien einverständlich zu niedrig angegeben wurde. Tatsächlich hatten sich die Parteien vor Abschluss des notariellen Vertrags auf einen Kaufpreis von 265.000 DM geeinigt, jedoch weigerte sich der Bekl., die restlichen 65.000 DM zu zahlen. Nun verlangt der Kl. Herausgabe des Grundstücks, Zustimmung zur Löschung der eingetragenen Auflassungsvormerkung (§ 883 I BGB), sowie die Zahlung von 16.200 DM nebst 4% Zinsen ab Rechtshängigkeit.

Mietablauf - BGH 14.7.95 NJW 1995, 2627 = JuS 1996, 169 = JA 1996, 179.

5. Nach Ablauf des Mietverhältnisses

Die Konkurrenz der Ansprüche aus Vertrag (§ 539 BGB), EBV (§ 994) bzw. Kondiktion (§ 812 BGB) ist zu beachten:

Abrisshaus: Ein Abrisshaus wird besetzt. Können die Besetzer für Renovierungsleistungen beim Auszug Ersatz vom Eigentümer verlangen? AGL: § 994 Abs. 2, 683, 670 BGB: a) Eigentum. b) Besitz. c) Kein Recht zum Besitz. d) Notwendige Verwendung. e) Zur Zeit der Vindikationslage. f) Kenntnis des fehlenden Besitzrechts (§ 994 Abs. 2 BGB). g) Kein Wille des Geschäftsherrn. h) §§ 684 S. 1, 818 Abs. 1 BGB: Herausgabe der Bereicherung. i) Aber: Problem der aufgedrängten Bereicherung: Welchen Nutzen hat die Renovierung für den Eigentümer?.

Kaufoption - - BGH 29.9.95 NJW 1996, 52 = JuS 96, 359: B hatte von K ein Grundstück gemietet. In dem privatschriftlichen Mietvertrag war dem B eine Kaufoption bis zum Ende des Mietvertrags eingeräumt. Diese Option war für B wichtig, weil er größere Investitionen plante. B hatte Baumaßnahmen im Wert von 582 TDM vorgenommen, davon 82 TDM für notwendige Reparaturen, den Rest für Anbauten. K verkauft jedoch das Grundstück nach Ablauf des Mietvertrags an X. B verlangt - nachdem X als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist - von K 582 TDM.

Zehn-Jahres-Mietvertrag - OLG Düsseldorf 20.1.94 NJW-RR 1994, 596 = Börstinghaus JuS 1995, 727: Der Kläger vermietete leere Gaststättenräume für 80 DM monatlich an den Beklagten für 10 Jahre (bis zum 28.2.94). Der Beklagte richtete die Räume für 30.000 DM ein und vermietete sie weiter für 395 DM an Frau Meyer. Ab 1.1.95 betrug der Mietpreis 500 DM. Trotz Kündigung des Klägers zum 28.2.94 gab der Beklagte die Mieträume erst nach einer Räumungsklage zum 1.1.95 zurück und zahlte weiterhin 80 DM Miete. Der Kläger schloss zum 1.1.95 mit Frau Meyer einen Vertrag über 700 DM Monatsmiete. Er verlangt vom Beklagten Nachzahlung von 5000 DM Miete für März bis Dezember 1994. 80 DM hatte er schon abgezogen, da er seinen Anspruch auf 580 DM bezifferte. 120 DM setzte der Kläger für die Nutzung des Inventars des Beklagten an, das nach 10 Jahren schon weitgehend verschlissen war. Eine ortsübliche Vergleichsmiete konnte der Kläger nicht benennen.

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